pezibaerli hat geschrieben:In den RW-trainingsplänen sind ja sehr viele "lockere Dauerläufe", was 80-85% der HFmax entspricht.
Läufe in dieser Intensität fühlen sich bei mir aber nicht richtig "locker" an. Das ist bei mir schon einigermaßen zügiges Tempo das ab und an auch ein bisschen "zach" ist. Ist das normal so?
ich habe irgendwie angst zu schnell zu laufen und meine Grundlagenausdauer zu vernachlässigen, aber die pulsuhr lügt ja nicht!
und noch eine andere frage möchte ich gerne hinterherschieben: ich lese immer wieder, dass das allermeiste training im bereich von 70-80 % der HFmax liegen sollte. Wie gesagt, in hiesigen trainingsplänen dominiert aber eindeutig der bereich von eher 80-90%. Kann mir das vll. wer ein klein wenig erklären?
Hallo pezibaerli,
Trainingsintensitäten benennt jeder Autor von Trainingsplänen (TP) nach Gutdünken. Dabei finden Begriffe Verwendung, die keiner Normung unterliegen. "Locker" ordnet der Autor der RW-Trainingspläne der von dir angegebenen Bandbreite der Herzfrequenz von 80-85% zu. Und diese Intensität fühlt sich bei den allerwenigsten Läufern wirklich "locker" an. Kaum jemand würde das Laufgefühl - insbesondere näher bei 85% - mit dem Attribut "locker" versehen. Die Begrifflichkeit als solche sollte dich nicht stören. Sie wurde einstmals vom Autorenduo Steffens/Grüning so eingeführt und beibehalten. Die beiden zeichnen wohl auch für die TP's bei RW verantwortlich. Du solltest immer auch bedenken, dass es sich bei den Traningsplan-Erstellern um ehemalige Leistungsportler handelt, für die sich so ein Tempo durchaus locker anfühlen kann. Es ist übrigens auch nicht unerheblich, auf welcher Distanz man trainiert. Wer eher kürzere Strecken trainiert (3 bis 10 km) besitzt mehr Durchhaltefähigkeit in Laufbereichen mit höherer Herzfrequenz. So jemand empfindet "locker" tatsächlich als "locker". Leistungsschwächere oder Läufer, die für längere Strecken trainieren (HM, M, Ultra), werden im Training von "locker" richtig hart gefordert. Ihre anaerobe Ausdauer, oder diejenige im aeroben-anaeroben Grenzbereich, ist deutlich schlechter ausgeprägt.
Zur Erläuterung:
aerob = Herz-Kreislaufsystem kann genügend Sauerstoff bereitstellen
anaerob = Der Körper wird nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt, die nötige Energiemenge in der Muskulatur kann nur unter erhöhter Produktion von Milchsäure (Laktat) bereitgestellt werden.
Auch wie oft und lange man in welchem Herzfrequenzbereich trainiert hängt von der angepeilten Distanz ab. Grundsätzlich gilt: Je länger die Distanz, umso niedriger ist die Trainingsherzfrequenz zu wählen. Marathonläufer werden bald 80% ihres Trainings im Bereich 70 - 80% von Hfmax absolvieren. Der Rest verteilt sich auf Fahrtrspiele, Intervalltraining und gelegentliche harte Dauerläufe (auch Testwettkämpfe im Bereich 10 km und HM).
Wenn du einem Trainingsplan folgst, brauchst du keine Angst haben zu schnell zu laufen - wenn !!! der Trainingsplan zum Niveau deiner Ausdauer passt. Unsinn wäre - um ein Beispiel zu nennen - wenn jemand 10 km gerade so eben in 60 min packt und nun versuchen würde einen Trainingsplan von "10 km in 45 min" zu trainieren (Verbesserung 25%!). Dieser Sprung mündete eindeutig in ein Überlastungstraining. Dagegen wäre es machbar, wenn jemand einen HM zuletzt in 2 h gelaufen ist, beim nächsten Mal vielleicht eine Zeit von 1:50 h anzustreben (Verbesserung weniger als 10%). Welche Verbesserung jemand packen kann hängt nicht nur von seiner "biologischen Trainierbarkeit" ab, sondern natürlich auch von seinen Rahmenbedingungen: Wie viel kann er trainieren? Wie konzentriert kann er trainieren? Kann er einen Trainingsplan getreu den Vorgaben umsetzen oder gibt es Ausfälle? usw. Und auch seine mentale Disposition spielt eine erhebliche Rolle. Manche können sich endlos schinden (was nicht immer gut ist, weil sie Gefahr laufen ihre physische Leistungsfähigkeit zu überfordern) andere geben schnell auf, wenn "es" sich hart anfühlt. Das berüchtigte "Weichei" kann meist nichts für sein vorzeitiges Aufgeben, weil auch was wir aushalten können letztlich genetisch programmiert ist. Man kann aber Härte auch in einem gewissen Rahmen trainieren (das sei den Weicheiern ins Gewissen geredet, damit sie sich nun nicht ständig rausreden können).
Nun noch zum Hf-Messer. Der lügt durchaus mal. Hf-Messer sind Messgeräte und können falsch anzeigen. Zum Beispiel in der Nähe von Hochspannungsleitungen, wenn man neben jemand läuft, dessen Brustgurt genauso kodierte Signale sendet, wenn der Brustgurt nicht korrekt angelegt ist und mehr. Normalerweise hat man aber genügend Erfahrung um die sich daraus ergebenden krassen Falschanzeigen recht schnell zu erkennen. Was allerdings die wenigsten wissen ist, dass die Herzfrequenz nicht nur von der gerade gelaufenen Intensität (= Tempo im flachen Gelände) abhängig ist, sondern auch von vielen anderen Faktoren. Äußere z.B. wie Temperatur oder Luftfeuchtigkeit. Innere Abhängigkeiten ergeben sich aus dem Zustand des Energiestoffwechsels. Dieser Zustand ist anders, wenn am Tag vorher bereits trainiert wurde - insbesondere, wenn hart/lange trainiert wurde - und auch die Ernährung spielt für den Energiestoffwechsel eine Rolle. Mentale Befindlichkeiten haben auch Einfluss auf die Hf. Wer mit aktuellem Ärger im Herzen läuft, hat eine höhere Hf als ein ausgelichen ins Training gehender Läufer. Die Anfälligkeiten der Hf für irgendwelche inneren Einflüsse sind überdies bei jedem Läufer anders. All diese Dinge kann man sich nur durch Erfahrung mit dem Pulsmesser erlaufen. Es liegt nicht im Interesse der Hersteller und Verkäufer dieser Geräte sie potenziellen Käufern mitzuteilen, die dadurch verunsichert, vielleicht auf den Kauf des Geräts verzichten. Das klingt nun Pulsmesser-kritisch, soll es aber nicht sein. Ich laufe selbst seit langer, langer Zeit pulsgesteuert im Training und meine Erfahrungen sind gut. Allerdings habe ich nie blind an das geglaubt, was das Gerät anzeigt und im Laufe der Jahre gelernt die Anzeigen zu verstehen, wenn sie von meinen Erwartungen abweichen ...
Noch eine Richtigstellung: Grundlagenausdauer wird oft fälschlicherweise mit "langem, langsamem Laufen" gleichgesetzt, meint allerdings etwas anderes. Langes, langsames Laufen schult den unteren Leistungsbereich der aeroben Grundausdauer. Zur "allgemeinen" Grundlagenausdauer gehören aber auch die anderen Tempobereiche bis hin zu anaeroben Läufen. Je nach Zieldistanz wird der Läufer seine Grundlagenausdauer eher aerob (langsam, lang) oder mehr anaerob (kurz, schnell ausrichten).
Ich wünsche dir erfolgreiches und von Spaß am Laufen geprägtes Training
Gruß Udo