Wo wir gerade an anderer Stelle bei Schläuchen sind...
...kann ich ja hier mal über meine Erfahrungen mit Latex-Schläuchen berichten.
Anfang letzten Jahres hatte ich mich intensiv mit Schläuchen beschäftigt. Damals grassierte bei mir die Schlauchseuche. Hinten alles kaputt gefahren, egal ob dick oder dünn oder welcher Hersteller auch immer. Also nach (pannensichereren) Alternativen zu Butyl gesucht. Dabei bin ich auch über Latex gestolpert. Die Meinungen in den Fahrrad-Foren sind sehr kontrovers. Da gibt es glühende Befürworter, die dank Latex zig Watt an Trittleistung einsparen (

) und / oder den tollen Federungskomfort genießen. Und Latex-Geschädigte, die empfehlen, diese Schläuche nur mit Scheibenbremsen einzusetzen. Bei der ersten Vollbremsung mit Felgenbremsen würden die Schläuche explodieren. Und die Fraktion "warum soll ich es ausprobieren, wo ich doch so schon weiß, dass es nichts taugt". Nach Stunden Recherche war ich kaum schlauer als vorher. Gelernt habe ich trotzdem etwas: Latex-Schläuche verlieren schnell die Luft und müssen jeden Tag bzw. vor jeder Fahrt aufgepumpt werden. Lästig! Da ich keinen einzigen 20 Zoll Latexschlauch gefunden habe, war das Thema erst einmal erledigt.
Als Joggl vor ein paar Monaten in diesem Forum einen Beitrag über Latex-Schläuche geschrieben hat und es jetzt eine auf 20 Zoll gekürzte Version gibt, war meine Neugier sofort wieder geweckt. Also einen 28-622 und den gekürzten 28-406, beide von Vittoria, bestellt. Nach dem Auspacken des 20 Zöllers war ich skeptisch. DIE Klebestelle soll halten? Ja, sie hält, auch wenn es nach Gebastel aussieht.
Die erste Tour wurde mit dem Morxes Sport unternommen. Vorne das Zonda, der neue Latex-Schlauch und der One 28-622, hinten noch das Originalrad mit dem Contireifen. Meine Güte, hab ich jetzt einen Big Apple vorne? Rollt sowas von komfortabel! Übergang von glattem auf rauen Asphalt? Wen interessiert das? Wassergebundene Wege? Waldboden? Mehr davon! Ein 28er Rennreifen ist der ideale Crosser! Na gut, trocken muss es sein und auf Steine und Wurzeln sollte man schon Acht geben. Auf die Dauer war mir das zu schwammig. Besonders bei Bodenwellen hatte ich das Gefühl, vorne ist platt. Der Reifendruck wurde dann leicht erhöht auf 8,5 bar. Jetzt passte es. Straff, komfortabel und immer noch offroadtauglich. Juhu ... ich habe den Renn-Big-Apple erfunden.
Zweiter Versuch mit dem Ultremo ZX 25-622. Den hatte ich zum Reservereifen degradiert, da er mir zu hart war. Wenn der Druck etwas zurückgenommen wurde, fuhr er sich gleich schwammig. Mit dem Maximaldruck von 9 bar ist er auch mit Latex noch hart ohne gleich die Handgelenke zu zerbröseln. 8,5 bar sind perfekt. Der Schlauch bestimmt den optimalen Luftdruck, nicht der Reifen. Kurios! Mit 25 mm ist die Offroadtauglichkeit nicht mehr ganz so gut. Da flitscht schon mal ein Steinchen zur Seite. Und bei Rillen oder Pflaster muss man schon aufpassen. Dafür kann der Schlauch nichts. Ein 28er ist halt besser zum Touren fahren geeignet als ein 25er.
Beim 20 Zoll Hinterrad ist der Eindruck eher durchwachsen. In der breiten Remerxfelge hat sich der Schlauch wohl verlaufen. Selbst mit dem schmalen Minits Lite fuhr es sich schwammig. Es wippte leicht beim Treten. Der Reifen walgte seitlich. Nach erhöhen des Drucks von 7 auf 7,5 bar (mehr habe ich mich nicht getraut) ging es etwas besser. Auf der schmalen Kinlin NbR fühlte er sich wohler, aber auch hier brauchte es etwas mehr als den Maximaldruck des Reifens. Der Abrollkomfort ist top. Rauher Asphalt, wassergebundene Wege und Waldboden gehen prima.
Die Latex-Schläuche verlieren ca. 2 bar Druck - innerhalb eines Tages! Das heißt dann: jeden Tag oder vor jeder Fahrt nachpumpen. Das ist auf die Dauer ganz schön lästig. Bei Butyl, auch bei den dünnen Schläuchen, reicht einmal pro Woche aufpumpen. Die SV-Ventile des Vittoria-Schlauches sind die besten, die ich bisher hatte. Der Pumpenkopf lässt sich präzise aufstecken und wieder abziehen, ohne dass viel Luft verloren geht. Sie sind so massiv, dass sie bei der Kinlin NbR eine leichte Unwucht erzeugen.
Zum Schluss zwei Anekdoten:
Ich möchte unbedingt eine Runde mit dem Roller fahren. Aber immer, wenn die Straße wieder einigermaßen trocken ist, kommt das nächste Gewitter. Bald wird es dunkel. Also egal, auf den Roller, die Gewitterwolken im Blick, der tiefstehenden Sonne entgegen. War da nicht ein Geräusch? Klack ... klack ... Jetzt ist es wieder weg. Ich halte trotzdem an und suche nach der Ursache. Oops, eine Scherbe, fast vollständig im Vorderreifen verschwunden. Vorsichtig puhle ich sie heraus. Jetzt wölbt sich der Reifen nach außen. Krater im Reifen? Nicht gut. Ich sollte umkehren. Nein, ich fahre die Runde zu Ende. Zu Hause den Reifen runter gemacht. Wie befürchtet, sauberer Schnitt durch die Karkasse. Schrott. Und der Schlauch? Hat nicht mal einen Kratzer abbekommen!!!
Ich bin gemächlich auf einem Waldweg unterwegs und genieße die Natur. Plötzlich zündet ein Ballonfahrer kurz den Brenner - direkt hinter meinem Rücken. FAUCH! Erschreckt sehe ich mich um. Niemand da. Als ich weiterfahren will, bemerke ich, dass der Hinterreifen platt ist. Dieses Geräusch hätte ich nie mit einem Platten in Verbindung gebracht. Der Schlauch muss regelrecht explodiert sein! Kein Flickzeug dabei, also schieben ... schieben ... Nach Demontage von Reifen und Schlauch habe ich nicht schlecht gestaunt. Kein zerfetzter Schlauch. Am Reifen nichts zu sehen. Also Schlauch vorsichtig aufpumpen. Hält. Weiterpumpen. Zisch - Schlauch leer. Ein winziges Loch, vermutlich von einem Dorn.
Fazit: bei Scherben top, bei Durchstichen flop.