Hallo moggio,
um es noch einmal zusammenzufassen:
- Man muss nicht mit Herzfrequenzmesser laufen, um effizient zu trainieren, aber man kann es tun und dabei erfolgreich sein.
- Eine Leistungsdiagnostik (Laktatbestimmung) ist für erfolgreiches Training mit dem Pulsmesser defnitiv nicht erforderlich.
Du wirst, wenn du Fragen rund um Pulsmesser und Leistungsdiagnostik stellst in diesem Forum immer in "Wespennester" stechen. Mir ist nicht ganz klar, warum das so ist. Egal, ob man persönlich den Segnungen der beiden Methoden vertraut oder nicht, man kommt an den Grundtatsachen nicht vorbei.
Ich trainiere seit Beginn meiner inzwischen 83 Marathons und Ultras fast ohne Ausnahme mit Pulsmesser. In den ersten Jahren war dieses Hilfsmittel wichtiger, inzwischen erfüllt es eher noch Kontrollfunktionen. Damit muss ich mich wohl zu den Pro-Pulsmesser-Läufern rechnen. Gleichwohl weiß ich, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um das Messgerät sinnvoll im eigenen Training anwenden zu können. Und die erschöpfen sich beileibe nicht mit dem Kauf ...
Auf die Leistungsdiagnostik war ich nur neugierig, erhoffte mir davon Nutzen und Erkenntnisse. Die Chance dazu ergab sich, als man mir so einen Test (2 Durchgänge im Abstand von 6 Wochen) zum Geburtstag schenkte. Die Erfahrung war mehr als enttäuschend. Sie hinterließ mich verwirrt und ratlos, was vor allem am Tester lag, der nicht die mindeste Ahnung davon hatte, wie die Testergebnisse zu bewerten sind. Verwirrung erzeugte auch die Tatsache, dass die Laktatmesswerte in ein Computerprogramm eingegeben werden, das dann auf Knopfdruck Kurven und Trainingsempfehlungen ausspuckt. Keine meiner Fragen zu dem Ausdruck, zu Punkten in den Kurven, zu vermuteten Anomalien bei den Messungen, was auch immer, konnte der "Tester" beantworten. Ich war auch deshalb so verwirrt, weil die Herzfrequenzwerte indoor auf dem Laufband aufgenommen wurden und dessen Tempoeinstellungen von den im Freien beim entsprechenden Tempo selbst gemessenen Werten weit abwichen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich mit der Theorie und Praxis der Leistungsdiagnostik eingehend zu befassen. Das Ergebnis dieser Recherchen war mehr als ernüchternd. Ich habe es auf unserer
Laufseite unter dem Menüpunkt "Laktat-/Leistungstests" zusammengefasst und dabei versucht meine persönliche Enttäuschung hintanzustellen. Denn hätte ich den Test zum Beispiel von meinem Sportarzt vornehmen lassen, hätte der mir sicher alles erklären können. Doch auch wenn ich meinen Erlebnisfrust streiche, bleiben hinter der laktatbasierten Leistungsdiagnostik diverse Fragezeichen. Sie wird im Bereich Leistungs- und Spitzensport selbstverständlich erfolgreich angewandt und ist auch kein Humbug. Doch erstens werden für diese Leute laufend Laktatwerte im Training ermittelt, zweitens kennt sie der Tester/Trainer sehr gut und drittens - für mich entscheidend - steht die Laktatmessung als eine Methode neben mehreren anderen Methoden, die fortwährend Stoffwechselparameter überwachen. Das Laktat ist nur einer, von mehreren wichtigen Stoffwechselparametern! Kein Trainer im Spitzenbereich würde sich NUR auf die laktatbasierte Diagnostik abstützen.
Man sollte auch wissen, dass Laktattests der Form, wie sie für Freizeitläufer angeboten werden, immer zunächst von einem Computerprogramm zu Kurven verarbeitet werden. Das ist kein Hexenwerk, denn tatsächlich liegen die Messpunkte "schön" auf der Kurve, wenn keine Messfehler vorliegen. Bzw. man erkennt Messfehler sofort, weil der betreffende Punkt weit abseits der Kurve liegt. Aber dann beginnt die Spekulation: Der so oft zitierte Punkt der anaeroben Schwelle wird nicht gemessen! Er wird vom Computerprogramm errechnet, wie vieles andere auch. Die dabei verwendeten Algorithmen gegen von konkurrierenden Theorien aus. Es gibt mehr als 15 gängige Interpretationsmodelle. Man kann in der jeweilligen Software sogar einstellen, nach welchem Modell die Messwerte ausgewertet werden sollen. Zum Beispiel gibt es ein Modell, das die anaerobe Schwelle genau dort ansetzt, wo die Steigung der Kurve 45° beträgt. Ein anderes definiert die anearobe Schwelle immer bei dem Punkt 4 mmol/l, obwohl bekannt ist, dass die anaerobe Schwelle individuell und abhängig vom Trainingszustand schwankt (man spricht von der IAS, individuelle anaerobe Schwelle).
Daher finde ich unterm Strich immer wieder zum Fazit, dass die Leistungsdiagnosik vor allem dem Bankkonto des Testers nützt und nur ein kleines bisschen und überaus vielleicht dem Getesteten. Einen Laufeinsteiger zum Beispiel zu testen ist der absolute Witz. Da spuckt der Computer auch einen Trainingsplan aus. Und der ist erfolgreich. Selbstverständlich ist der erfolgreich. Wie denn auch nicht. Ein Laufeinsteiger wird mit jedem Plan seine Ausdauer verbessern, er hat ja vorher keine. Daraus die Sinnhaftigkeit eines Laktattests abzuleiten, taugt allenfalls zur kabarettistischen Verwertung ...
Zur Ermittlung der Hfmax: Du hast eine etwas zu einfache Vorstellung von der Ermittlung der Hfmax. Zunächst, das wurde schon angedeutet, sollte ein Laufeinsteiger keinen Leistungsselbsttest unternehmen, weil er sich damit in einer Weise belastet, die zur Überlastung führen kann. Hat jemand Grundausdauer erworben, besteht physiologisch die Voraussetzung zu einem Hfmax-Selbsttest. Nun zeigt allerdings die Praxis, dass es überaus schwierig ist, das eigene Herz zu 100% Herzfrequenz zu stimulieren. Dazu muss man sich "ausbelasten". Das geht nicht, indem man einfach losrennt. Es gibt verschiedene kleine Programme, die zum Ziel haben am Ende bei 100% persönlicher Hf zu landen (solche Programme findest du bei Bedarf auf unserer
Seite im Thema "Laufen mit Pulsmesser"). Diesem Ziel steht aber eine Barriere im Weg, die sich aus der Wirkung harten Laufens ergibt. Das fühlt sich nach kurzem dermaßen hart an - es tut soooo weh! -, dass nur wenige die Willenskraft aufbringen sich wirklich zu 100% auszubelasten. So was geht im Wettkampf, unter anderen, mit Ehrgeiz im Kopf. Doch Wettkampfstrecken, die gleichmäßiges Laufen vom Start bis ins Ziel erfordern sind eher nicht geeignet die 100% zu erreichen.
Ich war jahrelang davon überzeugt durch einen Ausbelastungstest meine Hfmax zu kennen. Bei einem Intervalltraining im Sommer, bei Temperaturen knapp unter 30°C und hoher Belastung, zeigte der Pulsmesser dann plötzlich ein paar bpm (Schläge pro Minute) mehr an als je zuvor. Und zwar bei jedem Intervall in der Endphase, was meine Vermutung einer Fehlmessung widerlegte.
Dennoch ist die Ermittlung über einen Selbsttest sinnvoll, weil der so festgestellte Wert nicht weit vom tatsächlichen Hfmax entfernt liegt. Und eine Abweichung von vielleicht minus 5 bpm hat so gut wie keine Auswirkungen, wenn man Herzfrequenz(Trainings-) bereiche davon ableitet. Entscheidend ist aber, dass die Hfmax mit Sicherheit nicht unter dem gemessenen Wert liegen kann. Somit ist künftig eine Überlastung ausgeschlossen. Die ist sehr wohl möglich, wenn man seine Hfmax per Formel errechnet und in Wirklichkeit 10 bis 20 bpm drunter liegt! Abgesehen davon, dass ständig zu belastendes Training ungesund ist, wird auch irgendwann der Trainingserfolg ausbleiben.
Ich wünsche dir die richtige Entscheidung
Gruß Udo