Knappe Kiste in Münster 2006
Verfasst: 14.09.2006, 20:01
Schön war's in Münster. Kaiserwetter und ein nettes Städtchen mit hoher Lebensqualität - keine Frage. Beim "Tag des offenen Denkmals" habe ich in der Lazarettstraße einen ehemaligen Luftschutzbunker besichtigt und konnte im Torhaus nahe dem Hindenburgplatz etwas über die mittelalterlichen Befestigungsanlagen von Münster erfahren. Auf dem Weg zum Domplatz, dem Treffpunkt zum historischen Altstadtrundgang, folgte ich der Rockmusik, die ich schon von weitem hören konnte. Im Innenhof des Freiherr-von-Stein-Gymnasiums rockte eine Band - drumherum Tische, Bänke und Stände, viele Menschen in fast einheitlicher Kleidung und aufgedrehter aber freudiger Stimmung. Orange war es hier - kein Wunder - trugen doch die meisten Anwesenden ihre Finisher-Shirts vom MüMa2006 und feierten dort ihren gelungenen Tag. Ich hatte auch eines an.
Stunden vorher lag ich noch auf dem Rücken - mitten auf dem Prinzipalmarkt. Über mir die Girlanden in den Farben der Stadt - strahlend blauer Himmel und hin und wieder freundliche und sichtlich besorgte Gesichter der Helfer, die in meinem Gesichtsfeld auftauchten. "Nein danke - mir geht es gut - ich bin nur müde" war meine Antwort. Trotzdem bekam ich Folie und Cola gereicht - danke. Ich war erschöpft - für kurze Zeit ohne Kraft - aber innerlich total happy. Ein Blick zur Uhr - gleich noch einer - ja - paßt alles - 15 Sekunden unter der Zeit - letzter Kilometer in 5 Minuten. Das war eine knappe Kiste ...
8:45 Uhr - Ausgerüstet mit der obligatorischen Trinkflasche und einem ungebügelten weißen T-Shirt noch ein paar kurze Steigerungen - Traben - Gebüsch etwas genauer inspizieren und dann weg mit dem Kram - ab in den Startblock - "Hoffentlich tut's nicht so weh" denke ich mir noch und ab geht die Post - auf zum Marathondebut.
Nach 11km geht's am Zielbereich Prinzipalmarkt vorbei, bis dorthin durch die teils winkligen Gassen der Münsteraner Innenstadt sowie immer wieder über die schöne Promenade. Schnell kann ich die Kilometer an der Stoppuhr wegdrücken. Dem erhöhten Schwierigkeitsgrad der Streckenführung und dem immer wiederkehrenden Wechsel zwischen Bürgersteig und Straße, der Flucht vor dem Kopfsteinpflaster und dem Ausweichen vor auftauchenden Hindernissen kann ich verdanken, daß die Reise auf den ersten 10km sehr kurzweilig ist. Wer meint, daß bei einem Innenstadtkurs die parkenden Autos das Haupthindernis darstellen würden, der sollte sich darauf gefasst machen, daß in Münster die Fahrräder diesen Part perfekt übernehmen. Zweimal rausche ich an den Verpflegungen vorbei und beschließe danach auch rechts zu laufen, wenn eine Verpflegung angekündigt ist - Anfängerfehler. Immer die Luftballons der Pace-Maker im Blick laufe ich mit meiner Gruppe durch Münster und nutze meine noch vorhandene Aufmerksamkeit, um Münster-City näher kennenzulernen. Zu so früher Stunde ist die Resonanz an der Strecke teilweise noch recht verhalten und viele Zuschauer begnügen sich mit einem Blick durch ihr Fenster - ganz anders allerdings auf der Promenade und an den Powerpoints. Dort sind einfach überall Leute - ich kenne das in dieser Form nicht und fühle mich daher richtig gut.
Ich hatte mir den MüMa zuvor in 4 Etappen eingeteilt und konnte die erste nun zufrieden abhaken. Jetzt ging's raus aus der City, durch Gievenbeck hindurch zum 1.HM, von dort aus auf der dritten Etappe nach Roxel und auf der 4. Etappe dann vom Ortsausgang Roxel bei km35 wieder zurück in die Innenstadt.
Bei km12 führte die Strecke am Aasee vorbei und hier bekamen wir einen Eindruck von der wirklichen Begeisterung des Publikums. Der Weg vom Start dorthin war nicht allzu weit - und die Leute stehen hier dicht an dicht. Ein grandioser Abschied für kurze Zeit - denn jetzt konnte erst mal gerollt werden. Über weitausladende Straßen ging es zunächst um den Aasee herum und anschließend aus der Innenstadt heraus, bis dann bei km18.5 Gievenbeck erreicht wurde. Gerade angekommen wurde man wieder freundlich empfangen und durfte kurz auf den einen oder anderen Frühstückstisch schauen, den sich die Anwohner in den Vorgarten oder auf die Straße gestellt haben. Alles läuft wunderbar - den Beinen geht's gut, ich habe regelmäßig trinken können und die Temperaturen empfinde ich nicht als Belastung. Insgesamt war dieser Abschnitt eine Wohltat, denn man kann hier ruhig laufen und gleichmäßig sein Tempo halten.
Der 1.HM war nun erreicht und die Szenerie meiner Ansicht nach mehr als angemessen. Nach all dem Trubel der Innenstadt und in Gievenbeck kamen wir nun durch eine kleine Waldschonung. Es war schattig und ruhig. Um uns herum nur Bäume und keine Ablenkung. Kurz war man allein: da war nur der Läufer, die Straße und die Uhr: 1:28:20 h
Wow - doch so schnell - hatte ich gar nicht mitbekommen, da ich bewußt meine Uhr auf einzelne Kilometerzeiten eingestellt hatte. Da haben die Pacer mal schön vorgelegt. Und kaum aus dem Wald herausgekommen stiegen auch schon die ersten Zweifel bezüglich der Temperatur in mir auf. "Jetzt kommt die Hitze" dachte ich so bei mir. Aber das Rennen geht unaufhörlich ohne Veränderungen für mich weiter. Ich rede noch mit einem der Pace-Maker über unsere Rauchervergangenheit und plane für mich den weiteren Ablauf des Rennens. War ja kar, daß bis hierhin nichts gravierendes passiert - dafür habe ich schließlich trainiert. 80-100km/Woche und einige >30km-Läufe waren dabei - zweimal sogar 37km.
Km26.5 - wir biegen auf die Roxeler Straße ein. Nachdem wir noch ein paar sehr lebendige Wohnsiedlungen von Gievenbeck besichtigt hatten, kommt nun ein wenig Kontrastprogramm. Hier sieht alles gleich nach einem ehrlichen und harten Straßenrennen aus. Absperrung in der Straßenmitte für den Marathoni-Gegenverkehr über rund 1.5km. Ansonsten das gewohnte Erscheinungsbild einer Bundesstraße: Asphalt grau - Begrenzungslinien weiß - Straßenrand grün. Meine Frage, ob denn die Elite-Läufer schon durchgekommen seien, wurde umgehend beantwortet - Zunächst einmal kam uns der Autokonvoi entgegen - Marketingfahrzeuge, Fahrzeuge vom Veranstalter, Polizei und zuletzt das Fahrzeug mit der aktuellen Rennzeit. Dann der Führende - allein - damit hatte ich nicht gerechnet - bereits jetzt bei ca 35.5km war das Rennen entschieden - schade. Unser Rennen war ohnehin ein anderes und deswegen konnten wir uns schon auf die nächste Verpflegung freuen. Ich habe sofort die Gelegenheit genutzt und meinen Schwamm verloren. Es geht deutlich hoch - waaaas ? - tatsächlich - deutlich spürbar müssen wir uns die Straße hochmühen. Ich bin überrascht und denke mir:" Na super - da geht's nachher bei km35 wieder runter. Wird ja ein Kinderspiel". Aber so weit sind wir ja noch nicht.
Auf diesem kurzen Streckenabschnitt außerhalb Münsters findet man so gut wie gar keine Wohnhäuser und trotzdem stehen an den Straßenrändern immer mal Leute und feuern die Marathonis an. Dann plötzlich taucht einer der Staffelwechselpunkte auf - rund 400 Läufer stehen dort, warten sehnsüchtig auf ihre Laufpartner und verbringen ihre Zeit mit frenetischem Jubel und Anfeuerungen für die durch ein enges Menschenspalier laufenden Marathonis. Geil - danke. Das tut hier besonders gut.
Bei km28 dann trennen sich die Wege wieder. Unser Weg führt nach Roxel herein, während die schnelleren Marathonis gerade aus Roxel rausdüsen und den laaangezogenen Endspurt nach Münster antreten. Die letzten, die wir noch sehen, werden mit 2:3xh im Ziel ankommen. WOW
Auf dem Weg durch Roxel kommen wir wieder an vielen Häuschen vorbei, spielende Kinder die ihre helle Freude am Marathon haben, Gartenschlauchduschen, an denen ich meine helle Freude habe und immer wieder diese Luftballons meiner Pace-Maker. So langsam wird die Wahrnehmung konfuser - gewinnt die Anstrengung an Bedeutung. 30km - wie ist der aktuelle Stand ? 2:05:55h Die Beine sind noch dran, die ein oder andere Kurve fällt nicht mehr so leicht aber das Tempo und die Stimmung in der Gruppe paßt. Eine Überschlagsrechnung ermöglicht 4:25min/km für den Rest - das baut auf, denn da liegen wir mit zuletzt 4:16min/km deutlich drunter.
Wann immer ich Wasser bei der Verpflegung zu mir genommen habe, kam der Rest über den Kopf und somit war für einen kurzen Moment die Kühlung perfekt. Das hätte ich bei km32.5 besser nicht getan. Viel zu routiniert und mit der aufkommenden Müdigkeit beschäftigt trank ich den Ultrabuffer und - ja genau - schüttete mir den Rest über den Kopf. Na das war ne klebrige Angelegeheit, die ich selbst im Ziel noch zu spüren bekam. Jetzt aber nichts wie raus aus Roxel, sonst wird's noch peinlich
, über die Autobahnbrücke bei km33.5 und zurück zur Bundesstraße in Richtung Münster. Das ist der Beginn der 4. Etappe.
"Ab jetzt geht's runter" ruft jemand vom Straßenrand - "Ja ja ja " denke ich mir freudig, das ist mein Rennen. Bisher war einfach alles angenehm. 35km sind geschafft und es ist alles im grünen Bereich, wenn auch die letzten Kilometerzeiten langsamer wurden und wir ca. 2-3 Sekunden pro km verloren. Die Zeit paßt also, die Luftballons sind noch vor mir und ich bin auf der 4. Etappe. Jetzt gehöre ich mal zu den schnellen und nun kommen mir die Marathonis auf den nächsten 1.5km entgegen. So kann man mal in die Gesichter schauen und erkennt das gesamte Spektrum - von Kampf bis Gelassenheit. "Hoffentlich wird's für die anderen nicht noch zu hart" denke ich mir so, wenn ich feststelle, daß sich meine Gruppe deutlich auseinandergezogen hat. Es sind jetzt weniger direkt bei dem Pace-Maker, aber denen geht's noch gut. An der nächsten Verpflegung konnte ich eine Kollision mit einem Helfer vermeiden, der urplötzlich vor mir auf der Straße erschien und über deutlich mehr Kampfgewicht verfügte. Aber es ging gut und ich trank, kühlte mich noch ab und lief weiter. Nur noch die 5m Abstand zum Pace-Maker zulaufen und dann ab nach Münster. Tja - daraus wurden dann 10m Abstand, 15m - oh no. Auf dem dann doch ansteigenden Weg zu km37 passierte es. Was tun ? Gas geben ? Nein - ich hatte eine irre Angst vor dem totalen Einbruch. So bekommt der vor der Kaserne ausgestellte Panzer eine etwas zwiespältige Bedeutung: ich bin wohl angeschossen.
Ich denke noch kurz an einige gehende Marathonis, die ich überholte. Das waren schon gute Leute, die teilw. den 1.HM. in 1:20h angelaufen sind. Sowas darf jetzt nicht passieren. Also Tempo halten. Im Training bin ich schon die 37km gelaufen -- 7 mal um die Talsperre - je 5.3km pro Runde. Ich bin darauf vorbereitet - "Eine Runde nur noch - gib Gas" denke ich mir. " Noch eine ganze Runde - ich bin müde" stelle ich fest. Mist. Es wird anstrengend. Die Gruppe ist weg - das km38-Schild dafür da - immerhin.
5. Etappe
- ja genau - die war nicht eingeplant aber jetzt mußte ich da durch. Wo ist km39 ? Gefühlte 2km später: "Und immer diese Ecken - Hier ist doch schon Münster - wo ist denn das Ziel ?" Ich kann nix mehr sehen - keine Pacer, keine Menschen, keine Marathonstrecke und schon gar nicht das km39-Schild. Längst ist der Blick auf den Boden gerichtet, die Atmung schwer und der Schmerz fing eigentlich erst jetzt so richtig an. Tränen. Keine Zeit für Analysen - das was jetzt zählt ist die Hoffnung. Wieder eine Ecke und - bingo - km39. "Puhhh. Meine Intervall- und Tempolaufstrecke ist 2.2km lang - jetzt kommt ein Heimspiel" - soweit der Plan. Vor mir ein ebenso einsamer Kämpfer - der Abstand bleibt gleich - er kämpft - ich kämpfe. Neben mir ein Radfahrer - das ist nett - er baut mich auf - aber ich kann doch nicht mehr. Längst ist es duster geworden. An dieser Stelle habe ich scheinbar die unterirdische Route zum Ziel gewählt. Weiter geht's durch den Tunnel. Rechts - Rechts - Links - Links. Ich stoppe die Zeit - mist - das war eine Verpflegung - ich brauche jetzt sowieso nichts mehr und laufe weiter. Endlich km40 - jetzt nur noch 2km - oh no - verrechnet. Meine Freude zuvor, meine Motivationshilfe - alles vorbei. Ich hab mich vertan und muß noch eine komplette "Intervallrunde" drehen. Das ist zuviel. Die Hüfte schmerzt plötzlich, der Laufstil eine Katastrophe und ich fange an zu wanken. Ich kann die Zeiten auf meiner Uhr nicht mehr sehen und laufe weiter - weiter - weiter - Schritt für Schritt wird es gemeiner. Im Kopf stellt sich jetzt Leere ein. Eine Allee - schön, breit - vor mir immer noch der Läufer und ich taumele am äußersten rechten Rand nahe der Absperrung entlang - drohe fast zu stürzen. Man ist das hart. Ich höre Mikrofonstimmen - "Da wird schon von glücklichen Läufern berichtet. Jetzt muß mich hier einer rausholen - schnell" beginne ich zu phantasieren. Irgendwann rechts noch ein Powerpoint - selbst für mich unübersehbar. Der Rest ist weg - hat nicht stattgefunden - sorry Münster. Erst durch ein gellendes Pfeiffkonzert der Zuschauer unmittelbar vor dem Ziel komme ich aus meinem Delirium zurück - Cheerleader stehen dort zum Empfang - Linkskurve - Zielbanner - links die Uhr - 2:59:xx - ich renne wie ein Wahnsinniger die letzten Meter - vollautomatisch - ohne Willen - einzig angezogen von der Digitalanzeige - und komme an: 2:59:45
12:00 Uhr Ich gehe - stecke unbeholfen meinen Kopf durch das nächstbeste Medaillenband. Der Jubel der Zuschauer hinter mir wirkt wie eine Wand und schützt mich - jetzt bin ich sicher - ich bin da. Ich sehe ein Absperrgitter und Hocke mich dort hin, bald sitze ich, um mich dann endlich hinlegen zu können.
Ein Blick zur Uhr - gleich noch einer - ja - paßt alles - 15 Sekunden unter der Zeit - letzter Kilometer in 5 Minuten. Das war eine knappe Kiste ...
Fazit: Kaiserwetter und sportlicher Erfolg - dazu noch diese tolle Veranstaltung .- ich verteile hier die Höchspunktzahl. Der MüMa gehört zu den Veranstaltungen, bei denen eben alles stimmt und wo zudem noch die Bereitschaft in der Bevölkerung ,die Sache mitzufeiern, ausgesprochen groß ist. Ein echtes Highlight - eine Klasse für sich eben.
Nachtrag: Das war's - der erste Marathon und dann bin ich mit so viel Glück ins Ziel gekommen. Ohne Pace-Maker wäre da gar nichts gegangen und denen möchte ich hiermit nochmals ganz besonders danken. Zum Ende hin habe ich 1min20 auf meine Gruppe verloren. Ein Blick in die Ergebnisliste der Top200 zeigt eine atemberaubende Spannweite bei den HM-Splits - da bin ich mit meiner 3min schlechteren 2. Hälfte noch sehr gut bedient. 5-10min und sogar deutlich mehr sind an diesem Tag keine Seltenheit gewesen. Bei Kilometer 41 und 42 hatte ich dann mein Erlebnis mit dem Hammermann - ich wollte ja nichts auslassen - und bin heilfroh, daß ich mich noch ins Ziel retten konnte. Ein Strahlen auf dem Zielfoto gibt's dann beim nächsten mal.
Die Zahlen für die Statistiker:
35km ca 2:27h 4'13er schnitt
km36.....4'20
km37.....4'21
km38.....4'24
km39.....4'27
km40.....4'29
km41.....4'32
km42.....5'02
rest........0'52
gesamt: 2:59:45h
1.HM 1:28:20
2.HM 1:31:25
Übrigens: den Altstadtrundgang habe ich dann doch nicht ganz mitgemacht - ich war einfach zu müde. Als ich dann um 17 Uhr noch bei der Schule vorbeikam, war die After-Run-Party so gut wie vorbei - nur die Band spielte noch immer für 4 Leute, die ausgelassen vor der Bühne tanzten - ein schönes Bild.
Stunden vorher lag ich noch auf dem Rücken - mitten auf dem Prinzipalmarkt. Über mir die Girlanden in den Farben der Stadt - strahlend blauer Himmel und hin und wieder freundliche und sichtlich besorgte Gesichter der Helfer, die in meinem Gesichtsfeld auftauchten. "Nein danke - mir geht es gut - ich bin nur müde" war meine Antwort. Trotzdem bekam ich Folie und Cola gereicht - danke. Ich war erschöpft - für kurze Zeit ohne Kraft - aber innerlich total happy. Ein Blick zur Uhr - gleich noch einer - ja - paßt alles - 15 Sekunden unter der Zeit - letzter Kilometer in 5 Minuten. Das war eine knappe Kiste ...
8:45 Uhr - Ausgerüstet mit der obligatorischen Trinkflasche und einem ungebügelten weißen T-Shirt noch ein paar kurze Steigerungen - Traben - Gebüsch etwas genauer inspizieren und dann weg mit dem Kram - ab in den Startblock - "Hoffentlich tut's nicht so weh" denke ich mir noch und ab geht die Post - auf zum Marathondebut.
Nach 11km geht's am Zielbereich Prinzipalmarkt vorbei, bis dorthin durch die teils winkligen Gassen der Münsteraner Innenstadt sowie immer wieder über die schöne Promenade. Schnell kann ich die Kilometer an der Stoppuhr wegdrücken. Dem erhöhten Schwierigkeitsgrad der Streckenführung und dem immer wiederkehrenden Wechsel zwischen Bürgersteig und Straße, der Flucht vor dem Kopfsteinpflaster und dem Ausweichen vor auftauchenden Hindernissen kann ich verdanken, daß die Reise auf den ersten 10km sehr kurzweilig ist. Wer meint, daß bei einem Innenstadtkurs die parkenden Autos das Haupthindernis darstellen würden, der sollte sich darauf gefasst machen, daß in Münster die Fahrräder diesen Part perfekt übernehmen. Zweimal rausche ich an den Verpflegungen vorbei und beschließe danach auch rechts zu laufen, wenn eine Verpflegung angekündigt ist - Anfängerfehler. Immer die Luftballons der Pace-Maker im Blick laufe ich mit meiner Gruppe durch Münster und nutze meine noch vorhandene Aufmerksamkeit, um Münster-City näher kennenzulernen. Zu so früher Stunde ist die Resonanz an der Strecke teilweise noch recht verhalten und viele Zuschauer begnügen sich mit einem Blick durch ihr Fenster - ganz anders allerdings auf der Promenade und an den Powerpoints. Dort sind einfach überall Leute - ich kenne das in dieser Form nicht und fühle mich daher richtig gut.

Ich hatte mir den MüMa zuvor in 4 Etappen eingeteilt und konnte die erste nun zufrieden abhaken. Jetzt ging's raus aus der City, durch Gievenbeck hindurch zum 1.HM, von dort aus auf der dritten Etappe nach Roxel und auf der 4. Etappe dann vom Ortsausgang Roxel bei km35 wieder zurück in die Innenstadt.
Bei km12 führte die Strecke am Aasee vorbei und hier bekamen wir einen Eindruck von der wirklichen Begeisterung des Publikums. Der Weg vom Start dorthin war nicht allzu weit - und die Leute stehen hier dicht an dicht. Ein grandioser Abschied für kurze Zeit - denn jetzt konnte erst mal gerollt werden. Über weitausladende Straßen ging es zunächst um den Aasee herum und anschließend aus der Innenstadt heraus, bis dann bei km18.5 Gievenbeck erreicht wurde. Gerade angekommen wurde man wieder freundlich empfangen und durfte kurz auf den einen oder anderen Frühstückstisch schauen, den sich die Anwohner in den Vorgarten oder auf die Straße gestellt haben. Alles läuft wunderbar - den Beinen geht's gut, ich habe regelmäßig trinken können und die Temperaturen empfinde ich nicht als Belastung. Insgesamt war dieser Abschnitt eine Wohltat, denn man kann hier ruhig laufen und gleichmäßig sein Tempo halten.
Der 1.HM war nun erreicht und die Szenerie meiner Ansicht nach mehr als angemessen. Nach all dem Trubel der Innenstadt und in Gievenbeck kamen wir nun durch eine kleine Waldschonung. Es war schattig und ruhig. Um uns herum nur Bäume und keine Ablenkung. Kurz war man allein: da war nur der Läufer, die Straße und die Uhr: 1:28:20 h

Wow - doch so schnell - hatte ich gar nicht mitbekommen, da ich bewußt meine Uhr auf einzelne Kilometerzeiten eingestellt hatte. Da haben die Pacer mal schön vorgelegt. Und kaum aus dem Wald herausgekommen stiegen auch schon die ersten Zweifel bezüglich der Temperatur in mir auf. "Jetzt kommt die Hitze" dachte ich so bei mir. Aber das Rennen geht unaufhörlich ohne Veränderungen für mich weiter. Ich rede noch mit einem der Pace-Maker über unsere Rauchervergangenheit und plane für mich den weiteren Ablauf des Rennens. War ja kar, daß bis hierhin nichts gravierendes passiert - dafür habe ich schließlich trainiert. 80-100km/Woche und einige >30km-Läufe waren dabei - zweimal sogar 37km.

Km26.5 - wir biegen auf die Roxeler Straße ein. Nachdem wir noch ein paar sehr lebendige Wohnsiedlungen von Gievenbeck besichtigt hatten, kommt nun ein wenig Kontrastprogramm. Hier sieht alles gleich nach einem ehrlichen und harten Straßenrennen aus. Absperrung in der Straßenmitte für den Marathoni-Gegenverkehr über rund 1.5km. Ansonsten das gewohnte Erscheinungsbild einer Bundesstraße: Asphalt grau - Begrenzungslinien weiß - Straßenrand grün. Meine Frage, ob denn die Elite-Läufer schon durchgekommen seien, wurde umgehend beantwortet - Zunächst einmal kam uns der Autokonvoi entgegen - Marketingfahrzeuge, Fahrzeuge vom Veranstalter, Polizei und zuletzt das Fahrzeug mit der aktuellen Rennzeit. Dann der Führende - allein - damit hatte ich nicht gerechnet - bereits jetzt bei ca 35.5km war das Rennen entschieden - schade. Unser Rennen war ohnehin ein anderes und deswegen konnten wir uns schon auf die nächste Verpflegung freuen. Ich habe sofort die Gelegenheit genutzt und meinen Schwamm verloren. Es geht deutlich hoch - waaaas ? - tatsächlich - deutlich spürbar müssen wir uns die Straße hochmühen. Ich bin überrascht und denke mir:" Na super - da geht's nachher bei km35 wieder runter. Wird ja ein Kinderspiel". Aber so weit sind wir ja noch nicht.
Auf diesem kurzen Streckenabschnitt außerhalb Münsters findet man so gut wie gar keine Wohnhäuser und trotzdem stehen an den Straßenrändern immer mal Leute und feuern die Marathonis an. Dann plötzlich taucht einer der Staffelwechselpunkte auf - rund 400 Läufer stehen dort, warten sehnsüchtig auf ihre Laufpartner und verbringen ihre Zeit mit frenetischem Jubel und Anfeuerungen für die durch ein enges Menschenspalier laufenden Marathonis. Geil - danke. Das tut hier besonders gut.
Bei km28 dann trennen sich die Wege wieder. Unser Weg führt nach Roxel herein, während die schnelleren Marathonis gerade aus Roxel rausdüsen und den laaangezogenen Endspurt nach Münster antreten. Die letzten, die wir noch sehen, werden mit 2:3xh im Ziel ankommen. WOW
Auf dem Weg durch Roxel kommen wir wieder an vielen Häuschen vorbei, spielende Kinder die ihre helle Freude am Marathon haben, Gartenschlauchduschen, an denen ich meine helle Freude habe und immer wieder diese Luftballons meiner Pace-Maker. So langsam wird die Wahrnehmung konfuser - gewinnt die Anstrengung an Bedeutung. 30km - wie ist der aktuelle Stand ? 2:05:55h Die Beine sind noch dran, die ein oder andere Kurve fällt nicht mehr so leicht aber das Tempo und die Stimmung in der Gruppe paßt. Eine Überschlagsrechnung ermöglicht 4:25min/km für den Rest - das baut auf, denn da liegen wir mit zuletzt 4:16min/km deutlich drunter.

Wann immer ich Wasser bei der Verpflegung zu mir genommen habe, kam der Rest über den Kopf und somit war für einen kurzen Moment die Kühlung perfekt. Das hätte ich bei km32.5 besser nicht getan. Viel zu routiniert und mit der aufkommenden Müdigkeit beschäftigt trank ich den Ultrabuffer und - ja genau - schüttete mir den Rest über den Kopf. Na das war ne klebrige Angelegeheit, die ich selbst im Ziel noch zu spüren bekam. Jetzt aber nichts wie raus aus Roxel, sonst wird's noch peinlich

"Ab jetzt geht's runter" ruft jemand vom Straßenrand - "Ja ja ja " denke ich mir freudig, das ist mein Rennen. Bisher war einfach alles angenehm. 35km sind geschafft und es ist alles im grünen Bereich, wenn auch die letzten Kilometerzeiten langsamer wurden und wir ca. 2-3 Sekunden pro km verloren. Die Zeit paßt also, die Luftballons sind noch vor mir und ich bin auf der 4. Etappe. Jetzt gehöre ich mal zu den schnellen und nun kommen mir die Marathonis auf den nächsten 1.5km entgegen. So kann man mal in die Gesichter schauen und erkennt das gesamte Spektrum - von Kampf bis Gelassenheit. "Hoffentlich wird's für die anderen nicht noch zu hart" denke ich mir so, wenn ich feststelle, daß sich meine Gruppe deutlich auseinandergezogen hat. Es sind jetzt weniger direkt bei dem Pace-Maker, aber denen geht's noch gut. An der nächsten Verpflegung konnte ich eine Kollision mit einem Helfer vermeiden, der urplötzlich vor mir auf der Straße erschien und über deutlich mehr Kampfgewicht verfügte. Aber es ging gut und ich trank, kühlte mich noch ab und lief weiter. Nur noch die 5m Abstand zum Pace-Maker zulaufen und dann ab nach Münster. Tja - daraus wurden dann 10m Abstand, 15m - oh no. Auf dem dann doch ansteigenden Weg zu km37 passierte es. Was tun ? Gas geben ? Nein - ich hatte eine irre Angst vor dem totalen Einbruch. So bekommt der vor der Kaserne ausgestellte Panzer eine etwas zwiespältige Bedeutung: ich bin wohl angeschossen.

5. Etappe


12:00 Uhr Ich gehe - stecke unbeholfen meinen Kopf durch das nächstbeste Medaillenband. Der Jubel der Zuschauer hinter mir wirkt wie eine Wand und schützt mich - jetzt bin ich sicher - ich bin da. Ich sehe ein Absperrgitter und Hocke mich dort hin, bald sitze ich, um mich dann endlich hinlegen zu können.
Ein Blick zur Uhr - gleich noch einer - ja - paßt alles - 15 Sekunden unter der Zeit - letzter Kilometer in 5 Minuten. Das war eine knappe Kiste ...
Fazit: Kaiserwetter und sportlicher Erfolg - dazu noch diese tolle Veranstaltung .- ich verteile hier die Höchspunktzahl. Der MüMa gehört zu den Veranstaltungen, bei denen eben alles stimmt und wo zudem noch die Bereitschaft in der Bevölkerung ,die Sache mitzufeiern, ausgesprochen groß ist. Ein echtes Highlight - eine Klasse für sich eben.
Nachtrag: Das war's - der erste Marathon und dann bin ich mit so viel Glück ins Ziel gekommen. Ohne Pace-Maker wäre da gar nichts gegangen und denen möchte ich hiermit nochmals ganz besonders danken. Zum Ende hin habe ich 1min20 auf meine Gruppe verloren. Ein Blick in die Ergebnisliste der Top200 zeigt eine atemberaubende Spannweite bei den HM-Splits - da bin ich mit meiner 3min schlechteren 2. Hälfte noch sehr gut bedient. 5-10min und sogar deutlich mehr sind an diesem Tag keine Seltenheit gewesen. Bei Kilometer 41 und 42 hatte ich dann mein Erlebnis mit dem Hammermann - ich wollte ja nichts auslassen - und bin heilfroh, daß ich mich noch ins Ziel retten konnte. Ein Strahlen auf dem Zielfoto gibt's dann beim nächsten mal.
Die Zahlen für die Statistiker:
35km ca 2:27h 4'13er schnitt
km36.....4'20
km37.....4'21
km38.....4'24
km39.....4'27
km40.....4'29
km41.....4'32
km42.....5'02
rest........0'52
gesamt: 2:59:45h
1.HM 1:28:20
2.HM 1:31:25
Übrigens: den Altstadtrundgang habe ich dann doch nicht ganz mitgemacht - ich war einfach zu müde. Als ich dann um 17 Uhr noch bei der Schule vorbeikam, war die After-Run-Party so gut wie vorbei - nur die Band spielte noch immer für 4 Leute, die ausgelassen vor der Bühne tanzten - ein schönes Bild.