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Unverfügbar?

Verfasst: 29.06.2025, 16:53
von U_d_o
Während meiner mittlerweile eineinviertel Jahre andauernden Marathonabstinenz "arbeitete" ich daraufhin am 15. Juni beim Europa Marathon in Görlitz ein Comeback zu feiern. Stets neue Zuversicht nach diversen Rückschlägen schien es endlich in greifbare Nähe zu rücken. Vier Wochen vor dem Lauf warf mein Körper mir dann wieder Knüppel zwischen die Beine. Trotzdem reiste ich an, um zwei Läuferinnen zu unterstützen, neben denen ich ursprünglich selbst antreten wollte. Wie es den Frauen in Görlitz und mir ganz allgemein erging, steht wie immer hier.

Grüße an alle (die mich hoffentlich noch nicht abgeschrieben haben). :hallo:

Udo

Re: Unverfügbar?

Verfasst: 02.07.2025, 21:31
von blade_runner
Vielen Dank Udo, das Du Dich weiterhin meldest, gerade wenn sich nicht Finish an Finish reiht. Du gibst dem Forum sehr viel. Das dünne Feedback hier wundert mich etwas. Aufgeben gilt nicht und Du bist sowieso nicht so gestrickt. Wünsche Dir alles Gute und mein einziger Tipp wäre (zwischendurch) Gehen ist keine Schande. 😀
PS. Wir sind uns vor Jahren nur 1x beim FDZU laufend "begegnet"

Re: Unverfügbar?

Verfasst: 08.07.2025, 10:58
von U_d_o
Hallo Blade_runner,

:sorry:

fast schäme ich mich ein wenig auf dein willkommenes Feedback zu antworten. Wie so oft (oder zu meiner Schande sogar: wie meistens) kann ich mich an diese Begegnung mit dir beim FDZU nicht mehr erinnern. Trotz durchaus fortgeschrittenen Lebensalters mache ich dafür keine krankhafte Veränderung meines Gedächtnisses verantwortlich. Eher schon eine angeborene Vergesslichkeit, dazu Unachtsamkeit, wenn ich laufend unterwegs war und nicht zuletzt eine Überforderung durch Eindrücke und Begebenheiten. Vielleicht kannst du mir ja auf die Sprünge helfen, an welcher Stelle wir uns dort auf den 115 Kilometern der wunderschönen Strecke über den Weg liefen. Eventuell schon frühmorgens, noch im Dunkeln, vorm und am Start? Dann hätte ich wenigstens eine Entschuldigung.

Hach ja, der FDZU - Fischland-Darss-Zingst-Ultramarathon: Wenn ich jetzt vom Monitor aufblicke, zur Schranktür, hinter der meine Laufkleidung hängt und hunderte Finishertrikots um Benutzung betteln, dann fällt der Blick auf ein Poster, dass ich mir nach dem FDZU habe anfertigen lassen. Immerhin war das mein 100. Ultramarathon und damit ein Grund zu noch mehr Freude als gewöhnlich (sh. Bild).

Natürlich gebe ich nicht auf und wehre mich mit allen Fasern gegen die Verluste an Kraft und Ausdauer, die das Älterwerden mit sich bringt. Und natürlich gebe ich in der augenblicklichen Phase meiner "Rekonvaleszenz" auch das Ziel Marathon noch nicht preis. Allerdings habe längst realisiert, dass die Belastbarkeit des operierten Knies wohl nicht darüber entscheiden wird, ob Marathon für mich noch - wie nur drücke ich aus, was ich sagen will?? - also: ob Marathon für mich noch ausreichend Spaß am Laufen bringen kann.

Lass es mich erklären: 2023 machte ich mich ein letztes Mal auf, um die 100 Meilen Berlin auf dem Mauerweg zu laufen. Und, wenn ich laufen schreibe, dann meine ich auch laufen. Ich schaffte es tatsächlich die Strecke zu 100 Prozent zu laufen. Von Gehunterbrechungen zum Trinken oder Verpflegen abgesehen, weil ich dafür ab einem bestimmten Grad der Ermüdung einfach nicht mehr genügend Konzentration in der Laufbewegung aufbringe. Die 100 Meilen Berlin, der Mauerweg, lag mir stets am Herzen, ganz nah!, und war deshalb so etwas wie mein Lieblingslauf. 2022 war ich ein paar Stunden an der Strecke, um einen Freund zu supporten. Seinerzeit merkte ich, dass ich mit dem Mauerweg noch nicht durch bin. Dass ich ihn noch einmal, als Abschiedstour, laufen möchte. Es kostete mich unendlich Kraft, mich ein letztes Mal für eine so lange Strecke zu konditionieren. Ich hatte vor mir und der Welt schon vorab verkündet, dass nach dieser Auflage kein Ultra mehr für mich infrage kommen würde, der mehr als 100 km erfordert. Ein Abschied also. Ein Abschied, an den ich mich zwar gern erinnere, dessen stundenlange Qualen mir aber die Richtigkeit des künftigen Verzichts tief ins Hirn schnitzte. Weil: 2014 lief ich die 100 Meilen erstmals. Zeit damals 17:18:55 h und platzierte mich unter den ersten 20 Finishern. Ohne zweimaliges Verlaufen wäre sogar eine Zeit unter 16 h drin gewesen. 2023 lief ich die Runde zum vierten Mal, jetzt in einer Zeit von 26:43:08 h. Das sind die nackten Zahlen. Der erste Lauf blieb mir als mein sportlich bester Wettkampf von allen Ultras im Gedächtnis. Ich hatte noch weit hinter 100 km manchmal das Gefühl von Grenzenlosigkeit, so gut war ich drauf. 2023 war das ganz anders: Schon nach etwa 8 Stunden fühlte ich mich ausgebrannt, dem Ende nahe. Begann mich zu quälen. Über zig Stunden rang ich mir ab, was an Energie nötig war, um einen Fuß tippelnd vor den anderen zu setzen. Die Pausen an den VP's wurden immer länger und gegen Ende musste ich allen Willen investieren, um mich vom VP zu verabschieden und weitere Laufschritte zu setzen. Mal abgesehen davon, dass dergleichen nicht gesund sein kann - es ist weit davon entfernt auch nur einen Funken Freude zu vermitteln. Keines meiner Ultrafinishs war ohne zu leiden ab einem bestimmten Zeitpunkt möglich gewesen. Auch der FDZU nicht. Doch dieses Leiden setzte jeweils "spät" ein und ich habe das immer als notwendig/unausweichlich/Sportart-immanent und meine Art zu laufen akzeptiert. Doch mein Mauerwegfinale 2023 erlebte ich über wenigstens 15, 16 Stunden als pure Tortur. Und so stellte sich neben der Gesundheits- auch die Sinnfrage. Und ich habe sie für mich eindeutig beantwortet: Ich will das nicht! Nicht so! Und nun fürchte ich derzeit eben, dass mir die Marathonstrecke ähnlich begegnen könnte, wenn ich mich in - hoffentlich - naher Zukunft wieder darauf einlasse.

Den größten Widerstand setzt meinem Training derzeit nicht das Knie entgegen. Zur Stunde, die letzten Tage, nach den letzten Trainings, die fordernd waren, schweigt es sogar weitgehend. Manchmal ist es wie früher: Da war mir gar nicht bewusst beim Laufen, dass ich überhaupt so etwas wie Knie am Körper habe. Der größte Widerstand geht von der fehlenden Energie aus, vom Unvermögen Ausdauer in all den Facetten zu verbessern, die man verbessern muss, um halbwegs "komfortabel" Marathon zu laufen. Und nach wie vor bleibt mein Credo, dass ich nur dann Marathon weiter laufen werde, wenn ich das auch über komplette 42.195 Meter mit Laufschritten tun kann. Gehen ist keine Option. Gehen würde mir - ich kenne mich - miese Laune machen. Den Lauf zu genießen ist aber immer Hauptzweck gewesen, was nur geht, wenn er mir Freude bereitet - wenigstens während der meisten mit Laufen verbrachten Zeit. Auch die fehlende Robustheit/Stabilität meines Bewegungsapparates wiederaufzubauen ist eine harte Aufgabe. Und ich weiß nicht, ob mir das Gelingen wird. Fakt ist, dass ich während der erzwungenen Laufpause von summa summarum etwa 4 Monaten viel Gewicht auf und entsetzlich viel laufspezifische (!) Muskelmasse abgebaut habe. Beides hängt natürlich auch mit dem Alter zusammen. Während ich dem natürlichen Muskelschwund über viele Jahre durch permanentes Training und pausenlose Wettkämpfe gut widerstehen konnte, hat er in diesen drei Monaten brutal zugeschlagen. Use it or lose it - sagt der Engländer und ich weiß erst seit der Meniskuszäsur, die mich jenseits der 70 Lebensjahre erwischte, was das genau bedeutet.

Also kämpfe ich weiter, versuche mich auf M-Reichweite zu bringen. Ich lasse mir nun noch mehr Zeit dafür. Irgendwann bin ich soweit und laufe. Und dann wird sich weisen, ob Marathon noch "geht". Geht in dem Sinne, dass es mir lange genug Spaß macht, bevor das Leiden beginnt. Dass ich eben nicht entscheide: Ich will das nicht mehr! Nicht so!

Dir alles Gute auf allen Wegen.

Herzlichen Gruß

Udo