Mythos light - oder "Sunshine Reggae in der grünen Hölle"
Verfasst: 31.10.2005, 10:22
26.10.2003
Bibbernd versuche ich, meinen steifgefrorenen Fingerspitzen durch Mund-zu-Mund-Beatmung wieder etwas Leben einzuhauchen. Kalt ist es hier in Remscheid, und der hämisch-schleichende Schneenieselregen kriecht mir seit Stunden als feuchte Nässe bis in die entlegensten Nähte meiner Winterkleidung. Fasziniert bestaune ich die Ultraläufer, die hier nach 63 km in Ziel rennen – ich empfinde tiefe Ehrfurcht angesichts dieser schlammverschmierten, nassen, rotgefrorenen Helden mit ihren müden, aber strahlenden Gesichtern. In diesem Moment wird mein Mythos geboren – irgendwann...ja, irgendwann will ich hier auch mal einlaufen, schlammverschmiert und rotgefroren...irgendwann...
08.07.2005
Mit zitterndem Zeigefinger klicke ich auf „Anmeldung abschicken“, hyperventiliere kurz, schucke den bleischweren Kloß in meinem Hals entschlossen herunter und trage mit dickem roten Edding „HM-Röntgenlauf “ ins Feld 30.10.2005 in meinen Kalender ein. Grüne Hölle von Lennep – ich komme! Aber SOWATT von! (Mama, ich hab' Angst....) Ja, Angst hab' ich wohl...vor den Bergen und vor dem Mythos, aber gleichzeitig freue ich mich auch...auf die Berge, auf den Matsch, auf den Schnee und den Regen und darauf das ich endlich auch mal ein klitzekleines Bröckchen von meinem Mythos Röntgenlauf abknabbern kann.
30.10.2005
„Hat jemand Sonnencreme dabei?“ witzelt ein leichtbekleidetes Läufermännchen im dichtgedrängten Startfeld. Komplett in Gänsehaut gehüllt, bibbere ich im ärmellosen Hemdchen und kurzer Buxe vor mich hin. Frisch ist es – aber der bereits kräftige ballernde Osram am Firmament sowie die Thermometeranzeige (13°C) im Auto auf der Hinfahrt verheißen Heißes. Während die Läufer asics- u. adidasscharrend auf den erlösenden Startschuß warten, plaudern und witzeln, zerbröselt mein Mythos leise zu Staub. Kein Schneeregen, kein Matsch, kein ängstliches, rothaariges Läufergreenhorn alleine im Kampf gegen die Berge und die Naturgewalten – stattdessen Sommer, Sonne, Vorfreude, reichlich Nervösität.... Und Conny. Und Mandy. Und eine riesengroße leichtbekleidete Läuferschar...und ich bin ein Teil davon. Endlich!
Nach dem Startschuß setzt sich der lange Läuferwurm zähflüssig in Bewegung und wir mit – ich bin unglaublich gespannt was mich erwartet, wie es sich anfühlen wird. In den letzten Wochen habe ich immer wieder gemerkt, wie schwer es mir doch fällt, Anstiege, Hügel und Berge zu laufen – ein kleiner Rest Angst hat sich hartnäckig in meinen Nacken verbissen und lässt sich nicht abschütteln. Na egal, dann nehm' ich die Angst eben mit.
Nach ein paar Kilometerchen ist der erste Anstieg geschafft – und er hat gar nicht wehgetan. Also beschliesse ich, die blöde Angst unauffällig irgendwo in den Rinnstein von Lennep zu schnipsen und es einfach nur noch „hällisch“ zu finden. Conny's Mann Sigi macht eine La-Ola für uns und ich finde es hällisch....Gregor beteuert uns das wir locker aussehen – hällisch! Von links schreit Regina uns zu, das der Weg das Ziel sei...ach, ist das hällisch....dann verlassen wir den Ort und laufen in Wald und Feld hinein, und es wird von Schritt zu Schritt hällischer und hällischer und hällischer. Die wunderschöne Strecke ist Läuferglück pur, die anfangs von mir so wenig erwünschte Sonne taucht Wälder und Felder in goldenes Licht, es macht wahnsinnig viel Spaß mit Conny, Mandy und dem kräftig berlinernden Ultraläufer, den Mandy unterwegs aufgerissen hat. Trotzdem – ein Fünkchen Rest-Respekt hält mich davon ab, so schnell zu laufen wie meine Beine es gerne ab und an würden....immerhin...die Berge...ich weiß ja nicht was da noch kommt...in der grünen Hölle...
Plötzlich ruft ein Streckenposten „Kilometer 17!“ und Mandy und ich antworten lippensynchron zutiefst überrascht „WATT???“ Wie jetzt...? Sind wir schon bald da...? Aber es hat doch gar nicht wehgetan....? Hällisch! Es gilt noch einen allerletzten Anstieg hochzukraxeln....herrjeh, das macht mich ganz kribbelig, auf diesem schmalen Weg hinter den anderen Läufern hochzuklettern. Ich will vorbei! Weg da! Schafft Platz für Frollein Grünhorn! Pffft, pffft!
Oben angekommen, bestätigt mir Conny „Ab jetzt geht’s nur noch bergab“....und meine Füße beginnen ein Eigenleben, schneller...und schneller...ist das hällisch! „Kleene, nur noch einen Kilometer“ berlinert Mandy in meinen Nacken und ich überlege kurz, ob ich die ganze Welt umarmen oder einfach losrennen soll. Naja, die Welt ist ja auch hinterher noch da, also rennen! Wahrscheinlich halten mich die Zuschauer für reichlich irre...zeitmässig bringt es ja nun wirklich überhaupt nix, auf den letzten 500 Meter zu rasen....vielleicht halten mich die Zuschauer aber auch nicht für irre, weil sie meinen Endspurt tempomässig nicht als solchen identifizieren können...wahrscheinlich ist es den Zuschauern aber auch einfach nur pupsegal. Hällisch!
Und irgendwie bin ich dann im Ziel...ich sehe Jo und freue mich – das er mich im Ziel erwartet freut mich ganz besonders, immerhin hat er sich oft genug mein Gejammer und Genöle anhören müssen, da darf er ja jetzt auch mal was von meiner Freude abhaben...hab' ja gerade genug davon.... Vor lauter Freude vergesse ich ganz, mich von Conny zu verabschieden und bin verwirrt darüber, das sie einfach verschwunden ist – aber so ein Marathon soll ja gerüchterweise über 42 km gehen und nicht im HM-Ziel enden, von daher macht es Sinn...an dieser Stelle schon mal vielen Dank für die nette Begleitung, das hat mir viel bedeutet, Conny!
Und auch Mandy...wir sind schon ein tolles Laufteam, watt? Zumindest "waren" wir das bis gestern...wer nämlich einen HM ohne Training und Vorbereitung und irgendwas in der gleichen Zeit läuft wie ich mit jeder Menge Training, der spielt in einer anderen Liga - aber vielleicht darf ich mich ja trotzdem ab und an nochmal an Deine Tight-Zipfel hängen... ;)
Und später dann, frisch geduscht und mit jeder Menge Erbsensuppe, Würstchen und Kuchen im Bauch finde ich es auch kein Stück mehr schade, das mir mein Röntgenlauf-Mythos komplett zwischen den Fingern durchgerieselt ist – es war ein wunderschöner Lauf in toller Landschaft mit vielen netten Menschen, ich bin glücklich. Und während ich mir den Zieleinlauf der Ultras angucke, wird mir klar, das es hier eben keine halben Sachen gibt...der Mythos dauert halt 63 km, und der muss wohl noch lange, lange auf mich warten...
Ach ja - 2:24 Std. hat dieser tolle Lauf gedauert...mit 2:30 Std. habe ich gerechnet, 2:20 Std. wäre die Créme gewesen...aber im Grunde war es genau richtig so wie es war ;)
- Noch ein "Edit" - wenn ich den Bericht jetzt so selber noch mal durchlese, klingt es fast so als wäre alles ein erholsamer Kindergeburtstag gewesen ;) Datt iss' natürlich Quatsch...die Berge waren da und sie waren anstrengend und ich hab' auch geschwitzt, gekeucht und gejapst (und teilweise bin ich auch die Steigungen gegangen weil ich nicht wußte was noch kommt und keine Kraft verpulvern wollte, die mir dann nachher fehlt) - aber selbst das Keuchen und Japsen war schön und hat Spaß gemacht ;) Und es ging ja auch hinterher wieder runter...und DAS hat erst Spaß gemacht...hällisch!
Bibbernd versuche ich, meinen steifgefrorenen Fingerspitzen durch Mund-zu-Mund-Beatmung wieder etwas Leben einzuhauchen. Kalt ist es hier in Remscheid, und der hämisch-schleichende Schneenieselregen kriecht mir seit Stunden als feuchte Nässe bis in die entlegensten Nähte meiner Winterkleidung. Fasziniert bestaune ich die Ultraläufer, die hier nach 63 km in Ziel rennen – ich empfinde tiefe Ehrfurcht angesichts dieser schlammverschmierten, nassen, rotgefrorenen Helden mit ihren müden, aber strahlenden Gesichtern. In diesem Moment wird mein Mythos geboren – irgendwann...ja, irgendwann will ich hier auch mal einlaufen, schlammverschmiert und rotgefroren...irgendwann...
08.07.2005
Mit zitterndem Zeigefinger klicke ich auf „Anmeldung abschicken“, hyperventiliere kurz, schucke den bleischweren Kloß in meinem Hals entschlossen herunter und trage mit dickem roten Edding „HM-Röntgenlauf “ ins Feld 30.10.2005 in meinen Kalender ein. Grüne Hölle von Lennep – ich komme! Aber SOWATT von! (Mama, ich hab' Angst....) Ja, Angst hab' ich wohl...vor den Bergen und vor dem Mythos, aber gleichzeitig freue ich mich auch...auf die Berge, auf den Matsch, auf den Schnee und den Regen und darauf das ich endlich auch mal ein klitzekleines Bröckchen von meinem Mythos Röntgenlauf abknabbern kann.
30.10.2005
„Hat jemand Sonnencreme dabei?“ witzelt ein leichtbekleidetes Läufermännchen im dichtgedrängten Startfeld. Komplett in Gänsehaut gehüllt, bibbere ich im ärmellosen Hemdchen und kurzer Buxe vor mich hin. Frisch ist es – aber der bereits kräftige ballernde Osram am Firmament sowie die Thermometeranzeige (13°C) im Auto auf der Hinfahrt verheißen Heißes. Während die Läufer asics- u. adidasscharrend auf den erlösenden Startschuß warten, plaudern und witzeln, zerbröselt mein Mythos leise zu Staub. Kein Schneeregen, kein Matsch, kein ängstliches, rothaariges Läufergreenhorn alleine im Kampf gegen die Berge und die Naturgewalten – stattdessen Sommer, Sonne, Vorfreude, reichlich Nervösität.... Und Conny. Und Mandy. Und eine riesengroße leichtbekleidete Läuferschar...und ich bin ein Teil davon. Endlich!
Nach dem Startschuß setzt sich der lange Läuferwurm zähflüssig in Bewegung und wir mit – ich bin unglaublich gespannt was mich erwartet, wie es sich anfühlen wird. In den letzten Wochen habe ich immer wieder gemerkt, wie schwer es mir doch fällt, Anstiege, Hügel und Berge zu laufen – ein kleiner Rest Angst hat sich hartnäckig in meinen Nacken verbissen und lässt sich nicht abschütteln. Na egal, dann nehm' ich die Angst eben mit.
Nach ein paar Kilometerchen ist der erste Anstieg geschafft – und er hat gar nicht wehgetan. Also beschliesse ich, die blöde Angst unauffällig irgendwo in den Rinnstein von Lennep zu schnipsen und es einfach nur noch „hällisch“ zu finden. Conny's Mann Sigi macht eine La-Ola für uns und ich finde es hällisch....Gregor beteuert uns das wir locker aussehen – hällisch! Von links schreit Regina uns zu, das der Weg das Ziel sei...ach, ist das hällisch....dann verlassen wir den Ort und laufen in Wald und Feld hinein, und es wird von Schritt zu Schritt hällischer und hällischer und hällischer. Die wunderschöne Strecke ist Läuferglück pur, die anfangs von mir so wenig erwünschte Sonne taucht Wälder und Felder in goldenes Licht, es macht wahnsinnig viel Spaß mit Conny, Mandy und dem kräftig berlinernden Ultraläufer, den Mandy unterwegs aufgerissen hat. Trotzdem – ein Fünkchen Rest-Respekt hält mich davon ab, so schnell zu laufen wie meine Beine es gerne ab und an würden....immerhin...die Berge...ich weiß ja nicht was da noch kommt...in der grünen Hölle...
Plötzlich ruft ein Streckenposten „Kilometer 17!“ und Mandy und ich antworten lippensynchron zutiefst überrascht „WATT???“ Wie jetzt...? Sind wir schon bald da...? Aber es hat doch gar nicht wehgetan....? Hällisch! Es gilt noch einen allerletzten Anstieg hochzukraxeln....herrjeh, das macht mich ganz kribbelig, auf diesem schmalen Weg hinter den anderen Läufern hochzuklettern. Ich will vorbei! Weg da! Schafft Platz für Frollein Grünhorn! Pffft, pffft!
Oben angekommen, bestätigt mir Conny „Ab jetzt geht’s nur noch bergab“....und meine Füße beginnen ein Eigenleben, schneller...und schneller...ist das hällisch! „Kleene, nur noch einen Kilometer“ berlinert Mandy in meinen Nacken und ich überlege kurz, ob ich die ganze Welt umarmen oder einfach losrennen soll. Naja, die Welt ist ja auch hinterher noch da, also rennen! Wahrscheinlich halten mich die Zuschauer für reichlich irre...zeitmässig bringt es ja nun wirklich überhaupt nix, auf den letzten 500 Meter zu rasen....vielleicht halten mich die Zuschauer aber auch nicht für irre, weil sie meinen Endspurt tempomässig nicht als solchen identifizieren können...wahrscheinlich ist es den Zuschauern aber auch einfach nur pupsegal. Hällisch!
Und irgendwie bin ich dann im Ziel...ich sehe Jo und freue mich – das er mich im Ziel erwartet freut mich ganz besonders, immerhin hat er sich oft genug mein Gejammer und Genöle anhören müssen, da darf er ja jetzt auch mal was von meiner Freude abhaben...hab' ja gerade genug davon.... Vor lauter Freude vergesse ich ganz, mich von Conny zu verabschieden und bin verwirrt darüber, das sie einfach verschwunden ist – aber so ein Marathon soll ja gerüchterweise über 42 km gehen und nicht im HM-Ziel enden, von daher macht es Sinn...an dieser Stelle schon mal vielen Dank für die nette Begleitung, das hat mir viel bedeutet, Conny!
Und auch Mandy...wir sind schon ein tolles Laufteam, watt? Zumindest "waren" wir das bis gestern...wer nämlich einen HM ohne Training und Vorbereitung und irgendwas in der gleichen Zeit läuft wie ich mit jeder Menge Training, der spielt in einer anderen Liga - aber vielleicht darf ich mich ja trotzdem ab und an nochmal an Deine Tight-Zipfel hängen... ;)
Und später dann, frisch geduscht und mit jeder Menge Erbsensuppe, Würstchen und Kuchen im Bauch finde ich es auch kein Stück mehr schade, das mir mein Röntgenlauf-Mythos komplett zwischen den Fingern durchgerieselt ist – es war ein wunderschöner Lauf in toller Landschaft mit vielen netten Menschen, ich bin glücklich. Und während ich mir den Zieleinlauf der Ultras angucke, wird mir klar, das es hier eben keine halben Sachen gibt...der Mythos dauert halt 63 km, und der muss wohl noch lange, lange auf mich warten...
Ach ja - 2:24 Std. hat dieser tolle Lauf gedauert...mit 2:30 Std. habe ich gerechnet, 2:20 Std. wäre die Créme gewesen...aber im Grunde war es genau richtig so wie es war ;)
- Noch ein "Edit" - wenn ich den Bericht jetzt so selber noch mal durchlese, klingt es fast so als wäre alles ein erholsamer Kindergeburtstag gewesen ;) Datt iss' natürlich Quatsch...die Berge waren da und sie waren anstrengend und ich hab' auch geschwitzt, gekeucht und gejapst (und teilweise bin ich auch die Steigungen gegangen weil ich nicht wußte was noch kommt und keine Kraft verpulvern wollte, die mir dann nachher fehlt) - aber selbst das Keuchen und Japsen war schön und hat Spaß gemacht ;) Und es ging ja auch hinterher wieder runter...und DAS hat erst Spaß gemacht...hällisch!