Ein Marathon ist 42,195 km lang und nicht nur 38! Muss man das wieder haben?
Verfasst: 02.05.2006, 22:10
„Marathon – irgendwann mache ich das mal!“ Das habe ich schon vor 10 Jahren, als ich noch – wenn überhaupt mal, dann zwangsweise für die Ausdaueraneignung im Tennis – gejoggt (wohlgemerkt gejoggt – und nicht gelaufen!!!) bin.
Silvester 2004 hat es mich gepackt, als ich das erste Mal an einem Laufwettkampf – Bietigheimer Silvesterlauf über 10,7 km – teilgenommen hatte. Im Frühjahr 2006 musste dann der Marathon her. In der Vorbereitung habe ich meine PB-Zeiten auf knapp unter 42 Minuten für 10 km und 1:32 h für HMgesteigert, so dass rein theoretisch im Marathon 3:15 möglich gewesen wären, aber weil es der erste ist, habe ich mir nach viel Hin- und Her-Überlegen und „Beratung“ hier im Forum die 3:30 vorgenommen.
Ich wollte keinen allzu großen finanziellen und „logistischen“ Aufwand betreiben, so dass meine Wahl letztlich auf den Duisburg-Marathon fiel, zu dem ich in 45 Minuten anreisen konnte und die Meldegebühr in erträglichem Rahmen blieb.
Freitag: Startunterlagen abgeholt, was ich mit einem ganztägigen Zoobesuch mit meinen beiden Kindern verbunden habe (im Nachhinein, war dieser Tag der schönste in Zusammenhang mit dem ganzen Marathon…).
Samstag: Die Frage „Was zieh ich an?“ steht im Mittelpunkt. Bis zur Ankunft am Sonntag morgen blieb sie immer noch unbeantwortet. Nachmittags noch schnell das Trinken im Laufen aus Papp(!!!)-Bechern geübt, klappt wunderbar, kann man prima zum Schnabel biegen!
Sonntag 8:20 Uhr: Ankunft in Duisburg und Kleidungsfrage schweren Herzens mit kurzer Hose und T-Shirt beantwortet (schließlich laufen die richtig Schnellen auch nur mit „fast nix“), was ich im Nachhinein bedauere (3/4 und Langarm wäre besser gewesen, bin eben doch nicht eine von den „richtig Schnellen“…).
9:20: Endlich geht es los. Zuerst laufe ich beim 3:30-Mann mit, aber da ist es mir zu drubbelig, ich sehe außer Rücken nichts und muss ständig gucken, dass ich keinem in die Füße trete, also überhole ich die 3:30-Gruppe und laufe davor. Bei der ersten VS sehe ich, dass ich mir meine Übung mit den Pappbechern hätte sparen können, es gibt nämlich nur Plastikbecher, bei denen ich es nicht hinbekomme, im Laufen zu trinken. Also gehe ich jedes Mal ein paar Schritte – macht nichts! Zwischendurch regnet es und ist windig und die Haut an meinen Armen und Beinen ist kurz vor den ersten Erfrierungen (hätte ich doch mehr angezogen!!!). Duisburg finde ich stinklangweilig, grau in grau, aber egal, ich wollte es ja nicht anders – ist ja wurscht wo man 42,195 km läuft, dachte ich vorher. Bis zum HM laufe ich immer um 4:55 pro km und passiere die HM-Marke bei ca. 1:44.
Mein Rücken fängt an zu zwicken, möglicherweise, weil ich es nicht gewöhnt bin, so dünn bekleidet durch die Gegend zu rennen?! Da sich meine Beine aber noch ganz wunderbar anfühlen, laufe ich einfach ein bisschen schneller (4:45-4:50), dann bin ich schneller da und mein Rücken tut nicht so lange weh. Schlaue Idee, denn dem Rücken bekommt das schnellere Tempo deutlich besser und ich überhole nach und nach immer mehr Leute (ich habe das Gefühl, ich fliege quasi an allen vorbei!), ja jetzt macht es Spaß. Vor allem das Überholen der Frauen gefällt mir gut, die eine sieht richtig professionell aus, hat ihren Trainer oder Vater oder wen auch immer neben sich laufen, aber ich bin schneller! Bis kurz vor km 38 läuft es super, ich steuere auf eine 3:26 zu. Mensch, das ist ja klasse! Aber von einer Sekunde auf die andere hat mein Knie plötzlich keine Lust mehr auf die letzten 4 km, ich habe das Gefühl, mein Bein knickt mir bei einem der nächsten Schritte weg, ich muss gehen. Scheiße! Es sind doch nur noch 4 läppische Kilometer, das ist doch nichts!!! Und doch: Es ist so weit, wenn das Knie nicht mehr will. Ich werde von allen überrannt, die ich vorher in meinem „Flug“ überholt hatte, die Frauen ziehen an mir vorbei. In dem Moment ist es mir egal. Ich will nur noch angekommen, ohne mir mein Knie gänzlich zu zerstören. Um mich rum, stehen an allen Bäumen und Laternen irgendwelche Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern und dehnen sich. Ein Mann, der im gleichen Tempo leidet wie ich, wird von seinem Kumpel auf dem Fahrrad immer wieder angebrüllt: „Los, lauf weiter! Nicht stehen bleiben!“ Da frage ich mich: Kann das der Sinn des Laufens sein? Dass man über die natürliche Schmerzgrenze hinausgeht, den Schmerz zu ignorieren versucht, seine Gesundheit aufs Spiel setzt? Man bezahlt Geld dafür, dass man sich kaputt macht? Und danach geht man zum Arzt, um sich wieder „herrichten“ zu lassen? Es sind doch alles Freitzeit-Sportler, die nie Geld mit dem Laufen verdienen werden!
Letztendlich bin ich mit 3:30:44 ins Ziel gekommen. Aber so richtig glücklich war und bin ich nicht. Das „Glückserlebnis“, im Ziel zu sein, „es“ geschafft zu haben, will sich bei mir nicht so recht einstellen, es ist genau so, als wenn ich nach einem anderen Lauf im Ziel bin, nur dass mir jetzt mein Knie höllisch weh tut. Am Montag konnte ich keinen normalen Schritt machen, meine Tochter nicht auf dem Arm die Treppe hoch tragen, das kann es doch nicht sein, was ich will?! Vielleicht habe ich meinem Körper auch nicht genügend Zeit gegeben, sich an so lange Distanzen zu gewöhnen, vielleicht waren die 4 Montate, in denen ich lange Läufe gemacht habe, einfach zu kurz?! Oder muss einem nach einem Marathon einfach was weh tun?
Von dem gestrigen „Nie wieder!“ bin ich jetzt schon zu einem „So bald nicht wieder!“ übergegangen. Aber wenn ich noch mal einen Marathon laufe, dann wohl lieber einen „Landschaftsmarathon“ durch die Natur und von mir aus ohne Zuschauer. Und das auch nur, wenn ich mir einigermaßen sicher sein kann, dass meine Knochen dann so weit sind, 42,195 km zu verkraften!
Sonja
Silvester 2004 hat es mich gepackt, als ich das erste Mal an einem Laufwettkampf – Bietigheimer Silvesterlauf über 10,7 km – teilgenommen hatte. Im Frühjahr 2006 musste dann der Marathon her. In der Vorbereitung habe ich meine PB-Zeiten auf knapp unter 42 Minuten für 10 km und 1:32 h für HMgesteigert, so dass rein theoretisch im Marathon 3:15 möglich gewesen wären, aber weil es der erste ist, habe ich mir nach viel Hin- und Her-Überlegen und „Beratung“ hier im Forum die 3:30 vorgenommen.
Ich wollte keinen allzu großen finanziellen und „logistischen“ Aufwand betreiben, so dass meine Wahl letztlich auf den Duisburg-Marathon fiel, zu dem ich in 45 Minuten anreisen konnte und die Meldegebühr in erträglichem Rahmen blieb.
Freitag: Startunterlagen abgeholt, was ich mit einem ganztägigen Zoobesuch mit meinen beiden Kindern verbunden habe (im Nachhinein, war dieser Tag der schönste in Zusammenhang mit dem ganzen Marathon…).
Samstag: Die Frage „Was zieh ich an?“ steht im Mittelpunkt. Bis zur Ankunft am Sonntag morgen blieb sie immer noch unbeantwortet. Nachmittags noch schnell das Trinken im Laufen aus Papp(!!!)-Bechern geübt, klappt wunderbar, kann man prima zum Schnabel biegen!
Sonntag 8:20 Uhr: Ankunft in Duisburg und Kleidungsfrage schweren Herzens mit kurzer Hose und T-Shirt beantwortet (schließlich laufen die richtig Schnellen auch nur mit „fast nix“), was ich im Nachhinein bedauere (3/4 und Langarm wäre besser gewesen, bin eben doch nicht eine von den „richtig Schnellen“…).
9:20: Endlich geht es los. Zuerst laufe ich beim 3:30-Mann mit, aber da ist es mir zu drubbelig, ich sehe außer Rücken nichts und muss ständig gucken, dass ich keinem in die Füße trete, also überhole ich die 3:30-Gruppe und laufe davor. Bei der ersten VS sehe ich, dass ich mir meine Übung mit den Pappbechern hätte sparen können, es gibt nämlich nur Plastikbecher, bei denen ich es nicht hinbekomme, im Laufen zu trinken. Also gehe ich jedes Mal ein paar Schritte – macht nichts! Zwischendurch regnet es und ist windig und die Haut an meinen Armen und Beinen ist kurz vor den ersten Erfrierungen (hätte ich doch mehr angezogen!!!). Duisburg finde ich stinklangweilig, grau in grau, aber egal, ich wollte es ja nicht anders – ist ja wurscht wo man 42,195 km läuft, dachte ich vorher. Bis zum HM laufe ich immer um 4:55 pro km und passiere die HM-Marke bei ca. 1:44.
Mein Rücken fängt an zu zwicken, möglicherweise, weil ich es nicht gewöhnt bin, so dünn bekleidet durch die Gegend zu rennen?! Da sich meine Beine aber noch ganz wunderbar anfühlen, laufe ich einfach ein bisschen schneller (4:45-4:50), dann bin ich schneller da und mein Rücken tut nicht so lange weh. Schlaue Idee, denn dem Rücken bekommt das schnellere Tempo deutlich besser und ich überhole nach und nach immer mehr Leute (ich habe das Gefühl, ich fliege quasi an allen vorbei!), ja jetzt macht es Spaß. Vor allem das Überholen der Frauen gefällt mir gut, die eine sieht richtig professionell aus, hat ihren Trainer oder Vater oder wen auch immer neben sich laufen, aber ich bin schneller! Bis kurz vor km 38 läuft es super, ich steuere auf eine 3:26 zu. Mensch, das ist ja klasse! Aber von einer Sekunde auf die andere hat mein Knie plötzlich keine Lust mehr auf die letzten 4 km, ich habe das Gefühl, mein Bein knickt mir bei einem der nächsten Schritte weg, ich muss gehen. Scheiße! Es sind doch nur noch 4 läppische Kilometer, das ist doch nichts!!! Und doch: Es ist so weit, wenn das Knie nicht mehr will. Ich werde von allen überrannt, die ich vorher in meinem „Flug“ überholt hatte, die Frauen ziehen an mir vorbei. In dem Moment ist es mir egal. Ich will nur noch angekommen, ohne mir mein Knie gänzlich zu zerstören. Um mich rum, stehen an allen Bäumen und Laternen irgendwelche Menschen mit schmerzverzerrten Gesichtern und dehnen sich. Ein Mann, der im gleichen Tempo leidet wie ich, wird von seinem Kumpel auf dem Fahrrad immer wieder angebrüllt: „Los, lauf weiter! Nicht stehen bleiben!“ Da frage ich mich: Kann das der Sinn des Laufens sein? Dass man über die natürliche Schmerzgrenze hinausgeht, den Schmerz zu ignorieren versucht, seine Gesundheit aufs Spiel setzt? Man bezahlt Geld dafür, dass man sich kaputt macht? Und danach geht man zum Arzt, um sich wieder „herrichten“ zu lassen? Es sind doch alles Freitzeit-Sportler, die nie Geld mit dem Laufen verdienen werden!
Letztendlich bin ich mit 3:30:44 ins Ziel gekommen. Aber so richtig glücklich war und bin ich nicht. Das „Glückserlebnis“, im Ziel zu sein, „es“ geschafft zu haben, will sich bei mir nicht so recht einstellen, es ist genau so, als wenn ich nach einem anderen Lauf im Ziel bin, nur dass mir jetzt mein Knie höllisch weh tut. Am Montag konnte ich keinen normalen Schritt machen, meine Tochter nicht auf dem Arm die Treppe hoch tragen, das kann es doch nicht sein, was ich will?! Vielleicht habe ich meinem Körper auch nicht genügend Zeit gegeben, sich an so lange Distanzen zu gewöhnen, vielleicht waren die 4 Montate, in denen ich lange Läufe gemacht habe, einfach zu kurz?! Oder muss einem nach einem Marathon einfach was weh tun?
Von dem gestrigen „Nie wieder!“ bin ich jetzt schon zu einem „So bald nicht wieder!“ übergegangen. Aber wenn ich noch mal einen Marathon laufe, dann wohl lieber einen „Landschaftsmarathon“ durch die Natur und von mir aus ohne Zuschauer. Und das auch nur, wenn ich mir einigermaßen sicher sein kann, dass meine Knochen dann so weit sind, 42,195 km zu verkraften!
Sonja