barefooter hat geschrieben:Allerdings kann ich mir vorab keinen Überblick über Umfang und Art der Befragung verschaffen und eine einmal gegebene Antwort im Laufe der Befragung durch Zurückblättern nicht ändern. Wenn versehentlich weiblich statt männlich angeklickt wurde, bleibt das so, eine sinnvolle Auswertung des Fragebogens ist dann nicht mehr möglich.
Das mit der fehlenden Möglichkeit zum Zurückblättern hab ich nicht bemerkt - kann man in der Tat anders lösen. Außerdem hätte ich auch gern einen Fortschritts-Balken am oberen oder unteren Bildschirmrand gehabt. Ich dachte mehrmals zwischendurch "Nun muss es doch bald mal rum sein." ... Was meinst du mit "Art und Umfang"? Dass die Themen einzeln aufgelistet und spezifischer erläutert werden, nach denen gefragt wird? Dass das Ganze ca. 30 Minuten dauert (Umfang), war ja bekannt, und auch die groben Themen waren genannt.
burny hat geschrieben:
Wenn ich antworte, dass ich in meiner Jugend weder krankenhausreif geschlagen noch sexuell misbraucht wurde, dann sollte das mit einer Antwort geklärt sein. Meinetwegen ist auch eine Kontrollfrage noch okay. Wenn das aber in zig Variationen wieder und wieder nachgefragt wird, dann habe ich ein ungutes Gefühl. Da keimt der Verdacht auf, als würde x-mal nachgehakt, bis vielleicht doch mal eine "positive" Antwort fällt. Wozu das Ganze?
Es gibt doch auch "normale" Existenzen und Entwicklungen (die ja nicht komplett problemfrei sein müssen). Bei so manchen Fragekomplexen habe ich allerdings den Eindruck gehabt, dass da fast schon ein Bohren nach irgendwelchen Problemen/Belastungen/Opferrolle vorgenommen wird.
Dein Unbehagen kann ich gut nachvollziehen. Allerdings ist es gerade bei scham- und schuldbesetzten Themen (ja, paradoxerweise schämen sich viele Kinder und Erwachsene und geben sich selbst die Schuld, wenn sie Opfer von Gewalt geworden sind) so, dass mancher Befragte verneint, solche Erfahrungen gemacht zu haben, weil die spezifische Frageformulierung seine Sicht des Geschehens nicht angemessen widerspiegelt. Darum versucht man, durch unterschiedliche Formulierungen einerseits die (äußerlich) unterschiedlichen Schweregrade von Misshandlungen abzubilden und hofft andererseits, dass Menschen, die Gewalterfahrungen gemacht haben, sich in mindestens einer Frage so wiederfinden, dass sie diese Erfahrungen auch angeben. Man versucht also nicht, Menschen irgendetwas quasi in den Mund zu legen, sondern man versucht, möglichst gut/genau an
tatsächliche Erfahrungen ranzukommen (technisch gesagt: die Erfahrungen valide zu erfassen). Für jemanden, dessen Antwort auf all diese Fragevarianten ein klares Nein ist, kann dieses mehrfache "Nachhaken" natürlich aufdringlich wirken.
In anderen Fällen (teils vielleicht auch bei dieser Befragung) gibt's auch methodisch-statistische Gründe dafür, dass der gleiche Sachverhalt durch mehrere ähnliche Fragen abgebildet wird: Man will die Messgenauigkeit des Fragebogens abschätzen, die (unter anderem) darüber definiert wird, dass diese ähnlichen Fragen auch ähnlich beantwortet werden. Diese Kennzahlen für die "Reliabilität" muss man ermitteln und in Veröffentlichungen berichten. Für Fragebogenentwickler bedeutet das aber eine Gratwanderung: Einerseits müssen die Fragen so ähnlich sein, dass sie sich tatsächlich auf den gleichen Messgegenstand (z.B. "erlebte Gewalt", in anderen Befragungen auch "Zufriedenheit mit einem Produkt") beziehen. Andererseits dürfen sie sich nicht zu ähnlich sein, weil es irgendwann banal wird und v.a. auf die Befragten so wirkt und sie verärgert oder amüsiert (z.B. "Ich finde das Produkt gut" - "Ich findet das Produkt prima" - "Das Produkt bewerte ich positiv" ...). Gerade bei Fragebögen, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden, nimmt man öfter mal mehrere sehr ähnliche klingende Fragen auf, um dann nach den Erprobungsstudien (die man auch schon an relativ großen Stichproben durchführen muss) die besten für die endgültige Fragebogenfassung auszuwählen.
vg,
kobold