Laufschuhflitzer hat geschrieben:Gibt es spezielle Trainingsmethoden zur Pulssenkung oder ist das Geheimrezept einfach nur „laufen, laufen, laufen“?
Hallo Laufschuhflitzer,
du hast definitiv ein Problem!
Keine Panik, die scheinbar hohe Herzfrequenz ist es nicht! Du hast ein Problem, das einer meiner Generation gar nicht haben konnte, als er in deinem Alter war. Wir wussten nichts von Herzfrequenzen. Wir spürten das Ding in der Brust schlagen. Manchmal ziemlich heftig, wenn wir uns gerade bei irgendwelchen sportlichen Aktivitäten verausgabt hatten. Die Möglichkeit Herzfrequenzen zu messen gab es nicht und wozu sollte uns das auch nützen? Schließlich waren wir nicht krank. Und wenn doch, dann lief die Nase, Fieber stellte sich ein, wir fühlten uns ein paar Tage Sch... Das war's dann. Mit dem Herzen hatte das nix zu tun. Wir wären nie auf die Idee gekommen unser Herz könnte mit zu hoher Frequenz schlagen. Medien, die sich über Herzfrequenzen verbreiteten waren nicht verfügbar. In Printmedien stand darüber nichts, das Fernsehen hatte seine Funktion als „wichtiger“ Ratgeber in allen möglichen und unmöglichen Lebenslagen noch nicht entdeckt. Und vor allem gab es kein Internet und damit keine Foren, in denen wir lesend verunsichert werden konnten.
Dein Problem: Laufen ist Volkssport und alle Medien fühlen sich gemüßigt mehr oder weniger Nützliches zum Laufsport abzusondern. Meist eher Halbwahrheiten und Allgemeinplätze. Vor allem gibt es das Internet und Foren, in denen sich die Mär von der „zu hohen Herzfrequenz“ wie ein Virus verbreitet. Eine Facette deines Problems ist auch, dass du noch nicht gelernt hast ausreichend kritische Distanz zur Vielfalt des in Foren kursierenden (Schein-) Wissens einzunehmen.
Konkret jetzt: Du fragst dich, ob deine Herzfrequenz beim Laufen zu hoch sein könnte. Wenn du eine verlässliche Antwort darauf brauchst (obwohl ich ziemlich sicher bin, dass die Frage überflüssig ist), dann musst du dich fragen, wovon die Höhe der Herzfrequenz in bestimmten Belastungssituationen abhängt. Darauf gibt es eine dreiteilige Antwort:
- Von deiner maximaler Herzfrequenz (Hfmax)
- Von deinem Ausdauertrainingszustand und
- der Intensität (im Flachen = Tempo), mit der du gerade läufst.
Mehr nicht.
Zu1.: Deine maximale Herzfrequenz wäre nur über ein Laufprogramm auszutesten, bei dem du dich zu 100 Prozent ausbelastest, was durchaus schwierig ist. Immerhin könnte man mit so einem Programm der Wahrheit bist auf ein paar Schläge pro Minute (beats per minute = bpm) nahekommen. Misstraue jeglicher Formelarithmetik, die du irgendwo aufschnappen könntest. Die maximale Herzfrequenz ist nicht berechenbar! Sie ist genetisch „programmiert“ und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Grundsätzlich sinkt sie mit steigendem Alter, allerdings nur um etwa 1 bpm pro Jahr. Es ist durchaus möglich, dass deine Hfmax sehr deutlich über 200 bpm liegt.
Zu3.: Nur mal angenommen, du hättest eine Hfmax von 210 bpm, was nicht mal am oberen Rand des Üblichen läge. Dann entsprächen die 180 bpm, die du an dir gemessen hast gerade mal 86 % der maximalen Herzfrequenz und damit keiner allzu hohen Laufintensität (Tempo).
Zu2: In der Tat ist richtig, dass eine Periode erfolgreichen, methodisch richtigen Ausdauertrainings zu einer Reduzierung der Herzfrequenz führt (bezogen auf eine bestimmte Intensität/Tempo). Die Senkung der Herzfrequenz ist jedoch nie Trainingsziel. Ziel ist ausdauernder, schneller, besser zu werden. Dass die Herzfrequenz anlässlich des Trainings sinkt ist eine Folge.
Außerdem: Einem herzgesunder Mensch wird es unter normalen Umständen nicht schaffen sein Herz zu überlasten. Grund: Das Herz ist ein Muskel, der leistungsfähigste im Körper, mit einer autarken Versorgung. Bevor der Herzmuskel schlapp macht, das hat die Natur so gewollt, liegst du längst schlapp irgendwo auf der Laufbahn oder Strecke rum. Das gilt für sehr langes langsames, wie auch schnelleres höher belastendes Laufen. Unter "normalen Umständen" bedeutet, dass man die Sicherheitssysteme bzw. den Leistungsüberschuss im Körper austricksen kann: Etwa durch Doping oder wenn man mit fiebriger Erkältung läuft.
Welchen Nutzen haben wir Läufer von diesem Wissen rund um die Herzfrequenz?
Gar keinen, wenn wir keine genaue Kenntnis der Zusammenhänge haben. Dann führt Viertel- oder Halbwissen lediglich zur Verunsicherung, wie in deinem Fall.
Wer die genauen Zusammenhänge kennt, kann sein Training über Herzfrequenzbereiche steuern. 65 bis ca. 75 % der maximalen Hf hält man für langes, langsames Laufen ein, 75 bis ca. 85 % für mittellange, mittelschnelle Läufe und alles was jenseits 85 % liegt fordert einen maßgeblich. Bei etwa 90 % von Hfmax liegt die Herzfrequenz, die man bei einem 5 oder 10 km-Wettkampf durchhalten kann.
Fazit: Wenn du nicht die Absicht hast dein Training über die Herzfrequenz zu steuern, dann lass den Brustgurt in der Schublade und vergiss die Anzeige deiner Uhr, lasse sie lieber Nützliches wie Tempo, verstrichene Zeit und erlaufene Kilometer anzeigen!
Alles Gute
Gruß Udo
PS: Wenn du mehr über die Trainingssteuerung mit Pulsmessung wissen möchtest, empfehle ich dir den entsprechenden Teil auf unserer
Laufseite. Im Menü unserer Seite auf „Themen für alle Läufer“ klicken und dort auf „Laufen mit Pulsmesser“.