Die Pose-Methode - ein Erklärungsversuch
Verfasst: 28.12.2006, 21:48
Hallo zusammen,
da in einem anderen Thread (ChiRunning) gerade der Vergleich zwischen ChiRunning und Pose-Methode aufkam und mir beim Antowrten auffiel, dass ich dafür ja erstmal Pose kurz erklären muss, habe ich diesen Teil also in einen neuen Thread ausgelagert. So passt es besser zum Titel des Threads und vielleicht interessierts ja sonst auch noch jemanden
(Vorsicht es könnte länger werden ....)
Die Pose-Methode sieht die Schwerkraft als die primäre Quelle unserer Fortbewegung. Dieser Gedanke erscheint erstmal ziemlich abwegig, da das mehr oder minder ferne Wissen aus dem Physikunterricht uns sagt, dass die Schwerkraft senkrecht nach unten wirkt. Und auch die gesamte Sportwissenschaft - nicht nur beim Laufen - interessiert sich im grunde nicht für sie.
Nein, ich habe den Physikunterricht nicht verschlafen
Wie funktionert das ganze also?
Im Grunde ist es ganz einfach. Galileo Galilei hat schon vor langer Zeit das Experiment der Kugel auf der schiefen Ebene benützt, um der Schwerkraft zu verstehen. Wieso rollt also die Kugel die Schräge hinunter, obwohl die Schwerkraft nur nach unten wirkt? Weil der Support, die Unterstützungsfläche, nicht senkrecht unter dem Körperschwerpunkt der Kugel liegt. Dadurch entsteht eine Komponente der Schwerkraft, bzw. der Bodenreaktionskräfte, in Bewegungsrichtung.
Das kann man in jedem Physikbuch aus der Schule nachlesen: Fh = mg*sin(alpha).
Genau das gleiche Prinzip ist auch beim Laufen am Werk. Ein Beispiel:
Wenn man auf der Stelle steht, mit beiden Füßen am Boden und im Gleichgewicht, wie bewegt man sich dann vorwärts? Abdrücken? Geht nicht - nicht nach vorne zumindest. Kraftvoll die Hüfte strecken? Klappt auch nicht. Die einzige Wahl, die wir haben, ist das Gleichgewicht aufzugeben. Sobald wir das tun, bewegen wir uns nach vorne.
Wer bewegt uns hier also? Wenns nicht der heilige Geist ist, dann bleibt nur noch eins: die Schwerkraft. Wie bei dem Ball auf der schiefen Ebene.
Daraus entsteht sofort die dreiteilige Bewegungsstruktur: Pose - Fallen - Ziehen (Englisch: Pose - Fall - Pull)
Pose ist die einzige Position, aus der wir nach vorne fallen, das Gleichgewicht aufgeben können. Im Grunde ist es die Position, die in der Literatur oft als Midstance oder Mittelstütz bezeichnet wird. Der Körperschwerpunkt befindet sich direkt über dem Support. Das Gewicht ruht auf dem Fußballen und man ist im Gleichgewicht. Alles was vor dieser Position passiert, ist kontraproduktiv. Man kann nur warten, bis man dank seiner Trägheit und Newtons Gesetzen diese Position erreicht. Deshalb sollte man ihr beim Fußaufsatz so nahe wie möglich kommen.
Das Fallen ist eine passive Bewegung. Wir müssen es nur zulassen. Das ist, was viele Spitzenläufer von uns unterscheidet: Eine nahezu unglaubliche Fähigkeit zu fallen. Niemand hat es ihnen beigebracht, es ist einfach, was man Talent nennt. Talent zur Interaktion mit der Natur, mit der Schwerkraft, um sich fortzubewegen.
Das Ziehen verbindet die Schrittzyklen miteinander. Wir müssen den hinteren Fuß wieder zurück unter die Hüfte bringen, oder es wird der letzte Schritt sein, bevor man sich auf dem Boden wiederfindet. Die Aufgabe ist einfach: Der Fuß wird direkt unter die Hüfte gezogen. Wie hoch der Fuß dabei kommt, ist in erster Linie abhängig vom Ausmaß des Fallens und damit der Geschwindigkeit.
Ein Abdruck existiert beim Laufen nur nach oben, um eine minimale vertikale Oszillation zu erreichen und den Support von einem Fuß auf den anderen verlagern zu können. Und darum braucht man sich nicht weiter zu kümmern, es passiert völlig unbewusst.
Ich weiß, dass sich das radikal anhört und dass jeder Trainer, jeder Sportwissenschaftler und viele Läufer vom kräftigen Abdruck nach vorne sprechen und es viele wahrscheinlich auch so fühhlen. Ohne jemanden zu Nahe treten zu wollen: Es ist nichts weiter als eine Illusion.
Man kann sich jedes beliebige Diagramm von Bodenreaktionskräften beim Laufen anschauen: In der Position, in der man sich abdrücken soll, erreicht die vertikale Komponente der Bodenreaktionskraft nur noch 1-faches Körpergewicht. Wenn das Abdrücken ist, dann ist auch ruhig auf der Stelle stehen Abdrücken. Doch gleichzeitig erreicht in dieser Phase die horizontale Komponente ihr Maximum. Das hat jedoch nichts mit aktivem Muskeleinsatz zu tun, sondern ist pure Geomotrie - wie bei der Kugel auf der schrägen Ebene.
Aus der Perspektive der Pose Methode bedeutet Laufen also, sich nach vorne fallen zu lassen und den hinteren Fuß schnell wieder unter die Hüfte zu ziehen. Und das mit jedem Schritt. Lehnen wir uns weiter nach vorne, vergrößert sich der Schritt und wir laufen schneller. Bleibt das Fallen konstant und machen wir schnellere Schritte - ziehen also schneller - laufen wir auch schneller.
So nun reichts aber für heute.
Ich bin für alle Fragen und Diskussionen offen - also bitte steinigt mich nicht
Ciao, Florian.
da in einem anderen Thread (ChiRunning) gerade der Vergleich zwischen ChiRunning und Pose-Methode aufkam und mir beim Antowrten auffiel, dass ich dafür ja erstmal Pose kurz erklären muss, habe ich diesen Teil also in einen neuen Thread ausgelagert. So passt es besser zum Titel des Threads und vielleicht interessierts ja sonst auch noch jemanden

(Vorsicht es könnte länger werden ....)
Die Pose-Methode sieht die Schwerkraft als die primäre Quelle unserer Fortbewegung. Dieser Gedanke erscheint erstmal ziemlich abwegig, da das mehr oder minder ferne Wissen aus dem Physikunterricht uns sagt, dass die Schwerkraft senkrecht nach unten wirkt. Und auch die gesamte Sportwissenschaft - nicht nur beim Laufen - interessiert sich im grunde nicht für sie.
Nein, ich habe den Physikunterricht nicht verschlafen

Im Grunde ist es ganz einfach. Galileo Galilei hat schon vor langer Zeit das Experiment der Kugel auf der schiefen Ebene benützt, um der Schwerkraft zu verstehen. Wieso rollt also die Kugel die Schräge hinunter, obwohl die Schwerkraft nur nach unten wirkt? Weil der Support, die Unterstützungsfläche, nicht senkrecht unter dem Körperschwerpunkt der Kugel liegt. Dadurch entsteht eine Komponente der Schwerkraft, bzw. der Bodenreaktionskräfte, in Bewegungsrichtung.
Das kann man in jedem Physikbuch aus der Schule nachlesen: Fh = mg*sin(alpha).
Genau das gleiche Prinzip ist auch beim Laufen am Werk. Ein Beispiel:
Wenn man auf der Stelle steht, mit beiden Füßen am Boden und im Gleichgewicht, wie bewegt man sich dann vorwärts? Abdrücken? Geht nicht - nicht nach vorne zumindest. Kraftvoll die Hüfte strecken? Klappt auch nicht. Die einzige Wahl, die wir haben, ist das Gleichgewicht aufzugeben. Sobald wir das tun, bewegen wir uns nach vorne.
Wer bewegt uns hier also? Wenns nicht der heilige Geist ist, dann bleibt nur noch eins: die Schwerkraft. Wie bei dem Ball auf der schiefen Ebene.
Daraus entsteht sofort die dreiteilige Bewegungsstruktur: Pose - Fallen - Ziehen (Englisch: Pose - Fall - Pull)
Pose ist die einzige Position, aus der wir nach vorne fallen, das Gleichgewicht aufgeben können. Im Grunde ist es die Position, die in der Literatur oft als Midstance oder Mittelstütz bezeichnet wird. Der Körperschwerpunkt befindet sich direkt über dem Support. Das Gewicht ruht auf dem Fußballen und man ist im Gleichgewicht. Alles was vor dieser Position passiert, ist kontraproduktiv. Man kann nur warten, bis man dank seiner Trägheit und Newtons Gesetzen diese Position erreicht. Deshalb sollte man ihr beim Fußaufsatz so nahe wie möglich kommen.
Das Fallen ist eine passive Bewegung. Wir müssen es nur zulassen. Das ist, was viele Spitzenläufer von uns unterscheidet: Eine nahezu unglaubliche Fähigkeit zu fallen. Niemand hat es ihnen beigebracht, es ist einfach, was man Talent nennt. Talent zur Interaktion mit der Natur, mit der Schwerkraft, um sich fortzubewegen.
Das Ziehen verbindet die Schrittzyklen miteinander. Wir müssen den hinteren Fuß wieder zurück unter die Hüfte bringen, oder es wird der letzte Schritt sein, bevor man sich auf dem Boden wiederfindet. Die Aufgabe ist einfach: Der Fuß wird direkt unter die Hüfte gezogen. Wie hoch der Fuß dabei kommt, ist in erster Linie abhängig vom Ausmaß des Fallens und damit der Geschwindigkeit.
Ein Abdruck existiert beim Laufen nur nach oben, um eine minimale vertikale Oszillation zu erreichen und den Support von einem Fuß auf den anderen verlagern zu können. Und darum braucht man sich nicht weiter zu kümmern, es passiert völlig unbewusst.
Ich weiß, dass sich das radikal anhört und dass jeder Trainer, jeder Sportwissenschaftler und viele Läufer vom kräftigen Abdruck nach vorne sprechen und es viele wahrscheinlich auch so fühhlen. Ohne jemanden zu Nahe treten zu wollen: Es ist nichts weiter als eine Illusion.
Man kann sich jedes beliebige Diagramm von Bodenreaktionskräften beim Laufen anschauen: In der Position, in der man sich abdrücken soll, erreicht die vertikale Komponente der Bodenreaktionskraft nur noch 1-faches Körpergewicht. Wenn das Abdrücken ist, dann ist auch ruhig auf der Stelle stehen Abdrücken. Doch gleichzeitig erreicht in dieser Phase die horizontale Komponente ihr Maximum. Das hat jedoch nichts mit aktivem Muskeleinsatz zu tun, sondern ist pure Geomotrie - wie bei der Kugel auf der schrägen Ebene.
Aus der Perspektive der Pose Methode bedeutet Laufen also, sich nach vorne fallen zu lassen und den hinteren Fuß schnell wieder unter die Hüfte zu ziehen. Und das mit jedem Schritt. Lehnen wir uns weiter nach vorne, vergrößert sich der Schritt und wir laufen schneller. Bleibt das Fallen konstant und machen wir schnellere Schritte - ziehen also schneller - laufen wir auch schneller.
So nun reichts aber für heute.
Ich bin für alle Fragen und Diskussionen offen - also bitte steinigt mich nicht

Ciao, Florian.