crowl hat geschrieben:... habe ich schon mehrmals Leute dabei beobachtet, wie sie scheinbar mühelos die Berge Rauf und Runter gelaufen sind. ... Es waren für mich Übermenschen, Profis, die irgendwelche geheime Kräfte haben mussten....
Könnte ich das auch einmal sein? Könnte ich auch mal dazuzugehören?
Ich weiß es nicht! Ich bin ein Anfänger der versucht seine Ausdauer Meter um Meter und Minute um Minute zu verbessern.
Hallo Wojtek,
hier spricht ein - wie sagst du so schön: - ein "Übermensch, ein Profi" mit dir, einer "der geheime Kräfte haben muss ...". Ich laufe tatsächlich manchmal Berge hoch, sogar auf Marathonstrecken oder bei 100km-Läufen. Und ehrlich: Ich habe meine Seele nicht dem Teufel dafür verpfänden müssen, wie einst Faust, fühle auch sonst keinerlei Zauber in meinem Inneren am Werk, bin nachweislich kein Profi (gebe also ne Menge Geld jedes Jahr fürs Laufen aus und nie kommt was zurück) und einen Übermenschen haben meine Eltern damals auch nicht gezeugt ... Wenn das so ist, warum laufe ich dann (manchmal) Berge rauf? Grundsätzlich weil sie "im Weg sind" und "weil ich es eben kann". So beantworte ich die Frage nach dem Warum. Du willst aber sicher eher wissen, wie ich das gemacht habe oder welche Voraussetzungen man dafür braucht ...
In jungen Jahren waren 5 km für mich ziemlich weit. Und ich bin sie auch nur gelaufen, bei der Bundeswehr, weil ich musste. Ich war schließlich Fußballer und kein Läufer. Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Die Gründe lasse ich mal außen vor, sonst wird dieser Beitrag heute nicht mehr fertig. Im Grunde fing ich an wie du angefangen hast. Hatte nicht mal besondere Konsequenz dabei. Lief zweimal die Woche, vielleicht auch mal gar nicht, sicher auch dreimal die Woche, nicht so superweit oder lang. Mal schneller, wenn ich gut drauf war, mal langsamer. Mit den Jahren (!) wurde es länger, weiter, häufiger und konstanter. Ohne konkrete Absicht mich zu entwickeln, einfach weil es mir Spaß machte, weil wir auch später einen Hund hatten (Bei Mistwetter werde ich so oder so nass, ob ich nur Gassigehe oder laufe, also kann ich auch laufen, das bringt mir mehr für die Gesundheit ...). Tatsächlich war ich nach langer Zeit in der Lage endlos lange (für meine damaligen Begriffe) zu laufen. Ich hab nie gemessen wie weit das war, durchaus aber länger als 2 Stunden und damit etwa Halbmarathondistanz. Wenn ich Lust dazu hatte und das Wetter gut war.
Dann kam das Jahr 2002 mit dem Wunsch einmal im Leben einen Marathon zu laufen. Da ich nicht wusste wie man so was ohne Schaden für die Knochen übersteht, habe ich mir ein Marathonbuch gekauft. Ich dachte wirklich damals, dass man sich auf der Straße die Orthopädie endgültig ruinieren muss, wenn man 42 km runterreißt ... Die Lektüre belehrte mich eines Besseren und einer der Trainingspläne führte mich zu einem derart euphorischen Finish, dass ich es seither nicht mehr lassen kann und inzwischen 95 Marathons und Ultras auf dem Kerbholz zähle. Da ist nun alles dabei, was dir übermenschlich und geheimnisvoll erscheinen muss, Marathons zu Hauf, auch mal zwei an einem Wochenende, Samstag/Sonntag, 6/12 sogar 24h-Läufe mit bis zu 219 km am Stück, Bergläufe, 80, 73 km-durch Bergland, 100 km mit 2.300 Höhenmetern drin und andere Sahnestückchen mehr.
Wie geht das? Ich habe mir dazu 30 Jahre Zeit gelassen. Aber nur, weil ich davon 20 Jahre "ziellos" war. Nachdem ich zum ersten Mal mit einem Trainingsplan für den Marathon erlebte, was man mit effizientem Training binnen überschaubarer Zeit (12 Wochen) erreichen kann, habe ich begonnen mich für die Trainingslehre und die Hintergründe zu interessieren. Meine Erkenntnisse habe ich auf mich angewandt und damit alle diese Ziele erreicht. Ich kann heute praktisch jederzeit einen Marathon laufen, tue das z.B. am Sonntag wieder und dann wieder in zwei Wochen im Allgäu bei einem Bergmarathon mit 1.500 Hm, dann wieder Anfang und Mitte September, dann werden es 99 Marathons und Ultras sein. Dann stehe ich davor mir einen langfristigen Traum zu erfüllen ... 100 mal Marathon oder weiter. Das wird, sofern die himmlischen Mächte es wollen (okay bin also doch irgendwie auf Hilfe von oben angewiesen), am 4. November in den Straßenschluchten von Manhattan bzw. im Central Park in New York soweit sein.
Was will ich dir eigentlich sagen? Wenn du sehr viel Geduld hast, erreichst du dein Ziel vielleicht, indem du so weitermachst wie bisher. Irgendwann wird sich die Lauferei verselbständigen, weiter, häufiger, schneller, höher, was weiß ich. Wenn du aber konkret ein Ziel - einen Traum - hast, diesen in vielleicht 2, 3, 5, ... Jahren erreichen willst, dann solltest du anfangen zu trainieren. Was du machst ist nicht wirklich Training. Es mag dich jetzt entsetzen, aber es ist so. Lass es mich erläutern.
Du läufst dreimal die Woche deine 5km-Runde mit Ach und Krach - so deine Worte. Darauf stellt sich der Körper ein, du kannst das jetzt, er hat sich angepasst, damit du das kannst. Aus welchem Grund sollte er sich jetzt weiter entwickeln? Weshalb sollte er Ausdauer dergestalt ansammeln, dass du irgendwann schneller und/oder weiter laufen kannst? Unser Organismus entwickelt sich nur, wenn wir ihn dazu "zwingen". Nur wenn ich schwere Gewichte stemme, bekomme ich stärkere Muskeln. Und wenn aussehen will wie ein Bodybuilder, muss ich ständig mehr Gewicht auflegen, immer mehr und mehr und mehr. Und wenn ich weiter und schneller laufen will, dann muss ich ständig weiter und weiter und schneller und schneller laufen. Dem Prinzip nach!
Ich will nun nicht so tun, als wäre es sicher, dass du dereinst Berge leichtfüßig hoch trabst, noch will ich den Eindruck erwecken jeder Mensch könnte - vorausgesetzt er trainierte nur methodisch und effizient - all das laufen, was zum Beispiel ich laufe. Dazu ist neben dem unbedingten Willen das zu tun (also einer gewissen mentalen Härte gegen sich selbst) und einem robusten Körper (also der genetischen Disposition Härte gegen den Bewegungsapparat ohne Verletzungen überstehen zu können) ausreichend freie Zeit fürs Training erforderlich. Und diese freie Zeit muss man über Jahre hinweg ganzjährig investieren. In dieser langen Zeit kann man sich mit viel Trainingsarbeit aufbauen. Länger, weiter, höher (mehr Höhenmeter).
Willst du es? Klare Ansage im Stillen für dich selbst. Wenn du dir sagst "Ja, ich will das und ich kann das!", es ganz entschieden bejahst, dann gehe es auch an!
Hast du einen robusten Körper? Die Antwort wird dir erst der Versuch liefern, dich zu entwickeln und zu steigern. Bleiben Verletzungen aus, dann ist es so. Wenn du dich verletzt durch härteres Training kann natürlich auch ein Trainingsfehler vorliegen, das muss man dann eben sehen. Wenn man maßvoll steigert, kann man jedenfalls sehr, sehr weit kommen.
Hast du genügend freie Zeit? Ich meine damit freie Zeit zum Laufen und nicht "Freizeit". Freizeit ist alles, was wir nicht durch Arbeit belegt haben. Aber Freizeit kennt durchaus viele Verpflichtungen. Familie, Freunde, Verein und vieles mehr. Bleibt letztlich in der Freizeit genügend freie Zeit zum Laufen? Und das wird mit der Zeit mehr, je nach gestecktem Ziel bis zu sehr viel mehr ...
Wenn du zu allem "Ja!" sagst, dann brauchst du Methode und Systematik im Training. Was du derzeit tust, führt dich allenfalls langfristig zu gewissen Zielen. Du solltest dir diese Ziele setzen. Nur wenn ich weiß, was ich will und in welchem Zeitraum etwa, kann ich mir auch einen (Trainings-) Plan machen (oder beschaffen), der mir den Weg zu diesem Ziel weist. Ein erstes Ziel sollte für dich sein, diese 5 km nicht mehr nur mit "Ach und Krach", sondern durchaus mit mehr Tempo und ganz sicher zu laufen. Dafür gibt es Trainingspläne (in Büchern, im Netz sogar umsonst). Warum schneller laufen, wo du doch eigentlich davon träumst die Berge hoch zu laufen und das geht notgedrungen nur langsam, manchmal sogar nur gehend, wenn es zu steil oder zu unwegsam wird? Ganz einfach: Ein Motor mit mehr PS schafft eine Steigung spielend, einer mit wenig quält sich rauf, kriecht rauf. Es geht also darum deiner Ausdauer mehr "PS" zu verleihen. Ich erkläre das jetzt mal bewusst nicht in Sätzen und Begriffen der Trainingslehre, denke du verstehst mich auch so. Wenn du die 5 km spielend und auch ein bisschen schneller schaffst, machst du den nächsten Schritt - vielleicht 10 km - auch mit Trainingsplänen. Ob du als "Leistungsnachweis" heimlich im Wald läufst, wenn du so einen Plan "abgearbeitet" hast oder aus Spaß an der Freud einen Volkslauf mitrennst ist völlig egal. Wichtig ist: Ziel setzen, darauf planvoll trainieren und nach Ablauf des Trainings sich beweisen, dass man es kann! Dann das nächste - realistisch erreichbare!!! - Ziel setzen. Auf diesem Weg kannst du durchaus schon Hügel, Steigungen, maßvoll in dein Training einbauen. Das Training wird ohnehin mit Methoden arbeiten, die du noch gar nicht kennst (Intervalle trainieren, Fahrtspiele machen, usw.). Auf diese Weise kannst du schon recht bald ein Gefühl dafür bekommen, wie es sein könnte wenn du mal 1.100 Meter ununterbrochen den Berg rauf rennst, wie ich es letztes Jahr beim Liechtenstein-Marathon gemacht habe. Das geht. Nicht sofort, nicht schon nächstes Jahr, aber in absehbarer Zeit ...
Du musst es unbedingt WOLLEN ...
du musst einen ROBUSTEN KÖRPER haben, der die ständigen Belastungsteigerung verträgt,
du musst genügend FREIE ZEIT haben und
du musst es METHODISCH mit Plan (Trainingsplan) angehen.
Ich wünsche dir die Entwicklung zur Gemse
Gruß Udo