Wallfahrtslauf in und um Altötting
Verfasst: 30.06.2005, 21:45
Heute fand einer der beiden Betriebsausflugstermine meiner Firma statt. In die bekannteste deutsche Marienpilgerstadt Altötting in Niederbayern. Erstens kannte ich Altötting bis heute nicht, zweitens fand ich die Aussicht auf einen Tag auswärts netter als im Büro zu hocken. Anders als meine direkten Kollegen, die niemals an Betriebsausflügen teilnehmen. So sehr ich sie mag - heute war ich froh darüber, denn so konnte keine moralische Gruppenverpflichtung entstehen. Ich war alleine und frei zu tun, was mir beliebte. Und das war ... *trommelwirbel* .. LAUFEN - was sonst?
Ich versprach den arbeitenden Kollegen, für sie mitzubeten. Einer fragte mich: 'Schauggste a de Dodo?' Ähhh - wiemeinen?
Schauggste kann ich nach 5 Jahren in Bayern übersetzen - die Frage lautete 'Guckst du auch den ??' Ja was? Wer könnte 'DODO' sein. Es klang nicht ganz wie O - eher wie ein leicht angedeutetes 'ou' also: Doudo? Eine Kasperlpuppe? Was sollte ich wohl angucken. Nicht zum ersten Mal mokierte man sich über mein ausländisches Unverständnis - bis mir die Übersetzung kredenzt wurde: 'Schauggste dou a de Doud ó' - hochdeutsch: schaust du dir auch den TOD AN?' AHJA - irgendwo solle es in Altötting eine bekannte Tod-Figur geben. Ich versprach, danach zu sehen und begab mich mit Riesenrucksack, Tasche, Bauchgürtel zum zweiten der drei Busse.
Eine etwas entferntere Kollegin, die in Gruppe stand, in der man mich einsames Menschenkind mitleidig assimilieren wollte (was ich zumindest für längerfristig dankend ablehnte), fragte erstaunt: "Was schleppst DU denn alles mit? willst du auswandern?" Alle bestaunten meine großzügige Ausrüstung. Ich klärte auf: "Das ist meine mobile Pilgerausrüstung: zusammenklappbares Holzkreuz, Büßerhemd, Geißelpeitsche ..." Nach Abkassieren der netterweise wirklich erfolgenden Lacher klärte ich aber doch auf, dass es sich um: Lauf-, Schwimm-, und Wechselklamotten handele, sowie reichhaltig Trinkbares, da ich einen etwas längeren Lauf unternehmen wolle. Mir war so, als hätte die mobile Pilgerausrüstung doch einiges mehr an echtem Verständnis hervorgerufen
In Altötting seilte ich mich auch flott ab, fragte mich durch die Innenstadt zum außerhalb liegenden Freibad. Schnell auf dem Weg ein paar Blicke in die eine oder andere Kirche oder Kapelle geworfen. Mit meinem Büßerhemd wäre ich nicht fehl am Platz gewesen. ÜBerall in Altötting dominiert die Qual. Selbstfolterwerkzeuge hängen an Kirchen, die bekanntesten Statuen und Bilder handeln von Schmerz und Leid und Tod. An der Gnadenkapelle kann man sich Holzkreuze ausleihen (aber jeder nur EIN Kreuz
) und mit ihnen wahlweise um die mit Dankestäfelchen übersäte Kapelle gehen oder auf Knien rutschen. Momentan schlurft nur eine Frau mit Kreuz auf dem Rücken rund - als ich sie fotografieren will, mault mich ein anderer Pilger heftig an. Okay, okay - ich lasse es sein (und ärgere mich jetzt doch darüber
) Selbst eine beworbene Wanderausstellung im Stadtmuseum? hat den Tod zum Thema.
Ein wirklich schönes Freibad erwartet mich nach ca. 25 Minuten zu Fuß - großzügig angelegt und ausgestattet. Im Moment wollte ich mich hier aber nur umziehen, die Sachen einschließen und loslaufen. 1,5 - 2 Stunden hatte ich mir gedacht. Nicht gleich wieder übertreiben und nix riskieren bei den Steigerungen der Umfänge.
Einen Orts- oder Wegeplan hatte ich nicht. Aber die Gegend um Altötting ist recht übersichtlich. Größtenteils flach und von überall her sieht man die Türme der Basilika und Stiftskirche. Bis zur Abfahrt der Busse blieben mir auch fast 6 Stunden. Also war es kein großes Risiko, auf gut Glück in einen Feldweg zu laufen und gemütlich joggend die Gegend zu erkunden. Einen Bach entlang, vorbei an einem Mini-Flughafen für Segelflugzeuge, große und stark befahrene Bundesstraßen über- oder unterquerend, um dann wieder auf flache riesige Felder zu geraten. Nicht wirklich anheimelnd das alles. Aber neu und fremd und unbekannt. Zudem hatte ich einen ganzen freien Tag vor mir. Zu Hause alles versorgt, das Wetter ziemlich passend (mit ca. 25°C nicht zu warm, nur leicht schwül und meist stark bewölkt). Was kann einem mitten in der Woche besseres passieren?
So verschmerzte ich auch leicht den Umstand, dass die Umgebung stark an die LPG-Flächen der früheren DDR erinnerte: Rapsfelder über Rapsfelder auf ebenen Riesenfeldern. Raps, der für alternativen Brennstoff angebaut wurde. In der Ferne sah ich zwischenzeitlich auch die Türme der verarbeitenden Raffinierie. Jedes Weizen-, Hafer-, oder Kartoffelfeld ein Lichtblick und Abwechslung in der Eintönigkeit der schon leise raschelnden Rapsschoten. Ein paar Pferde fast schon sehenswürdig. Doch obwohl mir nach einer Stunde einfiel, dass ich ja meinen ipod einstecken hatte (super Gürteltasche ist das - 1/2 Liter Getränk + mehrere Taschen für diverses), stöpselte ich meine Ohren nicht zu. Zu schön das Gefühl, frei, leicht und aufnahmebereit über fremdes Terrain zu laufen.
Eine Stunde später: ein Erdbeerfeld :eek: mit Erdbeeren zum selber pflücken. Die Frau in ihrem Holzstand einsam und gelangweilt. Ich frage sie, was sie bekommt, wenn ich einfach ein paar Erdbeeren essen möchte - zur Erfrischung - max. 10 oder 20 Stück? Sie zeigt mit einer ausladenden Handbewegung über das riesige Feld: "Die können Sie alle aufessen! Der Hagel hat sie vorgestern fast zerstört, alles reif, verhagelt und keiner kommt pflücken! Essen sie, soviel sie mögen und können!" Ich lasse mir das nicht zweimal sagen und mampfe mehrere Hände voll zuckersüßer aromatischer Erdbeeren im perfekten Reifestadium. Ein kleiner Schwatz noch mit der Erdbeerfrau und weiter gehts. Irgendwann ein Pfeil mit Aufschrift 'zur Wallfahrtskirche 'Mariae Heimsuchung' Okay - laufe ich mal dorthin, wo Maria wen auch immer heimgesucht hat. In einen kleinen Ort in den Innauen. Menschenleer, nur wenige hübsche Häuser und diese Kirche. Ob's hier was besonderes gibt? Die Kunstbanausin in mir nutzt wieder den alten Trick: Kurz die ausgelegten Kirchenführer durchblättern und querlesen, Sehenswürdigkeiten rauspicken, wichtigstes lesen und hoffen, dass auch was hängenbleibt und: klar! Fotos machen
Hier: gotisches Gnadenbild 'Maria Himmelskönigin' *knipps* ... und weitergelaufen - bzw. wieder zurück. In einer Schleife dann doch auf den alten Weg, mache ich mich auf den Rückweg. Irgendwann melden sich leise Oberschenkel und Hüfte mit einem etwas schwammigen Gefühl. Sicherheitshalber gehe ich die letzten 20 Minuten gemütlich vor mich hin. Knapp drei Stunden später bin ich wieder im Freibad. War doch etwas länger als geplant - und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wie weit ich gelaufen bin. Irgendwann - ja irgendwann werde auch ich mir so ein schönes Meßspielzeug zulegen. So schätze ich nur, dass es in etwa Halbmarathonentfernung in Nenazeit gewesen sein könnte
Obwohl mich etwas fröstelt, entschließe ich mich zu 10 Schwimmbahnen á 50 Meter. Das Schwimmbad ist fast menschenleer, da es schon seit Stunden permanent nach einem (ausbleibenden) Gewitter aussieht. Frisch geduscht und umgezogen überlege ich, ob ich zum ersten Bus zurück gehe -es ist schon fast soweit oder noch etwas esse (unterwegs lediglich zwei gut vertragene Müsliriegel + Erdbeeren) Oder vielleicht gucke ich mir doch noch 'de Doudo'? Eine Vollwertbäckerei mit gesalzenen Dinkel-Brez'n erledigt den Hunger. Also 'DeDoud' Wo könnte er stecken? Im Schnelldurchlauf rase ich in eine Kirche nach der anderen. Hochgradig banausig sofort die Heftchen schappend, nach dem Stichwort suchend und *knipps* *knipps* ... Der 'Tod von Eding' (Uhraufsatz) - so erklärt mir ein Hinweisschild - befindet sich leider in der Restaurierung, so dass ich mit Postkarten von ihm vorlieb nehmen muß. Wer weiß, ob ich irgendwann von einem frisch restaurierten Tod abgeholt werde. Frisch gefönt und mit schimmerndem Silberüberzug, die Sense aus bunt schillernden Weltraum-Titan-Legierungen ... Weiter: Tillygruft, spätgotischer Kreuzgang, natürlich auch die schwarze Madonna in der Gnadenkapelle ... alles in einer Stunde abgeknippst und ab zum Busparkplatz.
Die ersten beiden Busse sind schon weg, nur wenige warten auf den kaum halb gefüllten letzten. Scheinbar hatten nicht alle einen so ausgefüllten schönen Tag in der Pilgerstadt, wie ich ihn hatte.
Im Bus sitzend stöpsele ich mir dann doch den ipod in die Ohren. Noch während wir in der hochgradig kirchenlastigen Pilgerstadt Altötting sind, empfiehlt mir John Lennon eindringlich: 'Imagine theres no heaven ... and no religion too ...' ... und ich nicke entspannt im Sitz ein ...

Ich versprach den arbeitenden Kollegen, für sie mitzubeten. Einer fragte mich: 'Schauggste a de Dodo?' Ähhh - wiemeinen?

Eine etwas entferntere Kollegin, die in Gruppe stand, in der man mich einsames Menschenkind mitleidig assimilieren wollte (was ich zumindest für längerfristig dankend ablehnte), fragte erstaunt: "Was schleppst DU denn alles mit? willst du auswandern?" Alle bestaunten meine großzügige Ausrüstung. Ich klärte auf: "Das ist meine mobile Pilgerausrüstung: zusammenklappbares Holzkreuz, Büßerhemd, Geißelpeitsche ..." Nach Abkassieren der netterweise wirklich erfolgenden Lacher klärte ich aber doch auf, dass es sich um: Lauf-, Schwimm-, und Wechselklamotten handele, sowie reichhaltig Trinkbares, da ich einen etwas längeren Lauf unternehmen wolle. Mir war so, als hätte die mobile Pilgerausrüstung doch einiges mehr an echtem Verständnis hervorgerufen

In Altötting seilte ich mich auch flott ab, fragte mich durch die Innenstadt zum außerhalb liegenden Freibad. Schnell auf dem Weg ein paar Blicke in die eine oder andere Kirche oder Kapelle geworfen. Mit meinem Büßerhemd wäre ich nicht fehl am Platz gewesen. ÜBerall in Altötting dominiert die Qual. Selbstfolterwerkzeuge hängen an Kirchen, die bekanntesten Statuen und Bilder handeln von Schmerz und Leid und Tod. An der Gnadenkapelle kann man sich Holzkreuze ausleihen (aber jeder nur EIN Kreuz


Ein wirklich schönes Freibad erwartet mich nach ca. 25 Minuten zu Fuß - großzügig angelegt und ausgestattet. Im Moment wollte ich mich hier aber nur umziehen, die Sachen einschließen und loslaufen. 1,5 - 2 Stunden hatte ich mir gedacht. Nicht gleich wieder übertreiben und nix riskieren bei den Steigerungen der Umfänge.
Einen Orts- oder Wegeplan hatte ich nicht. Aber die Gegend um Altötting ist recht übersichtlich. Größtenteils flach und von überall her sieht man die Türme der Basilika und Stiftskirche. Bis zur Abfahrt der Busse blieben mir auch fast 6 Stunden. Also war es kein großes Risiko, auf gut Glück in einen Feldweg zu laufen und gemütlich joggend die Gegend zu erkunden. Einen Bach entlang, vorbei an einem Mini-Flughafen für Segelflugzeuge, große und stark befahrene Bundesstraßen über- oder unterquerend, um dann wieder auf flache riesige Felder zu geraten. Nicht wirklich anheimelnd das alles. Aber neu und fremd und unbekannt. Zudem hatte ich einen ganzen freien Tag vor mir. Zu Hause alles versorgt, das Wetter ziemlich passend (mit ca. 25°C nicht zu warm, nur leicht schwül und meist stark bewölkt). Was kann einem mitten in der Woche besseres passieren?
So verschmerzte ich auch leicht den Umstand, dass die Umgebung stark an die LPG-Flächen der früheren DDR erinnerte: Rapsfelder über Rapsfelder auf ebenen Riesenfeldern. Raps, der für alternativen Brennstoff angebaut wurde. In der Ferne sah ich zwischenzeitlich auch die Türme der verarbeitenden Raffinierie. Jedes Weizen-, Hafer-, oder Kartoffelfeld ein Lichtblick und Abwechslung in der Eintönigkeit der schon leise raschelnden Rapsschoten. Ein paar Pferde fast schon sehenswürdig. Doch obwohl mir nach einer Stunde einfiel, dass ich ja meinen ipod einstecken hatte (super Gürteltasche ist das - 1/2 Liter Getränk + mehrere Taschen für diverses), stöpselte ich meine Ohren nicht zu. Zu schön das Gefühl, frei, leicht und aufnahmebereit über fremdes Terrain zu laufen.
Eine Stunde später: ein Erdbeerfeld :eek: mit Erdbeeren zum selber pflücken. Die Frau in ihrem Holzstand einsam und gelangweilt. Ich frage sie, was sie bekommt, wenn ich einfach ein paar Erdbeeren essen möchte - zur Erfrischung - max. 10 oder 20 Stück? Sie zeigt mit einer ausladenden Handbewegung über das riesige Feld: "Die können Sie alle aufessen! Der Hagel hat sie vorgestern fast zerstört, alles reif, verhagelt und keiner kommt pflücken! Essen sie, soviel sie mögen und können!" Ich lasse mir das nicht zweimal sagen und mampfe mehrere Hände voll zuckersüßer aromatischer Erdbeeren im perfekten Reifestadium. Ein kleiner Schwatz noch mit der Erdbeerfrau und weiter gehts. Irgendwann ein Pfeil mit Aufschrift 'zur Wallfahrtskirche 'Mariae Heimsuchung' Okay - laufe ich mal dorthin, wo Maria wen auch immer heimgesucht hat. In einen kleinen Ort in den Innauen. Menschenleer, nur wenige hübsche Häuser und diese Kirche. Ob's hier was besonderes gibt? Die Kunstbanausin in mir nutzt wieder den alten Trick: Kurz die ausgelegten Kirchenführer durchblättern und querlesen, Sehenswürdigkeiten rauspicken, wichtigstes lesen und hoffen, dass auch was hängenbleibt und: klar! Fotos machen


Obwohl mich etwas fröstelt, entschließe ich mich zu 10 Schwimmbahnen á 50 Meter. Das Schwimmbad ist fast menschenleer, da es schon seit Stunden permanent nach einem (ausbleibenden) Gewitter aussieht. Frisch geduscht und umgezogen überlege ich, ob ich zum ersten Bus zurück gehe -es ist schon fast soweit oder noch etwas esse (unterwegs lediglich zwei gut vertragene Müsliriegel + Erdbeeren) Oder vielleicht gucke ich mir doch noch 'de Doudo'? Eine Vollwertbäckerei mit gesalzenen Dinkel-Brez'n erledigt den Hunger. Also 'DeDoud' Wo könnte er stecken? Im Schnelldurchlauf rase ich in eine Kirche nach der anderen. Hochgradig banausig sofort die Heftchen schappend, nach dem Stichwort suchend und *knipps* *knipps* ... Der 'Tod von Eding' (Uhraufsatz) - so erklärt mir ein Hinweisschild - befindet sich leider in der Restaurierung, so dass ich mit Postkarten von ihm vorlieb nehmen muß. Wer weiß, ob ich irgendwann von einem frisch restaurierten Tod abgeholt werde. Frisch gefönt und mit schimmerndem Silberüberzug, die Sense aus bunt schillernden Weltraum-Titan-Legierungen ... Weiter: Tillygruft, spätgotischer Kreuzgang, natürlich auch die schwarze Madonna in der Gnadenkapelle ... alles in einer Stunde abgeknippst und ab zum Busparkplatz.
Die ersten beiden Busse sind schon weg, nur wenige warten auf den kaum halb gefüllten letzten. Scheinbar hatten nicht alle einen so ausgefüllten schönen Tag in der Pilgerstadt, wie ich ihn hatte.
Im Bus sitzend stöpsele ich mir dann doch den ipod in die Ohren. Noch während wir in der hochgradig kirchenlastigen Pilgerstadt Altötting sind, empfiehlt mir John Lennon eindringlich: 'Imagine theres no heaven ... and no religion too ...' ... und ich nicke entspannt im Sitz ein ...