Das Fünf-Beine-Lauf-Experiment beim Abschluss der Winterlaufserie Rodgau
Verfasst: 08.02.2015, 16:40
Können fünf Beine gemeinsam einen Zehn-Kilometer-Lauf bewältigen? Diese Frage bildete den Ausgangspunkt für unseren Start beim letzten Lauf der Winterlaufserie der TGM SV Jügesheim. Ein Experiment mit ungewissem Ausgang.
Dem sechsjährigen Hound Nemo amputierten Ärzte im Oktober einen Hinterlauf, um nach langer Krankheitsgeschichte sein Leben zu retten. Seine sportliche Karriere im Schlittenhundesport endete etwa ein Jahr davor. Seine Lauflust und sein Lebenswille dagegen blieben ungebremst erhalten. So motivierte unser Dreibeiner mich dazu, meine unregelmäßigen Laufversuche in Trainingspläne umzuwandeln und gemeinsam intensiv Sport zu treiben. Immer in Absprache mit unserer behandelnden Tierärztin. Anfang Januar begonnen, entwickelten wir so viel Freude am Training, dass wir uns gut steigern konnten und die Streckenlänge stetig ausbauten. Am Fuße des Vogelsberges bieten sich so gut wie keine ebenen Trainingsmöglichkeiten, und so beendeten wir bei maximal acht Kilometern unsere gemeinsamen Trainingseinheiten, um den Hund, der mich als Läufer durch steten Zug im Laufgeschirr, tatkräftig unterstützt, nicht zu überfordern. Allerdings tobte er nach jeder Lauf-Einheit wie ein Wilder über Wiesen und Felder und wirkte nicht belastet. Mein läuferisches Ego sehnte die magische Zehn-Kilometer-Hürde herbei. Alleine lief ich sie zwei Mal, doch ohne meinen Gefährten fehlte die rechte Freude. Der flache Zehn-Kilometer-Rundkurs in Rodgau-Jügesheim versprach also die ideale Möglichkeit auszuprobieren ob Nemo diese Distanz schaffen kann.
Nach kurzer Rücksprache mit dem Verein wurden wir als Läufer-Hund-Gespann zum Start zugelassen, unter der Bedingung am Ende des Läuferfeldes zu starten und niemanden zu behindern.
Strahlend, blauer Himmel und viel Sonne, die die Landschaft in ein Wintermärchen verzauberte, empfingen uns in Rodgau. Beste Vorzeichen! Also den Hund aus dem Auto und ins Laufgeschirr gesteckt. Ein Fehler zu diesem frühen Zeitpunkt, denn die Zeit der Anmeldung, Startnummernvergabe und Gepäckverstauung tat Nemo durch Jaulen, Bellen und Fiepen lautstark kund dass er jetzt bitte sofort loslaufen möchte. Zur Entspannung durfte er vor dem Start nochmal frei über die Wiesen flitzen, und ich versuchte meine Nervosität zu reduzieren. Was wenn wir uns zu viel vorgenommen hatten? Würden wir wirklich niemanden behindern? Wie reagieren die Läufer auf den behinderten Hund? Leider kennen wir verletzende Äußerungen zur Genüge.
Dann ging es endlich los. Wir positionierten uns am Ende des Läuferfeldes. Für Nemo eine Beleidigung. Er wollte doch bitte ganz vorne laufen. Also drehte er sich um 180° und wählte die andere Richtung. Erst das sich entfernende Läuferfeld überzeugte ihn von der angegebenen Strecke. „Endlich laufen“ schien er zu denken und preschte los was die Pfoten hergaben. So hatte ich erst mal alle Hände voll zu tun zu bremsen und dem Hund Tempo zu nehmen, schließlich lag ein langer Weg vor uns. Eine Tatsache die mein „Zugpferd“ nicht interessierte. Immer am linken Wegrand laufend zogen wir an den ersten Läufern vorbei, die zum Glück nicht irritiert wirkten, als der Hund plötzlich gleichauf mit ihnen lief, und die zugehörige Läuferin erst zwei Meter dahinter kam.
Die Zuschauer an der ersten Kurve, die uns Sportlern applaudierten und uns anfeuerten verstand Nemo leider wieder als Aufforderung Fahrt aufzunehmen. Dieses Tempo würde ich auf keinen Fall über die ganze Streck durch halten und bremste mit viel Kraftaufwand konsequent runter. Die Strecke im lichtdurchfluteten Wald war wunderschön, völlig eben , damit leichtläufig, und so warf ich ab dem dritten Kilometer die Sorgen über Bord und genoss den Lauf mit Hund durch die herrliche Landschaft. Die anderen Läufer zogen ihre Spur und akzeptierten uns schweigend unter ihnen. Nemo lief unbeirrbar immer der Nase nach vorweg und ignorierte sie ebenfalls. Sogar dann, wenn knapp an ihm vorbei ausgespuckt, oder der sogenannte „Kutschergruß“ direkt neben ihm vollzogen wurde. Natürlich ohne jede Absicht.
Kurz vor Kilometer Fünf erreichten uns die ersten Zuschauerrufe „Unfair! Die wird ja gezogen!“, die uns auf dem Rest der Strecke immer wieder verfolgen sollten. Doch woher sollten diese Leute auch wissen dass es uns nicht um Sieg, Zeit oder Ergebnis ging.
Von diesem Zeitpunkt an gab ich dem Hund mehr und mehr die Möglichkeit das Tempo zu bestimmen. Denn dann glaubte ich rechtzeitig Erschöpfung an ihm ablesen zu können, was den sofortigen Abbruch des Laufes bedeutet hätte. Es kam anders. Meine Erschöpfung nahm zu, und Nemo beschleunigte langsam, aber stetig. Ein nettes Gespräch mit einem Läuferduo rettete mich über Kilometer Sieben und motivierte mich die Zähne zusammen zu beißen und mit dem Hund mitzuhalten. Je weiter wir dem Ziel entgegen liefen, desto schwieriger wurden die Überholsituationen, da nun anscheinend jeder Läufer für sich kämpfte und wir im großen Bogen außenherum sprinten mussten. Doch die Kilometermarkierungen halfen gut die Kraft einzuteilen. Meine zumindest, denn der Hund kannte keinen Schongang. Den letzten Kilometer ergab ich mich dann völlig dem Tempo des dreibeinigen Kraftpaketes, mobilisierte die allerletzten Kraftreserven, was letztendlich ja auch bedeutete schneller ins Ziel zu kommen. Ein Hund am Wegesrand knurrte bedrohlich in unseren Endspurt und ich befürchtete schon eine aufkommende Keilerei, aber Nemo reagierte gar nicht darauf. Bis ins Ziel lief er mit großer Lust und Freude und überraschte mich einmal mehr durch seinen Willen und seine Kraft. Angekommen erfuhren wir viel positive Resonanz und genossen die freundlichen Gespräche.
Die Teilnahme an diesem Lauf war eine wunderschöne Erfahrung. Wir danken der TGMSV Jügesheim dafür, dass sie uns dies ermöglichten. Das Experiment war rundum erfolgreich und wir hoffen an weiteren schönen Läufen im Rhein-Main-Gebiet teilnehmen zu können, wertungsfrei, aber in Gemeinschaft, denn so ist Sport am Schönsten, egal wie viele Beine beteiligt sind.
Dem sechsjährigen Hound Nemo amputierten Ärzte im Oktober einen Hinterlauf, um nach langer Krankheitsgeschichte sein Leben zu retten. Seine sportliche Karriere im Schlittenhundesport endete etwa ein Jahr davor. Seine Lauflust und sein Lebenswille dagegen blieben ungebremst erhalten. So motivierte unser Dreibeiner mich dazu, meine unregelmäßigen Laufversuche in Trainingspläne umzuwandeln und gemeinsam intensiv Sport zu treiben. Immer in Absprache mit unserer behandelnden Tierärztin. Anfang Januar begonnen, entwickelten wir so viel Freude am Training, dass wir uns gut steigern konnten und die Streckenlänge stetig ausbauten. Am Fuße des Vogelsberges bieten sich so gut wie keine ebenen Trainingsmöglichkeiten, und so beendeten wir bei maximal acht Kilometern unsere gemeinsamen Trainingseinheiten, um den Hund, der mich als Läufer durch steten Zug im Laufgeschirr, tatkräftig unterstützt, nicht zu überfordern. Allerdings tobte er nach jeder Lauf-Einheit wie ein Wilder über Wiesen und Felder und wirkte nicht belastet. Mein läuferisches Ego sehnte die magische Zehn-Kilometer-Hürde herbei. Alleine lief ich sie zwei Mal, doch ohne meinen Gefährten fehlte die rechte Freude. Der flache Zehn-Kilometer-Rundkurs in Rodgau-Jügesheim versprach also die ideale Möglichkeit auszuprobieren ob Nemo diese Distanz schaffen kann.
Nach kurzer Rücksprache mit dem Verein wurden wir als Läufer-Hund-Gespann zum Start zugelassen, unter der Bedingung am Ende des Läuferfeldes zu starten und niemanden zu behindern.
Strahlend, blauer Himmel und viel Sonne, die die Landschaft in ein Wintermärchen verzauberte, empfingen uns in Rodgau. Beste Vorzeichen! Also den Hund aus dem Auto und ins Laufgeschirr gesteckt. Ein Fehler zu diesem frühen Zeitpunkt, denn die Zeit der Anmeldung, Startnummernvergabe und Gepäckverstauung tat Nemo durch Jaulen, Bellen und Fiepen lautstark kund dass er jetzt bitte sofort loslaufen möchte. Zur Entspannung durfte er vor dem Start nochmal frei über die Wiesen flitzen, und ich versuchte meine Nervosität zu reduzieren. Was wenn wir uns zu viel vorgenommen hatten? Würden wir wirklich niemanden behindern? Wie reagieren die Läufer auf den behinderten Hund? Leider kennen wir verletzende Äußerungen zur Genüge.
Dann ging es endlich los. Wir positionierten uns am Ende des Läuferfeldes. Für Nemo eine Beleidigung. Er wollte doch bitte ganz vorne laufen. Also drehte er sich um 180° und wählte die andere Richtung. Erst das sich entfernende Läuferfeld überzeugte ihn von der angegebenen Strecke. „Endlich laufen“ schien er zu denken und preschte los was die Pfoten hergaben. So hatte ich erst mal alle Hände voll zu tun zu bremsen und dem Hund Tempo zu nehmen, schließlich lag ein langer Weg vor uns. Eine Tatsache die mein „Zugpferd“ nicht interessierte. Immer am linken Wegrand laufend zogen wir an den ersten Läufern vorbei, die zum Glück nicht irritiert wirkten, als der Hund plötzlich gleichauf mit ihnen lief, und die zugehörige Läuferin erst zwei Meter dahinter kam.
Die Zuschauer an der ersten Kurve, die uns Sportlern applaudierten und uns anfeuerten verstand Nemo leider wieder als Aufforderung Fahrt aufzunehmen. Dieses Tempo würde ich auf keinen Fall über die ganze Streck durch halten und bremste mit viel Kraftaufwand konsequent runter. Die Strecke im lichtdurchfluteten Wald war wunderschön, völlig eben , damit leichtläufig, und so warf ich ab dem dritten Kilometer die Sorgen über Bord und genoss den Lauf mit Hund durch die herrliche Landschaft. Die anderen Läufer zogen ihre Spur und akzeptierten uns schweigend unter ihnen. Nemo lief unbeirrbar immer der Nase nach vorweg und ignorierte sie ebenfalls. Sogar dann, wenn knapp an ihm vorbei ausgespuckt, oder der sogenannte „Kutschergruß“ direkt neben ihm vollzogen wurde. Natürlich ohne jede Absicht.
Kurz vor Kilometer Fünf erreichten uns die ersten Zuschauerrufe „Unfair! Die wird ja gezogen!“, die uns auf dem Rest der Strecke immer wieder verfolgen sollten. Doch woher sollten diese Leute auch wissen dass es uns nicht um Sieg, Zeit oder Ergebnis ging.
Von diesem Zeitpunkt an gab ich dem Hund mehr und mehr die Möglichkeit das Tempo zu bestimmen. Denn dann glaubte ich rechtzeitig Erschöpfung an ihm ablesen zu können, was den sofortigen Abbruch des Laufes bedeutet hätte. Es kam anders. Meine Erschöpfung nahm zu, und Nemo beschleunigte langsam, aber stetig. Ein nettes Gespräch mit einem Läuferduo rettete mich über Kilometer Sieben und motivierte mich die Zähne zusammen zu beißen und mit dem Hund mitzuhalten. Je weiter wir dem Ziel entgegen liefen, desto schwieriger wurden die Überholsituationen, da nun anscheinend jeder Läufer für sich kämpfte und wir im großen Bogen außenherum sprinten mussten. Doch die Kilometermarkierungen halfen gut die Kraft einzuteilen. Meine zumindest, denn der Hund kannte keinen Schongang. Den letzten Kilometer ergab ich mich dann völlig dem Tempo des dreibeinigen Kraftpaketes, mobilisierte die allerletzten Kraftreserven, was letztendlich ja auch bedeutete schneller ins Ziel zu kommen. Ein Hund am Wegesrand knurrte bedrohlich in unseren Endspurt und ich befürchtete schon eine aufkommende Keilerei, aber Nemo reagierte gar nicht darauf. Bis ins Ziel lief er mit großer Lust und Freude und überraschte mich einmal mehr durch seinen Willen und seine Kraft. Angekommen erfuhren wir viel positive Resonanz und genossen die freundlichen Gespräche.
Die Teilnahme an diesem Lauf war eine wunderschöne Erfahrung. Wir danken der TGMSV Jügesheim dafür, dass sie uns dies ermöglichten. Das Experiment war rundum erfolgreich und wir hoffen an weiteren schönen Läufen im Rhein-Main-Gebiet teilnehmen zu können, wertungsfrei, aber in Gemeinschaft, denn so ist Sport am Schönsten, egal wie viele Beine beteiligt sind.