Laufwochen mit run2gether: Viel mehr als Höhentraining!
Verfasst: 09.08.2013, 12:44
Hallo liebe Lauffreunde!
Nachdem ich diese Woche aus Österreich von der Turracher Höhe auf rd. 1.800 Höhenmetern ins norddeutsche Flachland zurückgekehrt bin, muss ich Euch von meinem „schönsten Ferienerlebnis“ berichten. Ich habe zwei Wochen am Laufcamp von run2gether teilgenommen, wo ich mit kenianischen Spitzenathleten trainieren durfte. Es war einfach der Hammer! Ich bin um viele sportliche und menschliche Erfahrungen reicher! Hier die Einzelheiten:
I. Wer ist run2gether?
run2gether ist ein österreichischer Verein, der ein Selbsthilfeprojekt in Kenia aufgebaut hat. Initiatoren des Vereins sind Thomas Krejci und Geoffrey Gikuni Ndungu (zweifacher Marathonsieger in Dublin, Bestzeit 2:08.33 h). Ziel ist es, für kenianische Athleten, deren Familien und viele laufbegeisterte Kinder und Jugendliche die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um ihr Leben mit Hilfe des Laufsports zu meistern und zu finanzieren. Dabei handelt es sich um kein „Einbahnprojekt“. Alle Vereinsmitglieder und Gäste der Laufwochen profitieren von der Partnerschaft in vielfältiger Weise. Als Europäer bekommt man die Möglichkeit, eine fremde afrikanische Kultur authentisch kennen zu lernen, Freundschaften zu schließen und den persönlichen Horizont um ein Vielfaches zu erweitern. Bisher hat der Verein in Kenia das „run2gehter Mount Longonot Sport & Recreation Camp“ und die „nursery school“ (Waisenkindergarten) errichtet. Im Bau befindet sich derzeit eine 400m-Laufbahn.
Finanziert und unterhalten wird das Projekt durch die Einnahmen aus den Laufwochen, Mitgliederbeiträgen, Spenden und Sponsoring. Die Initiatoren und Helfer des Vereins sind ausschließlich ehrenamtlich tätig und verdienen hieran nichts.
II. Konzept der Laufwochen
Die Laufwochen stehen unter dem Motto: „Experience the Kenyan way!“ Angeboten werden Laufwochen im Sommer in Österreich und ganzjährig in Kenia. Stützpunkt in Österreich ist die Turracher Höhe, in Kenia das Mount Longonot Sportcamp. Die Besonderheit ist, dass man als Teilnehmer der Laufwochen mit den kenianischen Athleten unter einem Dach zusammenlebt. Man läuft, isst und verbringt die Freizeit gemeinsam. Wenn von gemeinsamen Essen die Rede ist, dann heißt das kenianische Verpflegung. Es gibt vegetarische Küche mit Ugali - eine Art Polenta aus Maisgries -, viele Hülsenfrüchte, reichlich Kohl, Chapati – in der Pfanne zubereitetes Fladenbrot - und literweise Tee.
III. Was ich erlebt habe
1. Sonntag, 21.07.
Am Ankunftstag (Sonntag) wurde ich sehr herzlich von vielen Kenianern mit einigen Tassen Tee begrüßt und von vielen Namen überhäuft: Mutai, Gitonga, Kosgei, Jemutai, Janet, Samoei … - merken konnte ich mir zunächst nicht einen einzigen Namen. Und richtig unterscheiden konnte ich die Kenianer auch nicht. Das sollte auch noch etwas dauern. Unterhalten wird sich auf Englisch.
Es trudelten nach und nach insgesamt 17 Kenianer und 15 Gäste ein. Die Gäste stammen aus Österreich und Deutschland. Die jüngsten Teilnehmer waren zwei 13-jährige Mädels, die ältesten waren in den Fünfzigern. Von der Lauferfahrung war alles dabei: Laufanfänger, Wiedereinsteiger, Vereins- und Wettkampfläufer …
Das offizielle Programm startete mit dem Abendessen. Es gab Ugali mit Kohl. Naja, ganz so lecker fand ich das (zunächst) nicht. Nachdem ich aber alles kräftig nachgesalzen hatte, schmeckte es schon deutlich besser. Nach dem Abendessen ergriff dann Thomas Krejci das Wort und erzählte uns von dem, was uns in den nächsten Tagen erwarten wird. Der typische Tagesablauf ist:
6:30 Uhr (schluck – ist das früh!) Morningrun von ca. 45 min um, 8:00 Uhr Frühstück, 11:00 Uhr 2. Laufeinheit (Lauftechnik, Speedwork, Hillwork etc.), 13:30 Uhr Mittagessen, 15:00 Uhr Sonderprogramm (Wanderung, Orientierungslauf, Laufstilvideoanalyse etc.), 20:00 Uhr Abendbrot.
Danach gab es eine Vorstellungsrunde. Wieder strömten viele Namen auf mich ein … Außerdem wurde die Athleten beglückwünscht, die am Wochenende einen erfolgreichen Wettkampf bestritten hatten. Gegen 22:00 Uhr rief dann das Bett, denn der Morningrun zu dieser fiesen Zeit rückte schon bedenklich nah.
2. Montag, 22.07.
Ahhhhhhhhhhhhhrrrr, was ist das denn? 6:00 Uhr. Mein Handywecker klingelt. Wo bin ich? Was mache ich hier? Jetzt fällt´s mir wieder ein: Morningrun. Also aufstehen! Ich quälte mich aus dem Bett und schaute aus dem Fenster. Oh, das ist hübsch: Ein Berg in der Morgensonne mit zahlreichen Kühen, von denen ich die umgehängten Glocken höre – irgendwie erinnert das alles an einen alten Heimatfilm oder an Heidi und den Ziegenpeter. Aber ich bin ja nicht zum Jodeln hier, sondern zum Laufen. Schnelle Dusche und Co. sowie rein in die Laufklammotten. Um 6:30 Uhr waren wir alle vor der Tür.
Der Morningrun begann. Wir liefen alle gemeinsam sehr langsam einen ziemlich steilen Schotterweg runter. Nach dieser Aufwärmphase ging es los. Die Kenianer suchten sich je einen Gast heraus und sagten ihm, er solle sein Tempo laufen. Es gab also keine Gruppeneinteilung, sondern jeder hatte seinen persönlichen Lauftrainer. Der meinige hieß Gitonga. Gitonga begleitete mich die gesamten zwei Wochen. Der Weg führte uns in die Berge. Schotterwege. Und irgendwie immer nur nach oben. Und wo war denn der Sauerstoff? Hey, ich bin norddeutscher Flachländer und Straßenläufer. Da darf man mir doch nicht den Sauerstoff klauen und mich über Stock und Stein (ja, es gibt sehr viele Steine auf den Wegen) jagen. Zumindest wusste ich sogleich nach dem ersten Anstieg, warum das hier Höhentraining war. Gefühlt hatte sich mein Körpergewicht auf 140 Kilo verdoppelt. Ich japste wie ein Karpfen an Land nach Luft, obwohl mein Puls im IIer-Bereich lag. Unglaublich …
Nach ca. 35 Min. hatten wir unsere Bergtour beendet. Aber da war ja noch der Aufstieg zum Hotel. Mein Gott, ist das steil! Mein Puls schoss in die Nähe des Max. Die letzten 150 m schrie mein Körper nach anhalten und gehen. Nee, nee … das wollte ich nicht. Ich werde als Marathonläufer ja wohl 45 Min. in den Bergen laufen können. Also durchhalten! Von Gitonga kam zum ersten
Mal sein: „be strong!“. Und ich habe es geschafft!
Nachdem die anderen Gäste ebenfalls angekommen waren, war gemeinsames Stretching angesagt. Die 1. Laufeinheit war um. Jetzt rief die Dusche und ich freute mich aufs Frühstück.
Das Frühstück ist das einzige, was nicht kenianisch ist. Es gab köstliches Porridge und Graubrot mit Marmelade/Honig. Mir fehlte nur der mir ansonsten heilige Kaffee. Stattdessen gab es mal wieder Tee. Und Tee habe ich bisher nur getrunken, wenn ich eine Magen-/Darmverstimmung hatte. Der Tee schmeckte mir jedoch gut und ich nehme vorweg, dass ich mich an diesen richtig gewöhnt habe.
Um 11:00 Uhr kam dann die 2. Einheit. Es standen rd. 2 Stunden Übungen zur Lauftechnik auf dem Programm. Viele für mich neue Übungen, obwohl ich im heimischen Verein schon stetig mit dem Lauf-ABC „gequält“ werde. Und anstrengend war´s!
Um 13:30 Uhr gab es Mittag. Diesmal Nudeln mit einer Art Linseneintopf. Das schmeckte mir ziemlich gut!
Das Nachmittagsprogramm bestand aus einer Wanderung und der Präsentation des run2gether-Projekts. Das Projekt ist einfach klasse. Zum Abendessen gab es dann, ihr dürft mal raten, … Ugali. Beim zweiten Versuch schmeckte mir das „Zeug“ schon deutlich besser. Ich aß mich langsam ein. Erschöpft fiel ich schon um 21:30 Uhr ins Bett.
3. Dienstag, 23.07.
Jetzt werde ich etwas weniger ausführlich: 6:30 Uhr Morningrun mit Muskelkater. Wieder hoch und runter. Der Schlussanstieg zum Hotel fiel mir aber schon leichter. Um 11:00 Uhr gab´s Speedwork. 10 x 1 Min. (schnell) x 1 Min. (langsam). Die letzte schnelle Minute bin ich dank Gitongas „be strong“ in 3:16er pace gelaufen. Das war OK. Anschließend sprangen viele aus der Gruppe in den Turracher See. Ein Riesenspaß!
Um 16:00 Uhr kam der Orientierungslauf. Um 21:45 Uhr war der Tag für mich zu Ende.
4. Mittwoch, 24.07.
Heute stand als Morningrun der „Mountainrun“ an. Unser Hotel lag auf 1800 m, Ziel war der Gipfel des Rinsennock mit rd. 2400 m. Eingeplant waren rd. 1,5 h. Wir konnten zwischen kurzer, mittlerer und langer Strecke auswählen. Gitonga gab mir aber zu verstehen, dass ich ganz sicher den langen Weg zu laufen habe. Ich wusste es! Das Blöde war nur, dass es beim langen Weg, wie ich schmerzlich erfuhr, zunächst noch rund 250 Höhenmeter nach unten ging, bevor dann das so verlängerte „climbing“ begann. Das war heavy. Ab rd. 2100 Höhenmetern gab es gefühlt gar keinen Sauerstoff mehr und es wurde immer steiler. Ab ca. 2200 Höhenmetern war der Ofen aus. Diesmal half auch Gitongas „be strong“ nicht mehr. Ich musste gehen.
Gitonga schien dies alles übrigens nichts auszumachen. Er sprang mit einem Lächeln von Stein zu Stein und erzählte mir vergnügt viele persönliche Dinge aus Kenia. Ja, die gemeinsamen Laufeinheiten schweißten uns mehr und mehr zusammen.
Am Gipfel angekommen bot sich eine traumhafte Aussicht. Die Anstrengung hatte sich gelohnt!!
Wegen des kräfteraubenden Mountainruns gab es heute keine 2. Laufeinheit. Stattdessen haben wir um 16.00 Uhr eine Laufstilvideoanalyse gemacht. Es wurden sowohl die Gäste als auch die Kenianer gefilmt. Da sieht man die Unterschiede!!! Die Aufnahmen fast aller Kenianer hätten für einen Lehrfilm über Laufstil verwendet werden können. Das ist schon beeindruckend. Diese Leichtigkeit, dieser perfekte Mittelfusslauf und ihr typisches hohes Anfersen sehen toll aus.
5. Donnerstag, 25.07.
Natürlich Morningruuuuun um 6:30 Uhr! Und es tut gar nicht mehr weh. Ich habe mich an die Uhrzeit, die Höhe und die steinigen Wege gewöhnt. Das macht jetzt richtig Spaß! Weil ich nicht mehr ständig in eine Schnappatmung verfalle, kann ich mich immer mehr mit Gitonga unterhalten. Naja, zumindest wenn es bergab geht. Ich erfahre weiteres von ihm, seiner Familie, den kenianischen Gebräuchen, der dortigen Religion (vornehmlich christlich) etc.
Zum Frühstück bekamen wir dann das Angebot, am Freitagabend im benachbarten Villach einen Wettkampf von 5,8 km gemeinsam mit vier Kenianern laufen zu können. Da war ich sofort Feuer und Flamme.
Um 11:00 Uhr „durften“ wir zum Hillwork. Das war wieder eine Herausforderung! 20 Min. ging es den letzten besonders steilen Anstieg vor unserem Hotel hoch und runter. Ich war danach platt!
Um 15:00 Uhr lernten wir Chapati-Kochen. Echt lecker, dieses Fladenbrot.
6. Freitag, 26.07.
Laut Programm durften wir heute ausschlafen. Es gab keinen (!) Morningrun. Dennoch war ich punkt 6:00 Uhr wach. Um 11:00 Uhr startete dann die sog. Challenge. Die Gäste bekommen einen Vorsprung und werden auf einer 6,5 km-Strecke von den Kenianern durch die Berge gejagt. Leider bin ich mit einer Erkältung aufgewacht und habe daher, um meine Kräfte für den Wettkampf am Abend zu schonen, auf die Teilnahme verzichtet.
Gegen 16:00 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Villach. Auf der Turracher Höhe waren angenehme 22 Grad. Unten in Villach angekommen, war das Thermometer auf 34 Grad angestiegen. Mensch, war das heiß! Die Kenianer und die mitlaufenden Gäste waren alle in run2gether-Trikots gekleidet und wir waren alle schwer vergnügt. Zum Startschuss waren es immer noch 32 Grad. Es starteten drei Kenianer, die die Plätze 1 bis 3 belegten, und eine Kenianerin, die auf Platz 2 finishte. Der schnellste Kenianer, Micah Kiplagat Samoei, lief bei der Temperatur eine unglaubliche pace von 2:56 auf der hügeligen Strecke! Ich kam auf Platz 52 mit einer pace von 4:04. Mehr war nach der harten Trainingswoche und aufgrund der anspruchsvollen Strecke sowie der blöden Erkältung nicht drin.
7. Samstag bis Montag, 27.07. bis 29.07.
Die Erkältung hatte mich voll im Griff, so dass ich Samstag und Sonntag eine Laufpause einlegen musste und erst am Montag wieder einen Easy-Lauf machen konnte. Am Samstag endete die erste Laufwoche. Die Gäste reisten bis auf mich ab. Alle waren sehr nett! Am Sonntag kamen die Teilnehmer der zweiten Laufwoche. Wieder eine gänzlich gemischte Gruppe, mit der man ebenfalls viel Spaß haben konnte!
8. Dienstag bis Freitag, 30.07. bis 03.08.
In der zweiten Laufwoche wiederholte sich das oben beschriebene Programm. Ich nahm an allem teil, bis auf den Moutainrun. Hierfür lief ich mit Gitonga eine 20 km-Strecke durch die Berge mit ca. 500 Höhenmetern.
Besonders an dieser Woche war, dass der Kontakt zu den Kenianern immer offener und vertrauter wurde. Viele erzählten mir von ihrer Heimat, ihren Familien und ihren Träumen. Zudem brachten wir uns gegenseitig - zur Belustigung aller - einige Worte in Deutsch und Suaheli bei. Auch Berichte über die afrikanische Hexenkunst fehlten nicht. Ich dachte, ich werde nie wieder schlafen können. ;-) Inzwischen konnte ich mir auch die Namen merken. Anwesend waren z.B. der bereits oben erwähnte doppelte Dublin-Sieger Geoffrey Gikuni Ndungu, Joyce Jemutai Kiplimo (Siegerin des österreichischen Frauenlaufs, in welchem sie „unsere“ Mocki auf Platz zwei verwies), Isaac Toroitich Kosgei (Sieger Großglocknerlauf etc.), die Bergqueen Lucy Wambui Murigi (Siegerin zahlreicher Bergläufe und mit PB auf 10 km von 32:48 min und HM von 1:11:51 h) und viele junge weitere Athleten, die bereits jetzt HM-Bestzeiten von rd. 61 min auf dem Zettel haben. Ach so, erwähnen muss ich außerdem, dass mir Ugali inzwischen richtig gut schmeckte und ich wohl zukünftig häufiger Tee anstatt Kaffee trinken werde.
9. Samstag, 04.08.
Das offizielle Ende meiner zwei Laufwochen war gekommen. Die Verabschiedung war sehr emotional. Es sind mir viele Kenianer richtig ans Herz gewachsen. Kontakt können und werden wir über Facebook halten.
IV. Fazit
Nach rd. 150 km Berglauf und rd. 4000 Höhenmetern blicke ich noch immer total begeistert auf die beiden Laufwochen zurück. Die Herzlichkeit und der Optimismus der Kenianer und das run2gether-Projekt haben mich völlig umgehauen. Das war viel mehr als ein Höhentraining! Ich bin mir sicher, dass ich im nächsten Jahr wieder auf der Turracher Höhe sein werde. Eine Reise nach Kenia muss folgen! Gespannt bin ich, ob ich das Höhen- und Kraft-/Ausdauertraining nun in der Ebene in Geschwindigkeit umsetzen kann. Denn der Berlinmarathon ist nicht mehr fern. Aber eines werde ich dank Gitonga ganz sicher beherzigen: „Be strong!“.
Sportliche Grüße
Kai
Nachdem ich diese Woche aus Österreich von der Turracher Höhe auf rd. 1.800 Höhenmetern ins norddeutsche Flachland zurückgekehrt bin, muss ich Euch von meinem „schönsten Ferienerlebnis“ berichten. Ich habe zwei Wochen am Laufcamp von run2gether teilgenommen, wo ich mit kenianischen Spitzenathleten trainieren durfte. Es war einfach der Hammer! Ich bin um viele sportliche und menschliche Erfahrungen reicher! Hier die Einzelheiten:
I. Wer ist run2gether?
run2gether ist ein österreichischer Verein, der ein Selbsthilfeprojekt in Kenia aufgebaut hat. Initiatoren des Vereins sind Thomas Krejci und Geoffrey Gikuni Ndungu (zweifacher Marathonsieger in Dublin, Bestzeit 2:08.33 h). Ziel ist es, für kenianische Athleten, deren Familien und viele laufbegeisterte Kinder und Jugendliche die passenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um ihr Leben mit Hilfe des Laufsports zu meistern und zu finanzieren. Dabei handelt es sich um kein „Einbahnprojekt“. Alle Vereinsmitglieder und Gäste der Laufwochen profitieren von der Partnerschaft in vielfältiger Weise. Als Europäer bekommt man die Möglichkeit, eine fremde afrikanische Kultur authentisch kennen zu lernen, Freundschaften zu schließen und den persönlichen Horizont um ein Vielfaches zu erweitern. Bisher hat der Verein in Kenia das „run2gehter Mount Longonot Sport & Recreation Camp“ und die „nursery school“ (Waisenkindergarten) errichtet. Im Bau befindet sich derzeit eine 400m-Laufbahn.
Finanziert und unterhalten wird das Projekt durch die Einnahmen aus den Laufwochen, Mitgliederbeiträgen, Spenden und Sponsoring. Die Initiatoren und Helfer des Vereins sind ausschließlich ehrenamtlich tätig und verdienen hieran nichts.
II. Konzept der Laufwochen
Die Laufwochen stehen unter dem Motto: „Experience the Kenyan way!“ Angeboten werden Laufwochen im Sommer in Österreich und ganzjährig in Kenia. Stützpunkt in Österreich ist die Turracher Höhe, in Kenia das Mount Longonot Sportcamp. Die Besonderheit ist, dass man als Teilnehmer der Laufwochen mit den kenianischen Athleten unter einem Dach zusammenlebt. Man läuft, isst und verbringt die Freizeit gemeinsam. Wenn von gemeinsamen Essen die Rede ist, dann heißt das kenianische Verpflegung. Es gibt vegetarische Küche mit Ugali - eine Art Polenta aus Maisgries -, viele Hülsenfrüchte, reichlich Kohl, Chapati – in der Pfanne zubereitetes Fladenbrot - und literweise Tee.
III. Was ich erlebt habe
1. Sonntag, 21.07.
Am Ankunftstag (Sonntag) wurde ich sehr herzlich von vielen Kenianern mit einigen Tassen Tee begrüßt und von vielen Namen überhäuft: Mutai, Gitonga, Kosgei, Jemutai, Janet, Samoei … - merken konnte ich mir zunächst nicht einen einzigen Namen. Und richtig unterscheiden konnte ich die Kenianer auch nicht. Das sollte auch noch etwas dauern. Unterhalten wird sich auf Englisch.
Es trudelten nach und nach insgesamt 17 Kenianer und 15 Gäste ein. Die Gäste stammen aus Österreich und Deutschland. Die jüngsten Teilnehmer waren zwei 13-jährige Mädels, die ältesten waren in den Fünfzigern. Von der Lauferfahrung war alles dabei: Laufanfänger, Wiedereinsteiger, Vereins- und Wettkampfläufer …
Das offizielle Programm startete mit dem Abendessen. Es gab Ugali mit Kohl. Naja, ganz so lecker fand ich das (zunächst) nicht. Nachdem ich aber alles kräftig nachgesalzen hatte, schmeckte es schon deutlich besser. Nach dem Abendessen ergriff dann Thomas Krejci das Wort und erzählte uns von dem, was uns in den nächsten Tagen erwarten wird. Der typische Tagesablauf ist:
6:30 Uhr (schluck – ist das früh!) Morningrun von ca. 45 min um, 8:00 Uhr Frühstück, 11:00 Uhr 2. Laufeinheit (Lauftechnik, Speedwork, Hillwork etc.), 13:30 Uhr Mittagessen, 15:00 Uhr Sonderprogramm (Wanderung, Orientierungslauf, Laufstilvideoanalyse etc.), 20:00 Uhr Abendbrot.
Danach gab es eine Vorstellungsrunde. Wieder strömten viele Namen auf mich ein … Außerdem wurde die Athleten beglückwünscht, die am Wochenende einen erfolgreichen Wettkampf bestritten hatten. Gegen 22:00 Uhr rief dann das Bett, denn der Morningrun zu dieser fiesen Zeit rückte schon bedenklich nah.
2. Montag, 22.07.
Ahhhhhhhhhhhhhrrrr, was ist das denn? 6:00 Uhr. Mein Handywecker klingelt. Wo bin ich? Was mache ich hier? Jetzt fällt´s mir wieder ein: Morningrun. Also aufstehen! Ich quälte mich aus dem Bett und schaute aus dem Fenster. Oh, das ist hübsch: Ein Berg in der Morgensonne mit zahlreichen Kühen, von denen ich die umgehängten Glocken höre – irgendwie erinnert das alles an einen alten Heimatfilm oder an Heidi und den Ziegenpeter. Aber ich bin ja nicht zum Jodeln hier, sondern zum Laufen. Schnelle Dusche und Co. sowie rein in die Laufklammotten. Um 6:30 Uhr waren wir alle vor der Tür.
Der Morningrun begann. Wir liefen alle gemeinsam sehr langsam einen ziemlich steilen Schotterweg runter. Nach dieser Aufwärmphase ging es los. Die Kenianer suchten sich je einen Gast heraus und sagten ihm, er solle sein Tempo laufen. Es gab also keine Gruppeneinteilung, sondern jeder hatte seinen persönlichen Lauftrainer. Der meinige hieß Gitonga. Gitonga begleitete mich die gesamten zwei Wochen. Der Weg führte uns in die Berge. Schotterwege. Und irgendwie immer nur nach oben. Und wo war denn der Sauerstoff? Hey, ich bin norddeutscher Flachländer und Straßenläufer. Da darf man mir doch nicht den Sauerstoff klauen und mich über Stock und Stein (ja, es gibt sehr viele Steine auf den Wegen) jagen. Zumindest wusste ich sogleich nach dem ersten Anstieg, warum das hier Höhentraining war. Gefühlt hatte sich mein Körpergewicht auf 140 Kilo verdoppelt. Ich japste wie ein Karpfen an Land nach Luft, obwohl mein Puls im IIer-Bereich lag. Unglaublich …
Nach ca. 35 Min. hatten wir unsere Bergtour beendet. Aber da war ja noch der Aufstieg zum Hotel. Mein Gott, ist das steil! Mein Puls schoss in die Nähe des Max. Die letzten 150 m schrie mein Körper nach anhalten und gehen. Nee, nee … das wollte ich nicht. Ich werde als Marathonläufer ja wohl 45 Min. in den Bergen laufen können. Also durchhalten! Von Gitonga kam zum ersten
Mal sein: „be strong!“. Und ich habe es geschafft!
Nachdem die anderen Gäste ebenfalls angekommen waren, war gemeinsames Stretching angesagt. Die 1. Laufeinheit war um. Jetzt rief die Dusche und ich freute mich aufs Frühstück.
Das Frühstück ist das einzige, was nicht kenianisch ist. Es gab köstliches Porridge und Graubrot mit Marmelade/Honig. Mir fehlte nur der mir ansonsten heilige Kaffee. Stattdessen gab es mal wieder Tee. Und Tee habe ich bisher nur getrunken, wenn ich eine Magen-/Darmverstimmung hatte. Der Tee schmeckte mir jedoch gut und ich nehme vorweg, dass ich mich an diesen richtig gewöhnt habe.
Um 11:00 Uhr kam dann die 2. Einheit. Es standen rd. 2 Stunden Übungen zur Lauftechnik auf dem Programm. Viele für mich neue Übungen, obwohl ich im heimischen Verein schon stetig mit dem Lauf-ABC „gequält“ werde. Und anstrengend war´s!
Um 13:30 Uhr gab es Mittag. Diesmal Nudeln mit einer Art Linseneintopf. Das schmeckte mir ziemlich gut!
Das Nachmittagsprogramm bestand aus einer Wanderung und der Präsentation des run2gether-Projekts. Das Projekt ist einfach klasse. Zum Abendessen gab es dann, ihr dürft mal raten, … Ugali. Beim zweiten Versuch schmeckte mir das „Zeug“ schon deutlich besser. Ich aß mich langsam ein. Erschöpft fiel ich schon um 21:30 Uhr ins Bett.
3. Dienstag, 23.07.
Jetzt werde ich etwas weniger ausführlich: 6:30 Uhr Morningrun mit Muskelkater. Wieder hoch und runter. Der Schlussanstieg zum Hotel fiel mir aber schon leichter. Um 11:00 Uhr gab´s Speedwork. 10 x 1 Min. (schnell) x 1 Min. (langsam). Die letzte schnelle Minute bin ich dank Gitongas „be strong“ in 3:16er pace gelaufen. Das war OK. Anschließend sprangen viele aus der Gruppe in den Turracher See. Ein Riesenspaß!
Um 16:00 Uhr kam der Orientierungslauf. Um 21:45 Uhr war der Tag für mich zu Ende.
4. Mittwoch, 24.07.
Heute stand als Morningrun der „Mountainrun“ an. Unser Hotel lag auf 1800 m, Ziel war der Gipfel des Rinsennock mit rd. 2400 m. Eingeplant waren rd. 1,5 h. Wir konnten zwischen kurzer, mittlerer und langer Strecke auswählen. Gitonga gab mir aber zu verstehen, dass ich ganz sicher den langen Weg zu laufen habe. Ich wusste es! Das Blöde war nur, dass es beim langen Weg, wie ich schmerzlich erfuhr, zunächst noch rund 250 Höhenmeter nach unten ging, bevor dann das so verlängerte „climbing“ begann. Das war heavy. Ab rd. 2100 Höhenmetern gab es gefühlt gar keinen Sauerstoff mehr und es wurde immer steiler. Ab ca. 2200 Höhenmetern war der Ofen aus. Diesmal half auch Gitongas „be strong“ nicht mehr. Ich musste gehen.
Gitonga schien dies alles übrigens nichts auszumachen. Er sprang mit einem Lächeln von Stein zu Stein und erzählte mir vergnügt viele persönliche Dinge aus Kenia. Ja, die gemeinsamen Laufeinheiten schweißten uns mehr und mehr zusammen.
Am Gipfel angekommen bot sich eine traumhafte Aussicht. Die Anstrengung hatte sich gelohnt!!
Wegen des kräfteraubenden Mountainruns gab es heute keine 2. Laufeinheit. Stattdessen haben wir um 16.00 Uhr eine Laufstilvideoanalyse gemacht. Es wurden sowohl die Gäste als auch die Kenianer gefilmt. Da sieht man die Unterschiede!!! Die Aufnahmen fast aller Kenianer hätten für einen Lehrfilm über Laufstil verwendet werden können. Das ist schon beeindruckend. Diese Leichtigkeit, dieser perfekte Mittelfusslauf und ihr typisches hohes Anfersen sehen toll aus.
5. Donnerstag, 25.07.
Natürlich Morningruuuuun um 6:30 Uhr! Und es tut gar nicht mehr weh. Ich habe mich an die Uhrzeit, die Höhe und die steinigen Wege gewöhnt. Das macht jetzt richtig Spaß! Weil ich nicht mehr ständig in eine Schnappatmung verfalle, kann ich mich immer mehr mit Gitonga unterhalten. Naja, zumindest wenn es bergab geht. Ich erfahre weiteres von ihm, seiner Familie, den kenianischen Gebräuchen, der dortigen Religion (vornehmlich christlich) etc.
Zum Frühstück bekamen wir dann das Angebot, am Freitagabend im benachbarten Villach einen Wettkampf von 5,8 km gemeinsam mit vier Kenianern laufen zu können. Da war ich sofort Feuer und Flamme.
Um 11:00 Uhr „durften“ wir zum Hillwork. Das war wieder eine Herausforderung! 20 Min. ging es den letzten besonders steilen Anstieg vor unserem Hotel hoch und runter. Ich war danach platt!
Um 15:00 Uhr lernten wir Chapati-Kochen. Echt lecker, dieses Fladenbrot.
6. Freitag, 26.07.
Laut Programm durften wir heute ausschlafen. Es gab keinen (!) Morningrun. Dennoch war ich punkt 6:00 Uhr wach. Um 11:00 Uhr startete dann die sog. Challenge. Die Gäste bekommen einen Vorsprung und werden auf einer 6,5 km-Strecke von den Kenianern durch die Berge gejagt. Leider bin ich mit einer Erkältung aufgewacht und habe daher, um meine Kräfte für den Wettkampf am Abend zu schonen, auf die Teilnahme verzichtet.
Gegen 16:00 Uhr machten wir uns auf den Weg nach Villach. Auf der Turracher Höhe waren angenehme 22 Grad. Unten in Villach angekommen, war das Thermometer auf 34 Grad angestiegen. Mensch, war das heiß! Die Kenianer und die mitlaufenden Gäste waren alle in run2gether-Trikots gekleidet und wir waren alle schwer vergnügt. Zum Startschuss waren es immer noch 32 Grad. Es starteten drei Kenianer, die die Plätze 1 bis 3 belegten, und eine Kenianerin, die auf Platz 2 finishte. Der schnellste Kenianer, Micah Kiplagat Samoei, lief bei der Temperatur eine unglaubliche pace von 2:56 auf der hügeligen Strecke! Ich kam auf Platz 52 mit einer pace von 4:04. Mehr war nach der harten Trainingswoche und aufgrund der anspruchsvollen Strecke sowie der blöden Erkältung nicht drin.
7. Samstag bis Montag, 27.07. bis 29.07.
Die Erkältung hatte mich voll im Griff, so dass ich Samstag und Sonntag eine Laufpause einlegen musste und erst am Montag wieder einen Easy-Lauf machen konnte. Am Samstag endete die erste Laufwoche. Die Gäste reisten bis auf mich ab. Alle waren sehr nett! Am Sonntag kamen die Teilnehmer der zweiten Laufwoche. Wieder eine gänzlich gemischte Gruppe, mit der man ebenfalls viel Spaß haben konnte!
8. Dienstag bis Freitag, 30.07. bis 03.08.
In der zweiten Laufwoche wiederholte sich das oben beschriebene Programm. Ich nahm an allem teil, bis auf den Moutainrun. Hierfür lief ich mit Gitonga eine 20 km-Strecke durch die Berge mit ca. 500 Höhenmetern.
Besonders an dieser Woche war, dass der Kontakt zu den Kenianern immer offener und vertrauter wurde. Viele erzählten mir von ihrer Heimat, ihren Familien und ihren Träumen. Zudem brachten wir uns gegenseitig - zur Belustigung aller - einige Worte in Deutsch und Suaheli bei. Auch Berichte über die afrikanische Hexenkunst fehlten nicht. Ich dachte, ich werde nie wieder schlafen können. ;-) Inzwischen konnte ich mir auch die Namen merken. Anwesend waren z.B. der bereits oben erwähnte doppelte Dublin-Sieger Geoffrey Gikuni Ndungu, Joyce Jemutai Kiplimo (Siegerin des österreichischen Frauenlaufs, in welchem sie „unsere“ Mocki auf Platz zwei verwies), Isaac Toroitich Kosgei (Sieger Großglocknerlauf etc.), die Bergqueen Lucy Wambui Murigi (Siegerin zahlreicher Bergläufe und mit PB auf 10 km von 32:48 min und HM von 1:11:51 h) und viele junge weitere Athleten, die bereits jetzt HM-Bestzeiten von rd. 61 min auf dem Zettel haben. Ach so, erwähnen muss ich außerdem, dass mir Ugali inzwischen richtig gut schmeckte und ich wohl zukünftig häufiger Tee anstatt Kaffee trinken werde.
9. Samstag, 04.08.
Das offizielle Ende meiner zwei Laufwochen war gekommen. Die Verabschiedung war sehr emotional. Es sind mir viele Kenianer richtig ans Herz gewachsen. Kontakt können und werden wir über Facebook halten.
IV. Fazit
Nach rd. 150 km Berglauf und rd. 4000 Höhenmetern blicke ich noch immer total begeistert auf die beiden Laufwochen zurück. Die Herzlichkeit und der Optimismus der Kenianer und das run2gether-Projekt haben mich völlig umgehauen. Das war viel mehr als ein Höhentraining! Ich bin mir sicher, dass ich im nächsten Jahr wieder auf der Turracher Höhe sein werde. Eine Reise nach Kenia muss folgen! Gespannt bin ich, ob ich das Höhen- und Kraft-/Ausdauertraining nun in der Ebene in Geschwindigkeit umsetzen kann. Denn der Berlinmarathon ist nicht mehr fern. Aber eines werde ich dank Gitonga ganz sicher beherzigen: „Be strong!“.
Sportliche Grüße
Kai