Anfängerin läuft Mayor’s Labor Day 5Miler in Ocean City, New Jersey
Verfasst: 05.09.2006, 21:03
Lest hier einen Bericht vom Mayor’s Labor Day 5 Miler, einem Strandlauf ueber 8km in Ocean City, New Jersey. Am 4. September 2006 fand er statt, und ich musste dabei sein. Bescheidene neun Wochen Laufen liegen erst hinter mir – bin ich schon fit genug? Egal, die Kombination Strand und Laufen ist einfach unwiderstehlich.
4. September 2006, Sieben Uhr dreissig
Meine Freundin Charis und ich erscheinen am Strand, um uns zu registrieren. Einige Augenblicke spaeter halte ich sie ehrfuerchtig in der Hand: meine erste Startnummer einhundertfuenfzehn, ein orange Traegershirt und vier Sicherheitsnadeln.
Kurz vor neun Uhr
Wieviele Laeufer werden mitlaufen? Wir erspaehen eine Startnummer 214, doch es gibt auch noch einen 1Mile Walk, also hat unser Lauf wohl weniger als 200 Teilnehmer. Einer spricht vernehmlich in sein Handy: „There are not that many people here – I’m probably gonna win this“ Angeber! Einstweilen versammelt sich um uns alles vom sichtbar durchtrainierten Langlaeufer ueber die Mittvierzigerin, die schon vom Einlaufen Schweissflecken auf dem Shirt hat bis zum Tennager in pink und siebzigjaehrigen Opa.
Die Strecke verlaueft direkt am Strand entlang. Wir werden auf sorgfaeltig planiertem Sand laufen. Vier Kilometer bis zum Wendepunkt, dann zurueck. Eigentlich ist es der ideale Lauf fuer Anfaenger: eine flachere Strecke als auf Meeresspiegel kann man wohl nicht finden, die Oberflaeche ist federnd und man hat unendlich viel Platz im Vergleich zu einer Strasse.
Neun Uhr
Die Rothaarige Miss Ocean City (sie sieht aus wie Ariel die Meerjungfrau) gibt das Startkommando, und alle schiessen los. Ich lasse mich mitreissen und geniesse das Adrenalin. Eine Minute spaeter kommen zwei Erkenntnisse: 1) ich muss langsamer werden, 2) oh nein - vor lauter Aufregung habe ich ja den Startknopp meiner Stoppuhr gar nicht gedrueckt! So was Dummes.
Charis und ich ordnen uns im hinteren Feld ein, wo wir mit maessiger Anstrengung laufen. Aber das Tempo ist doch etwas hoeher als im Training. Links von uns rauscht der Atlantik, mit sehenswerten Schaumkronen auf den Wellen. Der Septembermorgen ist angenehm lau. Durch die lockere Wolkendecke fallen Sonnenstrahlen, die wie tastende Finger auf dem Meer liegen und es zum Funkeln bringen.
Vor uns ein Siebzigjaehriger, der mit freiem Oberkoerper laeuft – der Anblick motiviert dazu, ihn schnell hinter uns zu lassen. Sonst werden tendenziell eher wir ueberholt. Nach etwa einer Meile werde ich langsamer und lasse Charis ziehen. Bin jetzt etwa bei meinem Trainingstempo. Ohne es zu merken, schweife ich wie unter Hypnose immer mehr nach links zur Wasserlinie, es wird schon nass unter meinen Schuhsohlen. Vielleicht lande ich ja im Meer und werde von den Wellen verschlungen und nie wieder gesehen... Die Seemoewen vor mir fliegen nicht mal davon, trippeln bloss ein paar Schritte – Mann, muss ich langsam sein.
Nach 18 Minuten begegnen uns die ersten Ueberflieger schon auf der Rueckrunde. Wah, jetzt bin ich auf der falschen Spur, links von ihnen. Durchquere im Sprint ihre Spur zurueck Richtung Strand und reihe mich wieder in die Hinrunde ein. Ein entgegenkommender Spassvogel macht auf Sportreporter: „...Number 115, keep running... they are getting nervous, they are getting nervous... get them on the second half!...“ Die ersten zwei Meilen sind um, Wendepunkt kommt in Sicht. Jetzt quatscht mich ein fuenfzigjaehriger an, vaeterlicher Typ: „You’re doing good – there is the turning point, after that, we’re on our way home!“ Seh ich schon so fertig aus? Ich fuehle mich jedenfalls gedrungen, darauf hinzuweisen, dass ich hier mein erstes Rennen laufe. Woraufhin er sich verpflichtet fuehlt, mir zu versichern dass ich DAFUER doch super unterwegs bin.
Wasserbecher grapschen – dann Wendepunkt – mir entgleitet ein uebermuetiger Luftsprung – der Inhalt des Wasserbechers ist nun auf Haaren und T-Shirt. Ich haenge mich an den Typ von vorhin. Jetzt hat er meinen Akzent bemerkt. Ah – German. „My last name ist Scholz – that’s a German name!!! We came in 1850...” Gaehn. Wirklich jeder in Pennsylvania und New Jersey kann irgendeinen deutschen Vorfahren ausgraben und kommt sich dann furchtbar wichtig vor. Aber ich nehm alles, was mir den Lauf verkuerzt, und lasse mich auf eine Unterhaltung ein. Scholz hilft mir wirklich durch Meilen 3 und 4.
Die Strecke hat keine markierten Kilometer (oder Meilen) – und ich keine Brille. Wie weit isses noch?? Ich erinnere mich an eine Reihe Boote am Startpunkt. Sehe die Masten dort vorne – waaaas, schon?! Da heisst es beschleunigen – ich ziehe an Scholz vorbei. Beim Naeherkommen geht mir auf, dass ich auf die falschen Boote gezielt habe. Zu frueh gefreut! Das Ziel sehe ich jetzt in ca. 1km Entfernung – oder sind es zwei? Am Strand sieht immer alles so nah aus.
Ich bin jetzt kurzatmig und das Laufen wird schwerer. Doch der Ozean rauscht immer noch paradiesisch, die Sonne kommt hervor. Meinetwegen keonnte dieser Lauf ewig dauern!!!
Auf den letzten paarhundert Metern muss ich mich staendig gegen das langsam werden wehren. Da fehlt mir wohl noch die Wettkampf-Mentalitaet. Erst auf den letzten 50m kann ich noch nen ordentlichen Sprint rausqetschen. Ziellinie!!! Oh Yeah!! Da kommt Charis, umarmt mich. Oh Mist, die Stoppuhr! Ach, who cares. Laut Charis bin ich bei genau 50 Minuten eingelaufen.
Fuenfzig Minuten – obwohl das natuerlich nur fuer einen der allerletzten Plaetze gereicht hat, unterbiete ich damit meine Trainingszeit um 4:30 Minuten. Ha! Doch ich will eigentlich jetzt gar nicht ueber Zeiten nachdenken, sondern nur den Moment geniessen. Schuhe aus, Socken aus und rein in die Wellen! Das Salzwasser schaeumt um meine Fuesse, die Zehen graben sich in den Sand. Das fuehlt sich gut an, einfach gut.
Nachtrag – offizielles Ergebnis
Charis: 46:47 min, Rang 136 von 170
Ich: 50:01 min, ein schmachvoller Rang 156 von 170
Gruss
Susanne
4. September 2006, Sieben Uhr dreissig
Meine Freundin Charis und ich erscheinen am Strand, um uns zu registrieren. Einige Augenblicke spaeter halte ich sie ehrfuerchtig in der Hand: meine erste Startnummer einhundertfuenfzehn, ein orange Traegershirt und vier Sicherheitsnadeln.
Kurz vor neun Uhr
Wieviele Laeufer werden mitlaufen? Wir erspaehen eine Startnummer 214, doch es gibt auch noch einen 1Mile Walk, also hat unser Lauf wohl weniger als 200 Teilnehmer. Einer spricht vernehmlich in sein Handy: „There are not that many people here – I’m probably gonna win this“ Angeber! Einstweilen versammelt sich um uns alles vom sichtbar durchtrainierten Langlaeufer ueber die Mittvierzigerin, die schon vom Einlaufen Schweissflecken auf dem Shirt hat bis zum Tennager in pink und siebzigjaehrigen Opa.
Die Strecke verlaueft direkt am Strand entlang. Wir werden auf sorgfaeltig planiertem Sand laufen. Vier Kilometer bis zum Wendepunkt, dann zurueck. Eigentlich ist es der ideale Lauf fuer Anfaenger: eine flachere Strecke als auf Meeresspiegel kann man wohl nicht finden, die Oberflaeche ist federnd und man hat unendlich viel Platz im Vergleich zu einer Strasse.
Neun Uhr
Die Rothaarige Miss Ocean City (sie sieht aus wie Ariel die Meerjungfrau) gibt das Startkommando, und alle schiessen los. Ich lasse mich mitreissen und geniesse das Adrenalin. Eine Minute spaeter kommen zwei Erkenntnisse: 1) ich muss langsamer werden, 2) oh nein - vor lauter Aufregung habe ich ja den Startknopp meiner Stoppuhr gar nicht gedrueckt! So was Dummes.
Charis und ich ordnen uns im hinteren Feld ein, wo wir mit maessiger Anstrengung laufen. Aber das Tempo ist doch etwas hoeher als im Training. Links von uns rauscht der Atlantik, mit sehenswerten Schaumkronen auf den Wellen. Der Septembermorgen ist angenehm lau. Durch die lockere Wolkendecke fallen Sonnenstrahlen, die wie tastende Finger auf dem Meer liegen und es zum Funkeln bringen.
Vor uns ein Siebzigjaehriger, der mit freiem Oberkoerper laeuft – der Anblick motiviert dazu, ihn schnell hinter uns zu lassen. Sonst werden tendenziell eher wir ueberholt. Nach etwa einer Meile werde ich langsamer und lasse Charis ziehen. Bin jetzt etwa bei meinem Trainingstempo. Ohne es zu merken, schweife ich wie unter Hypnose immer mehr nach links zur Wasserlinie, es wird schon nass unter meinen Schuhsohlen. Vielleicht lande ich ja im Meer und werde von den Wellen verschlungen und nie wieder gesehen... Die Seemoewen vor mir fliegen nicht mal davon, trippeln bloss ein paar Schritte – Mann, muss ich langsam sein.
Nach 18 Minuten begegnen uns die ersten Ueberflieger schon auf der Rueckrunde. Wah, jetzt bin ich auf der falschen Spur, links von ihnen. Durchquere im Sprint ihre Spur zurueck Richtung Strand und reihe mich wieder in die Hinrunde ein. Ein entgegenkommender Spassvogel macht auf Sportreporter: „...Number 115, keep running... they are getting nervous, they are getting nervous... get them on the second half!...“ Die ersten zwei Meilen sind um, Wendepunkt kommt in Sicht. Jetzt quatscht mich ein fuenfzigjaehriger an, vaeterlicher Typ: „You’re doing good – there is the turning point, after that, we’re on our way home!“ Seh ich schon so fertig aus? Ich fuehle mich jedenfalls gedrungen, darauf hinzuweisen, dass ich hier mein erstes Rennen laufe. Woraufhin er sich verpflichtet fuehlt, mir zu versichern dass ich DAFUER doch super unterwegs bin.
Wasserbecher grapschen – dann Wendepunkt – mir entgleitet ein uebermuetiger Luftsprung – der Inhalt des Wasserbechers ist nun auf Haaren und T-Shirt. Ich haenge mich an den Typ von vorhin. Jetzt hat er meinen Akzent bemerkt. Ah – German. „My last name ist Scholz – that’s a German name!!! We came in 1850...” Gaehn. Wirklich jeder in Pennsylvania und New Jersey kann irgendeinen deutschen Vorfahren ausgraben und kommt sich dann furchtbar wichtig vor. Aber ich nehm alles, was mir den Lauf verkuerzt, und lasse mich auf eine Unterhaltung ein. Scholz hilft mir wirklich durch Meilen 3 und 4.
Die Strecke hat keine markierten Kilometer (oder Meilen) – und ich keine Brille. Wie weit isses noch?? Ich erinnere mich an eine Reihe Boote am Startpunkt. Sehe die Masten dort vorne – waaaas, schon?! Da heisst es beschleunigen – ich ziehe an Scholz vorbei. Beim Naeherkommen geht mir auf, dass ich auf die falschen Boote gezielt habe. Zu frueh gefreut! Das Ziel sehe ich jetzt in ca. 1km Entfernung – oder sind es zwei? Am Strand sieht immer alles so nah aus.
Ich bin jetzt kurzatmig und das Laufen wird schwerer. Doch der Ozean rauscht immer noch paradiesisch, die Sonne kommt hervor. Meinetwegen keonnte dieser Lauf ewig dauern!!!
Auf den letzten paarhundert Metern muss ich mich staendig gegen das langsam werden wehren. Da fehlt mir wohl noch die Wettkampf-Mentalitaet. Erst auf den letzten 50m kann ich noch nen ordentlichen Sprint rausqetschen. Ziellinie!!! Oh Yeah!! Da kommt Charis, umarmt mich. Oh Mist, die Stoppuhr! Ach, who cares. Laut Charis bin ich bei genau 50 Minuten eingelaufen.
Fuenfzig Minuten – obwohl das natuerlich nur fuer einen der allerletzten Plaetze gereicht hat, unterbiete ich damit meine Trainingszeit um 4:30 Minuten. Ha! Doch ich will eigentlich jetzt gar nicht ueber Zeiten nachdenken, sondern nur den Moment geniessen. Schuhe aus, Socken aus und rein in die Wellen! Das Salzwasser schaeumt um meine Fuesse, die Zehen graben sich in den Sand. Das fuehlt sich gut an, einfach gut.
Nachtrag – offizielles Ergebnis
Charis: 46:47 min, Rang 136 von 170
Ich: 50:01 min, ein schmachvoller Rang 156 von 170
Gruss
Susanne