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Wieviel Einfluss hat Gegen/Rückenwind?
Verfasst: 03.05.2016, 12:55
von Yin
Da ich es selbst letztens beim Oberelbemarathon erlebt habe (42,2km ziemlich konstant Gegenwind mit 20-25km/h, da Punt-zu-Punkt Lauf), frage ich mich, in wiefern Wind die Zeiten beeinflusst. Vorab: ich bin kein Physiker.
Abgeschlossenen habe ich mit 3:58h bei relativ konstanter Pace mit leichten Einbruch ab KM30.
Wie stark muss denn der Wind wehen, dass er sich wirklich deutlich in den Zeiten niederschlägt?
Gibt es einen Richtwert, wie sehr sich eine Endzeit unterschieden hätte, wenn es windstill gewesen wäre?
(Die nächste Frage könnte mich eventuell als Physik-Lusche enttarnen, ich bitte um Nachsicht)
Ist der Brems-Effekt größer, je höher die Laufgeschwindigkeit ist?
Wie sehr profitiert man wirklich von Rückenwind?
Fragen über Fragen. Vielleicht kann ja einer helfen.

Verfasst: 03.05.2016, 13:06
von ruca
Yin hat geschrieben:
Wie stark muss denn der Wind wehen, dass er sich wirklich deutlich in den Zeiten niederschlägt?
Das ist recht individuell, da es nicht nur der reine Gegendruck ist sondern auch noch andere Effekte reinspielen (Auskühlung, Psyche usw).
Ist der Brems-Effekt größer, je höher die Laufgeschwindigkeit ist?
Ja. Wenn Du 10km/h schnell läufst und 20km/h Gegenwind hast, musst Du gegen 30km/h anlaufen. Wenn Du 20km/h schnell bist gegen 40km/h. Dazu steigt der Widerstand quadratisch, gegen doppelt so viel Wind anlaufen kostet also 4x soviel Kraft...
Verfasst: 03.05.2016, 13:08
von jenshb
Verfasst: 03.05.2016, 13:34
von D-Bus
Faustregel (ähnlich wie bei bergauf/bergab): Gegenwind schadet etwa doppelt so viel, wie Rückenwind hilft.
Wieviel das ausmacht? Damals nach dem schnellen Bostonmarathon in 2011 mit größtenteils 25 - 30 km/h Rückenwind (Siegerzeit 2:03:02, obwohl eigentlich Boston deutlich langsamer als Berlin ist) waren die Schätzungen im Bereich von 2% - 4%.
Gegenwind ähnlicher Größenordnung gab es 2007 (2:14) und 2015 (2:10, wobei der auch mal von der Seite kam). Man weiß natürlich nicht, inwieweit diese Zeiten durch die Renntaktik beeinflusst waren.
Einigen wir uns auf die Mitte, dann schadet ein solcher Wind 6%, bzw. hilft 3%. Deiner war wohl schwächer, also vielleicht 4%. Aber selbst das macht immerhin noch neun Minuten auf deinem Niveau aus. Aber wieviel Seitenwind hattest du?
Oder basierend auf den Boston-Zeiten: wenn man 2:03 mit (gemittelt) 2:12 vergleicht: dann half der Rückenwind 3 Minuten, und der Gegenwind schadete 6 Minuten (knappe 5%). Das wäre dann eine 2:06 in Boston, was durchaus passt, denn genau diese Zeit lief der Sieger von 2007 bei gutem Wetter in Boston, und der 2011 Sieger hat eine PB von Berlin von 2:04, und Berlin dürfte 2 - 3 Minuten schneller sein.
Verfasst: 03.05.2016, 13:39
von ruca
@D-Bus:
Du nimmst die Zeiten der Spitzengruppe. Die ist deutlich schneller unterwegs als der "normale" Läufer und je schneller man ist, desto größer ist der Einfluss von Gegen- und auch von Rückenwind (wie gesagt, der Widerstand steigt quadratisch an, ob man nun in der Summe 50km/h oder 42km/h Gegenwind hat, ist ein riesiger Unterschied).
Verfasst: 03.05.2016, 13:41
von Steffen42
Hier kann man sich für eine vorgebene Pace mal den Windeffekt ausrechnen lassen:
Running Calculator
Die Faustregel von D-Bus passt ganz gut überein.
Verfasst: 03.05.2016, 13:48
von D-Bus
@ruca: guter Punkt. Einigen wir uns auf sechs Minuten für Yin (wenn's wirklich Gegenwind war, und nicht oft auch Seitenwind)?
Verfasst: 03.05.2016, 15:19
von burny
ruca hat geschrieben:je schneller man ist, desto größer ist der Einfluss von Gegen- und auch von Rückenwind (wie gesagt, der Widerstand steigt quadratisch an, ob man nun in der Summe 50km/h oder 42km/h Gegenwind hat, ist ein riesiger Unterschied).
Das ist aber - wie so oft - nicht eine Frage der mathematischen Berechnung allein. Wer langsamer läuft, läuft länger, und es ist für manchen von der mentalen Seite her frustrierend, nicht nur 1 Stunde, sondern 1 1/2 oder gar 2 Stunden gegen den Wind zu kämpfen.
Auf der anderen Seite kann bei wärmeren Temperaturen ein nicht allzu heftiger, kühlender Gegenwind geradezu beflügeln.
Bernd
Verfasst: 03.05.2016, 15:28
von berodual_junkie
D-Bus hat geschrieben:Faustregel (ähnlich wie bei bergauf/bergab): Gegenwind schadet etwa doppelt so viel, wie Rückenwind hilft.
Dass das so krass ausfällt, hätte ich mir nicht gedacht...was dazugelernt

Verfasst: 03.05.2016, 15:37
von Sergej
Verfasst: 03.05.2016, 15:39
von kobold
Hat jemand schon mal sowas wie den Belgischen Kreisel beim Laufen praktiziert? Müsste doch eigentlich helfen?
Verfasst: 03.05.2016, 21:17
von NordicNeuling
kobold hat geschrieben:Hat jemand schon mal sowas wie den Belgischen Kreisel beim Laufen praktiziert? Müsste doch eigentlich helfen?
Müssen dann schon mehrere sein, damit es funktioniert. Alleine wird man nur schwindelig ...

Verfasst: 03.05.2016, 23:44
von Sergej
Laufen und danach belgische Waffeln funktioniert gut.
Verfasst: 04.05.2016, 00:38
von Yin
Vielen Dank für die vielen wirklich guten Antworten, hat mich echt erleuchtet!

Verfasst: 04.05.2016, 13:21
von leviathan
berodual_junkie hat geschrieben:Dass das so krass ausfällt, hätte ich mir nicht gedacht...was dazugelernt
Da steht doch aber nur, daß der Schaden des Gegenwinds doppelt so groß wie der Nutzen des Rückenwinds ist. Krass wäre eine überdimensionale absolute Komponente. Diese wird aber viel stärker empfunden als sie tatsächlich ist (siehe das Beispiel von D-Bus mit durchaus heftigem Wind).
Wer langsamer läuft, läuft länger, und es ist für manchen von der mentalen Seite her frustrierend, nicht nur 1 Stunde, sondern 1 1/2 oder gar 2 Stunden gegen den Wind zu kämpfen.
Das ist ein interessanter Aspekt. Dazu kommt, daß (vielleicht auch) aus Gründen des Frusts der gefühlte Effort viel höher ausfallen kann als bei Windstille. Das trifft aber wieder auf alle Leistungsklassen zu.
Verfasst: 04.05.2016, 13:26
von ruca
leviathan hat geschrieben: aus Gründen des Frusts der gefühlte Effort
Das meinte ich am Anfang mir Psyche.
Wenn der Gegenwind dann z.B. auch noch auf einem Anstieg auf den letzten Kilometern ist und es einem eh schlecht geht, dann kostet einem die Summe dieser Faktoren mehr Zeit, als wenn sie einzeln auftreten würden...