Märchen und Mythen aus dem Land der Läufer, Teil 2: Der Stützpunkt
Verfasst: 08.07.2005, 21:56
Hallo Ihr Lieben!
Nach dem durchschlagenden Erfolg des ersten Teils
fühle ich mich ermutigt, weiter zu provozieren und wir nähern uns nun einem der Dogmen der selbsternannten Überbringer der Heilslehre vom schnellen Laufen
.
Die Erkenntnisse des ersten Teils sind nicht ganz unerheblich und daher verweise ich hier noch einmal auf das Fazit, mit dem ich versucht habe, alle Erkenntnisse aus der ersten Diskussion zusammenzufassen: Das Fazit aus Teil 1
Und hier nun der zweite Teil der etwa fünfteiligen Serie: Die Mär von der Position des Fussaufsatzes
Die Mär
Man muss den Fuss möglichst weit hinten aufsetzen (z.B. unter dem Körperschwerpunkt) und möglichst weit hinter dem Körper abdrücken, um möglichst schnell zu sein (siehe auch Grafik "Stuetzpunkt", ich hoffe, es gibt keinen Stress mit der Quelle).
Meine These
Dies ist nur in der Beschleunigungsphase möglich. Sobald der Läufer sein Tempo erreicht hat, muss er den Fuss deutlich vor dem Schwerpunkt aufsetzen, sonst fällt er buchstäblich auf die Nase.
Beleg
1. Auf den Körper wirken als äußere Kräfte während des Laufs nur die Schwerkraft, der Luftwiderstand (der bereits als relativ gering eingestuft wurde) und die Kräfte, die der Boden über den Schuh und den Fuß in den Körper einleitet.
2. Das (gemittelte) Drehmoment um den Schwerpunkt muss über den Gesamtzyklus eines Schritts gleich Null sein, sonst würde ein Drehimpuls entstehen und man landet entweder auf der Nase oder auf dem Steiss. Die Gewichtskraft wirkt genau am Schwerpunkt und bringt daher keinerlei Drehmoment mit sich.
3. Die Kräfte am Fuss zerlege ich in die horizontalen und vertikalen Komponenten. Die horizontalen Komponenten variieren über die Zeit (siehe Grafik "Forces"), der Mittelwert muss genau den Luftwiderstand kompensieren, (sonst würden wir schneller oder langsamer); sie betragen im Mittelwert über den gesamten Schrittzyklus 2,5 N, das resultierende Drehmoment bei einer angenommenen Höhe des Schwerpunktes von 1m ergibt sich zu M = F*s = 2,5 Nm (und zwar Richtung Steisslandung).
4. Die Vertikalkomponente variiert auch über die Zeit (ebenfalls in "Forces dargestellt). In einem mit dem Schwerpunkt mitbewegten Koordinatensystem ergibt sich ein "Kraft-Weg-Gebirge". Der Schwerpunkt dieses "Kraft-Weg-Gebirges" muss nun genausoweit hinter dem Schwerpunkt liegen, dass das unter 3 berechnete Drehmoment ausgeglichen wird. Wieder muss ich über den Gesamtzyklus mitteln und berechne diesmal den Abstand: s = M / F mit F = 700N (Gewichtskraft eines Laufers mit etwa 72 kg) / 2,5 Nm = 3,6 mm (!!!). Dieser Wert enspricht (nicht ohne Grund
) genau dem Wert, der in der Mär Nr.1 für die Schwerpunktvorlage ermittelt wurde; beide gingen natürlich von dergleichen Kraft aus, benutzen aber leicht unterschiedliche Rechenwege.
5. Leider gibt es über die Form des Kraft-Weg Gebirges wenig verlässliche Quellen, aus meiner Sicht wiederspricht die Grafik "Acceleration" (Beschleunigung und Kraft sind wegen der konstanten Masse genau proportional) komplett der Grafik "Forces", da diese zwei Spitzen aufweist, während die erste genau einen Berg zeigt. Beide stammen angeblich aus Messungen
und sind die einzigen Grafiken, die ich überhaupt gefunden habe. Beide Quellen haben aber eins gemein: übereinstimmend zeigen sie den Stütz-Schwerpunkt etwa in der Mitte des Stützes. In dem mitbewegten Koordinatensystem ist die Länge des Stützes übrigens etwa die halbe Schrittlänge, also rund 50-80 cm. Im Vergleich dazu sind die 3,6 mm aus (4) lächerlich.
Fazit
Auch bei geringfügig anderer Form des Kraftgebirges müssen wir den Fuss mindestens etwa 1/5 der Schrittlänge (bei symmetrischem Gebirge genau 1/4 Schrittlänge - 3,6mm
) vor dem Körperschwerpunkt aufsetzen. Tun wir das (bei gleichbleibender Geschwindigkeit) nicht, würden wir auf die Nase fallen. Jede Lauftechnik-Schule, die etwas anderes suggeriert, versucht die physikalischen Grundgesetze zu umgehen.
Bemerkungen
Auch diesmal gibt es viele andere Themen, die unter Lauftechnik diskutiert werden können. Bitte versucht Eure Posts zunächst auf dieses Thema zu beschränken, sonst wird diesmal die Diskussion enorm ausufern. Schon das relativ überschaubare Thema Luftwiderstand hat für über 150 Posts innerhalb von drei Tagen gesorgt ...
Die anderen Themen kommen ja noch, vielleicht könnt Ihr mich auch per PN inspirieren...
Gruß und viel Spass beim Denken
RioLouco
Nach dem durchschlagenden Erfolg des ersten Teils


Die Erkenntnisse des ersten Teils sind nicht ganz unerheblich und daher verweise ich hier noch einmal auf das Fazit, mit dem ich versucht habe, alle Erkenntnisse aus der ersten Diskussion zusammenzufassen: Das Fazit aus Teil 1
Und hier nun der zweite Teil der etwa fünfteiligen Serie: Die Mär von der Position des Fussaufsatzes
Die Mär
Man muss den Fuss möglichst weit hinten aufsetzen (z.B. unter dem Körperschwerpunkt) und möglichst weit hinter dem Körper abdrücken, um möglichst schnell zu sein (siehe auch Grafik "Stuetzpunkt", ich hoffe, es gibt keinen Stress mit der Quelle).
Meine These
Dies ist nur in der Beschleunigungsphase möglich. Sobald der Läufer sein Tempo erreicht hat, muss er den Fuss deutlich vor dem Schwerpunkt aufsetzen, sonst fällt er buchstäblich auf die Nase.
Beleg
1. Auf den Körper wirken als äußere Kräfte während des Laufs nur die Schwerkraft, der Luftwiderstand (der bereits als relativ gering eingestuft wurde) und die Kräfte, die der Boden über den Schuh und den Fuß in den Körper einleitet.
2. Das (gemittelte) Drehmoment um den Schwerpunkt muss über den Gesamtzyklus eines Schritts gleich Null sein, sonst würde ein Drehimpuls entstehen und man landet entweder auf der Nase oder auf dem Steiss. Die Gewichtskraft wirkt genau am Schwerpunkt und bringt daher keinerlei Drehmoment mit sich.
3. Die Kräfte am Fuss zerlege ich in die horizontalen und vertikalen Komponenten. Die horizontalen Komponenten variieren über die Zeit (siehe Grafik "Forces"), der Mittelwert muss genau den Luftwiderstand kompensieren, (sonst würden wir schneller oder langsamer); sie betragen im Mittelwert über den gesamten Schrittzyklus 2,5 N, das resultierende Drehmoment bei einer angenommenen Höhe des Schwerpunktes von 1m ergibt sich zu M = F*s = 2,5 Nm (und zwar Richtung Steisslandung).
4. Die Vertikalkomponente variiert auch über die Zeit (ebenfalls in "Forces dargestellt). In einem mit dem Schwerpunkt mitbewegten Koordinatensystem ergibt sich ein "Kraft-Weg-Gebirge". Der Schwerpunkt dieses "Kraft-Weg-Gebirges" muss nun genausoweit hinter dem Schwerpunkt liegen, dass das unter 3 berechnete Drehmoment ausgeglichen wird. Wieder muss ich über den Gesamtzyklus mitteln und berechne diesmal den Abstand: s = M / F mit F = 700N (Gewichtskraft eines Laufers mit etwa 72 kg) / 2,5 Nm = 3,6 mm (!!!). Dieser Wert enspricht (nicht ohne Grund

5. Leider gibt es über die Form des Kraft-Weg Gebirges wenig verlässliche Quellen, aus meiner Sicht wiederspricht die Grafik "Acceleration" (Beschleunigung und Kraft sind wegen der konstanten Masse genau proportional) komplett der Grafik "Forces", da diese zwei Spitzen aufweist, während die erste genau einen Berg zeigt. Beide stammen angeblich aus Messungen

Fazit
Auch bei geringfügig anderer Form des Kraftgebirges müssen wir den Fuss mindestens etwa 1/5 der Schrittlänge (bei symmetrischem Gebirge genau 1/4 Schrittlänge - 3,6mm

Bemerkungen
Auch diesmal gibt es viele andere Themen, die unter Lauftechnik diskutiert werden können. Bitte versucht Eure Posts zunächst auf dieses Thema zu beschränken, sonst wird diesmal die Diskussion enorm ausufern. Schon das relativ überschaubare Thema Luftwiderstand hat für über 150 Posts innerhalb von drei Tagen gesorgt ...

Die anderen Themen kommen ja noch, vielleicht könnt Ihr mich auch per PN inspirieren...
Gruß und viel Spass beim Denken
RioLouco