Mannheim-Runner hat geschrieben:Gefühlt ist es vormittags immer anstrengender zu laufen als abends. Heute war es wieder so. Woran könnte das liegen?
Hallo Jo,
es ist nicht nur gefühlt anstrengender vormittags zu laufen, sondern tatsächlich. Der menschliche Biorhythmus verzeichnet über den Tag verteilt Leistungshochs und -tiefs. Es beginnt mit einem Tief nach dem Aufstehen. Auch der frühe Nachmittag ist eher ungünstig in dieser Hinsicht. Genaueres kannst du entsprechenden Veröffentlichungen entnehmen. Dabei geht es nicht um esoterisch Mystisches, sondern um streng wissenschaftliche Ergebnisse. Diesem tageszeitbedingten Auf und Ab der Leistungsfähigkeit unterliegt jeder Mensch, allerdings in individuell unterschiedlicher Ausprägung. Individuell ist die "Tiefe der Tiefs", bzw. "Höhe der Hochs". Es gibt also Menschen, die von einem Morgentief nichts merken, quietschfidel aus dem Bett springen und aller Tagen sofort fähig sind. Andere "quälen" sicher eher. Der Volksmund wusste das immer schon, wie man an dem Begriff "Morgenmuffel" erkennen kann.
Ich selbst bin physisch sicher einer der extremsten Morgenmuffel, die man sich überhaupt denken kann. Scherzhaft sage ich immer: Gäbe es ein Gesetz, das den Laufsport auf die Zeit vor 10 Uhr morgens festlegt, dann müsste ich mir ein anderes Hobby suchen. Tatsächlich verfüge ich morgens auch nicht annähernd über die Leistungsfähigkeit, die ich für effizientes Training bräuchte. Ich kann schon mal zu einem sehr langsamen weiten Trainingslauf aufbrechen, falls das unumgänglich sein sollte, aber mehr Tempo ist nicht drin. Ich kann im Nachhinein konstatieren, dass sich mein morgendliches Leistungstief über die Lebensjahre/-jahrzehnte immer ausgeprägter äußerte. Auch habe ich Anhaltspunkte dafür, dass mein leistungsorientiertes Training maßgeblich zum "Vertiefen" des Tiefs beiträgt. Ich erkläre mir das durch die fortgeschrittene Schulung meiner Regenerationsfähigkeit. Nach Belastungen geht die Kontrolle im vegetativen Nervensystem vom Symphatikus an den Parasympathikus über: Der "schaltet" alle Körperfunktion auf Ruhe, Erholung, Wiederaufbau, Reparatur um, also auf den Prozess, den wir als "Regeneration nach Ausdauerleistungen" bezeichnen. Dieses Umschalten funktioniert bei mir wirklich ausgezeichnet. Zum Beispiel kann es mir passieren, dass ich nach einem mittäglichen Training über der zweiten, dritten, manchmal sogar der ersten Tasse Kaffee einschlafe. Buchstäblich am Tisch, auf dem Stuhl sitzend wegnicke. 5, 10 min dann bin ich wieder da, aber oft immer noch sehr müde. Und in den meisten Nächten fährt der Parasympathikus meinen Körper in einen Zustand runter, der mehr mit Bewusstlosigkeit als mit Schlaf zu tun hat.
Interessanterweise ist das ganz anders, wenn ich zu einem Wettkampf antrete, bei dem es für mich um etwas geht. Dann ist morgens nach dem Aufstehen rasch so viel Adrenalin im Blut, dass dieses Tief überspielt wird. Trete ich jedoch beispielsweise zu einem Marathon "nur" als Trainingslauf, als Aufbauwettkampf für mein weiter gestecktes Saisonziel an - in der Regel ein sehr langer Ultralauf -, dann fehlen die morgendlichen Kampfhormone und ich stehe noch ziemlich unausgeschlafen und "lustlos" an der Startlinie rum.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass du - falls das erforderlich sein sollte - durch fortwährende Wiederholung deine morgendliche Leistungsfähigkeit verbessern kannst. Immerhin ist diese von dir registrierte Leistungsschwäche ein Hinweis, dass dein Training zu anderen Zeiten auf "fruchtbareren Boden" fällt, also mehr bringt.
Noch ein Satz der Relativierung: Du hast diese morgendliche Leistungsschwäche nur einmal erfahren. Es kann natürlich sein, dass irgendein anderer Umstand dafür verantwortlich war. Man darf nicht zwingend von einer einzigen Begebenheit auf Grundsätzliches oder regelmäßig so Eintretendes schließen. Probier es einfach noch mal aus.
Alles Gute
Gruß Udo