Hallo,
ich war zwar nicht beim Marathon "Unter-Tage" aber ein 10er reicht da auch.
Hier mein Bericht:
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8. Internationaler Sondershäuser Kristall-Lauf
Die Reise zum Mittelpunkt der Erde - also quasi
Heute ist es soweit. Wir fahren zum Kristall-Lauf nach Sondershausen in Thüringen.
Hans-Peter, Wolfgang, Giovanni, Thomas und ich haben uns bereits Anfang des Jahres um 5 der 350 Startplätze beworben. Im April kam dann die Teilnahmebestätigung und so sind wir jetzt offizielle Läufer beim 8. Sondershäuser Kristall-Lauf. Anders als in den Vorjahren, als das Los über eine Teilnahme entschied, entscheidet in diesem Jahr die Reihenfolge der Anmeldungen, ob man einen Startplatz bekommt.
Der Kristall-Lauf findet in einem stillgelegten Kali-Bergwerk statt. Wobei "stillgelegt" nur bedeutet das kein Kali - sprich Salz - mehr gefördert wird. Das Bergwerk dient zum einen zur Durchführung von Veranstaltungen wie Kegeln, Laufen, Radfahren und Exkursionen, zum anderen werden an etlichen Stollen Versatzarbeiten durchgeführt, d.h. die Hohlräume werden mit unterschiedlichsten Materialien befüllt und dann verschlossen.
Freitagmorgen kurz vor 10 Uhr treffen wir uns beim Pi. Wolfgang und ich trudeln schon um 8:30 ein, da Kuni ein tolles Frühstück vorbereitet hat. Pünktlich um 10 sind die Anderen auch da und es kann losgehen.
Bis zur ehemaligen Grenze verläuft alles reibungslos. Dann hört die Autobahn auf und wir quälen uns über die Landstrasse durch Dörfer, Umleitungen und Baustellen. Für die letzten 100km benötigen wir 2,5 Stunden.
Als wir in Sondershausen ankommen sind, waren Kuni und Hans-Peter schon da. Dank unserer Funkgeräte weist uns Hans-Peter im Hinterhof des Hotels schnell einen Parkplatz zu. Sich im Hotel zurechtzufinden ist nicht ganz einfach. Beim Einchecken müssen wir durch das Büro zur Rezeption und danach an einer Laderampe und der Küche vorbei zum Fahrstuhl (!!!). Die Zimmer sind geräumig und vor kurzem renoviert worden.
Da wir alle Hunger haben, begeben wir uns auf die Suche nach einem Restaurant. Unser Hotel liegt idealerweise im Stadtzentrum und wir vermuten, dass es eine ganze Reihe verschiedener Lokalitäten gibt, die nur darauf warten von einem Haufen Wessis erobert zu werden.
Los gehts ! Die Dönerbude hat zu. Ratskeller ist ebenfalls geschlossen. Wir gehen weiter. Da vorne ist die Stadt zu Ende und in der anderen Richtung fangen die Wohnblocks an. Ein heisser Tip ist der Martinimarkt, der zu unserer Freude gerade stattfindet. Das hört sich nach romantischem Weihnachtsmarkt an. Vor der mittelalterlichen Kulisse der Burg und der Kirchen in Sondershausen klingt das sehr verlockend. Wir fragen nach der Richtung. "Genne mer nisch" sagt eine Frau, was wohl "Kennen wir nicht" bedeutet. Der Mann hilft weiter: "Dos is dooo long". Wir gehen in die angewiesene Richtung und kommen tatsächlich zum Martinimarkt, der sich als Minikirmes für die Dorfjugend enttarnt. Nach einer schnellen Runde über die Kirmes kapitulieren wir für diesen Abend, gehen ins Hotel, essen dort etwas und dann nichts wie ab ins Bett.
Am nächsten Morgen um 7:30 Uhr sind alle beim Frühstück. Kurz vor 9:00 Uhr fahren die Läufer zum Bergwerk. Kuni hat sich für das thüringische Wellnessprogramm (spazierengehen und lesen) entschieden und bleibt erstmal im Hotel. Wir parken direkt vor dem Eingangstor des Bergwerks und gehen bei schönstem Sonnenschein in Richtung Maschinenhaus, wo es die Startunterlagen gibt.
Die Startunterlagen bestehen aus Startnummer und einem Gutschein für ein T-Shirt, welches nach dem Lauf ausgegeben wird. Dann besichtigen wir das Maschinenhaus mit seiner alten Dampfmaschine, die früher die Förderkörbe bewegt hat. Die alte Maschine ist zwischenzeitlich durch eine kleinere moderne Anlage ersetzt worden (Gott sei Dank).
Wir gehen ein wenig auf dem Gelände umher, besichtigen etliche alte Ausstellungsstücke sowie den schönen blauen Förderturm. Dann gehts in die Kaue. Nicht das wir uns hier umziehen wollen, aber sowas sieht man ja nicht jeden Tag. Thomas versucht sich an einer der Ketten und erwischt mich beinahe mit dem herabgelassenen Kleiderhaken am Kopf.
"Wir sind hier im Bergwerk, nicht im Kindergarten. Hier trägt man einen Helm" verkündet der Bergmann, den wir vor dem Förderkorb treffen. Alle setzen brav ihre Fahrradhelme auf und warten. Der Korb besteht aus zwei Etagen, ist rostig, dunkel, eng, zu niedrig und es zieht. Es ist eigentlich kein Fahrstuhl, sondern ein mit Leder und Gittern verkleidetes Metallgestell. Auf jeder der zwei Etagen finden ca 10 - 12 Personen Platz. Obwohl "Platz" das falsche Wort ist. Mein Kopf steckt irgendwo zwischen rostiger Metallplatte und Wolfgangs Hals, mein Hintern drückt sich ans Aussengitter und wo mein Rucksack ist weiss ich im Moment nicht. Nach drei Minuten Klapperfahrt sieht man ein Licht. Aber natürlich dürfen erstmal die Jungs aus dem anderen Stockwerk aussteigen. Dann werden wir befreit.
Wir treten in eine grosse lange Halle. Es ist auch hier noch recht zugig und frisch. Die Wände und Decken bestehen - genau wie alle anderen Bereiche hier unten - komplett aus Salz. Es ist nichts abgestützt oder verstrebt. Alle Gänge sind einfach so ins Salz gekratzt worden. Langsam gehen wir den Gang entlang und sehen uns alles an. Wir sind jetzt 680m unter der Erde. Es ist furztrocken und die Luft schmeckt salzig. Je weiter wir vom Fahrstuhl weggehen, desto wärmer wird es. Es sind ca. 26 - 27 C°. Angst oder Beklemmungen hat man hier unten keine. Es herrscht eine angenehme Atmosphäre, die Stollen sind gross und man fühlt sich sicher. Wir dürfen uns in einer Art Hauptbereich von ca. 200m Länge in verschiedenen Stollen frei bewegen. Es sind etliche Stühle und Tische aufgestellt worden, an denen man sich umziehen oder etwas essen und trinken kann. Es gibt einen Konzertsaal, eine Kegelbahn (ist aber geschlossen), eine Getränke/Snackbar und gut ausgestattete Toiletten. Die Stollen durch die wir laufen werden, sehen sehr dunkel und weniger aufgeräumt aus und sind noch gesperrt.
Nachdem wir alles nötige gesehen haben, bereiten wir uns auf den Lauf vor, indem wir uns umziehen, trinken, dehnen und leicht warmlaufen. 11:45 gehen wir zum Start, der direkt vor dem Förderkorb stattfindet. Hier bekommen wir für die nächste Stunde zum letzten Mal eine kühle Briese. Der Helm ist etwas ungewohnt, aber Pflicht. Der ganze Gang ist voller Läufer. Trotzdem herrscht keine Hektik. Erst 5 Minuten vor dem Start gehen wir - nach Aufforderung durch den Veranstalter - hinter die Startlinie. Wolfgang und ich stehen in fünfter Reihe, die anderen sehen wir nicht mehr. Mit einem Helm sieht irgendwie jeder gleich aus. Dann ertönt der Start-Gong. Ein lauter chinesischer (???) durchdringender Gooooooonnnnng und es geht los.
Nach 5 Metern links in den dunklen Tunnel. Ich muss aufpassen, dass ich nicht falle. Es ist eng und geht urplötzlich steil bergab. Wolfgang ruft mich - "Bin hier" ! Der Untergrund besteht entweder aus spiegelblankem Salz oder aus zermahlenen Salzkristallen, die wie Puffsand wirken. Es ist schwer hier Entfernungen zu schätzen. Wir laufen meist im Dunklen von Lampe zu Lampe, die in 50 bis 100 m Abständen aufgehangen sind. Nach ca. 500 m der erste Anstieg. Ich muss aufpassen, dass ich Wolfgang nicht verliere. Der Anstieg ist so steil, dass sich das Feld sofort auseinanderzieht. Es wird merkwürdig still im Stollen. Wir sind noch keine 2 Minuten gelaufen, mein Mund ist staubtrocken; aber der Schweiss läuft in Strömen. Dann geht es wieder etwas bergab, bevor die Supersteigung anfängt. Der Gang windet sich und wir erkennen schräg oben in etlicher Entfernung eine Lampe.
Zuerst hab ich gedacht der Veranstalter hat sich einen Spass mit uns erlaubt. Aber als alle anderen auf die Lampe zulaufen - oder besser zuklettern - ist klar: Da muss ich rauf. Bei der Lampe angekommen merkt man, dass erst die Hälfte der Steigung geschafft ist. Dafür wird's jetzt nochmal etwas steiler. Mein Herz schlägt mir aus dem Hals und auch bei Wolfgang, der neben mir läuft, sieht's nicht besser aus. Die nächsten Meter werden merklich flacher. Nach 2,5 km gibt's dann einen Schluck Wasser. Leider mit Kohlensäure, die mir sofort in die Nase schiesst, so dass ich noch weniger Luft kriege. Ich praktiziere kurz den Bergmanns-Gruss und die Nase ist wieder frei. Der weitere Verlauf der Strecke ist flach bis leicht steigend. Bei ca. 4 km kommt das grosse Gefälle. Jetzt laufen wir die mühsam erarbeiteten Höhenmeter wieder herunter. Nach 5,2 km ist die erste Runde geschafft und wir kreuzen den Hauptstollen vor dem Förderkorb. Ich verpasse die Wasserstelle. Gut, dass Wolfgang da ist und mir mit seinem Becher ein wenig aushilft.
Die zweite Runde verläuft wie die Erste. Wolfgang zieht mir nach 8 km ein paar Meter davon. Ich schaffe es dranzubleiben und komme 5 Sekunden nach ihm ins Ziel. Wir bekommen eine sehr schöne Medaille umgehangen. Das Wasser im Zielbereich ist jetzt seltsamerweise ohne Kohlensäure. Nach und nach trudeln auch die Anderen ein. Alle merklich angestrengt und pitschnass. An unseren Tisch zurückgekehrt, ziehen wir uns erst einmal um.
Als ich gerade anstehe, um mir mein erstes Unter-Tage-Wiener-Würstchen zu kaufen, kommt Thomas mit dem Handy am Ohr und tut so als würde er seiner Frau vom Lauf erzählen. Er hatte mit seinem E-Netz-Handy Über-Tage schon Probleme, aber jetzt hat er wohl Empfang - oder ? Die Würstchen-Frau guckt und sagt nur "SCHHHÄÄÄUUUUSCHHHBIELOOOO" was auf Hochdeutsch "Schauspieler" bedeutet.
Mir läuft auch 30 Minuten nach dem Lauf noch der Schweiss runter und ich kann gar nicht soviel trinken wie ich Durst habe. Dann gehen wir in den Konzert-Saal, da die Urkunden noch nicht fertig sind und singen gemeinsam mit 300 anderen Läufern das Steiger-Lied:
Glückauf, Glückauf! Der Steiger kommt
und er hat sein helles Licht bei der Nacht,
und er hat sein helles Licht bei der Nacht,
schon angezünd't, schon angezünd't.
Jetzt noch schnell die Urkunden abholen und dann zurück zum Förderkorb. Nach ca. 5 Stunden im Salzbergwerk sind wir froh wieder nach oben zu fahren, wo uns schönster Sonnenschein und frische Luft begrüssen.
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