Hallo RunSim und Stebbins,
das Training für einen Backyard Ultra unterscheidet sich wohl kaum von dem eines Ultralaufes entsprechender Länge und Dauer. Schauläufer ( hallo
) mag mir da gerne widersprechen oder ergänzen.
In diesem Fall ist das "Gesamtpaket" zudem nicht mal offen. Längstens dauert der Lauf 17 Stunden und geht über 114 flache Kilometer (habe ich jedenfalls so verstanden). Bitte das nicht falsch oder mit elitärer Attitüde geäußert verstehen, aber ich frage mich jetzt, worin die eigentliche Herausforderung besteht. Oder anders ausgedrückt: 114 flache km in 17 Stunden zu laufen ist für einen einigermaßen trainierten Ultraläufer jederzeit machbar. Im Grunde müssten die meisten Starter alle 17 Runden überstehen. Anders sieht die Backyard-Sache aus, wenn das Ende offen ist. Denn irgendwann ist der Ofen bei jedem aus.
Bei dir Stebbins kommt natürlich die Unerfahrenheit auf Strecken jenseits M hinzu. Es ist klar, dass du 1.000 Tode sterben wirst. Offen gestanden bin ich froh, dass mir damals beim Umstieg von M auf Ultra nicht geglückt ist, was ich ursprünglich vorhatte. Ich wollte aus Frust, weil mir nach mehreren knapp gescheiterten Anläufen ein M unter 3 h nicht glücken wollte (war ja auch schon deutlich über 50 damals), meinen Horizont erweitern und mich auf der 100 km-Strecke versuchen. Das scheiterte im zweiten Halbjahr 2006 schlicht daran, dass kein 100er mehr angeboten wurde, der für mich infrage kam. Ich legte mich also auf Biel 2007 fest und fand es eine Gute Idee einen Zwischenschritt zu setzen, einen 6h-Lauf noch in 2006. Ich hatte also 2006 und auch dann noch in 2007 Gelegenheit mich schrittweise auf die irre Distanz von 100 km vorzubereiten. Ich lernte die Härten, die einem auf 100 km oder mehr Strecke begegnen schon vorher kennen und ihnen mental zu begegnen. Dieser Lernprozess endet nie, sofern man bestrebt ist seine Reichweite ständig zu erweitern.
Mentale Härte schult am besten das reale Lauferlebnis und darin die Unerbittlichkeit wachsender Schwäche. Ich bin der festen Überzeugung, dass man erleben muss, dass es trotz Schwäche und schmerzender Glieder immer weiter geht. Das klingt nach Spruchweisheiten, ist aber so. Ich habe inzwischen mehr als 100 Ultras hinter mir. Viele davon lief ich als Vorbereitung auf längste Sachen wie 24h-Läufe, Spartathlon oder Olympian Race. Zum Training ging ich durchaus auch - um es vorsichtig auszudrücken - "unausgeruht" bei Ultras an den Start. Ich brachte mich also halb unabsichtlich halb mit Bedacht in Situationen, die von mir verlangten auch dann noch weiterzumachen, wenn "vernünftige" Menschen entscheiden würden: Das war's jetzt für mich (Ich bin nicht vernünftig, ich lauf ja Ultra
). Ich will dir diese Methode nicht nahelegen. Brauche ich auch nicht, denn mit jedem Ultra wirst solche Situationen so oder so erleben und überstehen. Was mich nun trägt, ist die Tatsache noch mit jeder dieser Situationen fertiggeworden zu sein. Ich musste nie abbrechen. Das ist ein Pfund, mit dem ich jetzt wuchern kann. Mich selbst am Start beruhigen und unterwegs motivieren: "Du hast es immer geschafft, du wirst es auch diesmal schaffen!"
Letztlich würde ich also dazu raten einen "sanfteren" Übergang von M nach Ultra als den von 42,2 auf 114 km zu wählen. Es ist aber vermutlich so, wie schauläufer andeutete: Bei der Einteilung in Runden könntest du geneigt sein, rechnest vielleicht auch insgeheim damit oder dein "geheimes Selbst" hat es für dich unbewusst vor, nach deutlich weniger als den 17 Runden abzubrechen bzw. abbrechen zu müssen.
Was nun das Training angeht, so kommt es natürlich darauf an, wie dein Stand jetzt ist, und was du bis Juli noch an Gesamtkilometern und vorbereitenden Wettkämpfen zu laufen imstande sein wirst. Grundsätzlich wäre ein "Trainingsplan" für einen 100km-Lauf durchaus sinnvoll. Allerdings ist Ultratraining eine höchst individuelle Sache. Was man/wie man für diese oder jene Herausforderung hinsichtlich Streckenlänge/-beschaffenheit/Höhenmeter etc. am besten trainiert kristallisiert sich mit der Ultralauferfahrung heraus, die ihr beide ja noch nicht habt.
Vielleicht hilft euch mein Trainingskonzept weiter, das auf meiner Laufseite veröffentlicht ist. Da gibt es keinen fertigen Trainingsplan, sondern eine Anleitung, wie man sich einen für jeden denkbaren Ultralauf selbst erstellen kann (zu finden
hier: Auf "Themen Ultralauf" klicken, dann "Trainingsplan erstellen").
Abhängig von der Startzeit und den mutmaßlichen Laufzeiten sollte ein Ultratraining auch noch das Element "Nachtlauf" enthalten. Wenn du tatsächlich 17 h im Juli läufst und der Start etwa am "normalen" Vormittag liegt, läufst du in die Nacht rein. Also lege einige lange Trainingsläufe auf den späten/dunklen Abend. Falls der Lauf - im Juli ist es heiß - über Nacht stattfindest, solltest du dich ein-, zweimal um die für einen Menschen körperlich übelste Zeit der Nacht 2, 3, 4 Uhr morgens laufend testen und in dieser besagten Nacht auf Schlaf komplett verzichten. Ich bin zum Beispiel ein Typ der Nachtläufe (die abhängig von der Strecke und dem Format nun mal nicht vermeidbar sind auf dem Planeten Erde) hasst wie die Pest. Anfangs stürzte ich nächtens in depressive Zustände. Das hat mich ganz kalt erwischt. Es ist nicht verkehrt sich diesbezüglich vorher zu testen, bzw. "mental abzuhärten"
Pausen trainieren halte ich für überflüssig. Ich würde, wie oben angedeutet, stattdessen versuchen die tatsächlichen Pausen im Wettkampf so kurz wie möglich zu halten. Das wird dir nach und nach immer leichter fallen, je müder deine Beine werden. Wenn man Pausen tatsächlich trainieren will - warum eigentlich nicht -, dann ist das doch jederzeit möglich: Zu Hause eine entsprechende Strecke aussuchen und nach jedem Umlauf eine Pause einlegen. Ich gehe allerdings davon aus, dass allenfalls eine mentale Schulung dabei entsteht. Der Körper ist nunmal so ausgelegt, dass er in Phasen der Belastung alle Funktionseinheiten auf Leistung schaltet und - sobald Ruhe eintritt - dieselben Einheiten in den Modus "Regeneration" bringt. Es ist ja genau das, was wir mit dem steten Wechsel von Belastung und Erholung einüben. Da ist die Pause dann einen Tag lang oder länger. Je besser aber jemand hinsichtlich Ausdauer trainiert ist, umso schneller schaltet sein vegetatives Nervensystem von Belastung auf Erholung um. Mir geht es oft so, dass ich nach einem Training am heimischen Tisch nach der ersten Tasse Kaffee und ein paar Bissen einschlafe ... eben weil ich meinen Organismus über viele Jahre Training auf rasche Erholung getrimmt habe.
So weit mal ein paar Hinweise von mir. Vielleicht kann da schauläufer noch reingrätschen.
Gruß Udo