hier ein interessanter Artikel zum Thema Regernation von Dr. Dr. Lutz Aderhold, selbst ein sehr guter Ultralangläufer:
Regeneration
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Kein Mensch ist in der Lage ständig Höchstleistungen zu bringen. Es gibt keinen linearen Zusammenhang zwischen mehr Training und verbesserter Wettkampfleistung. In Abständen braucht jeder Erholungsphasen, denn Regenerationszeiten und Regenerationsmaßnahmen sind unverzichtbarer Teil eines effektiven Trainings-, Gesundheits- und Wettkampprogramms.
Für den Langstreckenläufer sind üblicherweise die Monate November und Juli die Regenerationszeit. Insbesondere nach den Saisonhöhepunkten sollte man sich etwas Ruhe gönnen. Das gilt besonders für Läufer, deren Form zum Ende der Saison weggekippt ist (siehe auch Beitrag „Wie vermeide ich ein Übertrainingssyndrom?“). Untersuchungen haben gezeigt, dass nach Marathon- und Ultraläufen die Wiederherstellung der muskulären „Schädigungen“ bis zu 10 Wochen andauern kann. Auch Unlustgefühle nach zu vielen Trainingskilometern oder Wettkämpfen sind ein untrügliches Zeichen für die Notwendigkeit einer Regenerationszeit. Nichtstun ist allerdings nicht angesagt, das ist nur nötig, wenn man eine ernsthafte Verletzung hat. Eine vollkommene Trainingspause hat eine ganze Reihe von Nachteilen, insbesondere kommt es zum stärkeren Formverlust und der Wiederbeginn im Winter führt zu höherer Verletzungsgefahr. Kompensatorisches Training mit unspezifischen Trainingsmitteln nach der Dauermethode ist jetzt angesagt.
Das Trainingsrezept ist einfach, der Umfang wird um bis zu 50% reduziert, Tempo- und lange Einheiten sind gestrichen. Um nicht ganz abzuschlaffen, werden in die Dauerläufe einige Steigerungen eingebaut. Zur Regeneration sind trainingsfreie Tage wichtig, auch alternatives Training entlastet den Bewegungsapparat und die Psyche. Wer sonst über 100 km in der Woche trainiert, kann in der Regenerationszeit durchaus zwei trainingsfreie Tage einlegen. Als alternatives Training bietet sich jetzt Wandern, Schwimmen, Aquajogging, Ballspiele, Zirkeltraining in der Halle oder auch der Gang ins Fitness-Studio an. Im Juli kann man verstärkt Radfahren ins Training einbauen (siehe auch Beitrag „Alternatives Training“). Auch passive Regenerationsmaßnahmen wie Thermo- und Hydrotherapie (Warmwasserbäder), Solarium, Massage, Sauna und Kräftigungsübungen (siehe Beitrag „Krafttraining für Läufer“) sollten verstärkt genutzt werden. Funktionsgymnastik und Stretching verbessert die Beweglichkeit und Geschmeidigkeit der Muskeln, Sehnen und des Bindegewebes. In die Dauerläufe können z.B. Sprung- und Hopserläufe eingebaut werden.
Psychophysische Regulationstechniken wie Autogenes Training, Yoga, Progressive Muskelrelaxation, Tai Ji und Qi Gong haben einen erholsamen Effekt auf den Organismus und die Psyche. Aber auch einfaches Nichtstun, Kinobesuch, Musikhören und Fernsehen haben einen Erholungseffekt. Nicht zuletzt sollte man auf eine ausgewogene Ernährung (siehe Beitrag „Ernährung rund um den Wettkampf“) sowie ausreichenden und gesunden Schlaf achten (siehe Beitrag „Gesunder Schlaf – wichtiger Faktor der Regeneration“).
Nach 4 Wochen regenerativem Training kann das Training wieder langsam auf das normale Pensum erhöht werden, denn nach dem Wettkampf ist vor dem Wettkampf. Das nächste Ziel im Winter ist dann meist eine Winterlaufserie oder der Silvesterlauf, bei dem man schon wieder ganz gut drauf ist aber noch nicht „in Form“ sein sollte.
Aber auch während längerer, zusammenhängender Trainingsabschnitte empfiehlt es sich, Erholungsphasen einzubauen. Nach drei Wochen mit steigender Trainingsbelastung sollte eine Woche mit deutlich verminderter Intensität und Umfang folgen. Trainingsreize und Regeneration sind gleichwertig im Gesamtplan einzustufen. Das richtige Verhältnis zwischen Belastung und Erholung sind der Schlüssel zum Erfolg. Besonders Senioren müssen den physiologischen Veränderungen des Organismus Rechnung tragen und die Regenerationszeiten verlängern. Der Trainingsplan kann einfach nicht mehr so aussehen wie vor 10 Jahren. Leistungsabfall, Infektanfälligkeit und psychisches Unwohlsein können Folge fehlender Regeneration sein. Als Faustregel gilt: Je älter und je untrainierter der Sportler, um so länger dauert auch die Regeneration. Krankheiten wie Infekte und Entzündungen aber auch psychosozialer Stress beeinflussen die Regeneration negativ. Gerade die Belastung durch Beruf und Familie kann recht unterschiedlich sein und eine individuell unterschiedliche Regenerationszeit bedingen.
Jede Form des körperlichen Trainings verbraucht Energie und führt bei entsprechender Dauer und Intensität zur muskulären Ermüdung durch Energieverarmung (Glykogenmangel), Anhäufung von Stoffwechselprodukten, feinstrukturellen Schädigungen kontraktiler Elemente und Hemmung der Impulsübertragung Nerv/Muskelfaser. Hinzu kommt eine zentrale Ermüdung durch Überforderung des Energiestoffwechsels und Anhäufung von Ammoniak im Gehirn. Die beanspruchten Funktionssysteme benötigen eine unterschiedlich lange Regenerationszeit, die in erster Linie von Belastungsdauer, Belastungsintensität und der individuellen Leistungsfähigkeit abhängt.
Innerhalb der ersten 30 Minuten nach der Belastung kommt es zur Wiederauffüllung der muskulären Creatinphosphat-Speicher, Rückkehr der Atem- und Herzschlagfrequenz sowie Blutdruck zum Ausgangswert und Ausgleich der Unterzuckerung nach Kohlenhydrataufnahme. Die Laktatkonzentration fällt unter 3 mmol/l und es wird wieder ein Gleichgewicht im Säure/Basenhaushalt erreicht. Nach 1 Tag ist das Leberglykogen weitgehend wieder aufgefüllt, der Ausgleich im Flüssigkeitshaushalt ist erfolgt und die ermüdeten Funktionen der Muskulatur sind überwiegend wieder hergestellt. Die Auffüllung des Muskelgykogens und der muskulären Fettspeicher kann bis zu 7 Tage dauern. Auch die Regeneration von teilzerstörten Muskelfasereinweißen und funktionsgestörten Mitochondrien kann bis 14 Tage in Anspruch nehmen. Die Regeneration von der gesamtorganischen (auch Hormon- und Immunsystem) und psychischen Belastung nach einem Langzeitausdauerwettkampf (Marathon, 100 km Lauf) bis zur Wiederabrufbarkeit der gesamten Leistungsfähigkeit kann bis zu 10 Wochen betragen.
Der eigentliche Fortschritt erfolgt nicht beim Training, sondern erst in der Erholungsphase hinterher.
Autor: Dr. Dr. Lutz Aderhold 08/2005
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