Hallo Joker,
die Auslegung von Intervallen, also die Festlegung von Intervalldistanz oder -dauer, Trabpause, Intervalltempo und Wiederholungszahl der Tempobelastungen, ist - wie vieles in der Ausdauertrainingslehre - eine Sache empirischer Ermittlung. Oder auf gut Deutsch: Erfahrungstatsache aus der Praxis. Selbstverständlich gibt es zwischen Trainern/Wissenschaftlern/Autoren von Trainingsplänen Unterschiede, wie man Intervalle bemessen sollte. Wieso auch nicht, Ausdauertrainingslehre ist eine der "unexaktesten" Wissenschaften überhaupt.
Die weiter oben dargestellte Tabelle gilt es mit massivem Einspruch samt ausführlicher Erläuterung zu relativieren. Es ist keineswegs so, dass man einer Wettkampfdistanz nur eine Intervalldistanz zuordnet. Die Tabelle erweckt diesen Eindruck. Lass mich das Beispiel Marathon nehmen, da habe ich die Sache sozusagen im Kopf. Was die Tabelle wiedergibt, kann ich gerade noch als das für die betreffende Strecke "klassische" Intervall durchgehen lassen. Mit Bauchschmerzen allerdings, aber egal. Tatsächlich ist es so, dass man im Marathontraining von 400 über 500, 800, 1.000, 2.000 bis hin zu 3.000 m die verschiedensten Intervallstrecken anwendet. Der Grund für diese Vielfalt (oder nenn es Abwechslung) ergibt sich bereits aus den Grundlagen des Ausdauertrainings, also gar nix allzu Raffiniertes. Es geht darum die "Biomasse" Mensch in vielfältiger Weise zu "reizen", mal so und mal so, um die Anpassung - den Trainingserfolg - zu verbessern. Im Spitzensport ist es zum Beispiel so, dass ein Athlet manchmal selbst durch noch mehr Aufwand keine Steigerung seiner Leistungswerte mehr erzielen kann. Und noch mehr Belastung geht nicht, weil er sich sonst verletzt oder ins Übertraining rutscht. In so einer Situation lassen Trainer den Mann/die Frau dann irgendwas ganz Ungewohntes Machen, was Verrücktes oder sie schicken ihn einfach in ein anderes Terrain, nur damit der Reiz auf den Ausdauerapparat sich ändert und die Stagnation durchbrochen wird.
Also viele verschiedene Intervalle pro Disziplin sind sinnvoll. Die Parameter der Intervalle ergeben sich aus Erfahrung und Trainingszustand des Athleten. Beispiele: Es gibt eine Faustformel beim Marathontraining für die 800 m-Intervalle. Man nimmt die Zielzeit, des Trainingsplans, also zum Beispiel 4 Stunden und schon hat man das Intervalltempo in Minuten. Heißt 800 m in 4 min laufen (Zielzeit 3:45 h, hieße 800 m in 3:45 min absolvieren). Für 1.000 m-Intervalle errechnet man die 10km-Zeit des Trainierenden (= Marathonzielzeit : ca.4,7) und teilt sie nochmal durch 10 für einen Kilometer. Damit hat man die 1.000m-Intervallzeit. 400 m-Intervalle sind im Tempo ein paar Sekunden anspruchsvoller als 800er.
Auch die Länge der Trabpause richtet sich im Wesentlichen nach Anspruchsniveau des Trainings und Trainingszustand. Wichtiger Bestandteil der Ausdauer ist die Regeneration. Sie wächst bei erfolgreich eskalierendem Training mit. Je besser dann jemand trainiert ist, umso rascher erholt er sich in der Trabpause. Dazu muss man wissen, welchen Sinn die Trabpause hat. Es handelt sich dabei um eine so genannte "lohnende Pause". Das bedeutet: Die Pause muss so lang sein, dass sich der Läufer um einen bestimmten Prozentsatz erholen kann. Wollte man das messen, wäre der Puls geeignet, der sollte nämlich in der Pause auf unter 75% des Maximalpulses sinken, um die Pause "lohnend" zu gestalten. In der Praxis reicht es jedoch aus, solches "Lohnen" zu unterstellen und etwa bei 1.000 m-Intervallen 600 bis 800 m Pause zu verordnen. Wenn sich der Betreffende schneller erholt (einen besseren als den unterstellten Trainingszustand aufweist), dann wird er das merken und kann die Pause selbstständig kürzen, auf vielleicht 500 m bei Tausenderintervallen.
Je härter die Zielzeit, umso mehr Wiederholungen sind notwendig. Wenn einer den Marathon z.B. unter 3 Stunden - die Schallmauer - laufen will, dann muss er schon 9 oder 10 Wiederholungen aus sich raus holen. Wobei das Entscheidende ist, dass auch noch das letzte Tempointervall mit demselben harten Tempo zu Ende gelaufen wird ...
In der letzten Woche Belastungswoche
meines Marathontrainingsplans (Woche 10) auf unserer Laufseite steht folgendes Intervalltraining:
9 x 1.000 m, Tempo: 3:44 min, lohnende Pause: 2:30 min;
Wenn du das als hart betrachtest, kann ich nur sagen: Das Intervalltraining in der Woche vorher hats da viel eher in sich:
4 x 3.000 m, Tempo: 4:00, lohnende Pause: 5 min
Der Plan hat übrigens schon Läufer eindeutig unter die 3 h-Grenze geführt. Wenn du dir diesen Plan ansiehst, dann wirst du dort folgende Intervalltrainings finden:
12 x 400 m (2 x im Plan)
8 x 800 m
6 x 1000
8 x 1000
9 x 1000
5 x 2000
4 x 3000
Diese Vielfältigkeit entspringt keineswegs der Absicht den Typen auf vielerlei Weise zu knechten. Es geht um die Vielfältigkeit des Trainingsreizes. Erstens. Vielmehr aber noch darum in jeder Trainingssituation die richtige Intervallbelastung zu setzen. Es ist eben nicht egal, ob es sich um eine Belastungs- oder Regenerationswoche im Trainingsplan/-verlauf handelt. Und drittens geht es darum, die Belastung im Verlauf des Trainings kontinuierlich zu steigern. Denn nur dadurch erzielen wir einen Ausdauergewinn. Man muss dem Körper das Ausdauerziel immer "höher hängen" damit er sich fortlaufend daraufhin anpasst.
Natürlich entscheidend am Trainingstag der Läufer, ob er die vorgegebene Härte der Übung tatsächlich umsetzt. Manchmal ist es zielführender eine oder zwei Wiederholungen wegzulassen, wenn die Restermüdung noch zu hoch ist. Bzw. so ausgedrückt: Wenn das Training bereits einsetzt, die Regeneration von gestern und/oder vorgestern aber noch nicht abgeschlossen war.
Und um auch das noch klar zu sagen, was bis jetzt immer zwischen den Zeilen stand: Ohne konkrete Zielvorgabe, kann man ein Intervalltraining nicht sinnvoll auslegen. Das wäre ein ähnlicher Unfug, als sollte ein Statiker die Tragfähigkeit/Dicke/Auslegung von Mauern berechnen, ohne zu wissen, wie viele Etagen das Haus haben soll ...
Alles Gute
Gruß Udo