Münchner Frühjahrslauf 2005 - Wieder mal anders als geplant...
Verfasst: 21.03.2005, 02:55
Hallo allesamt!
Gut eine Woche nach dem Bericht vom Würzburger Gedächtnislauf kommt schon wieder der nächste. Ich wollte ja heute in München ursprünglich endlich meine HM-Bestzeit von 1:42:22 knacken und endlich mal unter 1:40 zu laufen, nachdem ich es in Bertlich ja vorgezogen hatte, mir am Vorabend die Birne mit 10 Halben Bier zuzulöten.
Mein Training der letzten Wochen hatte mir eigentlich gezeigt, daß ich schon ein wenig schneller geworden bin. Das mit den 1:39:xx sollte eigentlich machbar sein. Aber ich Depp mußte ja nach einer harten Trainingswoche vorletzten Samstag unbedingt die 44 km vom Würzburger Gedächtnislauf mitlaufen (BILD berichtete). Und da das meinem Testosteronspiegel anscheinend noch nicht unvernünftig genug war, bildete ich mir bei km 31 ein, ich müsse das Rennen noch in unter 4 Stunden beenden. Das Ergebnis: 4:02:25 und ein stark geschundener Bewegungsapparat. Operation Bestzeitjagd in München stark gefährdet. Am Dienstag bin ich danach das erste Mal wieder gelaufen - ging eigentlich ganz gut, nur die Oberschenkel zwickten noch ein wenig. Irgendwie wurden es dann aber doch wieder über 20 km (es machte einfach sooo viel Spaß), was zur Folge hatte, daß ich die letzten Meter nach Hause mehr kriechend als laufend verbrachte. Meine Oberschenkel brachten mich den Abend fast um.
Mittwoch dann Laufpause, Donnerstag lockere 9 km. Alles war wieder gut. Keine Schmerzen.
Freitag war so tolles Wetter, da konnte ich einfach nicht zuhause bleiben. Ab in den Hain und eine lockere Runde gedreht. Ich fühlte mich müde. Zerschlagen nach den letzten Wochen Training. 35-km-Greif-mit Endbeschleunigung, Tempoddauerläufe, Intervalltraining. Meine Beine waren schwer. Einfach noch nach Hause schlurfen. Eine Skaterin ein paar 100 Meter vor mir riß mich dann aus meiner Lethargie. Sie war nicht all zu schnell dran. Die kriegst Du. Noch mal kurz Tempo machen, um zu sehen, wie sich der Lauf in München anfühlen könnte. Und es fühlte sich gut an. Ich holte sie ein, überholte sie, ließ sie stehen. Und lief dann auch noch recht flott nach Hause.
Samstag morgen. Mir tat wieder alles weh. Warum bin ich auch so bescheuert. Egal. Bestzeit oder nicht, München wird Spaß machen. Einen Haufen neue Foris kennenlernen, und einfach nur laufen. Mal sehen, was geht. Vielleicht klappt's ja doch irgendwie mit 1:39:59.
Also, ab in den Zug und nach München gedüst. Abends traf ich mich noch mit Sapsine und Christoph (bei den beiden habe ich glücklicherweise einen Platz zum schlafen gefunden), Abejita und Junsa (den hatte ich mir auch anders vorgestellt - irgendwie älter). Ich war mal ausnahmsweise ganz brav und habe nicht einen Tropfen Alkohol getrunken. Wir hatten übrigens den coolsten Kellner der Welt. Insgesamt ein sehr lustiger Abend, bei dem die Kerze am Tisch des öfteren "ausgelacht" wurde. Das lenkte mich wenigstens von den immer latent vorhandenen Schmerzen in meinen Oberschenkeln ab. Zuhause bei Sapsine und Christoph haben wir dann auch noch bis kurz vor zwei Uhr unterhalten.
Mitten in der Nacht weckte mich ein Wadenkrampf aus meinem ohnehin schon recht unruhigen Schlaf. Das hatte ich schon ewig nicht mehr. Tolle Wurst.
Dann war es auch schon 8 Uhr. Geduscht, zwei Brötchen mit Butter gefrühstückt, zwei Glas Wasser runtergestürzt und ab in die U-Bahn. Sabine und Christoph wollten später nachkommen.
Bei der Startnummernausgabe in der Olympiaschwimmhalle herrschte das totale Vollchaos. Es war bereits 10 Uhr, die Schlange war ewig lang und es bewegte sich NICHTS. Nachdem ich fast eine halbe Stunde da stand und die Ausgabetische noch immer nicht sehen konnte, fragte ich mich, wie ich die anderen Foris überhaupt finden sollte. Ein paar Sekunden später sollte mir der Anblick von Einfach-Marcus diese Frage beantworten. Warum - er wird's Euch sicher noch zeigen. Er war jedenfalls nicht zu übersehen, Amanda hatte er im Schlepptau. Weitere 15 Minuten später (inzwischen 10:50 Uhr - um 11:00 sollte der Lauf starten) hatte ich endlich meine Startnummer und konnte mich umziehen. Angesichts der Tatsache, daß die Schlange vor der Startnummernausgabe noch länger war als vor 45 Minuten, wurde der Start um eine halbe Stunden nach hinten verschoben. Tolle Organisation. Und nachdem ich den bescheuerten Streckenplan gesehen hatte, war mir eigentlich klar, daß ich mich wieder verlaufen würde. Angesichts meiner momentanen körperlichen Verfassung war mir das aber eigentlich wurscht.
Also ab in die Umkleide, umgezogen, Brustwarzenpflaster drauf, Vaseline in die Achselhöhlen und auf die Oberschenkel. Wieder raus, die restlichen Foris (Butzen, Talisker) begrüßt. Leider hatte ich meine Ambitionen hier irgendwann schon preisgegeben, da half nun auch kein Heutewirddasnixmitderbestzeit-Gemurmel mehr. Talisker wollte den HM in 1:45 bis 1:50 laufen - naja, wahrscheinlich wird er mich irgendwann überholen, wenn ich mit geplatzen Oberschenkeln im Graben liege. Sabine und Christoph waren inzwischen auch schon da, bewaffnet mit Digicam.
Dank des verschobenen Starts konnten wir uns doch noch gut 2 km warmlaufen. Danach ging's dann recht schnell. Noch kurz gedehnt, und schon fiel der Startschuß.
Ich löste mich von den restlichen Foris und rannte los. Da wir recht weit vorne im Feld starteten, mußte ich nicht all zu viele Läufer überholen.
Das 1-km-Schild war im Nu da. 4:12 min. Viel zu schnell. So ein Tempo kann ich gerade mal 2 Kilometer halten, wenn überhaupt. Also ganz schnell Tempo rausnehmen. Ein paar Läufer überholen mich. Ein paar hundert Meter später kommt ein Wendepunkt. Kurz darauf sehe ich auf der anderen Seite Talisker und Junsa. Auch ganz schön flott unterwegs für ihre Zeitziele (Junsa wollte um die 50 Minuten für die 10 km brauchen).
Den zweiten Kilometer laufe ich in 4:23 min. Noch immer verdammt nochmal verdammt zu schnell. Wieder ein Wendepunkt. U-Turns nerven beim Laufen. Junsa und Talisker kommen mir wieder entgegen. Ein paar hundert Meter hinter ihnen ruft noch jemand meinen Namen - müßte Guenthi sein, den habe ich ja vorher noch nicht getroffen.
Kilometer 3 - ich drücke auf meine Uhr: 4:31 min. Die Geschwindigkeit habe ich vor 3 Monaten noch nicht mal auf 10 km ordentlich halten können. Aber es läuft. Ich entscheide mich, so weiter zu rennen. Ich erinnere mich an den HM mit Sylvi letztes Jahr in Nürnberg. Da lief's erst auch spitze. Bei km 12 brach ich dann langsam ein.
Könnte heute auch passieren.
Scheißegal.
Mein Kampfgeist ist erwacht.
Ich werde heute rennen, bis ich umfalle.
Kilometer 4 - 4:18 min.
Die erste Nordrunde geht zu Ende. Christoph und Sabine stehen am Rand, feuern an und fotografieren. Das baut auf, ich gebe richtig Gas. Verpflegungsstand im Start-/Zielbereich. Der Sprecher trötet noch durch die Lautsprecher, gerade für die HM-Läufer wäre es wichtig, Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Götz von Berlichingen. Wer trinkt verliert. Ich lasse die Getränke links liegen und renne weiter.
Zweite Runde (Südrunde). Das 5-km-Schild muß ich irgendwie übersehen haben. War wohl der Zielbereich. Ich laufe eine Zeit neben einem etwas älteren Herrn, frage ihn, was er für eine Zielzeit habe. 1:35, sagt er. Ich versuche mal, so lange wie möglich bei ihm zu bleiben.
Ich warte auf das 6-km-Schild. Es kommt keins. Auch kein 7-km- und kein 8-km-Schild. Gott sei Dank habe ich meine S625X dabei. Tempo immer so um die 4:35 bis 4:40 min/km. Etwa bei Kilometer 7 ist eine etwas eklige Steigung zu einer Brücke hinauf. Ich schaffe es zwar, ohne Geschwindigkeit hinaufzulaufen, werde aber oben ordentlich langsamer und brauche einige Zeit, um mich wieder einzufangen.
Dann ist die Südrunde auch schon um. Diesmal gönne ich mir einen Schluck Wasser, schütte mir den Rest ins Gesicht, ohne an Tempo zu verlieren. Sabine und Christoph knipsen und spenden Mut.
Noch immer in Begleitung des älteren Herrn geht's in die zweite Nordrunde. Die 10-km-Läufer biegen ab, wir laufen geradeaus. Eine Einweiserin paßt auf, daß keiner falsch läuft - sie ist richtig motiviert und aufmerksam bei der Sache. Ich könnte sie küssen dafür nach den Erfahrungen vom vor acht Tagen.
Ich kann mich noch erinnern, daß da irgendwo ein 9-km-Schild war. Tatsächlich, da ist es. Zwischenzeit: 39:50 min. Auf 1:35 haben wir also noch 40 Sekunden gut.
Der Rest der Runde verläuft ohne Zwischenfälle. Ein anderer Läufer gesellt sich - mehr oder weniger - zu uns, läuft uns immer wieder davon, an den Verpflegungsstellen holen wir ihn aber immer wieder ein. Mein Begleiter fällt langsam zurück, ich versuche mich an "den Neuen" zu hängen. Nein, er ist mir einfach eine Idee zu schnell. Ok, lauf zu, bei der nächsten Getränkestation kriege ich Dich wieder...
Wieder durch's Ziel durch, Christoph und Sabine jubeln mir zu und fotografieren, ein Schluck getrunken und auf die Tube gedrückt. Das zweite Mal geht es in die leicht anspruchsvollere Südrunde. Anfangs leicht abschüssig, Freund Polar zeigt einen 4:20er Schnitt. Einfach-Marcus steht am Rand, rennt neben mir her, macht ein paar lockere Sprüche und ein Foto. Na, ob das was geworden ist... Seine 10 km scheint er ja ganz flott gelaufen zu sein. Dann eine Überraschung - ein 15-km-Schild! Das war aber vorher noch nicht da. Zwischenzeit - 1:07:05. Noch immer 25 Sekunden gut auf die 1:35, die inzwischen mein Ziel sind.
Die dämliche Steigung ist wieder da, aber auch das zweite Mal kann ich den Hügel ohne Geschwindigkeitsverlust nehmen. Oben angekommen, brauche ich aber etwas länger, um mich wieder zu fangen. Das wird Zeit kosten, denke ich, und laufe etwas schneller, um die verlorene Zeit aufzuholen. Überraschenderweise sehe ich da schon das nächste km-Schild "16 km/8 km". Das war nun auf der ersten Runde aber sicher nicht da (bestätigen mir auch die anderen nachher - keiner hat irgendwo ein 8 km-Schild gesehen). Zufrieden stelle ich fest, daß ich auch für den letzten Kilometer nur 4:31 min gebraucht habe.
Getränkestation. Ein Schluck, und es geht in die dritte und letzte Nordrunde. Die Hoffnung, die letzten 5 km seien inzwischen auch alle ausgeschildert, wird leider enttäuscht. Ich komme wieder am 1-km-Schild vorbei, stoppe hier mal die Zeit. Die Wendepunkte der Nordrunde nerven langsam gewaltig. Eine Gruppe Läufer hinter mir beschleunigt nochmal und überholt mich. Am 2-km-Schild nehme ich wieder die Zeit - 4:41 min für den letzten Kilometer. Ich werde langsamer. Nur noch drei beschissene Kilometer, und Müdigkeit macht sich in meinen Gliedern breit.
Unnachgiebig.
Unaufhaltsam.
Der qualvolle Ritt durch die Hölle der Erschöpfung beginnt.
Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, mit der Gruppe vor mir Schritt zu halten. Es geht gerade so.
Der nächste Wendepunkt. Verfluchte 180°-Turns, verfluchte. Ein weiterer Läufer überholt mich und meint aufmunternd, "Jetzt sind ja nur noch ein paar Schritte." Ein-paar-Schritte my ass, denke ich mir, hänge mich mit dem Mut der Verzweiflung an ihn dran. Beim 3-km-Schild stoppe ich wieder die Zeit des letzten Kilometers. 4:49 min. Und ich werde noch immer stetig langsamer. Den - wirklich etwas kühnen - Traum von einer HM-Zeit von unter 1:35 kann ich also vergessen. Eine Zeit unter 1:40 dürfte mir aber eigentlich nicht mehr zu nehmen sein.
Zu allem Übel schießt mir noch auf einmal ein Krampf in die rechte Wade. Ich strauchele kurz, kann ihn aber rauslaufen. Versuche, mich rechts kaum mit dem Ballen abzustoßen. Und werde natürlich noch langsamer.
Dann erschien mir der Engel. Zugegeben - ich hatte mir Engel irgendwie anders vorgestellt. Vor allem nicht glatzköpfig.
Einfach-Marcus läuft wie aus dem Nichts neben mir auf. Faselt irgendwas von 800 Metern bis zum Ziel. Und rennt wie der Teufel neben mir her. Ich kann nicht mehr. Ich will auch nicht mehr. Aber das ist jetzt egal. Ich beginne zu rennen.
Nur noch 500 Meter - der letzte Anstieg an der Olympiaschwimmhalle vorbei. Oben werde ich das Ziel sehen können. Ich sehe auf die Uhr - 1:33:15! Ich renne den Anstieg rauf. Mir wird übel. Hoffentlich klappe ich nicht 200 Meter vor dem Ziel noch ohnmächtig zusammen. Marcus ist noch immer neben mir.
Oben auf der Kuppe sehe ich das Ziel. Kurzer Blick auf die Uhr - 1:34:irgendwas. Ich fange an zu fliegen. Reiße die Arme hoch. Brüllend laufe ich über die Ziellinie.
Ich bin heute das Rennen meines Lebens gelaufen.
In 1 Stunde, 34 Minuten und 53 Sekunden.
Gut eine Woche nach dem Bericht vom Würzburger Gedächtnislauf kommt schon wieder der nächste. Ich wollte ja heute in München ursprünglich endlich meine HM-Bestzeit von 1:42:22 knacken und endlich mal unter 1:40 zu laufen, nachdem ich es in Bertlich ja vorgezogen hatte, mir am Vorabend die Birne mit 10 Halben Bier zuzulöten.
Mein Training der letzten Wochen hatte mir eigentlich gezeigt, daß ich schon ein wenig schneller geworden bin. Das mit den 1:39:xx sollte eigentlich machbar sein. Aber ich Depp mußte ja nach einer harten Trainingswoche vorletzten Samstag unbedingt die 44 km vom Würzburger Gedächtnislauf mitlaufen (BILD berichtete). Und da das meinem Testosteronspiegel anscheinend noch nicht unvernünftig genug war, bildete ich mir bei km 31 ein, ich müsse das Rennen noch in unter 4 Stunden beenden. Das Ergebnis: 4:02:25 und ein stark geschundener Bewegungsapparat. Operation Bestzeitjagd in München stark gefährdet. Am Dienstag bin ich danach das erste Mal wieder gelaufen - ging eigentlich ganz gut, nur die Oberschenkel zwickten noch ein wenig. Irgendwie wurden es dann aber doch wieder über 20 km (es machte einfach sooo viel Spaß), was zur Folge hatte, daß ich die letzten Meter nach Hause mehr kriechend als laufend verbrachte. Meine Oberschenkel brachten mich den Abend fast um.
Mittwoch dann Laufpause, Donnerstag lockere 9 km. Alles war wieder gut. Keine Schmerzen.
Freitag war so tolles Wetter, da konnte ich einfach nicht zuhause bleiben. Ab in den Hain und eine lockere Runde gedreht. Ich fühlte mich müde. Zerschlagen nach den letzten Wochen Training. 35-km-Greif-mit Endbeschleunigung, Tempoddauerläufe, Intervalltraining. Meine Beine waren schwer. Einfach noch nach Hause schlurfen. Eine Skaterin ein paar 100 Meter vor mir riß mich dann aus meiner Lethargie. Sie war nicht all zu schnell dran. Die kriegst Du. Noch mal kurz Tempo machen, um zu sehen, wie sich der Lauf in München anfühlen könnte. Und es fühlte sich gut an. Ich holte sie ein, überholte sie, ließ sie stehen. Und lief dann auch noch recht flott nach Hause.
Samstag morgen. Mir tat wieder alles weh. Warum bin ich auch so bescheuert. Egal. Bestzeit oder nicht, München wird Spaß machen. Einen Haufen neue Foris kennenlernen, und einfach nur laufen. Mal sehen, was geht. Vielleicht klappt's ja doch irgendwie mit 1:39:59.
Also, ab in den Zug und nach München gedüst. Abends traf ich mich noch mit Sapsine und Christoph (bei den beiden habe ich glücklicherweise einen Platz zum schlafen gefunden), Abejita und Junsa (den hatte ich mir auch anders vorgestellt - irgendwie älter). Ich war mal ausnahmsweise ganz brav und habe nicht einen Tropfen Alkohol getrunken. Wir hatten übrigens den coolsten Kellner der Welt. Insgesamt ein sehr lustiger Abend, bei dem die Kerze am Tisch des öfteren "ausgelacht" wurde. Das lenkte mich wenigstens von den immer latent vorhandenen Schmerzen in meinen Oberschenkeln ab. Zuhause bei Sapsine und Christoph haben wir dann auch noch bis kurz vor zwei Uhr unterhalten.
Mitten in der Nacht weckte mich ein Wadenkrampf aus meinem ohnehin schon recht unruhigen Schlaf. Das hatte ich schon ewig nicht mehr. Tolle Wurst.
Dann war es auch schon 8 Uhr. Geduscht, zwei Brötchen mit Butter gefrühstückt, zwei Glas Wasser runtergestürzt und ab in die U-Bahn. Sabine und Christoph wollten später nachkommen.
Bei der Startnummernausgabe in der Olympiaschwimmhalle herrschte das totale Vollchaos. Es war bereits 10 Uhr, die Schlange war ewig lang und es bewegte sich NICHTS. Nachdem ich fast eine halbe Stunde da stand und die Ausgabetische noch immer nicht sehen konnte, fragte ich mich, wie ich die anderen Foris überhaupt finden sollte. Ein paar Sekunden später sollte mir der Anblick von Einfach-Marcus diese Frage beantworten. Warum - er wird's Euch sicher noch zeigen. Er war jedenfalls nicht zu übersehen, Amanda hatte er im Schlepptau. Weitere 15 Minuten später (inzwischen 10:50 Uhr - um 11:00 sollte der Lauf starten) hatte ich endlich meine Startnummer und konnte mich umziehen. Angesichts der Tatsache, daß die Schlange vor der Startnummernausgabe noch länger war als vor 45 Minuten, wurde der Start um eine halbe Stunden nach hinten verschoben. Tolle Organisation. Und nachdem ich den bescheuerten Streckenplan gesehen hatte, war mir eigentlich klar, daß ich mich wieder verlaufen würde. Angesichts meiner momentanen körperlichen Verfassung war mir das aber eigentlich wurscht.
Also ab in die Umkleide, umgezogen, Brustwarzenpflaster drauf, Vaseline in die Achselhöhlen und auf die Oberschenkel. Wieder raus, die restlichen Foris (Butzen, Talisker) begrüßt. Leider hatte ich meine Ambitionen hier irgendwann schon preisgegeben, da half nun auch kein Heutewirddasnixmitderbestzeit-Gemurmel mehr. Talisker wollte den HM in 1:45 bis 1:50 laufen - naja, wahrscheinlich wird er mich irgendwann überholen, wenn ich mit geplatzen Oberschenkeln im Graben liege. Sabine und Christoph waren inzwischen auch schon da, bewaffnet mit Digicam.
Dank des verschobenen Starts konnten wir uns doch noch gut 2 km warmlaufen. Danach ging's dann recht schnell. Noch kurz gedehnt, und schon fiel der Startschuß.
Ich löste mich von den restlichen Foris und rannte los. Da wir recht weit vorne im Feld starteten, mußte ich nicht all zu viele Läufer überholen.
Das 1-km-Schild war im Nu da. 4:12 min. Viel zu schnell. So ein Tempo kann ich gerade mal 2 Kilometer halten, wenn überhaupt. Also ganz schnell Tempo rausnehmen. Ein paar Läufer überholen mich. Ein paar hundert Meter später kommt ein Wendepunkt. Kurz darauf sehe ich auf der anderen Seite Talisker und Junsa. Auch ganz schön flott unterwegs für ihre Zeitziele (Junsa wollte um die 50 Minuten für die 10 km brauchen).
Den zweiten Kilometer laufe ich in 4:23 min. Noch immer verdammt nochmal verdammt zu schnell. Wieder ein Wendepunkt. U-Turns nerven beim Laufen. Junsa und Talisker kommen mir wieder entgegen. Ein paar hundert Meter hinter ihnen ruft noch jemand meinen Namen - müßte Guenthi sein, den habe ich ja vorher noch nicht getroffen.
Kilometer 3 - ich drücke auf meine Uhr: 4:31 min. Die Geschwindigkeit habe ich vor 3 Monaten noch nicht mal auf 10 km ordentlich halten können. Aber es läuft. Ich entscheide mich, so weiter zu rennen. Ich erinnere mich an den HM mit Sylvi letztes Jahr in Nürnberg. Da lief's erst auch spitze. Bei km 12 brach ich dann langsam ein.
Könnte heute auch passieren.
Scheißegal.
Mein Kampfgeist ist erwacht.
Ich werde heute rennen, bis ich umfalle.
Kilometer 4 - 4:18 min.
Die erste Nordrunde geht zu Ende. Christoph und Sabine stehen am Rand, feuern an und fotografieren. Das baut auf, ich gebe richtig Gas. Verpflegungsstand im Start-/Zielbereich. Der Sprecher trötet noch durch die Lautsprecher, gerade für die HM-Läufer wäre es wichtig, Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Götz von Berlichingen. Wer trinkt verliert. Ich lasse die Getränke links liegen und renne weiter.
Zweite Runde (Südrunde). Das 5-km-Schild muß ich irgendwie übersehen haben. War wohl der Zielbereich. Ich laufe eine Zeit neben einem etwas älteren Herrn, frage ihn, was er für eine Zielzeit habe. 1:35, sagt er. Ich versuche mal, so lange wie möglich bei ihm zu bleiben.
Ich warte auf das 6-km-Schild. Es kommt keins. Auch kein 7-km- und kein 8-km-Schild. Gott sei Dank habe ich meine S625X dabei. Tempo immer so um die 4:35 bis 4:40 min/km. Etwa bei Kilometer 7 ist eine etwas eklige Steigung zu einer Brücke hinauf. Ich schaffe es zwar, ohne Geschwindigkeit hinaufzulaufen, werde aber oben ordentlich langsamer und brauche einige Zeit, um mich wieder einzufangen.
Dann ist die Südrunde auch schon um. Diesmal gönne ich mir einen Schluck Wasser, schütte mir den Rest ins Gesicht, ohne an Tempo zu verlieren. Sabine und Christoph knipsen und spenden Mut.
Noch immer in Begleitung des älteren Herrn geht's in die zweite Nordrunde. Die 10-km-Läufer biegen ab, wir laufen geradeaus. Eine Einweiserin paßt auf, daß keiner falsch läuft - sie ist richtig motiviert und aufmerksam bei der Sache. Ich könnte sie küssen dafür nach den Erfahrungen vom vor acht Tagen.
Ich kann mich noch erinnern, daß da irgendwo ein 9-km-Schild war. Tatsächlich, da ist es. Zwischenzeit: 39:50 min. Auf 1:35 haben wir also noch 40 Sekunden gut.
Der Rest der Runde verläuft ohne Zwischenfälle. Ein anderer Läufer gesellt sich - mehr oder weniger - zu uns, läuft uns immer wieder davon, an den Verpflegungsstellen holen wir ihn aber immer wieder ein. Mein Begleiter fällt langsam zurück, ich versuche mich an "den Neuen" zu hängen. Nein, er ist mir einfach eine Idee zu schnell. Ok, lauf zu, bei der nächsten Getränkestation kriege ich Dich wieder...
Wieder durch's Ziel durch, Christoph und Sabine jubeln mir zu und fotografieren, ein Schluck getrunken und auf die Tube gedrückt. Das zweite Mal geht es in die leicht anspruchsvollere Südrunde. Anfangs leicht abschüssig, Freund Polar zeigt einen 4:20er Schnitt. Einfach-Marcus steht am Rand, rennt neben mir her, macht ein paar lockere Sprüche und ein Foto. Na, ob das was geworden ist... Seine 10 km scheint er ja ganz flott gelaufen zu sein. Dann eine Überraschung - ein 15-km-Schild! Das war aber vorher noch nicht da. Zwischenzeit - 1:07:05. Noch immer 25 Sekunden gut auf die 1:35, die inzwischen mein Ziel sind.
Die dämliche Steigung ist wieder da, aber auch das zweite Mal kann ich den Hügel ohne Geschwindigkeitsverlust nehmen. Oben angekommen, brauche ich aber etwas länger, um mich wieder zu fangen. Das wird Zeit kosten, denke ich, und laufe etwas schneller, um die verlorene Zeit aufzuholen. Überraschenderweise sehe ich da schon das nächste km-Schild "16 km/8 km". Das war nun auf der ersten Runde aber sicher nicht da (bestätigen mir auch die anderen nachher - keiner hat irgendwo ein 8 km-Schild gesehen). Zufrieden stelle ich fest, daß ich auch für den letzten Kilometer nur 4:31 min gebraucht habe.
Getränkestation. Ein Schluck, und es geht in die dritte und letzte Nordrunde. Die Hoffnung, die letzten 5 km seien inzwischen auch alle ausgeschildert, wird leider enttäuscht. Ich komme wieder am 1-km-Schild vorbei, stoppe hier mal die Zeit. Die Wendepunkte der Nordrunde nerven langsam gewaltig. Eine Gruppe Läufer hinter mir beschleunigt nochmal und überholt mich. Am 2-km-Schild nehme ich wieder die Zeit - 4:41 min für den letzten Kilometer. Ich werde langsamer. Nur noch drei beschissene Kilometer, und Müdigkeit macht sich in meinen Gliedern breit.
Unnachgiebig.
Unaufhaltsam.
Der qualvolle Ritt durch die Hölle der Erschöpfung beginnt.
Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, mit der Gruppe vor mir Schritt zu halten. Es geht gerade so.
Der nächste Wendepunkt. Verfluchte 180°-Turns, verfluchte. Ein weiterer Läufer überholt mich und meint aufmunternd, "Jetzt sind ja nur noch ein paar Schritte." Ein-paar-Schritte my ass, denke ich mir, hänge mich mit dem Mut der Verzweiflung an ihn dran. Beim 3-km-Schild stoppe ich wieder die Zeit des letzten Kilometers. 4:49 min. Und ich werde noch immer stetig langsamer. Den - wirklich etwas kühnen - Traum von einer HM-Zeit von unter 1:35 kann ich also vergessen. Eine Zeit unter 1:40 dürfte mir aber eigentlich nicht mehr zu nehmen sein.
Zu allem Übel schießt mir noch auf einmal ein Krampf in die rechte Wade. Ich strauchele kurz, kann ihn aber rauslaufen. Versuche, mich rechts kaum mit dem Ballen abzustoßen. Und werde natürlich noch langsamer.
Dann erschien mir der Engel. Zugegeben - ich hatte mir Engel irgendwie anders vorgestellt. Vor allem nicht glatzköpfig.
Einfach-Marcus läuft wie aus dem Nichts neben mir auf. Faselt irgendwas von 800 Metern bis zum Ziel. Und rennt wie der Teufel neben mir her. Ich kann nicht mehr. Ich will auch nicht mehr. Aber das ist jetzt egal. Ich beginne zu rennen.
Nur noch 500 Meter - der letzte Anstieg an der Olympiaschwimmhalle vorbei. Oben werde ich das Ziel sehen können. Ich sehe auf die Uhr - 1:33:15! Ich renne den Anstieg rauf. Mir wird übel. Hoffentlich klappe ich nicht 200 Meter vor dem Ziel noch ohnmächtig zusammen. Marcus ist noch immer neben mir.
Oben auf der Kuppe sehe ich das Ziel. Kurzer Blick auf die Uhr - 1:34:irgendwas. Ich fange an zu fliegen. Reiße die Arme hoch. Brüllend laufe ich über die Ziellinie.
Ich bin heute das Rennen meines Lebens gelaufen.
In 1 Stunde, 34 Minuten und 53 Sekunden.