Hallo moggio,
ein Herzfrequenzmesser ist zunächst einmal nicht mehr und nicht weniger als ein Messgerät, das, wenn es störungsfrei arbeitet, die aktuelle Herzfrequenz misst. Der abgelesene Wert - so viel ist jedem Menschen schnell geläufig - hängt auf eindeutige Weise von der körperlichen Betätigung ab: Strengt man sich an - egal wodurch - dann steigt die Herzfrequenz. Nun hat aber beides, die ziemlich genau gemessene Herzfrequenz und deren grundsätzliche Abhängigkeit von Anstrengung, noch lange keine Relevanz für ein Lauftraining. Überhaupt keine.
Ich sage gerne ketzerisch: Wer beim Laufen auf den HF-Messer schaut, kann erkennen, dass er noch lebt, weil sein Herz schlägt. Das ist aber kein Wert an sich, weil er sich dessen durch Anstrengung und Freude, die ihm das Laufen vermitteln, sicher auch so bewusst ist ... Solche Sprüche dienen der Provokation. Provozierte Menschen fangen an Gründe gegen den Provokateur zu sammeln und öffnen sich dadurch unfreiwillig seiner Argumentation.
Wenn du dir einen HF-Messer kaufst, erklärt dir niemand, wie du ihn sinnvoll für deine Zwecke einsetzen kannst. Das Verkaufsgespräch müsste eine Menge Gründe aufzeigen, die dich womöglich vom Kauf abschrecken könnten - zumindest einstweilen. Es liegt aber sicher nicht im Interesse des Verkäufers, denn Kauf zu verhindern.
In den 1980er-Jahren schenkte man mir erstmals einen Pulsmesser. Damals hatte ich mit zielgerichtetem Training noch nichts am Hut, von Wettkämpfen oder gar Marathon gar nicht zu reden. Die Dinger waren damals noch so groß wie Hühnereier. Man schleppte sie in einem Täschchen mit, das man sich um die Hüfte band. Der Brustgurt war per Kabel mit dem Dingsbums verdrahtet. Ich trug das Ding tatsächlich ein paarmal und freute mich darüber, dass ich lebe. Das konnte ich auf dem fetten Display ablesen. Allerdings ging mir das Gebammsel rund um die Hüfte samt blöder Verkabelung sofort auf den Keks. So sehr, dass ich einfach den Gedanken "Wozu ist das Ding eigentlich gut?" schon bald nicht mehr unterdrücken konnte. Ich hatte echt keine Ahnung, was ich mit dem Hf-Wert, den ich ablese anstellen soll. Also verschwand das Teil in einer Schublade und dort liegt es heute noch. Es wird die Zeit kommen, da mir jemand für das prähistorische Pulsdings viel Geld bezahlen wird. Oder ich lege es in die Vitrine bis meine vor vier Tagen geborene Enkelin (

) alt genug ist, um es mit museal ehrfürchtigem Blick zu bestaunen ...
2002 begann ich mit zielgerichtetem Lauftraining. In diesem Zusammenhang stieß ich wieder auf die Verwendung des Hf-Messers, weil die Dauerläufe in meinen Trainingsplänen auf der Basis von Hf-Bereichen angegeben waren. Also beschäftigte ich mich mit den dahinter steckenenden theoretischen Grundlagen und kaufte mir dann - nicht ohne Skepsis - ein modernes Gerät. Und tatsächlich passt die Technik inzwischen in ein Uhrgehäuse und der Hf-Sender funktioniert drahtlos - es lebe der Fortschritt. Meine Skepsis war berechtigt, weil ich immer wieder in Situationen "seltsamer" Messanzeigen geriet, die selten durch äußere Störungen, häufiger durch innere Befindlichkeiten von dem abwichen, was ich erwartete. Nach und nach gelang es mir diese "seltsamen" Anzeigen zu entschlüssen, mir zu erklären, warum der Puls jetzt genau in dieser Weise abweicht, ja abweichen muss. Nach einiger Zeit war ich dann in der Lage das Dingsbums tatsächlich effektiv für mich zu nutzen.
Und das tue ich heute noch, auch wenn meine Rede bisher eher so klang, als wäre ich ein Gegner des Pulsmessers. Bin ich aber nicht. Ich bin nur ein Gegner des unüberlegten Kaufs und der noch unüberlegteren "Nutzung". Nach dem "Studium" diverser Bücher und mehrjähriger Erfahrung steht für mich fest, dass man ein paar Bedingungen erfüllen muss, um den Pulsmesser nutzbringend anwenden zu können. Darüber hinaus sollte man noch ein paar weitere Bedingung erfüllen, um seine Wirksamkeit möglichst tief ausschöpfen zu können.
Die Bedigungen sind:
1. Man hat sich Grundausdauer erarbeitet, die ersten Laufschritte liegen schon ein paar Wochen zurück.
2. Die wichtigsten Grundregeln des Ausdauertrainings auf Basis der Pulsmessung sind geläufig.
3. Man kennt die möglichen äußeren und inneren Störungen der Pulsmessung.
4. Die maximale Herzfrequenz ist "bekannt".
Ein paar kurze Erläuterungen:
zu 1.: Das Nervensystem eines ausdauer-untrainierten Körpers dreht die Herzfrequenz "sicherheitshalber" auf sehr hohe Werte. Das geschieht auch schon bei leichtem Trab, weil Anstrengung für diesen Körper eine "Ungeheuerlichkeit" darstellt, an die er sich erst gewöhnen muss - eben durch den Erwerb von Grundausdauer. Nach ein paar Wochen lässt dieses Überschießen des Pulses nach. Das Nervensystem hat dann gelernt, die Herzfrequenz differenziert nach Höhe der Anstrengung zu erhöhen. Erst dann ist Pulsmessung als Grundlage für Ausdauertraining sinnvoll.
zu 2.: Wenn ich dauer-laufe, um zu trainieren, muss ich wissen in welcher Höhe (welchem Bereich) meine Herzfrequenz eigentlich liegen soll. Das sind unterschiedliche Werte, je nachdem welchen Stoffwechselbereich man gerade trainiert. Worum es dabei geht, kann man nur wissen, wenn man sich mit den Grundlagen ein wenig beschäftigt hat. Man sollte darüber hinaus auch wissen, bei welchen Trainingsformen ein Pulsmesser gar nicht, oder höchstens zur Kontrolle der Erholungsphasen, eingesetzt wird (Intervalltraining, Fahrtspiele, und andere).
zu 3.: Äußere Störungen können zum Beispiel die Oberleitung der Bahn, auch der Straßenbahn sein, oder andere starke elektromagnetische Quellen. Auch der Brustgurt kann manchmal zum Versagen der Messung führen, und anderes. Innere "Störungen" sind abweichendes Pulsverhalten des Körpers. Eigentlich sollte ja eine bestimmte Anstrengung, ein bestimmtes Tempo, immer durch eine identische Pulshöhe repräsentiert werden. Das ist aber nur grundsätzlich so. Der Puls steigt zum Beispiel im Verlauf des Trainings an, ohne Tempoverschärfung, wenn man nur lange genug läuft. Wenn es draußen heiß ist, ist der Puls grundsätzlich höher - immer bezogen auf ein bestimmtes Lauftempo flach. Sogar die Psyche - also wie man an einem bestimmten Tag drauf ist - wirkt auf die Herzfrequenz ein, die Tageszeit auch, und noch ein paar andere Faktoren. Man kann nicht immer alles berücksichtigen. Wichtig ist vor allem die angezeigte Hf immer kritisch zu "würdigen".
zu 4.: Aus der maximalen Hf (Hfmax) werden die Trainingspulsbereiche abgeleitet. Hfmax ist für einen Menschen eine unverwechselbare Beinahe-Konstante, so wie die Länge seiner Beine oder sein Gesicht. Auch diese Parameter sind nur Beinahe-Konstanten, denn das Gesicht altert und legt sich in Falten. Die Beine verändern sich ebenfalls im Gebrauch - nur so viel: Mit den Jahrzehnten werden sie nicht besser ... Hfmax "altert" auch. Der Wert sinkt mit dem Älterwerden, grob gesagt um einen Schlag pro Minute (1 bpm) im Jahr. Nicht mal diese Rate ist eine Konstante. Bei heftigem Ausdauertraining kann dieses Sinken auch zum Stillstand kommen ...
Und nun ENDLICH zu dir moggio. Natürlich weiß ich nicht wirklich, warum du mit dem Pulsmesser nicht zurecht kommst. Es kann tatsächlich sein, dass du deine Hfmax zu niedrig angesetzt hast. Das wirst du erst wissen, wenn du sie tatsächlich durch einen Belastungstest ermittelt hast. Vielleicht trainierst du noch nicht lange genug, damit deinem Körper schon abgestufte Pulswerte zur Verfügung stehen. Möglicherweise ist dein Nervensystem noch unsicher und schraubt die Drehzahl noch immer in überzogene Höhen. Und dass du deinen Puls nach der Anstrengung nicht mehr runter bringst ist ja nun völlig normal für einen Laufeinsteiger. Man muss schon einiges an hartem Ausdauertraining absolviert haben, damit der Puls nach der Belastung rasch wieder auf das Ausgangsniveau sinkt. Und selbst mit hoher Ausdauer: Wenn ich harte Tempotrainings mache, kommt auch bei mir der Puls während des Auslaufens nicht wieder auf den Wert beim Einlaufen, also vor der Belastung runter.
Mit deinem Laufstil hat der Puls ganz sicher nichts zu tun und du bist ganz sicher auch nicht die "Flasche", die du unter deinem Punkt 3 skizzierst. Kannste alles abhaken.
Meine Empfehlung: Nimm den Pieper ruhig mit, aber steuere dein Lauftraining einstweilen mit Körperwahrnehmungen. Das ist einmal die Atmung. Längere Läufe - du wirst wissen, was für dich längere Läufe sind - läufst du so langsam, dass du dich unterhalten kannst, ohne dabei gleich völlig außer Atem zu kommen. Dazu muss dich niemand begleiten, auch Selbstgespräche erfüllen den Zweck. Oder stört dich etwa, dass Passanten dich für einen durchgeknallten Zeitgenossen halten?
Eine andere wichtige Wahrnehmung ist die Ermüdung: Man hört auf, bevor man erschöpft ist - also vor dem Zustand "Flasche leer" bzw. "nichts geht mehr". Wenn du Ermüdung zu spüren beginnst, dann hörst du auf. Anders formuliert: Wenn du aufhörst, solltest du im selben Tempo noch ein paar Minuten laufen können, ohne anschließend ein Sauerstoffzelt zu brauchen.
Dritte wichtige Wahrnehmung sind Schmerzen bzw. Beschwerden: Sobald es anfängt irgendwo weh zu tun ist Schluss. Helden des Laufsports enden früher oder später in der Praxis eines Sportarztes oder Orthopäden. Ich weiß das, denn ich bin ein Held

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Ich denke ich habe dir nun genügend Ansatzpunkte geliefert über dein Leben als Herzfrequenzmesserbenutzer noch einmal in Ruhe zu reflektieren ...
Mehr Info zu all den - leider nur angerissenen - Komplexen findest du bei Bedarf auf unserer
Laufseite unter dem Thema "Laufen mit Pulsmesser".
Ich wünsche dir gesunde und frohe Läufe
Gruß Udo