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Trainingstipps für Umas

Verfasst: 06.05.2016, 14:44
von Emmelly
Hallo liebes Forum,

in unserer Einrichtung betreue ich minderjährige unbegleitete Flüchtlinge. Diese Jungs sind zwischen 16 und 18 Jahre alt.
Seit dem 1.1.2016 läuft unser Marathonprojekt.
Die unter 18-Jährigen trainieren für einen Halbmarathon, die Volljährigen für die ganze Strecke. Der Marathon findet im September statt.

Im Januar und Februar sind wir 1 mal pro Woche für 1 Stunde gejoggt.

Im März haben sie 1 mal pro Woche am Lauftreff teilgenommen + 1 mal pro Woche am Leistungstraining des hier ansässigen Vereins (10km Einlaufen, anschließend 1 Stunde Tempotraining oder Intervallläufe, danach ca.15 Minuten Auslaufen)

Seit April gehen sie 1 mal pro Woche zum Lauftreff, 2 pro die Woche zum Leistungstraining und nehmen an Wochenenden 1 mal an einem 10km-Volklsäuf teil. Ab Juni sollen dann statt 1mal pro Woche 10km, 18-20 Km gelaufen werden.

Ausgangslage: Die Jungs sind zwar sportlich, aber haben in ihrem Leben noch nie regelmäßig Sport getrieben.
Leistungsstand: Die Gruppe besteht aus 4 Afghanen (16 Jahre), 3 Eritreern (17 und 18 Jahre) und einem Äthiopier (17 Jahre).
Die Afghanen laufen die 10 Km bei Volksläufen etwa in 45 Min, der Äthiopier in 40 Min und die 3 Eriitrear sind nach ca 35 Minuten im Ziel.

Meine Fragen:
1. Ist das Trainingspensum derzeitig angemessen, zu wenig oder zu viel?
2. Ab Juni ist Ramadan: Gibt es unter euch fastende Läufer? Wie gestaltet ihr euer Training?
3.Der Physiotherapeut empfiehlt dringend auch ein Krafttraining. Ist dies notwendig?
4. Benötigen sie jeweils einen Trainings- als auch einen Wettkampfschuh?

Vielen Dank für eure Tipps

Verfasst: 06.05.2016, 14:57
von frichdal
Moin erstmal,

Wann sollen die genannten Zielwettkämpfe stattfinden?

Zu 1.
Mir persönlich wäre die Steigerung etwas zu schnell, aber solange die Jungs das gut wegstecken... Was meinen denn die Läufer?

Zu 2.
Das Essenfasten ist kein Problem, da Muslime ja nach Sonnenuntergang in der Regel dann üppig speisen und auch die Tagesaktivität, so fern möglich (Schule / Beruf) enorm zurückfahren.
Die Frage ist wie strikt sie mit dem fasten was das Trinken angeht bei der Sache sind, das kann im Juni unter sportlichr Belastung schnell ein Problem werden.

Zu 3.
Der Physio hat da schon nicht Unrecht, hat ja auch eine gewisse Kometenz der gute Mann, welche man der eines anonymen Forums, wo jeder angemeldete antworten kann, jedenfalls vorziehen sollte.

Zu 4.
Es ist förderlich das Schuhwerk zu wechseln. Evtl vielleicht sogar zwei unterschiedliche Schuhtypen um den Füßen Abwechslung zu gönnen.

lg

Verfasst: 06.05.2016, 15:37
von Emmelly
Hallo! Vielen Dank für die Antwort! Der Zielwettkampf findet am 18. September statt. Wenn es nach den Jungs geht, würden sie am liebsten nicht trainieren, dafür jeden Tag an einem Wettkampf teilnehmen. Was ich und meine Kollegen die letzten Monate erlebt haben, könnte Bücher füllen: - Das Lauf ABC gleicht bei uns einer Bewegungsstunde für Spastiker - Mein empfohlenes Rumpfmuskeltraining sei etwas für "Fat People", kein afrikanischer Läufer würde mit sowas seine Zeit verschwenden - verschnupfte Nasen werden vor dem Wettkampf mit Taschentüchern verbarikadiert - bei -9 Grad Celsius mit Schlappen zum Training, damit die einzigen Sneaker nicht zu sehr in Mitleidenschaft gezogen werden etc etc... Zumindest funktioniert das Vorwärtslaufen einigermaßen. :-) Wie stecken sie es körperlich weg. Die afghanischen Jungs hatten zu Anfangs gleich Knieprobleme, die sind seit einiger Zeit vorrüber. Der Äthiopier leidet psychisch. Ihm wird vor Wettkämpfen immer schlecht. Meist muss er während des Laufes kurz pausieren, um sich zu übergeben. Daher ist er ein paar Minuten langsamer als die Eritreer. Tja und die anderen sind echte Wüstenblumen. Sehr robust, nie verletzt, haben kaum Hunger und selten Durst. Die Portionen, die die essen sind kleiner als das was mein Sohn in der Krippe vorgesetzt bekommt. Für uns als Einrichtung ist wichtig, dass sie möglichst zusammen trainieren, da die Integration untereinander ein großes Stichwort ist. Vielen Dank für alle Tipps und Hinweise.

Verfasst: 06.05.2016, 19:24
von 19joerg61
Ich halte so ein Marathonprojekt, das von jemand durchgeführt wird, der scheinbar als Trainer unerfahrenist für ziemlich Schwachsinn.

Ein Training von 0 auf Marathon in 9 Monaten ist schon unter professioneller Betreuung höchst problematisch.
Aus meiner Sicht wäre es besser, wenn die Jungs ganz normal mit dem Sportverein trainieren und ggf. unter Betreuung noch weitere 2 Läufe pro Woche machen. Wenn sie dann an den lokalen Läufen teilnehmen, haben sie Erfolgserlebnisse und bald normale Bekannte in der Laufszene.

Es muß nicht immer das Besondere wie der Marathon sein. Das Leben in Deutschland ist viel normaler.

Verfasst: 06.05.2016, 19:35
von GeorgSchoenegger
Beim Lionslauf Eichstätt letztes Jahr waren ein paar Leute von Refugee Schrobenhausen mit einem recht guten jungen Flüchtling dabei (zumindest war er schneller als ich ^^) - vielleicht könnte man dort nachfragen wie die das organisieren?

Verfasst: 06.05.2016, 20:04
von frichdal
Wenn man sich die Mühe macht, den Eingangspost zu lesen, dann könnte man zu dem Schluß kommen, dass maximal 2 Eritreer, die nach Aussage der TE bereits 10km in 35min laufen, den Marathon bestreiten würden.

Über Sinn und Unsinn so einer Aktion kann man natürlich streiten, jedoch ist jegliche Art der Beschäftigung für Flüchtlinge, welche sie aus ihren tristen Unterkünften rausholt erstrebenswert.

Und im Gegensatz zu dem was hier aus dem Forum so über die Marathondistanz dahinhumpelt, kann man diesen Läufern durchaus etwas Spass und Erfolg prognostizieren, wenn sie nicht übertreiben.
Wenn wir mal ehrlich sind, dann machen nur WIR laufen zu einer Wissenschaft, im Prinzip kann das jeder gesunde Trottel und durch Ihre körperlichen Voraussetzungen sind sie uns Mitteleuropäern meist voran.

Also Mittelfinger zum Zeigefinger gesellen und Peace!

Verfasst: 06.05.2016, 22:13
von Rolli
Ich sehe auch so ein Projekt mehr als Skeptisch und sogar gefährlich... Typisches Bild-Aufmache "von 0 auf Marathon in 9 Monaten".

Welche Gefahr? Man muss sich etwas mit der Einstellung der Jungs auseinandersetzen. Wie Emmelly schon schrieb: übermotiviert, überehrgeizig, übermännlich. Sie würden nie Krankheit, Schwäche, Hunger oder Durst zugeben. Vor allem wenn Mädchen in der Näher sind.

So was soll man wissen, so was muss unbedingt gesteuert werden.

Ich verstehe die Fragerei gar nicht. Wenn sie am Vereinstraining teilnehmen, dann werde sie doch von einem Trainer betreut und der kann sie gut beobachten und einschätzen, was für sie angemessen ist.

Aja... woher ich das weiß? Ich betreue selbst im Verein einen Flüchtling (früher mehrere, die aber nicht laufen sondern lieber Fußball spielen wollten) Denn muss ich besonders gut beobachten und notfalls Laufverbot erteilen.

Ich kenne auch einen Flüchtling aus Äthiopien, der vernünftig aufgebaut wurde und nach 3 Jahren in Deutschland auf europäischer Ebne über 3000-5000m läuft... und jetzt schon sehr gut integriert wurde. Der wurde aber nicht von "0 auf Marathon" verschlissen.

Verfasst: 06.05.2016, 22:19
von frichdal
Da isser wieder....
Gibts bei dir im Leben auch Lockerheit, einfach mal was probieren, Unbedarftheit?
Einfach ohne den Hintergedanken einen potentiellen Profiläufer zu verpassen?

PS: ich arbeite hier auch mit Flüchtlingen und gebe Deutschunterricht. Mit ein paar Laufinteressierten war ich auch auf der Bahn und die sind mit mir 400er gelaufen...einfach nur so, weil sie Bock drauf hatten!
Unfassbar was?

lg

Verfasst: 06.05.2016, 22:27
von Rolli
Mich wundert nur dass Du Deutsch unterrichtest aber nicht lesen kannst.

Verfasst: 06.05.2016, 22:47
von frichdal
Glückwunsch zu dieser reifen Argumentation!

Verfasst: 06.05.2016, 23:06
von Emmelly
Die Jungs trainieren in zwei Vereinen. Verein 1 ist in unserer Kleinstadt. Dort besuchen sie den wöchentlichen Lauftreff und das Leistungstraining.Die Trainerin dort hat keinerlei Bedenken.
Der 2. Verein ist in der nächstgrößeren Stadt, dort trainieren sie mit den Profis. Dieser wird auch von einer "Trainergröße" geleitet. Seine größten Bedenken sind, dass sie wenn sie es aus welchen Gründen auch immer nicht schaffen zu enttäuscht sein könnten und nie wieder laufen. Das scheint ihm die meisten Sorgen zu bereiten. Dies löst natürlich bei den Jungs ein Sturm der Entrüstung aus.
Ansonsten haben wir uns immer an die Ratschläge gehalten. Die Trainer sagen, sie sollen regelmäßig zum Training kommen. Wir bringen sie hin.
Und die restliche Zeit liegt es an uns Betreuern diese sinnvoll zu gestalten.

Verfasst: 06.05.2016, 23:19
von frichdal
Naja das ist doch ok.
Es sind doch eh nur 2, die theoretisch den Marathon laufen?
So lange Ihnen die Vorbereitung Freude macht, ist das Ziel ja erstmal nebensächlich. (Dass es den Jungs an die Ehre geht, wenn jemand am finishen zweifelt, ist klar)

Verfasst: 06.05.2016, 23:24
von Rolli
Emmelly hat geschrieben:Seine größten Bedenken sind, dass sie wenn sie es aus welchen Gründen auch immer nicht schaffen zu enttäuscht sein könnten und nie wieder laufen. Das scheint ihm die meisten Sorgen zu bereiten. Dies löst natürlich bei den Jungs ein Sturm der Entrüstung aus.
Ja, so ist das. Deswegen wäre es wichtig sie durch einen Trainer/-in beobachten zu lassen und die Fragen mit den zu besprechen. Die wichtigste Aufgabe ist dabei sie zu bremsen und so zu steuern, dass die Erfolge, mit dem sie sich hauptsächlich identifizieren, sie dosiert und langfristig motivieren.

Deswegen bin ich wegen solchen Projekten "von 0 auf Marathon" sehr skeptisch gegenüber. Die Gefahr ist einfach groß, dass sie heimlich viel zu viel machen, sich überfordern und das nicht mal zugeben werden.

Verfasst: 07.05.2016, 01:51
von D-Bus
frichdal hat geschrieben:Gibts bei dir im Leben auch Lockerheit, einfach mal was probieren, Unbedarftheit?
Einfach ohne den Hintergedanken einen potentiellen Profiläufer zu verpassen?
Jo. Die Ausgangsfragen hast du ja sehr schnell und m. W. gut beantwortet. Davon abgesehen sind Rollis Bedenken hier durchaus angebracht: hinsichtlich einer läuferischen Ausbildung sollte man weder 16-Jährige auf einen Halbmarathon noch 18-Jährige auf einen Marathon trimmen. Aber das kann man den Jungs jetzt natürlich nicht mehr ausreden.

35 min mit 16 - 18 auf 10 km ohne vorher regelmäßig Sport gemacht zu haben? Da geht noch was. Darüber können wir dann ja ab Oktober reden.