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Bad Lippspringe: Run for help oder 50 Ways to leave your……. (Achtung Überlänge!)

Verfasst: 19.06.2006, 11:24
von wb
....Streichholz! Aber dazu später mehr. Auf dem Programm steht der Run for Help die auf den Internetseiten www.runforhelp.de bestens beschrieben ist. Unser Familienverband (Tochter, Frau und ich) ziehen schon am Freitag die 300 KM Richtung BaLi und beziehen dort unsere Residenz im Vital-Hotel. Nicht billig, aber man gönnt sich ja sonst nix *g* Am Freitag nutzen wir erstmal die hauseigene Therme mit Whirlpool, Strömungskanal und WM-Versorgung. Den Abend verbringen wir im Restaurant Antikus in Schlangen (Geheimtipp!) und beenden die Spargelzeit mit einer köstlichen Schlemmerei aus frischen Spargeln, Filetstückchen und Lachs. Und dazu ein Erdinger Alkoholfrei – als Alibi *g*

Samstagmorgen: Nach einem ausgedehnten Frühstück geht’s zum DLZ (Deutsches Lauftherapie Zentrum), für das meine Frau ihre Runden drehen wird. Nachdem dort die Organisation steht geht’s weiter zum Start. Wir wollen schließlich nicht den Start verpassen. Zumindest anschauen wollen wir ihn. Wir selbst werden erst abends in den Lauf einsteigen. Wieder zurück ins Hotel und ab an den Pool auf die Liege.
Zwei Stunden später wache ich wieder auf. Eine herrlich entspannende Siesta liegt hinter mir.

Exkurs: Ziele und Technik
Der Run for help hat keine feste Startzeit und keine Streckenvorgabe. Es sind 24 Stunden Zeit zum Laufen. Aufteilung egal. Nach dem Einbruch in der Hitzeschlacht von Mainz will ich ohne Zeitvorgabe 30 Kilometer laufen. Das macht 48 Komma irgendwas Runden. Da diese Zahl keinen Sinn ergibt wird das Ziel kurzerhand auf 50 Runden „aufgerundet“. Um den Überblick nicht zu verlieren produziere ich für jeden von uns ein kleines Bündel mit jeweils 50 Streichhölzern um nach jeder Runde eines in eine der zahlreichen Mülltonnen entlang der Strecke zu werfen.
Vor Ort stellt sich heraus, dass weitere Vorbereitungen nicht notwendig sind. Die Runde ist 620 Meter lang, hat ca. 5-8 Höhenmeter Differenz und es gibt logischerweise immer nach 620 Meter einen gut bestückten Verpflegungsstand.
Das Wetter spielt auch mit. Gegen 19:00 Uhr sind es ca. 20 Grad, um Mitternacht noch angenehme 15 Grad (gefühlt).


19:00 Uhr: Wir sind umgezogen und startbereit an unserm Basislager, dem Zelt des DLZ. Claudia muss jetzt eine Stunde Statistikarbeit für die ca. 70 teilnehmenden Läufer des DLZ machen. Lisa beschließt ihren Lauf langsam zu beginnen und geht schon mal ne Runde, fängt aber dann bald an zu laufen. So langsam hält es mich auch nicht mehr. Meine Füße können nicht mehr stillhalten. Die im Zielbereich laufende Musik (70er,80er,90er only *freu*) trägt einiges zur Stimmung bei. Ein paar der ortsansässigen Schützenvereine proben scheinbar schon den Ernstfall und trinken ein paar virtuelle Gegner nieder.
Ich mache mich also fertig und warte darauf, dass Lisa wieder vorbei kommt. Ich starte mit ihr zusammen in mein kleines Abenteuer. 50 Runden!? Aaaaaargh! Was hab ich getan?
Die erste Runde ist ein gegenseitiges Abtasten. Nach dem Start geht es sanft aber bestimmt bergauf. Es sind wohl ca. 5 Höhenmeter zu überwinden, auf 100 bis 130 Meter Länge. Kein Problem! Am Ende dieser mickrigen Steigung wartet ein Lustschlösschen irgendeines Ernst-Augusts von Piesepampel auf das Auge. Scharfe Linkskurve, dann auf einem angenehmen Parkweg zu einer weiteren kleinen Steigung. Wieder 90 Grad links. Oh je, Läufers Freund: Kopfsteinpflaster zwischen Betonplatten. Na ja, wird schon werden. Links-Rechts-Kurve, dann bergab in einer langezogenen Linkskurve zurück zum Ziel.
Die erste Runde vergeht wie im Flug. Jetzt geht es erstmal drum einen Rhythmus zu finden, der auch für 50 Runden hält. Nicht ganz einfach, denn Lisa läuft ewas „Unrund“ mal schnell, mal langsam, mal vor mir, mal hinter mir. Schließlich bitte ich Sie alleine zulaufen, damit ich in die Einsamkeit des Langstreckenläufers abtauchen kann. Nach ungefähr 5 Runden habe ich mein Tempo. Nach jeder Runde natürlich brav ein Hölzchen in die Tonne.;)

Innerhalb kurzer Zeit verliere ich den Überblick, war das jetzt Runde 9 oder Runde 10. Aber ich habe ja den Rundencomputer in der Hand. Wenn die Hölzchen alle sind ist halt Ende.

Nach etwa einer Ewigkeit (gefühlt, real waren es ca. 45 Minuten) verfalle ich in eine Lethargie. Keine negative Lethargie, sondern eine Mischung aus Glückshormonen (es gibt sie wirklich!) und Flow! Flow – Fluß. Ja, es fließt. Das Laufen wird zum Fließen. Ich habe meine Spur auf der Runde, mein Tempo, treffe jede Runde wieder auf meine leichte Steigung. Es ist eine gewisse Monotonie, aber ich bin sehr glücklich und fühle mich super.
Genau bekomme ich im Nachhinein diese Phase nicht mehr zusammen, jedoch treffe ich am Scheitelpunkt der Strecke – nach dem langen Anstieg – einen Läufer mit einem KLR-Shirt und frage: „Laufen-Aktuell?“. Die Antwort ist positiv. Im weiteren Verlauf treffe ich auf Lauflöwe und Gnies und … hab den dritten Namen vergessen *schäm*. Tierisch was die beiden abgezogen haben. Ich will nix verraten, aber „I’m very impressed“. Super!
Die Zeit vergeht. Phasenweise läuft meine Frau mit mir. Teilweise läuft sie mit unserer Tochter. Irgendwann macht meine Tochter eine Pause und lässt sich gegen eine kleine Geldspende die Beine massieren. Das werde ich später auch machen.
Es ist ungefähr Halbzeit, ich bin 1h 45m unterwegs. Ich fühle mich immer noch Super. Die Monotonie des Rundendrehens (Wie fühlt sich eigentlich ein linksdrehender Joghurt?) hat etwas sehr beruhigendes. Ich nehme sehr wenig um mich herum war. Streichholz um Streichholz landet in meiner Tonne. Der lange, fast steil zu nennende Anstieg zum Schloss ist kein Problem. Es ist eine Art Tunnel in dem ich laufe, es ist schön, macht Spaß. Ich trinke regelmäßig, esse einen von meinen Knusperone-Riegeln. Dann die einzige „Geh“-Pause. Aus Richtung Oberschenkel höre ich das leise Knurren eines Wölfchens. Außerdem muss ich mal dringend. Also schnell aufs Töpfchen (200m Extra) und den Wolf mit Fettcreme zum Schweigen gebracht. Weiter geht’s!
Bei ungefähr Runde 35 passiert dann etwas sehr schönes. Es wird mich den Rest der Strecke begleiten und motivieren. Kurz vor dem Zielbereich steht auf der rechten Seite ein kleines Grüppchen und applaudiert! Ich schaue mich innerlich um und beschließe dass dieser Applaus mir gehört. Nächste Runde wieder Applaus als ich komme. Die meinen mich tatsächlich. Besonders eine Frau sorgte immer wieder dafür, dass ich meine Dosis Applaus bekam. So freute ich mich schon immer 100m vor dem Zielbereich auf die Jubelstrecke!
In der Zwischenzeit hatte meine Tochter Lisa auch wieder angefangen zu laufen. Eigentlich wollte sie nur eine Stunde laufen aber die hatte sie schon längstens gelaufen. Und sie sah locker und frisch aus.
Noch 5 Streichhölzer! Ich mache Riesensprünge (innerlich) und trabe weiterhin über die Strecke. Als ich meiner Tochter und meiner Frau am Verpflegungsstand begegne wünsche ich mir, dass sie die letzte Runde mit mir zusammen laufen. Ich unterhalte mich mit einem anderen Läufer, der auf seine beiden letzten Runden geht. Gemeinsam stellen wir fest, dass dieses lange Steilstück eigentlich nur für Bergläufe geeignet ist. Ist das Steil…. und lang!
Ich begleite ihn in sein Ziel! Sein Sohn läuft die letzte Runde mit ihm. Er wird von Familie und Freunden im Ziel frenetisch gefeiert! Noch drei Runden. Ein neuer Laufpartner. Wir schleichen zusammen diese Hochgebirgssteilstück hoch und ich frage mich, weshalb hier ohne Sauerstoffmasken gelaufen wird.
Noch 2 Runden. Ich klatsche meinen Fan ab. Ja ich habe einen eigenen Fan! Am Start/Ziel warten meine Frau und meine Tochter auf mich.
Noch ein Streichholz, eins von 50! Wir laufen meine letzte Runde. Ich schwebe, ich freue mich. Es ist herrlich zu laufen. Wo war jetzt eigentlich diese Mördersteigung? Nicht mehr da! Egal. Ein letztes Mal durch die Allee von Kerzen, die Linkskurve über das Mulchstück. Das kurze Bergabstück – Das Ziel, mein Ziel. Noch ein paar Meter. Beifall von den Fans. Ich hab’s geschafft, bin in meinem Ziel. Ich bin 31 Kilometer am Stück gelaufen und fühl mich allerbestens. Nebenbei drücke ich die Stoppuhr. Die zeigt mir 3 Stunden und 13 Minuten an. Für mich der absolute Wahnsinn. Ich hatte heimlich mit 3:30h geliebäugelt, aber ohne zwanghaft eine bestimmte Zeit laufen zu wollen. Und jetzt 3:13. Ich freu mich doppelt und dreifach!
Meine Frau und meine Tochter laufen weiter. Ich auch. Erst zu meiner Geldbörse, dann sofort zur Tankstelle, dem Bierstand. Ich bestelle mir 2 Bier. Das erste ist schon leer, bevor die Bedienung mit dem Wechselgeld wiederkommt. Ein leckeres Gesöff. Schnell weiter zu meinem Fan. Ich will zumindest den Namen meines Fans wissen. Sie heißt Irene und, wie es der Zufall will, macht sie gerade die gleiche Ausbildung, die meine Frau letztes Jahr beim DLZ abgeschlossen hat. Ich bedanke mich bei ihr und das Fangrüppchen feiert sich und auch mich. Danke noch mal an Irene und das DLZ-Grüppchen von Kurs 16!
Eine Weile später treffe ich meine Tochter wieder. Sie hat mittlerweile über 40 Runden gedreht und wünscht sich dass ich die letzte Runde mit ihr laufe. Logo! Ich freu mich drauf. Ein paar Runden später ist es soweit. Wir drehen Lisas 50. Runde auf dieser topfebenen Strecke. Sie freut sich tierisch, macht ein paar Späße, springt. Und dann wird sie von unserem Fangrüppchen ins Ziel geklatscht. Sie ist 50 Runden gelaufen in etwa 4 Stunden. Ein gewisser Stolz kommt in mir hoch. Vaterstolz. Meine Frau ist nebenbei 58 Runden gelaufen, meist mit unserer Tochter, damit da nix passiert.
Danach machen wir uns zügig auf den Weg ins Hotel. Wir brauchen eine Dusche und ein Bett. Das Einschlafen dauert nur Bruchteile einer Sekunde. Es ist ein tiefer, erholsamer Schlaf.
Sonntag 7:30 Uhr: Der Wecker klingelt. Frühstück und wieder zur Strecke. Wir müssen bis 12:00 Uhr das Zimmer geräumt haben und wollen vorher noch auslaufen. Ich will noch mal locker 10 Runden laufen. Die Knie schmerzen etwas, aber sonst geht’s mir gut. Meine Tochter läuft heute nicht, verständlicherweise. Meine Frau und ich laufen los. Meine Beine sind schwer. Ich habe Mühe den Berg hochzukommen. Aber ich hab ja Zeit. Ich merke aber bald, dass es besser ist rechtzeitig aufzuhören, da außer den Knien jetzt auch die Oberschenkel nicht mehr wollen. Nach „mickrigen“ 5 Runden beende ich mein Abenteuer BaLi.
Ich gehe noch mal zum Zelt der Extremisten und treffe auf Lauflöwe. Er hat ……nene, soll er schön selber schreiben. War schön euch zu treffen und zu sehen wie „locker“ ihr das geschafft habt. Glückwunsch! :ichsagnx:
Mein Fazit: Eine schöne Veranstaltung, kein Zeitdruck, keine Streckenvorgabe. Wir werden wieder nach BaLi fahren und laufen, laufen, laufen…….

wb :D :hallo:

Verfasst: 19.06.2006, 12:07
von MissBlümchen
:eek: Eine Familie von Laufmonstern :eek:
Ich find' das aber klasse...und bin ein wenig neidisch, weil sich bei uns niemand wirklich für meine Lauferei interessiert, geschweige denn selber die Laufschuhe schnüren würde...

Toll gerannt, Missjöh Wäbä! :daumen:

Verfasst: 19.06.2006, 12:33
von geniesser
hi

so macht ma des! Schwer beeindruckt, und ich bin nicht leicht zu beeindrucken. ( :peinlich: nur 75 km)

Verfasst: 19.06.2006, 13:27
von Highopie
Suuuuuper Leistung (der ganzen Familie) und ein richtig toller Bericht. :daumen:

:respekt: :respekt: :respekt: :respekt:

Verfasst: 19.06.2006, 13:53
von JPS
wb hat geschrieben:Im weiteren Verlauf treffe ich auf Lauflöwe und Gnies und &#8230]Das könnte ich gewesen sein :hallo:
Nach dem Start geht es sanft aber bestimmt bergauf. Es sind wohl ca. 5 Höhenmeter zu überwinden, auf 100 bis 130 Meter Länge. Kein Problem! Am Ende dieser mickrigen Steigung...

...treffe jede Runde wieder auf meine leichte Steigung.

...jedoch treffe ich am Scheitelpunkt der Strecke – nach dem langen Anstieg...

Der lange, fast steil zu nennende Anstieg zum Schloss ist kein Problem.

Gemeinsam stellen wir fest, dass dieses lange Steilstück eigentlich nur für Bergläufe geeignet ist. Ist das Steil…. und lang!

Wir schleichen zusammen diese Hochgebirgssteilstück hoch und ich frage mich, weshalb hier ohne Sauerstoffmasken gelaufen wird.

Wo war jetzt eigentlich diese Mördersteigung?

Ich habe Mühe den Berg hochzukommen.
Das hast du schön beschrieben. Schon faszinierend, wie sich der selbe Streckenabschnitt in der Wahrnehmung doch dramatisch ändern kann.
Mein Fazit: Eine schöne Veranstaltung, kein Zeitdruck, keine Streckenvorgabe. Wir werden wieder nach BaLi fahren und laufen, laufen, laufen…….
Yes :daumen: Immer wieder gerne. auch wenn es für mich diesmal nicht so optimal lief.

Gruß
Jörg

Verfasst: 19.06.2006, 14:08
von uli316
toller bericht! und: glückwunsch zu eurer super familienleistung!

uli schulte

Verfasst: 19.06.2006, 14:22
von Lauflöwe
Ein schöner, treffender Bericht!

Nett, Dich mal getroffen zu haben und Glückwunsch zu Deinem Lauf!

Die eine regelmäßig klatschende und motivierende Frau (ich denke, wir meinen die gleiche - Mitte 40, Brille, dunkle Haare) ist mir auch aufgefallen; die hat mich auch ständig beklatscht.
Der Rest des Publikums war ja eher schweigsam, mal abgesehen von den Eltern der rundendrehenden Kindergartenkinder.

Aber schön war's trotzdem!

:hallo: Stefan

Verfasst: 19.06.2006, 22:24
von oLi
Hallo wb,

falls Du Dich fragtst, wer Dir heute morgen das Doppelplus in der Threadbewertung gegeben hat: Das war ich :D .

Hab aber erst jetzt Zeit, Dir zu dem klasse Bericht und der Familienleistung zu gratulieren.

Also nochmal: Wunderbare Beschreibung jener 620 Meter, die für einen Tag lang die Welt bedeuten. Wie häufig man selbst diese Welt neu erobern kann, hat Dein Bericht höchst intensiv gezeigt.

Klasse auch die laufende Familie, das wünsch ich mir auch...

oLi

Verfasst: 20.06.2006, 07:56
von Tess
Hallo wb, gratuliere zu deinem erfolgreichen Lauf! Und ein schöner Bericht noch dazu - besonders über deine Beschreibung der kleinen (verzeih, riiiiesigen) Steigung habe ich mich beömmelt :P
JPS hat geschrieben: Schon faszinierend, wie sich der selbe Streckenabschnitt in der Wahrnehmung doch dramatisch ändern kann.
Absolut!

Liebe Grüße,
Tessa

Verfasst: 21.06.2006, 20:52
von Mik
Klasse Bericht und ganz toll finde ich, dass ihr so eine richtige Lauffamilie seid. Irgendwie haben diese Berichte ja einen gewissen Reiz :geil:

Schön beschrieben, danke schön :hallo:

Verfasst: 23.06.2006, 23:06
von Lauflöwe
wb hat geschrieben: Ich gehe noch mal zum Zelt der Extremisten und treffe auf Lauflöwe. Er hat ……nene, soll er schön selber schreiben.

Ist erledigt. :wink:
Kuckst Du hier.

:hallo: Stefan