Truman hat geschrieben:Ich bin da kein großer Fan. Außer das antropologische „der Mensch ist degeneriert“ Gequatsche gibt es da relativ wenig, was stichhaltig ist. Wieso läuft kein Weltklasseläufer in Sandalen, wieso sind Sandalenläufer nicht weniger verletzt und wieso findet man Sandalenläufer immer nur am Ende des Feldes? Wenn es euch Spaß macht, wieso nicht, aber die Lösung aller Probleme ist das nicht.
Hallo Michael,
ich weiß ja, dass Du professioneller und erfolgreicher Trainer bist und ich finde die Artikel auf Deiner HP richtig hilfreich! Vor allen Deine Serie "Was Dir keiner sagt, weil keiner Geld damit verdient" finde ich großartig!
Es folgt jetzt auch kein "aber".
Man darf das Laufen in Sandalen allerdings nicht nur aus einer Perspektive (Leistungsorientiert, am oberen Ende der Skala) betrachten. Ich möchte gerne mal versuchen meine Meinung dazu einem Profi darzulegen und ich würde mich über eine Antwort dazu freuen.
Davon abgesehen ist der oben fett markierte Satz ja schon ein bisschen widersprüchlich.
Ist das Thema "Degeneration" (Meist im Zusammenhang mit dem Fußgewölbe) nun "anthropologisches Gequatsche"? Oder eben doch das mehr oder weniger einzig Stichhaltige?
Zur Verletzungsanfälligkeit fällt mir Folgendes ein:
Ein trainierter Läufer, ständig am Limit seiner körperlichen Belastungsfähigkeit, weiß ja was er tut. Er wird einen sauberen Laufstil haben, er wird physiologisch betreut und überwacht usw. Hier rührt die Verletzungsgefahr eindeutig aus der hohen Belastung her. Dass in diesem Falle Schuhe im Sinne von "technisches Sportgerät", noch das letzte bisschen Speed rausholen, glaube ich sofort und ich glaube auch nicht, dass die Schuhe in diesen Fällen das Verletzungsrisiko steigern, sondern auf dem Level wohl eher vermindern.
Dann gibt es die interessierten, ambitionierten Hobbyläufer, die auch wissen was sie tun und Ihren eigenen Weg gefunden haben der funktioniert. Ich sag mal, das dürfte einen guten Anteil der Foristen hier betreffen. Das sind aber auch nur wenige Prozentpunkte in Bezug auf "Alle Jogger/Läufer"
Die wiederum sind doch die breite Masse, die in einen Laden rennt, sich beraten lässt und sich irgendeinen Scheiß andrehen lässt, eine schlechte Lauftechnik haben, sowieso nur ein bis zweimal die Woche Laufen und sich erstens wundern, warum sie nicht besser werden und zweitens tatsächlich überproportional häufig von einer Verletzung in die nächste rennen... aus allen möglichen Gründen und von denen oft noch viele Gründe auf einmal... DA kommen falsche Schuhe / Falsche Beratung / Falsche Herangehensweise / Falsche Selbsteinschätzung usw. ganz sicher häufig zum Tragen.
Bezogen darauf sind die Sandalenläufer die ich mittlerweile kenne tatsächlich VIEL weniger verletzt, zumindest die langjährigen Überzeugungstäter.
Enthusiastische Neueinsteiger, die ihre Schuhe von Heute auf Morgen wegschmeißen, weil sie "Born to run" gelesen haben und sich dann wundern, dass sie nach einer Woche eine A-Sehnen Entzündung haben, sind ausdrücklich ausgeschlossen!
Nun zu mir:
Ich laufe SAUGERNE in Sandalen, weil es einfach irren Spaß macht!
Die Füße sind an der frischen Luft, stinken nicht so schnell, man hat nicht ständig feuchte Socken und es macht zunehmend Freude, DASS es funktioniert. Ganz ohne vermeintlichen Hightech und Werbe-Chichi.
Und weiter: Ja, ich bin überzeugt, dass es den Füßen ganz sicher nicht schadet, wenn man es erstmal drauf hat, sondern im Gegenteil, eher nutzt und einer langjährigen Lauferei eher zuträglich ist.
Nun laufe ich auch noch gerne ein paar Wettkämpfe im Jahr und auch noch auf eine neue PB ausgerichtet. Das mache ich durchaus nach wie vor in Schuhen. Sandalen sind aktuell für die Regenerationsläufe reserviert oder mal für einen Lala in der Regenerationswoche.
Ich kann zwar in Sandalen oder Barfuß im Prinzip genauso schnell Laufen wie in Schuhen (Meine besten Intervalle habe ich im letzten Sommer
Barfuß auf
Tartan gelaufen (8x1000m - Alle 8 im Bereich um 3:45, was für MICH sauschnell war)
https://runalyze.com/shared/1ix1f
Aber trotzdem ist mir auch klar, dass bei Wettkampfbelastungen (Incl. das zugehörige Training) Schuhe eben auch eine Schutzfunktion übernehmen, deswegen war das auf dem Level eher eine Ausnahme.
Ich weiß aber schon jetzt, dass wenn ich die PB Jagt endgültig zu den Akten lege, ich einer von den Sandalenspinnern werde, einfach weil es sich gut anfühlt
Hierzu noch was (fast) außerhalb von "Born to Run":
Lunarockers11 hat geschrieben:
sehe ich ähnlich.
Zumal die "Weltklasse" ja auch von den entsprechenden Marken vermarktet wird :-), wo kämen wir denn da hin, wenn Kipsang und Konsorten auf einmal alle in Schluppen oder Barfuß rumrennen würden (was die Herren wohl im Training durchaus sehr oft tun...)?!
DAS ist ein wirklicher Punkt!
Ich habe vor Kurzem das Buch "Im Land des Laufens" gelesen, in dem ein britischer Journalist und Hobbläufer für 9 Monate mit seiner Familie nach Kenia gezogen ist, um eine Saison mit den Kenianer zu trainieren um zu lernen und über deren Lebensweise und Training zu berichten.
lustigerweise ist auch er über "Born to Run" auf den Trip gekommen, dass die in Kenia bestimmt auch alle barfuß rumlaufen.
Er war dann zunächst einmal völlig irritiert, als dort die Meisten doch mit Schuhen unterwegs waren.
Während nun Alle aus der "Anti Barfuß Fraktion" an dieser Stell im Buch "HA! SIEHSTE WOLL" gerufen haben dürften, relativiert sich das im Laufe des Buches dann doch ganz erheblich, denn bei näherer Betrachtung zeigte sich ein ernüchterndes, eigentlich schon trauriges Bild.
Ihm fiel nämlich auf, dass bei den regionalen Laufveranstaltungen im Land, die ebenso Volkssport wie Talentsuche sind, die KINDER sehr wohl alle barfuß liefen und damit auch gewannen! Die wenigen Kinder mit Schuhen (Haben die wenigsten, weil kein Geld dafür) liefen zunächst gnadenlos hinterher....
Erst im weiteren Verlauf, wenn die Talente in einem der vielen Trainingscamps landen -die dann in der Tat oft von Nike und co. gesponsert sind- steigen die auf Schuhe um. Nicht nur, weil Nike das etwa vorschreibt, sondern weil das ein STATUSSYMBOL ist.
Kenia ist arm und das Klischee, dass Laufen der einzige Ausweg ist, um zu Geld zu kommen ist in sofern keins, als das es stimmt.
Jeder träumt davon zu internationalen Läufen eingeladen zu werden und Schuhe gehören da einfach zu... Ganz am obderen Ende der Fahnenstange, also bei Kipchoge und co. da greift dann wieder, was ich ganz oben geschrieben habe, nämlich dass am Leistungslimit, noch dazu auf dem harten Asphalt der westlichen Straßenmarathons, oder Spikes geeigneten Taretanbahnen, Schuhe einfach Technische Hilfsmittel sind...
Viel Geschrieben, ich hoffe mit einigermaßen Konzept und nun muss ich leider erstmal arbeiten...