MP2019 hat geschrieben:Natürlich kann man, ausgehend von 10km bzw. HM-Zeit die aktuell mögliche Laufzeit für den (Halb) Marathon errechnen. Dazu gibt's Tabellen oder Formeln.
Wie kann man aber ermitteln, was das maximale eigene Potenzial generell ist? Ein Deutscher läuft wohl kaum einen Marathon in 2:02 .... ebenso wenig wie ein 60-Jähriger eine 2:10 .... wenn jemand z.B. 1:40 im HM läuft, kann er sich sehr wahrscheinlich durch Training, Ernährung etc. steigern. Und man hört immer wieder Stories, wo jemand beim ersten Marathon 3:59 gelaufen ist, im Folgejahr dann 3:35 ..... Aber wo ist die Grenze, wo für diese Person einfach das Ende der Fahnenstange erreicht ist? Gibt's da einen Test oder wie kommt man drauf?
Macht ja keinen Sinn, sich auf ein (zeitliches) Ziel zu fixieren, wenn's der Körper einfach nicht her gibt?!
Hallo,
zunächst weiß ich nicht, ob du dich nur ungenau ausgedrückt hast oder ein Denkfehler vorliegt. Über entsprechende Multiplikatoren kann man ausgehend von aktuellen Zeiten das Potenzial eines Läufers auf anderen Strecken ausrechnen. Wenn also jemand am Ende eines Trainingsplans in einem Wettkampf unter normalen Bedingungen seine beste Zeit abgeliefert hat, dann weiß er was für ihn z.B. im Marathon möglich ist. Das entspricht jedoch keineswegs der Zeit, die er "aktuell" im Marathon laufen könnte. Die errechnete Zeit entspricht seinem Potzenzial, einer Zeit, die er, nach entsprechendem Marathontrainingsplan, nach vielleicht 10 bis 12 Wochen wird laufen können. Das nur zur Klarstellung.
Wofür es weder Multiplikatoren noch Formeln gibt, ist die Abschätzung des eigenen Limits oder desjenigen eines x-beliebigen Läufers. Das ist neben der genetischen Disposition des Läufers ("Talent") auch von Faktoren wie Trainer, Umfeld, Werdegang, Trainingsmöglichkeiten usw. abhängig.
Wie man seine Grenze rausfindet, kann ich dir sagen, weil ich sie für mich einst gesucht habe. Man trainiert auf eine Zeit, die dem eigenen Potenzial entspricht. Wenn sie realisiert ist, setzt man sich ein anspruchsvolleres Zeitziel und trainiert dafür. Das Erreichen dieses jeweiligen Zieles fällt einem umso leichter, je weiter das eigene, unbekannte Limit noch entfernt ist. Ich lief meinen ersten Marathon im Alter von 48 Jahren. Es war also klar, dass mein Limit zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr dem Besten entsprechen konnte, das ich vielleicht 10 Jahre vorher hätte erreichen können. Aber gut, mit 48 ist man noch ziemlich leistungsfähig. Ich setzte mir das Ziel einen Marathon in 3:45 h zu laufen, was nach meiner Halbmarathonzeit möglich sein musste. Ergebnis: 3:42 h. Ein Jahr später verbesserte ich meine Zeit auf 3:28 h(Ziel war 3:30h). Beides fiel mir vergleichsweise leicht, weshalb ich davon ausging, dieses "Spiel im Viertelstundentakt" noch eine Weile weiter treiben zu können. Ein halbes Jahr später nahm ich Anlauf auf 3:15 h, was mir im Jahr drauf gleichfalls gelang. Allerdings nicht mehr so leicht ... In meiner Unerfahrenheit meinte ich dennoch auch die 3h-Hürde ohne Schwierigkeiten knacken zu können. Daran arbeitete ich mich dann in mehreren missglückten Anläufen ab. Ich will's kurz machen: Meine persönliche Bestzeit lief ich im Alter von 52 Jahren mit 3:01:50 h. Da hatte ich bereits einige Erfahrung und mich auch sehr intensiv in die Trainingslehre eingelesen. Von daher war mir klar, dass ich mit einigem Feilen am Trainingsplan (Trainer hatte ich keinen) und bei guten Bedingungen (die ich bei den beiden letzten Versuchen nicht hatte) knapp unter 3 Stunden würde laufen können.
Mehr aber nicht. Ich hatte jedoch nicht die Geduld für weitere Anläufe auf die 3h-Schallmauer und wechselte in den Ultrabereich.
Das Limit manifestierte sich übrigens nicht nur durch mehrmaliges Ankommen ein paar Minuten über 3 Stunden. Es zeigte sich auch, dass ich dem für die Zielzeit Sub3h nötigen harten Training körperlich nur bedingt gewachsen war. Ich verletzte mich mehrmals leicht, was mich im Training immer wieder zurückwarf. Solche Verletzungen/Laufbeschwerden waren zuvor bei 3:15/30/45 nie aufgetreten. Um also nicht nur marginal sondern deutlich unter 3 Stunden bleiben zu können, hätte ich meinen Körper robuster machen müssen. Zum Beispiel mit speziellem Krafttraining, Stretching, raffinierteren Trainingsmethoden, längeren Trainingsanläufen oder auch mit Hilfe eines Trainers in einem Verein. Dann vielleicht ... reine Spekulation ... zwischen 2:55 und 2:50 h. Allerdings läuft die Lebensuhr weiter, wie auch die Abnutzung des Bewegungsapparates voranschreitet. Beides Einflüsse, die letztlich einer besseren Zeit entgegen arbeiten. Wie dem auch sei - ich verlor das Interesse daran, weil ich Ultra laufen wollte, überdies mein Limit ungefähr ausgelotet hatte: 3 Stunden.
Was den Alterseinfluss angeht, ist dir sicher bekannt, dass es dafür auch Tabellen, bzw. Formeln gibt. Wenn ich also mein Limit mit 50 kenne, ließe sich hieraus errechnen wie schnell ich früher hatte werden können, so ich es damals versucht und Bestzeiten mit der derselben Zielstrebigkeit angestrebt hätte. Es ließe sich gleichfalls errechen, wie schnell ich theoretisch heute, mit 66 Jahren, noch Marathon laufen können müsste. Dazu wird es jedoch nie kommen, weil mich gute Marathonzeiten längst nicht mehr interessieren. Zumal ich mich dann auf höchstens zwei Wettkämpfe im Jahr beschränken müsste.
Gruß Udo