Ick bin ein Börtlicher! (Die Nacht davor, der Tag danach und alles dazwischen auch!)
Verfasst: 30.11.2004, 18:16
(Aus Rücksichtsnahme der müden Fori-Augen hab` ich den Bericht schon um ganze 2 Seiten gekürzt...alles weitere ist ein Selbstläufer und obliegt nicht mehr meiner Verantwortung)
Der Tag davor
Oh Mann, warum hab` ich mir das angetan....15 km – ICH, der ewige Groupie und „Du siehst super aus!“-Brüller... und jetzt DAS! Den ganzen Samstagvormittag verbringe ich in hektischer, sinnloser Betriebsamkeit und erst als eine SMS mit dem Text „Wir sind schon da, wann kommst Du? Fidi, Steif, Anne, Anneke“ eintrudelt fühle ich mich veranlasst, den Corsa zu besteigen und gen Bertlich loszudüsen. Die Fahrt verläuft bis auf die plötzlich aufleuchtende unbekannte Kontrolleuchte im Corsa-Cockpit und ein klitzekleines bißchen Verfahren ereignislos und mittlerweile doch in Vorfreude entbrannt erreiche ich die Pension Overdieck, besser bekannt als „Laufen-Aktuell-Wohnheim“ und – oh Wunder – stosse genau wie in Ehrwald zuallererst auf Odo, na wenn das kein Zeichen ist, Odo ist da, alles wird gut.
Nicht nur Odo, auch fidi, Steif, odie, Schweinenhündin und Anne sind da (alles wird gut), kurze Zeit später treffen VulcanBadGirl, Sylvi, schneckerl, Ishimori und Pit (ALLES WIRD GUT, Peter ist da!) Spike, Sylke, Der-Kieler (und er kann sprechen!), Mik (Michelchen!!!) und wer-weiß-wer-noch ein und nachdem Grandmaster Hajott Reflektorbänder für ALLE (jawohl, für alle) verteilt und Alpi endlich auch eingetrudelt ist, alle Mann lautstark „HUUUNGER!“ geplärrt und unruhig auf und abgesprungen sind, geht es im Gänsemarsch gen „Ivan“ wo schon Flinki, Schubi und ihr Bruder mit Frau (richtig?) warten.
An evening at Ivan`s
Nach der Sitzplatzvergabe stellen Mik und ich uns gleich der ersten Aufgabe des Abends – den dackelblickigen Kellner (Ivan...NATÜRLICH) zu einem Lachen zu bewegen, und zwar nicht irgendein Lachen, sondern mindestens ein VIERER (also Ha!-Ha!-Ha!-Ha!) Trotz aller Mühe und Slapstickeinlagen bekommen wir nicht mehr als einen DREIER (ohne Zähne) aus ihm heraus, datt iss aber auch `ne harte Nuss, der Ivan! Der schenkt uns NIX! Lieber erstmal ein Bierchen trinken, datt mit dem Ivan könnte `ne längere Sache werden!
Mit Trauermiene bringt Ivan unsere Speisen, und es herrscht einträchtiges Mümmeln – zumindest an unserem Tisch, Steif, fidi, Anne, Spike, Sylke, Buschi und Herr Repel müssen noch ein wenig warten und gucken uns dreist mit langen Zähnen unser Essen vom Teller! (Ivan lacht immer noch nicht) Plötzlich erscheint ein zweiter Kellner (Ivan2), der uns sogleich einen FÜNFER MIT ZÄHNEN schenkt, geht doch – und wenn ich auf langhaarige Schmier-Latinos mit Bauchansatz stehen würde, wäre Ivan2 genau mein Typ. Also mache ich Ivan2 umgehend einen Heiratsantrag, den er aber mit gespieltem Bedauern und Vorzeigen seines blankpolierten Eherings („Isse erssst ssseit drei Monate“) ablehnt, zum Trost trinkt er allerdings einen Schnaps mit mir, was mir im Grunde auch lieber ist – da ich eben nicht auf langhaarige Schmier-Latinos mit Bauchansatz stehe. Während Anneke sind von Pit IN DEN MUND fotografieren lässt und ich heimlich noch ein Schnäpschen trinke und das andere auf der Tischdecke ausgiesse, passiert das Unglaubliche: „EIN FÜNFER MIT ZÄHNEN!“ schreien Anne und Mik gleichzeitig! Es ist passiert, Ivan hat gelacht - ich hab`s verpasst und schlimmer noch – es war NICHT mein Verdienst, ich bin sowatt von langweilig, ich kann noch nicht mal „machen das Ivan einen Fünfer macht“.
Während der kommenden Stunden wird viel gelacht, oft „Ich zünd` Dich an“ gebrüllt, viel nackte Haut (Steffen) gezeigt und noch das ein oder andere Bierchen vernichtet, bis der Ivan - ohne zu lachen - mit der Rechnung wedelt. „Ach, jetzt lach` doch mal!“ fordere ich, schliesslich sind wir zahlende Gäste und wollen entsprechend entertaint werden. Ivan`s Dackelblick-Augenlider senken sich noch einen Tick weiter nach unten „Isch kann nischt“ murmelt er leidend. Das kann ich ja leiden, man kann IMMER wenn man will! „Warum nitt?“ frage ich unwirsch „Isch bin traurisch, mein Freundin hat misch verlassen!“ DAS kann ich ja noch mehr leiden, wir sind schliesslich zahlende Gäste und wollen...genau! „Sei doch froh das Du die Schlampe los bist!“ versuche ich Ivan zu trösten, aber er will trotzdem nicht lachen...und warum ist es plötzlich so still am Tisch und warum gucken alle so komisch? Ich hab`s doch nur gut gemeint, ährlisch!
Und obwohl wir zahlende Gäste sind und gerne noch ein Bier trinken würden, jammert Ivan etwas von „Muss morgen früh aufstehen“ und „Schliessen in 10 Minuten!“ Jemand muss etwas tun! „Ach komm, nur noch eine Runde, daheim wartet doch sowieso keiner auf Dich!“ (Die Schlampe ist ja schliesslich weg!) Meine Argumentation leuchtet Ivan ein und er bringt mit traurigem Blick die letzten Biere an unseren Tisch. Dann ist aber wirklich Schluss (aber sowatt von) und die beiden Ivans passen wie die Schiesshunde auf, damit wir auch ALLE das Lokal verlassen. Mik, Anne, Anneke, Pit, Buschi, Odie, Alpi, Ishimori sind die letzten Mohikaner und auf dem endlos langen Heimweg diskutieren wir fachkundig, ob ein weiteres letztes Bier der Wettkampfvorbereitung dienlich sein könnte.
Das Unheil nimmt seinen Lauf
An der Entscheidungs-Ampel tagt der Krisenrat – Should I stay or should I go? Ins Bett, schlafen und retten was zu retten ist oder vielleicht doch noch auf ein aller-allerletztes Bierchen in den hellerleuchteten Irish Pub gehen – ach, was soll`s...wenn ett doch SO schön ist und wer weiß was morgen ist, morgen könnt` ich schon tot sein (hätte ich zu dem Zeitpunkt nur ansatzweise geahnt wie nahe ich diesem Zustand morgen kommen würde hätte ich...es ganz genauso gemacht, schätze ich....) Das erste Bier ist schnell geordert und schmeckt gar köstlichst, und nachdem wir allesamt unsere Polaruhren zum Leuchten gebracht, die Tageszeit abgelesen und mit unheilschwangeren Stimmen „Das wird die Hölle“ verkündet haben, schmeckt auch die zweite Runde ganz wunderbar. Das Bier scheint aufgrund der hier herrschenden hohen Luftfeuchtigkeit unter unseren Schlündern zu verdunsten – kaum dreht man sich um, schon sind die Gläser schon wieder leer – aber nachdem wir uns gegenseitig beteuert haben das wir super aussehen und das noch was geht, könnten wir ja eigentlich noch eins....noch ein kleines schnelles....Blick auf die Uhr „Oh Gott, das wird die Hölle!“ Gegen zwei Uhr verabschieden sich Anne und Anneke gen Pension Overdieck weil (Zitat Anneke) „sisch meine Kontaktlinsen gerade rückwärts durch die Netzhaut ins Gehirn fressen“....ja, nee...datt woll`n wa ja nich`.....
“Wenn Du da jetzt mitgehst zünd` ich Dich an!“ droht Peter – und da ich nicht als Jeanne d`Arc für Anfänger mein junges Leben beenden möchte bleib` ich halt noch, zumal Bier und Begleitung ja wirklich lecker sind.....“Das wird die Hölle“.....
In meiner Funktion als Frollein-Übermut habe ich bei Ivan grossmäulig angekündigt, Odie im Armdrücken zu schlagen, aber nach eingehender manueller Prüfung seines Bizeps muss ich mir dann doch erst noch ein bißchen Mut antrinken - der Abend ist ja noch jung und es sind ja erst „Kurz nach 2 oder so“....“Das wird die Hölle!“....aber genug Mut hab` ich immer noch nicht.....und lustig ist es immer noch und das Bier ist immer noch lecker.......und nach weiteren interessanten visuellen und manuellen Prüfungen verkündet der Polaruhren-Vergleich „Kurz vor 3 oder so“....Alscho scho langscham müschten wir aber schon mal heimgehn....morgen iss` ja Wettkampf-und-so...aber jetzt ist eh schon alles verloren, Kellner Marcel ist der Verzweiflung nahe und alles wird gut....und eins geht noch, oder? Gegen „Halb vier oder scho“ sind wir uns einig, das es doch langsam Zeit wird....“müschen ja noch rägäneriiieren und scho...und morgen isch Wettkampf und scho“....und „Ich zünd` Dich an!“ und „Das wird die Hölle“ und überhaupt sind wir ja nicht zum Vergnügen hier!
Unter Absingen diverser Gassenhauer taumeln...ähm....marschieren wir kerzengerade und elfengleich gen gemietete Ruhestätte, wobei einer unserer Mitstreiter noch das dringende Bedürfnis verspürt, ein 2 x 2 Meter grosses Werbeplakat von einer Plakatwand abzutrennen, sich komplett darin einzuwickeln und so hübsch dekoriert über den Gehweg zu kugeln. Und datt sah super aus – da wär` noch watt gegangen!
Im Hausflur von „At Overdieck“ gibt`s noch Gutenachtküsschen für alle und versuche, eine der beiden Türen zu unserem Zimmer zu öffnen – nachdem ich mir ein Auge zugehalten hat geht das auch erstaunlich gut und irgendwie schaffe ich es noch unter Aufbietung aller Willenskräfte aus meinen Klamotten zu kommen und ins Bett zu plumpsen....oh Gott, das wird die Hölle! Mir ist irgendwie gar nicht mal so gut und mich beschleicht die leise Ahnung das das was ich gerade getan habe nicht das ist, was Peter Greif als optimale Wettkampfvorbereitung ansehen würde.
Ich werde sterben!
Und dummerweise habe ich bei ALLEM das Problem das ich nicht kann wenn ich soll – und jetzt SOLL ich einschlafen, und zwar schnell, weil es in 4 Stunden Frühstück gibt und danach dieser blöde Lauf ansteht und warum zur Hölle hab` ich mir den Scheiss überhaupt angetan? „Schlafe, Frollein Grünhorn, schlaf eiiiiin“....nützt nüscht...Anneke atmet so laut, das Zimmer wackelt und meine Haare tun mir weh – und das Guiness, die blöden Schnäpse, das Weizenbier und das Pils haben sich ganz fürchterlich in meinem Magen gestritten und sind jetzt bockig und wollen umgehend raus! Freundlich wie ich nun mal bin tue ich Ihnen den Gefallen und gucke mir die Kloschüssel mal genauer an – und vollkommen rücksichtsvoll versuche ich dabei so leise wie möglich zu sein. („Schatz, ich hab` extra ganz leise gekotzt, damit Du nicht wach wirst!“). Schlafen will mein blöder Körper aber immer noch nicht, sondern lieber noch ein bißchen Karussell fahren....huiiii....eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt – UND DIE NÄCHSTE RUNDE GEHT RÜCKWÄRTS!
Anneke atmet weiter vor sich hin (im Nachhinein bin ich recht froh, das sie die Atmung nicht aus Rücksicht auf mich eingestellt hat) und ich beginne mich von dem Gedanken an den Lauf zu verabschieden. Sobald ich stehen kann, werd` ich mich heimlich wegschleichen, heimfahren und mich nie wieder im Forum blicken lassen, das wird im Getümmel morgen (nachher! In 2 Stunden!!!) niemandem auffallen. Und Laufen tu ich nie wieder! Und SAUFEN schon gar nicht! Und somit erkläre ich meine erfolgreiche Läuferkarriere in diesen frühen Morgenstunden für beendet – aber SOWATT von! Eine Stunde später piepst Annekes Wecker und ich vernehme statt dem Atmen ein leises „Aaaaah!“
„Ich lauf` nich`!“ murmele ich gequält und mitleidheischend in die Richtung aus der das „Aaaaaah“ kommt. „NATÜRLICH läufst Du“ ist die schlaftrunkende Antwort. Am Arsch, Frollein – ich bin TOT, ich kann nicht laufen! „Nee, mir iss` so schlecht, ich schaff das nicht“ jammere ich weiter. „Naja, besser als wenn Du aus Feigheit kneifen würdest!“ und damit iss ` die Birne geschält. Leicht duhnig schleppe ich mich unter die Dusche in der Hoffnung meinem moribunden Leib neues Leben einhauchen zu können, die Wirkung des Bertlicher Wassers wirkt jedoch keine nennenswerten Wunder.
Ich seh`s schon vor mir „15 km-Lauf wegen Trunkenheit geschmissen“, wie peinlich! Wie stilllos! Wie uncool! Ich bin ein Nichts und ein Niemand und außerdem ist mir schlecht. Ich ziehe mir irgendwas an und schleppe mich die Treppe hoch, um die unfrohe Botschaft zu verkünden und mir meine berechtigen Schimpfe abzuholen.
Meine stille Hoffnung das auch die anderen Mitzecher krankheitsbedingt ins Groupielager wechseln würden wird umgehend durch den Anblick von Pit zunichte gemacht, der mir fröhlich entgegenspringt, lautstark nach einem Bier verlangt, mir ein alkoholgeschwängertes Morgenbussi aufdrückt und aussieht wie das blühende Leben. Ich hasse ihn!
Als nächstes Mitglied der illustren Trinkerrunde betritt Ishimori den Frühstücksraum – und hier das gleiche Bild: Strahlendfrische Optik, ein Lächeln auf den Lippen....was sind das bloss für Menschen? „Ist Dir schlecht?“ frage ich vorsichtig. „Klar!“ ist die Antwort. „Läufst Du heute?“ taste ich mich weiter vor. „Klar!“ Verdammt!
Der von Pit kredenzte Orangensaft der mir angeblich Besserung bringen soll reizt meinen gequälten Magen bis zum Unerträglichen, aber quer über den Frühstückstisch zu spucken wäre selbst für mich ein nicht zu verzeihender Faux-pas, also leide ich still in mich hinein. Allein Odie besitzt den Anstand, ein wenig blass um die Nase auszusehen, aber auch bei ihm lautet die Antwort auf die Frage „Läufst Du heute?“ ohne zu zögern „Klar! Das wird die Hölle!“ Dreckspack! Bin ich denn die einzige Memme hier? Mit einem kräftigen „Moin!“ betritt nun auch Buschi die Bühne....und eigentlich muss ich ja nichts mehr sagen, oder? Blendendes Aussehen, wie der junge Morgen, und eigentlich muss ich gar nicht mehr fragen, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt „Und....läufst Du heute?“ Verständnisloser Blick buschiseits „Klar, warum denn nicht?“
Ich stelle mich meinem Schicksal
WARUM NICHT? Verdammt, ihr könnt mich doch alle mal! Dann lauf’ ich eben auch diese beschissenen15 km und wenn es das Letzte ist was ich tue (und so wie ich mich fühle WIRD es das Letzte sein). Obwohl ich meinen schwachen dehydrierten Leib dringend mit Wasser auffüllen und stärken sollte reicht die Zeit dann irgendwie doch nur für ein halbes runtergewürgtes Brötchen und einen Kaffee – aber da ich in spätestens 2 Stunden sowieso tot sein werde ist das letztendlich scheissegal. Oh mein Gott, ich werde sterben! Obwohl alles andere als verkehrstauglich gelingt mir die Anfahrt dank Mik an meiner Seite geradezu vorbildlich, wenn man das einmalige Rammen der Bordsteinkante und leichte Schlangenlinien gnädig außer Acht lässt. Ich fühle mich wie Jeanne d`Arc auf dem Weg zum Scheiterhaufen und stelle mir in Gedanken schon ein paar wahnsinnig heroische Letzte-Worte zusammen....soll ich braveheart-like „FREIHEIT“ rufen und dabei die Faust gen Bertlich-Himmel recken oder mit dramatischem „Für Gott und unser Forum“-Seufzer mein Leben aushauchen? Naja, das kann ich ja immer noch spontan entscheiden, erst einmal muss ich mich anmelden. ANMELDEN! Oh, mein Gott, ich werde sterben! Irgendwie dauert mir das alles viel zu lange, nur noch 1 Stunde bis zum Start, das schaffen wir doch NIE! (Im Grunde war überhaupt nichts mehr zu erledigen, nur noch Startnummer aufpappen und loslaufen, aber irgendwie ist da wohl in meinem Gehirn eine Paniksicherung durchgeknallt)
Den netten jungen Herrn der mich an der Anmeldung anspricht identifiziere ich als Ray, wobei „Räääh, ich bin so uffjerescht!“ wahrscheinlich nicht gerade das Coolste ist was man so an ersten Worten an einen Menschen richten kann (aber Räääh, Du verstehst das, ja? Ich war ja so UFFJERESCHT!) Danach treffe ich Uli und Heinz, dann kommt Laufelfe Heike hereingeschwebt...und ab da weiß ich irgendwie nicht mehr viel, nur das ich fürchterlich nervös und zappelig war – und falls ich irgendeinen Fori NICHT mit den Worten „Wir haben bis 04.00 Uhr gesoffen, ich werde sterben, ich bin so uffjerescht“ begrüsst haben sollte, dann kann er sich bei mir melden und bekommt einen Preis. Von der Geschenkübergabe an Tim bekomme ich leider nicht richtig was mit, ich bin vollkommen mit „Oh mein Gott, ich werde sterben!“ausgelastet und habe keine Kapazitäten für die Aufnahme irgendwelcher äußeren Eindrücke mehr frei. Gleichermassen möchte ich mich bei allen Foris entschuldigen die von mir nur noch Sätze wie „Lass mich bloss mit dem Scheiss in Ruhe“ oder „Weiß ICH doch nicht!“ entgegengezischt bekamen – das war nicht so gemeint, ihr müsst mich TROTZDEM mögen...
Und ENDLICH geht`s zum Scheiterhaufen...ähm...STARTBEREICH, und auf dem Weg dahin verlasse ich meinen Körper und schwebe über mir her, die Situation ist so surreal....ein bunter Haufen Foris auf dem Weg zu einem Wettkampf und ich (ICH!) mittendrin! Und mir ist so unglaublich schlecht....aber „Gekotzt wird erst wieder im Ziel“ ermahnt mich Bonsai. Ich hoffe mein Magen hält sich an die Anweisung und bemühe mich um Haltung. Im Nachhinein sehe ich, das im Startbereich wohl auch Fotos gemacht wurden, kann mich aber an nichts anderes als mein „Ich werde sterben!“-Mantra erinnern und als plötzlich alle loslaufen, laufe ich sicherheitshalber mal hinterher. „Du siehst super aus, da geht noch watt“ foppt mich Pit....gleich ist alles vorbei, gleich werde ich tot sein und muss nie mehr laufen, geschweige denn saufen....alles wird gut...und in der Hölle ist es bestimmt kuschlig warm. Als wir am Ende der Stadionrunde die johlende Forimeute passieren, entblösse ich meine obere Zahnreihe in der Hoffnung ein Lächeln vortäuschen zu können – bloss wech hier!
Und immernoch fühle ich mich wie in Trance/dem falschen Film/einem Gemälde von Dali als eine wohlbekannte Stimme am Strassenrand „Watt iss DATT denn? Tempo, datt iss ein WETTKAMPF“ poltert – spätestens wenn ich gleich tot bin wird es Ralf noch leidtun mich so angebrüllt zu haben! Und dann isses zu spät! Ha! Wie mir Bonsai hinterher dezent mitteilt bin ich wohl auf dem ersten Kilometer ein „wenig verspannt“ und ich erinnere mich auch noch genau daran, höchst zickig auf Äußerungen wie „Nur noch 14,5 km, dann sind wir schon da!“ reagiert zu haben....und warum ich mir freiwillig so `ne Scheisse angetan habe ist mir bis dato auch noch schleierhaft. Doch dann, bei der 2. Kilometermarke geschieht das Wunder von Bertlich – meine Übelkeit weicht einer leicht bekloppten Albernheit und ich finde es plötzlich hällisch (aber sowatt von!) mit diesen wunderbaren Menschen (Restalkohol, klarer Fall) ganz weit hinter diesem langen Läuferwurm herzulaufen....und der Abstand zum Läuferwurm wird länger und länger....und ich finde es hällischer und hällischer.....vielleicht muss ich ja heute doch noch nicht sterben? Wär ja schon schön irgendwie!
Pit stellt die einzige Regel für diesen Lauf auf „Auf gar keinen Fall lassen wir uns von der Walkerin da hinten überholen“ - ansonsten ist alles erlaubt. Mit zunehmenden Glückshormonen verspüre ich das Bedürfnis lauthals zu singen, plärre aber auf Rücksicht auf das Gehör meiner Mitläufer nur ein paar Textzeilen von Sinatras „My way“ ins Bertlicher Land. Die freundlichen Polizisten die uns ein „Ihr seid aber spät dran“ entgegenrufen, feuern wir lautstark mit „Ihr seht super aus, da geht noch watt!“ und „Macht euch nackisch“an. Ich fühle mich super – da geht noch watt! Pit wechselt kurzfristig in die Walkerliga und walkt heftig armeschwenkend und popowackelnd neben uns her, was vielleicht einen kleinen Eindruck unseres Wettkampftempos vermittelt und uns (Bonsai und ich) Lachkrämpfe beschert und Schweinehündin Anneke zum heftigen Fluchen („Sieht das SCHEISSE aus!“) animiert. Dann erreichen wir den ersten Verpflegungsstand meines jungen Läuferlebens, wie aufregend – ich kann endlich mal Plastikbecher in die Botanik werfen nachdem ich mir den gesamten Inhalt über die Brust gekippt habe! Jetzt bin ich einer von EUCH!
Fidi und Anne sind langsam aber sicher außer Hörweite und Pionierin Uli-goodfella spielt für uns den Spähtrupp, was an dieser Stelle nochmal einen ganz besonderen Dank wert sein sollte: Uli ist mit Sicherheit die einzige Läuferin, die die 15 km von Bertlich in satten 16 km zurückgelegt hat, ständig ist sie zwischen den Kilometermarkierungen hin- und hergetrabt um uns lauthals den Zwischenstand zu verkünden und hat dabei weder Hügel noch Abhänge gescheut! Super, Uli – da geht noch watt!
Und wie das geht, mit jedem gelaufenen Meter macht die Strecke mehr Spass, Pit und ich singen noch einmal kurz das Sauflieder-Repertoire vom Vorabend durch und auch Peter`s freundliche Bestellung „Ich nehm` ein Pils“an jedem Verpflegungsstand verliert auch nach dem 5. Mal nicht an Situationskomik.Anneke gibt sich alle Mühe, ihre Aufgabe als Motzkoffer zu erfüllen, aber nach 5 Kilometern flucht sie nur noch halbherzig und als Pit sie dann auch noch gentlemanlike ein paar Meter schiebt, nennt sie ihn nur noch viertelstündlich „Arschloch“ - na also, da geht noch watt!
Nach 7,5 km ist Bergfest, es gibt Jubelschreie, La-Ola, Stimmungslieder und Kusshände für alle – wobei „alle“ nicht wirklich viele sind, im Grunde nur Uli an der Spitze und wir 4 - und die lauernde Walkerin am Horizont die gegen uns Tempowunder aber nicht den Hauch einer Chance hat.
Plötzlich hallen schnelle Schritte hinter uns – hat die Walkerschlampe es etwa doch geschafft? Mitnichten und mitneffen, wir werden soeben vom ersten Marathonläufer überholt, der von den Anderen mit begeistertem „Super, da geht noch watt“ und von mir mit „Geht das nicht SCHNELLER?“ (Wie schnell man doch das fachgerechte Groupieren verlernen kann wenn man erst in die Läuferliga aufgestiegen ist!?) angefeuert wird. Ich finde einen kindischen Gefallen daran, jedem (wirklich JEDEM) Läufer lautstark „Geiler Arsch“ hinterherzubrüllen, wobei ich gestehen muss das ich teilweise noch nicht mal hingeguckt habe – aber der gute Wille zählt! Einige Läufer lupfen sogar ihr Shirt für eine bessere Aussicht aufs Hinterteil und ein besonders nettes Exemplar legt sogar extra für uns ein paar popowackelnde Tanzschritte hin (während Pit den Waldboden bewässert) und wird dafür von uns frenetisch bejubelt.
„Hey, ihr Säufer, das geht doch wohl SCHNELLER!“ schallt es mit eindeutisch zuzuordnender schweizerischen Einfärbung hinter unserer Truppe – Spike hat uns eingeholt und läuft locker-flockig an uns vorbei, nicht ohne wie befohlen seine Jacke zu lupfen damit wir seinen Popo bejubeln können und diesmal gucke ich auch hin – sieht super aus, Renato, da geht noch watt!
Kurze Zeit später ein weiteres bekanntes Stimmchen „Jetzt aber mal`n bißchen Tempo!“ - Sylvi flitzt als erste Frau an uns vorbei und wird ebenfalls bejubelt. Watt hamm die bloss alle an unserem Tempo auszusetzen? Faschteschnitt! Wir sehen doch super aus....und gehen tut da auch noch watt!
Ab Kilometer 11 oder 12 spielen meine Glückshormone vollkommen verrückt und ich bekomme Lust, alle wildfremden Läufer die uns reihenweise überholen zu knutschen, beschränke mich aber wohlerzogen darauf, nur den bekannten Foris wie Ishimori, oLi und Hendock ein „Super, da geht noch watt“ entgegenzuplärren. Durch den Sog der vorbeirasenden Marathonis, Halbmarathonis und Weiß-der-Deibel-Tonis haben wir wohl unbewusst das Tempo ein wenig angezogen und wuppdich! brüllt Anneke „Ich seh GRÜN!“ was übersetzt so viel heissen soll wie „Da vorne ist eine grüne Kilometermarkierung wie sie für unseren Lauf verwendet wird“ und bedeutet konkret: Kilometer 13! Noch 2 Kilometer und ich bin nicht gestorben....im Gegenteil, mir geht`s sowatt von grossartig! Ich liebe alles und jeden und könnte jeden knutschen und ich sehe super aus und da geht noch watt und ich lebe noch!
Als wir die Strasse zum Stadion herunterlaufen winken und jubeln Regina und Daggi und liebe sie und könnte sie knutschen – und als der Sprecher auch verkündet „Daniela Mohr von laufen-aktuell mit der Startnummer 4040“ könnte ich ihn gleich mitknutschen – aber da braucht sich der Typ nix drauf einbilden, ich bin gerade nicht so wählerisch! Beim Einlaufen ins „Stadion“ verklärt sich meine Wahrnehmung so weit, das mir die Aschebahn wie ein roter Teppich vorkommt und auch Annekes „Ich hasse Dich, Du Schlampe!“ klingt in meinen glücksseligen Ohren wie „Ich liebe Dich, Du Engel“. Hinter mir läuft fidi - es dauert geschätzte 5 Minuten bis mein Gehirn die Meldung „Der Maler hat in diesem Bild EINEN Fehler versteckt“ ausspuckt – fidi müsste doch längst im Ziel sein. „Watt machst Du denn hier?“ frage ich überrascht - „Laufen“ ist die Antwort...ach so, das ich da nicht selber drauf gekommen bin! Fidi kann augenscheinlich vom Zieleinlauf einfach nicht genug bekommen und begleitet uns noch ein Stückchen.
Endspurt? Da hab` ich aber sowatt von keinen Bock drauf, lieber würde ich ein paar Pirouetten drehen oder fliegen – aber die Gefahr über meine eigenen Füsse zu fallen und die Aschebahn zu küssen ist zu gross, also bemühe ich mich um Haltung und Contenance, obwohl ich aufgrund des Surrealismus der Situation beinahe einen Lachkrampf bekomme – ICH oller maroder Knochenhaufen laufe in ein Ziel...und zwar in exakt dasselbe Ziel wo vorher Chris, Bogi, Walter, Klaus, Alpi, Anne, Fidi und all diese wunderbaren Läufer durchgerannt sind, kann das wahr sein? – Scheiss die Wand an! Aber SOWATT von!
Ich höre ein paar Leute jubeln, Uli lässt mir zu allem Überfluss auch noch galant den Vortritt obwohl sie es verdient hätte als Erste einzulaufen, und ich bin drin! ICH BIN DRIN! Das war ja einfach! Hällisch! Ein fremder Mann hält mir ein piependes Ding vor die Brust (meine Startnummer wird gescannt), Phönix und Hajott rufen „Bleib mal stehen“ und ausnahmsweise macht es mir überhaupt nix aus fotografiert zu werden....und abgesehen von der fehlenden Schampusdusche und der Tatsache, das kein Männerchor in Latex „Stand up for the champion“ singt ist alles genauso wie ich mir das immer gewünscht habe. Ein wunderschöner, vollkommen entspannter, lustiger Lauf in relaxtem Tempo, ohne selbstauferlegten Druck und Zeitvorgabe, jeder Menge Spass und ganz vielen tollen Foris im Ziel - und das Gefühl, das auf jeden Fall noch mehr gegangen wäre wenn ich nur gewollt hätte hab` ich in vollsten Zügen genossen. Und - ich bin NICHT gestorben! Ich kann alles, ich bin Wonderwoman (ein bißchen Restalkohol war wohl doch noch da....)
Nachdem ich meine allererste Nach-Wettkampf (darf man „Wettkampf“ sagen auch wenn man NICHT gekämpft hat?)-Dusche in einem schlammgetränkten Umkleideraum genossen habe, marschiere ich mit stolzgeschwellter Brust in die Halle und gönne mir zwei Siegerwaffeln! Ich bin gestorben, wieder auferstanden und zur Göttin geworden, wer von Euch kann da mithalten, hä? (Restalkohol....) Und schau an – Räääh hat doch glatt beim 15-er einen Pokal gewonnen! Der gehört mir! Räääh konnte nur gewinnen weil ICH ihn vor mir hergehetzt habe, ich beschliesse den Pokal in einem unbeobachteten Moment an mich, die rechtmässige Besitzerin, zu reissen....aber irgendwie habe ich das dann doch vergessen.....
Nach und nach trudeln alle Foris wieder ein, auch Ishimori und Odie sind nicht gestorben und sehen super aus (da geht noch watt) und bevor der Bericht jetzt alle Forumskapazitäten sprengt, verabschiede ich mich schweren Herzens von allen Mitläufern und fahre nach Hause.
Danke Bertlich!
(Und.....Wettkampfvorbereitung, Schlaf, Wasser, Frühstück....ist alles Quatsch, das braucht kein Mensch.....)
Da geht noch watt!
Nachtrag
Jetzt hab` ich doch glatt meine Zeit vergessen...dabei ist das doch immer so schröcklich wichtig - also: 1:41:34 Std. und 4. Platz in meiner Alterklasse!
____________________
www.myblog.de/greenhoernchen
- Es friert in der Hölle -
[ Dieser Beitrag wurde von Greenhörnchen am 30.11.2004 editiert. ]
Der Tag davor
Oh Mann, warum hab` ich mir das angetan....15 km – ICH, der ewige Groupie und „Du siehst super aus!“-Brüller... und jetzt DAS! Den ganzen Samstagvormittag verbringe ich in hektischer, sinnloser Betriebsamkeit und erst als eine SMS mit dem Text „Wir sind schon da, wann kommst Du? Fidi, Steif, Anne, Anneke“ eintrudelt fühle ich mich veranlasst, den Corsa zu besteigen und gen Bertlich loszudüsen. Die Fahrt verläuft bis auf die plötzlich aufleuchtende unbekannte Kontrolleuchte im Corsa-Cockpit und ein klitzekleines bißchen Verfahren ereignislos und mittlerweile doch in Vorfreude entbrannt erreiche ich die Pension Overdieck, besser bekannt als „Laufen-Aktuell-Wohnheim“ und – oh Wunder – stosse genau wie in Ehrwald zuallererst auf Odo, na wenn das kein Zeichen ist, Odo ist da, alles wird gut.
Nicht nur Odo, auch fidi, Steif, odie, Schweinenhündin und Anne sind da (alles wird gut), kurze Zeit später treffen VulcanBadGirl, Sylvi, schneckerl, Ishimori und Pit (ALLES WIRD GUT, Peter ist da!) Spike, Sylke, Der-Kieler (und er kann sprechen!), Mik (Michelchen!!!) und wer-weiß-wer-noch ein und nachdem Grandmaster Hajott Reflektorbänder für ALLE (jawohl, für alle) verteilt und Alpi endlich auch eingetrudelt ist, alle Mann lautstark „HUUUNGER!“ geplärrt und unruhig auf und abgesprungen sind, geht es im Gänsemarsch gen „Ivan“ wo schon Flinki, Schubi und ihr Bruder mit Frau (richtig?) warten.
An evening at Ivan`s
Nach der Sitzplatzvergabe stellen Mik und ich uns gleich der ersten Aufgabe des Abends – den dackelblickigen Kellner (Ivan...NATÜRLICH) zu einem Lachen zu bewegen, und zwar nicht irgendein Lachen, sondern mindestens ein VIERER (also Ha!-Ha!-Ha!-Ha!) Trotz aller Mühe und Slapstickeinlagen bekommen wir nicht mehr als einen DREIER (ohne Zähne) aus ihm heraus, datt iss aber auch `ne harte Nuss, der Ivan! Der schenkt uns NIX! Lieber erstmal ein Bierchen trinken, datt mit dem Ivan könnte `ne längere Sache werden!
Mit Trauermiene bringt Ivan unsere Speisen, und es herrscht einträchtiges Mümmeln – zumindest an unserem Tisch, Steif, fidi, Anne, Spike, Sylke, Buschi und Herr Repel müssen noch ein wenig warten und gucken uns dreist mit langen Zähnen unser Essen vom Teller! (Ivan lacht immer noch nicht) Plötzlich erscheint ein zweiter Kellner (Ivan2), der uns sogleich einen FÜNFER MIT ZÄHNEN schenkt, geht doch – und wenn ich auf langhaarige Schmier-Latinos mit Bauchansatz stehen würde, wäre Ivan2 genau mein Typ. Also mache ich Ivan2 umgehend einen Heiratsantrag, den er aber mit gespieltem Bedauern und Vorzeigen seines blankpolierten Eherings („Isse erssst ssseit drei Monate“) ablehnt, zum Trost trinkt er allerdings einen Schnaps mit mir, was mir im Grunde auch lieber ist – da ich eben nicht auf langhaarige Schmier-Latinos mit Bauchansatz stehe. Während Anneke sind von Pit IN DEN MUND fotografieren lässt und ich heimlich noch ein Schnäpschen trinke und das andere auf der Tischdecke ausgiesse, passiert das Unglaubliche: „EIN FÜNFER MIT ZÄHNEN!“ schreien Anne und Mik gleichzeitig! Es ist passiert, Ivan hat gelacht - ich hab`s verpasst und schlimmer noch – es war NICHT mein Verdienst, ich bin sowatt von langweilig, ich kann noch nicht mal „machen das Ivan einen Fünfer macht“.
Während der kommenden Stunden wird viel gelacht, oft „Ich zünd` Dich an“ gebrüllt, viel nackte Haut (Steffen) gezeigt und noch das ein oder andere Bierchen vernichtet, bis der Ivan - ohne zu lachen - mit der Rechnung wedelt. „Ach, jetzt lach` doch mal!“ fordere ich, schliesslich sind wir zahlende Gäste und wollen entsprechend entertaint werden. Ivan`s Dackelblick-Augenlider senken sich noch einen Tick weiter nach unten „Isch kann nischt“ murmelt er leidend. Das kann ich ja leiden, man kann IMMER wenn man will! „Warum nitt?“ frage ich unwirsch „Isch bin traurisch, mein Freundin hat misch verlassen!“ DAS kann ich ja noch mehr leiden, wir sind schliesslich zahlende Gäste und wollen...genau! „Sei doch froh das Du die Schlampe los bist!“ versuche ich Ivan zu trösten, aber er will trotzdem nicht lachen...und warum ist es plötzlich so still am Tisch und warum gucken alle so komisch? Ich hab`s doch nur gut gemeint, ährlisch!
Und obwohl wir zahlende Gäste sind und gerne noch ein Bier trinken würden, jammert Ivan etwas von „Muss morgen früh aufstehen“ und „Schliessen in 10 Minuten!“ Jemand muss etwas tun! „Ach komm, nur noch eine Runde, daheim wartet doch sowieso keiner auf Dich!“ (Die Schlampe ist ja schliesslich weg!) Meine Argumentation leuchtet Ivan ein und er bringt mit traurigem Blick die letzten Biere an unseren Tisch. Dann ist aber wirklich Schluss (aber sowatt von) und die beiden Ivans passen wie die Schiesshunde auf, damit wir auch ALLE das Lokal verlassen. Mik, Anne, Anneke, Pit, Buschi, Odie, Alpi, Ishimori sind die letzten Mohikaner und auf dem endlos langen Heimweg diskutieren wir fachkundig, ob ein weiteres letztes Bier der Wettkampfvorbereitung dienlich sein könnte.
Das Unheil nimmt seinen Lauf
An der Entscheidungs-Ampel tagt der Krisenrat – Should I stay or should I go? Ins Bett, schlafen und retten was zu retten ist oder vielleicht doch noch auf ein aller-allerletztes Bierchen in den hellerleuchteten Irish Pub gehen – ach, was soll`s...wenn ett doch SO schön ist und wer weiß was morgen ist, morgen könnt` ich schon tot sein (hätte ich zu dem Zeitpunkt nur ansatzweise geahnt wie nahe ich diesem Zustand morgen kommen würde hätte ich...es ganz genauso gemacht, schätze ich....) Das erste Bier ist schnell geordert und schmeckt gar köstlichst, und nachdem wir allesamt unsere Polaruhren zum Leuchten gebracht, die Tageszeit abgelesen und mit unheilschwangeren Stimmen „Das wird die Hölle“ verkündet haben, schmeckt auch die zweite Runde ganz wunderbar. Das Bier scheint aufgrund der hier herrschenden hohen Luftfeuchtigkeit unter unseren Schlündern zu verdunsten – kaum dreht man sich um, schon sind die Gläser schon wieder leer – aber nachdem wir uns gegenseitig beteuert haben das wir super aussehen und das noch was geht, könnten wir ja eigentlich noch eins....noch ein kleines schnelles....Blick auf die Uhr „Oh Gott, das wird die Hölle!“ Gegen zwei Uhr verabschieden sich Anne und Anneke gen Pension Overdieck weil (Zitat Anneke) „sisch meine Kontaktlinsen gerade rückwärts durch die Netzhaut ins Gehirn fressen“....ja, nee...datt woll`n wa ja nich`.....
“Wenn Du da jetzt mitgehst zünd` ich Dich an!“ droht Peter – und da ich nicht als Jeanne d`Arc für Anfänger mein junges Leben beenden möchte bleib` ich halt noch, zumal Bier und Begleitung ja wirklich lecker sind.....“Das wird die Hölle“.....
In meiner Funktion als Frollein-Übermut habe ich bei Ivan grossmäulig angekündigt, Odie im Armdrücken zu schlagen, aber nach eingehender manueller Prüfung seines Bizeps muss ich mir dann doch erst noch ein bißchen Mut antrinken - der Abend ist ja noch jung und es sind ja erst „Kurz nach 2 oder so“....“Das wird die Hölle!“....aber genug Mut hab` ich immer noch nicht.....und lustig ist es immer noch und das Bier ist immer noch lecker.......und nach weiteren interessanten visuellen und manuellen Prüfungen verkündet der Polaruhren-Vergleich „Kurz vor 3 oder so“....Alscho scho langscham müschten wir aber schon mal heimgehn....morgen iss` ja Wettkampf-und-so...aber jetzt ist eh schon alles verloren, Kellner Marcel ist der Verzweiflung nahe und alles wird gut....und eins geht noch, oder? Gegen „Halb vier oder scho“ sind wir uns einig, das es doch langsam Zeit wird....“müschen ja noch rägäneriiieren und scho...und morgen isch Wettkampf und scho“....und „Ich zünd` Dich an!“ und „Das wird die Hölle“ und überhaupt sind wir ja nicht zum Vergnügen hier!
Unter Absingen diverser Gassenhauer taumeln...ähm....marschieren wir kerzengerade und elfengleich gen gemietete Ruhestätte, wobei einer unserer Mitstreiter noch das dringende Bedürfnis verspürt, ein 2 x 2 Meter grosses Werbeplakat von einer Plakatwand abzutrennen, sich komplett darin einzuwickeln und so hübsch dekoriert über den Gehweg zu kugeln. Und datt sah super aus – da wär` noch watt gegangen!
Im Hausflur von „At Overdieck“ gibt`s noch Gutenachtküsschen für alle und versuche, eine der beiden Türen zu unserem Zimmer zu öffnen – nachdem ich mir ein Auge zugehalten hat geht das auch erstaunlich gut und irgendwie schaffe ich es noch unter Aufbietung aller Willenskräfte aus meinen Klamotten zu kommen und ins Bett zu plumpsen....oh Gott, das wird die Hölle! Mir ist irgendwie gar nicht mal so gut und mich beschleicht die leise Ahnung das das was ich gerade getan habe nicht das ist, was Peter Greif als optimale Wettkampfvorbereitung ansehen würde.
Ich werde sterben!
Und dummerweise habe ich bei ALLEM das Problem das ich nicht kann wenn ich soll – und jetzt SOLL ich einschlafen, und zwar schnell, weil es in 4 Stunden Frühstück gibt und danach dieser blöde Lauf ansteht und warum zur Hölle hab` ich mir den Scheiss überhaupt angetan? „Schlafe, Frollein Grünhorn, schlaf eiiiiin“....nützt nüscht...Anneke atmet so laut, das Zimmer wackelt und meine Haare tun mir weh – und das Guiness, die blöden Schnäpse, das Weizenbier und das Pils haben sich ganz fürchterlich in meinem Magen gestritten und sind jetzt bockig und wollen umgehend raus! Freundlich wie ich nun mal bin tue ich Ihnen den Gefallen und gucke mir die Kloschüssel mal genauer an – und vollkommen rücksichtsvoll versuche ich dabei so leise wie möglich zu sein. („Schatz, ich hab` extra ganz leise gekotzt, damit Du nicht wach wirst!“). Schlafen will mein blöder Körper aber immer noch nicht, sondern lieber noch ein bißchen Karussell fahren....huiiii....eine neue Runde, eine neue Wahnsinnsfahrt – UND DIE NÄCHSTE RUNDE GEHT RÜCKWÄRTS!
Anneke atmet weiter vor sich hin (im Nachhinein bin ich recht froh, das sie die Atmung nicht aus Rücksicht auf mich eingestellt hat) und ich beginne mich von dem Gedanken an den Lauf zu verabschieden. Sobald ich stehen kann, werd` ich mich heimlich wegschleichen, heimfahren und mich nie wieder im Forum blicken lassen, das wird im Getümmel morgen (nachher! In 2 Stunden!!!) niemandem auffallen. Und Laufen tu ich nie wieder! Und SAUFEN schon gar nicht! Und somit erkläre ich meine erfolgreiche Läuferkarriere in diesen frühen Morgenstunden für beendet – aber SOWATT von! Eine Stunde später piepst Annekes Wecker und ich vernehme statt dem Atmen ein leises „Aaaaah!“
„Ich lauf` nich`!“ murmele ich gequält und mitleidheischend in die Richtung aus der das „Aaaaaah“ kommt. „NATÜRLICH läufst Du“ ist die schlaftrunkende Antwort. Am Arsch, Frollein – ich bin TOT, ich kann nicht laufen! „Nee, mir iss` so schlecht, ich schaff das nicht“ jammere ich weiter. „Naja, besser als wenn Du aus Feigheit kneifen würdest!“ und damit iss ` die Birne geschält. Leicht duhnig schleppe ich mich unter die Dusche in der Hoffnung meinem moribunden Leib neues Leben einhauchen zu können, die Wirkung des Bertlicher Wassers wirkt jedoch keine nennenswerten Wunder.
Ich seh`s schon vor mir „15 km-Lauf wegen Trunkenheit geschmissen“, wie peinlich! Wie stilllos! Wie uncool! Ich bin ein Nichts und ein Niemand und außerdem ist mir schlecht. Ich ziehe mir irgendwas an und schleppe mich die Treppe hoch, um die unfrohe Botschaft zu verkünden und mir meine berechtigen Schimpfe abzuholen.
Meine stille Hoffnung das auch die anderen Mitzecher krankheitsbedingt ins Groupielager wechseln würden wird umgehend durch den Anblick von Pit zunichte gemacht, der mir fröhlich entgegenspringt, lautstark nach einem Bier verlangt, mir ein alkoholgeschwängertes Morgenbussi aufdrückt und aussieht wie das blühende Leben. Ich hasse ihn!
Als nächstes Mitglied der illustren Trinkerrunde betritt Ishimori den Frühstücksraum – und hier das gleiche Bild: Strahlendfrische Optik, ein Lächeln auf den Lippen....was sind das bloss für Menschen? „Ist Dir schlecht?“ frage ich vorsichtig. „Klar!“ ist die Antwort. „Läufst Du heute?“ taste ich mich weiter vor. „Klar!“ Verdammt!
Der von Pit kredenzte Orangensaft der mir angeblich Besserung bringen soll reizt meinen gequälten Magen bis zum Unerträglichen, aber quer über den Frühstückstisch zu spucken wäre selbst für mich ein nicht zu verzeihender Faux-pas, also leide ich still in mich hinein. Allein Odie besitzt den Anstand, ein wenig blass um die Nase auszusehen, aber auch bei ihm lautet die Antwort auf die Frage „Läufst Du heute?“ ohne zu zögern „Klar! Das wird die Hölle!“ Dreckspack! Bin ich denn die einzige Memme hier? Mit einem kräftigen „Moin!“ betritt nun auch Buschi die Bühne....und eigentlich muss ich ja nichts mehr sagen, oder? Blendendes Aussehen, wie der junge Morgen, und eigentlich muss ich gar nicht mehr fragen, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt „Und....läufst Du heute?“ Verständnisloser Blick buschiseits „Klar, warum denn nicht?“
Ich stelle mich meinem Schicksal
WARUM NICHT? Verdammt, ihr könnt mich doch alle mal! Dann lauf’ ich eben auch diese beschissenen15 km und wenn es das Letzte ist was ich tue (und so wie ich mich fühle WIRD es das Letzte sein). Obwohl ich meinen schwachen dehydrierten Leib dringend mit Wasser auffüllen und stärken sollte reicht die Zeit dann irgendwie doch nur für ein halbes runtergewürgtes Brötchen und einen Kaffee – aber da ich in spätestens 2 Stunden sowieso tot sein werde ist das letztendlich scheissegal. Oh mein Gott, ich werde sterben! Obwohl alles andere als verkehrstauglich gelingt mir die Anfahrt dank Mik an meiner Seite geradezu vorbildlich, wenn man das einmalige Rammen der Bordsteinkante und leichte Schlangenlinien gnädig außer Acht lässt. Ich fühle mich wie Jeanne d`Arc auf dem Weg zum Scheiterhaufen und stelle mir in Gedanken schon ein paar wahnsinnig heroische Letzte-Worte zusammen....soll ich braveheart-like „FREIHEIT“ rufen und dabei die Faust gen Bertlich-Himmel recken oder mit dramatischem „Für Gott und unser Forum“-Seufzer mein Leben aushauchen? Naja, das kann ich ja immer noch spontan entscheiden, erst einmal muss ich mich anmelden. ANMELDEN! Oh, mein Gott, ich werde sterben! Irgendwie dauert mir das alles viel zu lange, nur noch 1 Stunde bis zum Start, das schaffen wir doch NIE! (Im Grunde war überhaupt nichts mehr zu erledigen, nur noch Startnummer aufpappen und loslaufen, aber irgendwie ist da wohl in meinem Gehirn eine Paniksicherung durchgeknallt)
Den netten jungen Herrn der mich an der Anmeldung anspricht identifiziere ich als Ray, wobei „Räääh, ich bin so uffjerescht!“ wahrscheinlich nicht gerade das Coolste ist was man so an ersten Worten an einen Menschen richten kann (aber Räääh, Du verstehst das, ja? Ich war ja so UFFJERESCHT!) Danach treffe ich Uli und Heinz, dann kommt Laufelfe Heike hereingeschwebt...und ab da weiß ich irgendwie nicht mehr viel, nur das ich fürchterlich nervös und zappelig war – und falls ich irgendeinen Fori NICHT mit den Worten „Wir haben bis 04.00 Uhr gesoffen, ich werde sterben, ich bin so uffjerescht“ begrüsst haben sollte, dann kann er sich bei mir melden und bekommt einen Preis. Von der Geschenkübergabe an Tim bekomme ich leider nicht richtig was mit, ich bin vollkommen mit „Oh mein Gott, ich werde sterben!“ausgelastet und habe keine Kapazitäten für die Aufnahme irgendwelcher äußeren Eindrücke mehr frei. Gleichermassen möchte ich mich bei allen Foris entschuldigen die von mir nur noch Sätze wie „Lass mich bloss mit dem Scheiss in Ruhe“ oder „Weiß ICH doch nicht!“ entgegengezischt bekamen – das war nicht so gemeint, ihr müsst mich TROTZDEM mögen...
Und ENDLICH geht`s zum Scheiterhaufen...ähm...STARTBEREICH, und auf dem Weg dahin verlasse ich meinen Körper und schwebe über mir her, die Situation ist so surreal....ein bunter Haufen Foris auf dem Weg zu einem Wettkampf und ich (ICH!) mittendrin! Und mir ist so unglaublich schlecht....aber „Gekotzt wird erst wieder im Ziel“ ermahnt mich Bonsai. Ich hoffe mein Magen hält sich an die Anweisung und bemühe mich um Haltung. Im Nachhinein sehe ich, das im Startbereich wohl auch Fotos gemacht wurden, kann mich aber an nichts anderes als mein „Ich werde sterben!“-Mantra erinnern und als plötzlich alle loslaufen, laufe ich sicherheitshalber mal hinterher. „Du siehst super aus, da geht noch watt“ foppt mich Pit....gleich ist alles vorbei, gleich werde ich tot sein und muss nie mehr laufen, geschweige denn saufen....alles wird gut...und in der Hölle ist es bestimmt kuschlig warm. Als wir am Ende der Stadionrunde die johlende Forimeute passieren, entblösse ich meine obere Zahnreihe in der Hoffnung ein Lächeln vortäuschen zu können – bloss wech hier!
Und immernoch fühle ich mich wie in Trance/dem falschen Film/einem Gemälde von Dali als eine wohlbekannte Stimme am Strassenrand „Watt iss DATT denn? Tempo, datt iss ein WETTKAMPF“ poltert – spätestens wenn ich gleich tot bin wird es Ralf noch leidtun mich so angebrüllt zu haben! Und dann isses zu spät! Ha! Wie mir Bonsai hinterher dezent mitteilt bin ich wohl auf dem ersten Kilometer ein „wenig verspannt“ und ich erinnere mich auch noch genau daran, höchst zickig auf Äußerungen wie „Nur noch 14,5 km, dann sind wir schon da!“ reagiert zu haben....und warum ich mir freiwillig so `ne Scheisse angetan habe ist mir bis dato auch noch schleierhaft. Doch dann, bei der 2. Kilometermarke geschieht das Wunder von Bertlich – meine Übelkeit weicht einer leicht bekloppten Albernheit und ich finde es plötzlich hällisch (aber sowatt von!) mit diesen wunderbaren Menschen (Restalkohol, klarer Fall) ganz weit hinter diesem langen Läuferwurm herzulaufen....und der Abstand zum Läuferwurm wird länger und länger....und ich finde es hällischer und hällischer.....vielleicht muss ich ja heute doch noch nicht sterben? Wär ja schon schön irgendwie!
Pit stellt die einzige Regel für diesen Lauf auf „Auf gar keinen Fall lassen wir uns von der Walkerin da hinten überholen“ - ansonsten ist alles erlaubt. Mit zunehmenden Glückshormonen verspüre ich das Bedürfnis lauthals zu singen, plärre aber auf Rücksicht auf das Gehör meiner Mitläufer nur ein paar Textzeilen von Sinatras „My way“ ins Bertlicher Land. Die freundlichen Polizisten die uns ein „Ihr seid aber spät dran“ entgegenrufen, feuern wir lautstark mit „Ihr seht super aus, da geht noch watt!“ und „Macht euch nackisch“an. Ich fühle mich super – da geht noch watt! Pit wechselt kurzfristig in die Walkerliga und walkt heftig armeschwenkend und popowackelnd neben uns her, was vielleicht einen kleinen Eindruck unseres Wettkampftempos vermittelt und uns (Bonsai und ich) Lachkrämpfe beschert und Schweinehündin Anneke zum heftigen Fluchen („Sieht das SCHEISSE aus!“) animiert. Dann erreichen wir den ersten Verpflegungsstand meines jungen Läuferlebens, wie aufregend – ich kann endlich mal Plastikbecher in die Botanik werfen nachdem ich mir den gesamten Inhalt über die Brust gekippt habe! Jetzt bin ich einer von EUCH!
Fidi und Anne sind langsam aber sicher außer Hörweite und Pionierin Uli-goodfella spielt für uns den Spähtrupp, was an dieser Stelle nochmal einen ganz besonderen Dank wert sein sollte: Uli ist mit Sicherheit die einzige Läuferin, die die 15 km von Bertlich in satten 16 km zurückgelegt hat, ständig ist sie zwischen den Kilometermarkierungen hin- und hergetrabt um uns lauthals den Zwischenstand zu verkünden und hat dabei weder Hügel noch Abhänge gescheut! Super, Uli – da geht noch watt!
Und wie das geht, mit jedem gelaufenen Meter macht die Strecke mehr Spass, Pit und ich singen noch einmal kurz das Sauflieder-Repertoire vom Vorabend durch und auch Peter`s freundliche Bestellung „Ich nehm` ein Pils“an jedem Verpflegungsstand verliert auch nach dem 5. Mal nicht an Situationskomik.Anneke gibt sich alle Mühe, ihre Aufgabe als Motzkoffer zu erfüllen, aber nach 5 Kilometern flucht sie nur noch halbherzig und als Pit sie dann auch noch gentlemanlike ein paar Meter schiebt, nennt sie ihn nur noch viertelstündlich „Arschloch“ - na also, da geht noch watt!
Nach 7,5 km ist Bergfest, es gibt Jubelschreie, La-Ola, Stimmungslieder und Kusshände für alle – wobei „alle“ nicht wirklich viele sind, im Grunde nur Uli an der Spitze und wir 4 - und die lauernde Walkerin am Horizont die gegen uns Tempowunder aber nicht den Hauch einer Chance hat.
Plötzlich hallen schnelle Schritte hinter uns – hat die Walkerschlampe es etwa doch geschafft? Mitnichten und mitneffen, wir werden soeben vom ersten Marathonläufer überholt, der von den Anderen mit begeistertem „Super, da geht noch watt“ und von mir mit „Geht das nicht SCHNELLER?“ (Wie schnell man doch das fachgerechte Groupieren verlernen kann wenn man erst in die Läuferliga aufgestiegen ist!?) angefeuert wird. Ich finde einen kindischen Gefallen daran, jedem (wirklich JEDEM) Läufer lautstark „Geiler Arsch“ hinterherzubrüllen, wobei ich gestehen muss das ich teilweise noch nicht mal hingeguckt habe – aber der gute Wille zählt! Einige Läufer lupfen sogar ihr Shirt für eine bessere Aussicht aufs Hinterteil und ein besonders nettes Exemplar legt sogar extra für uns ein paar popowackelnde Tanzschritte hin (während Pit den Waldboden bewässert) und wird dafür von uns frenetisch bejubelt.
„Hey, ihr Säufer, das geht doch wohl SCHNELLER!“ schallt es mit eindeutisch zuzuordnender schweizerischen Einfärbung hinter unserer Truppe – Spike hat uns eingeholt und läuft locker-flockig an uns vorbei, nicht ohne wie befohlen seine Jacke zu lupfen damit wir seinen Popo bejubeln können und diesmal gucke ich auch hin – sieht super aus, Renato, da geht noch watt!
Kurze Zeit später ein weiteres bekanntes Stimmchen „Jetzt aber mal`n bißchen Tempo!“ - Sylvi flitzt als erste Frau an uns vorbei und wird ebenfalls bejubelt. Watt hamm die bloss alle an unserem Tempo auszusetzen? Faschteschnitt! Wir sehen doch super aus....und gehen tut da auch noch watt!
Ab Kilometer 11 oder 12 spielen meine Glückshormone vollkommen verrückt und ich bekomme Lust, alle wildfremden Läufer die uns reihenweise überholen zu knutschen, beschränke mich aber wohlerzogen darauf, nur den bekannten Foris wie Ishimori, oLi und Hendock ein „Super, da geht noch watt“ entgegenzuplärren. Durch den Sog der vorbeirasenden Marathonis, Halbmarathonis und Weiß-der-Deibel-Tonis haben wir wohl unbewusst das Tempo ein wenig angezogen und wuppdich! brüllt Anneke „Ich seh GRÜN!“ was übersetzt so viel heissen soll wie „Da vorne ist eine grüne Kilometermarkierung wie sie für unseren Lauf verwendet wird“ und bedeutet konkret: Kilometer 13! Noch 2 Kilometer und ich bin nicht gestorben....im Gegenteil, mir geht`s sowatt von grossartig! Ich liebe alles und jeden und könnte jeden knutschen und ich sehe super aus und da geht noch watt und ich lebe noch!
Als wir die Strasse zum Stadion herunterlaufen winken und jubeln Regina und Daggi und liebe sie und könnte sie knutschen – und als der Sprecher auch verkündet „Daniela Mohr von laufen-aktuell mit der Startnummer 4040“ könnte ich ihn gleich mitknutschen – aber da braucht sich der Typ nix drauf einbilden, ich bin gerade nicht so wählerisch! Beim Einlaufen ins „Stadion“ verklärt sich meine Wahrnehmung so weit, das mir die Aschebahn wie ein roter Teppich vorkommt und auch Annekes „Ich hasse Dich, Du Schlampe!“ klingt in meinen glücksseligen Ohren wie „Ich liebe Dich, Du Engel“. Hinter mir läuft fidi - es dauert geschätzte 5 Minuten bis mein Gehirn die Meldung „Der Maler hat in diesem Bild EINEN Fehler versteckt“ ausspuckt – fidi müsste doch längst im Ziel sein. „Watt machst Du denn hier?“ frage ich überrascht - „Laufen“ ist die Antwort...ach so, das ich da nicht selber drauf gekommen bin! Fidi kann augenscheinlich vom Zieleinlauf einfach nicht genug bekommen und begleitet uns noch ein Stückchen.
Endspurt? Da hab` ich aber sowatt von keinen Bock drauf, lieber würde ich ein paar Pirouetten drehen oder fliegen – aber die Gefahr über meine eigenen Füsse zu fallen und die Aschebahn zu küssen ist zu gross, also bemühe ich mich um Haltung und Contenance, obwohl ich aufgrund des Surrealismus der Situation beinahe einen Lachkrampf bekomme – ICH oller maroder Knochenhaufen laufe in ein Ziel...und zwar in exakt dasselbe Ziel wo vorher Chris, Bogi, Walter, Klaus, Alpi, Anne, Fidi und all diese wunderbaren Läufer durchgerannt sind, kann das wahr sein? – Scheiss die Wand an! Aber SOWATT von!
Ich höre ein paar Leute jubeln, Uli lässt mir zu allem Überfluss auch noch galant den Vortritt obwohl sie es verdient hätte als Erste einzulaufen, und ich bin drin! ICH BIN DRIN! Das war ja einfach! Hällisch! Ein fremder Mann hält mir ein piependes Ding vor die Brust (meine Startnummer wird gescannt), Phönix und Hajott rufen „Bleib mal stehen“ und ausnahmsweise macht es mir überhaupt nix aus fotografiert zu werden....und abgesehen von der fehlenden Schampusdusche und der Tatsache, das kein Männerchor in Latex „Stand up for the champion“ singt ist alles genauso wie ich mir das immer gewünscht habe. Ein wunderschöner, vollkommen entspannter, lustiger Lauf in relaxtem Tempo, ohne selbstauferlegten Druck und Zeitvorgabe, jeder Menge Spass und ganz vielen tollen Foris im Ziel - und das Gefühl, das auf jeden Fall noch mehr gegangen wäre wenn ich nur gewollt hätte hab` ich in vollsten Zügen genossen. Und - ich bin NICHT gestorben! Ich kann alles, ich bin Wonderwoman (ein bißchen Restalkohol war wohl doch noch da....)
Nachdem ich meine allererste Nach-Wettkampf (darf man „Wettkampf“ sagen auch wenn man NICHT gekämpft hat?)-Dusche in einem schlammgetränkten Umkleideraum genossen habe, marschiere ich mit stolzgeschwellter Brust in die Halle und gönne mir zwei Siegerwaffeln! Ich bin gestorben, wieder auferstanden und zur Göttin geworden, wer von Euch kann da mithalten, hä? (Restalkohol....) Und schau an – Räääh hat doch glatt beim 15-er einen Pokal gewonnen! Der gehört mir! Räääh konnte nur gewinnen weil ICH ihn vor mir hergehetzt habe, ich beschliesse den Pokal in einem unbeobachteten Moment an mich, die rechtmässige Besitzerin, zu reissen....aber irgendwie habe ich das dann doch vergessen.....
Nach und nach trudeln alle Foris wieder ein, auch Ishimori und Odie sind nicht gestorben und sehen super aus (da geht noch watt) und bevor der Bericht jetzt alle Forumskapazitäten sprengt, verabschiede ich mich schweren Herzens von allen Mitläufern und fahre nach Hause.
Danke Bertlich!
(Und.....Wettkampfvorbereitung, Schlaf, Wasser, Frühstück....ist alles Quatsch, das braucht kein Mensch.....)
Da geht noch watt!
Nachtrag
Jetzt hab` ich doch glatt meine Zeit vergessen...dabei ist das doch immer so schröcklich wichtig - also: 1:41:34 Std. und 4. Platz in meiner Alterklasse!
____________________
www.myblog.de/greenhoernchen
- Es friert in der Hölle -
[ Dieser Beitrag wurde von Greenhörnchen am 30.11.2004 editiert. ]