Allgäu Triathlon (2/92/21) - face-your-fears
Verfasst: 22.07.2007, 21:08
Hier mein versprochener Bericht. Recht lang leider aber es ist viel - zu viel - passiert ... deshalb auch ganz ohne Smilies.
Präambel
Als ich OnkelUlrich im Herbst/Winter 2006 von meinem Plan erzählte 2007 am Allgäutriathlon (2/92/21) teilzunehmen, war sein Kommentar: „Mach es nicht!“ Kurzum: Das war der falsche Satz zur falschen Zeit und ich habe mich angemeldet, sobald es ging. Danke Uli! Heute weiß ich was er meinte. Mein Tipp für alle Leser: Man sollte als Anfänger darüber nachdenken, wenn ein mehrfacher Ironman mit fast 100 Wettkämpfen in Lauf, Duathlon und Triathlon einem sagt, dass die Radstrecke wohl zum Härtesten und Schwierigsten gehört was er bisher gemacht hat. Aber ich bin in gewissen Dingen einfach Beratungsresistent und habe deshalb mit Immenstadt mein persönliches „face-your-fears“ Projekt gestartet. „fears“ bedeutet in diesem Zusammenhang ganz klar: Radschwäche.
Am Freitag bin ich also mit meiner Frau und meinen beiden Jungs ab ins Allgäu. Zwischen diesem Freitag und dem besagten Tag im November lagen viele Zweifel und ca. 210 Stunden Training im Wasser, auf dem Rad und in den Laufschuhen. Nichtgerade viel für eine Mitteldistanz – vor allem nicht von Einem, der sich gerade in seiner zweiten Triathlonsaison befindet.
Der Wettkampf
Die perfekte Organisation begann schon mit der Wettkampfbesprechung und es deutete sich hier schon an, dass man es mit German Altenried (Organisator) mit einem Triathlon-Urgestein zu tun hat. Ein Wettkampf organisiert von Triathleten für Triathleten in seinem 25. Jahr. Wenn letztes Jahr der Rothsee-Triathlon schon super organisiert war, so sollte sich im Laufe des Renntages zeigen, dass der Allgäutriathlon das noch toppen konnte. Da stimmte alles. Nichts überflüssig, nichts zu wenig und der Athlet stand im Mittelpunkt. Der Wettkampf ist ein absolutes MUSS für jeden Triathleten, der es sich nach meinem Bericht noch zutraut. Ein weiterer Aspekt bei der Wettkampfbesprechung/Startnummernausgabe war, dass im Vergleich zu den anderen drei Triathlons die ich bisher gemacht habe immer Leute da waren, denen man schon ansah, dass die nicht so fit sind wie ich. Das war in Immenstadt anders: Ich habe nur echte „Tiere“ gesehen – alle recht austrainiert. Das wird wohl seinen Grund haben. Schluck.
Race-Day
Wecker um 5:40 Uhr und das typische Ritual in der Frühe – wenig spannend. Auch nicht das Vorbereiten der Wechselzone bzw. die Abgabe der Kleiderbeutel. Schön ist, dass die Plätze für die einzelnen Beutel sich genau in der richtigen Reihenfolge vom Betreten der Wechselzone bis hin zum Start befinden. Man muss einmal durch und fertig. Top! Bei der Besichtigung der Strecke aus dem Wasser hin zum Rad ist mir aufgefallen, dass der Weg doch recht lange ist und im Wechselzelt keine Bänke vorhanden waren. Später sollte sich herausstellen, dass man die auch nicht wirklich braucht.
Schwimmen
„Go out easy for the swim“ war die Strategie von Coach Gordo – daran wollte und habe ich mich gehalten. In München wird im Becken geschwommen, in Rothsee gab es Wellenstarts und so gab es bei meinem vierten Triathlon eine Premiere: Massenstart von knapp 1000 Teilnehmern. Davor hatte ich etwas Bammel. Da sauber finishen mein Ziel war, habe ich mich hinten rechts aufgestellt und beschlossen den anderen Herrn den Vortritt zu lassen – sollen die sich doch kloppen. Ich war also wirklich ganz hinten und da fiel mir auf, dass der Weg zu und zwischen den Wendebojen gar nicht durch kleinere Bojen markiert war. Auch hier stellte sich raus: Das braucht auch keiner.
Nach dem Startschuss bin ich wirklich als letzter über die Ziellinie – gefühlt habe ich eine halbe Stunde gewartet. Meine Frau meinte aber anschließend, dass es eher nur eine Minute war. Dann ging es auch für mich los. Es lief von Anfang an super und ich war nur am Überholen. Die erste Wendeboje habe ich richtig Klasse genau innen und direkt erwischt – leider hatten das viele andere auch: Es gab einen kleinen Stau an der Stelle. Zwei Brustschwimmzüge wegen „Blockabfertigung“ und weiter ging’s. Ab dann hatte ich massive Orientierungsprobleme. Ich konnte die zweite Wendeboje um’s Verrecken nicht sehen und bin immer wieder nach rechst außen abgedriftet. Plötzlich war halt wieder mal das Wasser ruhig. „Das kennst Du doch von Roth – da stimmt was nicht“ dachte ich mir und nach einem kurzen Blick links, rechts und nach vorne ging es wieder zurück ins Feld. Den Ausstiegskanal zum Ufer konnte ich dann wieder gut erkennen und als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, krempelte ich den Neo zurück und da stand was von 36:xx min – perfekt! Also raus aus dem Wasser und über die Zeitmessmatte: 37:39min.
T1
Der Weg in das Wechselzelt war lang. Dort habe ich mir dann auch betont Zeit gelassen, mir sogar Socken und bereits die Radschuhe angezogen. War mal anders rum, klappte auch nicht schlecht, zumal mein Rad gleich neben dem Wechselzelt stand und ich mit Schuhen so gesehen nicht viel mehr laufen musste. Einen Krampf in der rechten Wade bekam ich auch nicht und ich fühlte mich frisch und „ready for rock ‚n‘ roll“. So soll es sein nach dem Schwimmen. Insgesamt nahm ich mir für den ersten Wechsel 4:23 Zeit. Nach 45min wollte ich allerspätestens auf dem Rad sitzen. Jetzt hatte ich schon 3min Vorsprung.
Rad
Vorab: Die Radstrecke ist der absolute Hammer! Ich war Ende Mai noch in Radstadt bei einem Radmarathon, der 6km länger war und 200HM mehr hatte. Das war aber ein Witz gegen das was da in Immenstadt abgeht. Steile Ansteige, unrhythmisch, sogar die Abfahrten schwierig weil wellig, kleine steile Stiche immer wieder. In Radstadt bin ich die ganze Strecke nicht einmal Wiegetritt gefahren – alles relativ locker im Sitzen. In Immenstadt musste ich unzählige Male aus dem Sattel – im kleinsten Gang wohlgemerkt und ich fahre Kompakt! All‘ die kleinen „Huppel“ im Höhenprofil, die man erst beim zweiten Mal genau hinsehen wahrnimmt, sind irgendwelche von diesen gemeinen Stichen. Knapp 3km nach dem Rundenanfang (es sind 2 Runden je 44km zu fahren + der Rest von und zur Runde) kommt gleich der Kalvarienberg mit einer 16% Stelle. Das ist aber gar nicht mal so tragisch. Da muss man halt rauf – das ist alles. So ein ähnliches Stück kommt dann noch im Anschluss nach dem Anstieg nach Ettensberg – Augen zu und durch. Der eigentliche Hammer ist aber km 29-41 (1. Runde) das ist eine Steigung (auch hier wellig mit kleinen Teilen die stärker „zu machen“). Hier hatte ich immer das Gefühl, es hätte Gegenwind gehabt. Die Grashalme am Wegrand zeigten dies zumindest auch an. Aber egal – mental war ich auf alles nur Erdenkliche vorbereitet – fast auf alles. So kam ich auch hier gut zurecht.
Nach dem ersten Anstieg nach Ettensberg, gleich das erste Teilstück runter, bekam ich einen Stich im rechten Knie auf der Innenseite: Der Blick nach unten – eine Wespe! Das brannte zunächst höllisch. Ich habe das Tier weggeschlagen und viel Spucke d’rauf gemacht. Zwei, drei Kilometer und guten Fokus auf das Rennen war dann der Schmerz auch wieder weg. Der zweite Anstieg zum Kalvarienberg war ähnlich anstrengend wie der Erste und bis ca. km 64 (Abfahrt von Ettensberg runter) hatte ich das Rennen voll unter Kontrolle. Ich war 100%ig fokussiert, genau im Zeitplan für Rad von 3:25h den ich meiner Frau gegeben hatte und lies mich von nix aus der Ruhe bringen. Kurzum: Alles perfekt. Ich fühlte mich psychisch und physisch stark. Dann kam es zur Tragödie.
Auf der steilen Abfahrt auf schmalen Straßen sah ich schon einen Helfer winken. Er bremste uns ab auf Schrittgeschwindigkeit und das ganze Ausmaß wurde sichtbar. Rechts im Straßengraben saß ein älterer Athlet mit blutüberströmten Gesicht und offensichtlichem Schock. In der Mitte der Straße lag ein weiterer Athlet auf dem Rücken, er konnte sich nicht mehr bewegen, ebenfalls blutüberströmtes Gesicht und sein Kopf wurde von einem Helfer gehalten. Er weinte, hatte offensichtlich starke Schmerzen. Links daneben lag ein bewusstloser Triathlet in stabiler Seitenlage in seiner eigenen (eher kleinen als großen) Blutlache. Er blutete aus Nase, Ohren und Mund. Die Stelle war steil genug, dass sein Blut in einer kleinen Spur nach unten den Berg hinab lief. Der Anblick war der Horror. Sofort schossen mir die Bilder von Radstadt in den Kopf, wo ich ebenfalls kurz nach einem schweren Sturz am Unfallort vorbei kam. Der Fahrer in Österreich (ein 46jähriger Familienvater) starb noch am Unfallort. Damals war aber die Straße breiter und ich bin mit vielleicht 60 km/h an dem Bewusstlosen vorbeigefahren. Gestern in Immenstadt aber waren zwischen den beiden Körpern am Boden vielleicht 50-100cm Platz und ich musste zwischen den Athleten ganz langsam hindurch fahren. Das machte den Eindruck extrem unmittelbar. Darauf war ich nicht vorbereitet – aber wer ist das schon. Bald hinter mir wurde dann die Strecke gesperrt, der Rettungshubschrauber landete und brachte beide Sportler nach Murnau ins Klinikum. Hoffentlich überleben die Jungs.
Das Rennen war für mich ab diesem Punkt gelaufen. Ich war dermaßen betroffen, ich schaffte es nicht mehr den Fokus auf mich und mein Tun zu legen. Ich dachte an meine Frau und meine Kinder. Das war wie nach dem Umlegen eines Schalters. Ab diesem Moment war die Radstrecke nur noch schlimm. Wo vorher alles automatisch und völlig perfekt lief, war nun alles unglaublich schwer. Aeropos einnehmen nach einem Anstieg, schalten, Bremsgriffhaltung, Wiegetritt, trinken, essen – alles im idealen psychischen Zustand – das alles war jetzt nur noch Arbeit auf dem Rad. Ich musste mich zu allem zwingen, zum Trinken, zum Treten, zum Schalten, zum Wechsel in Aeropos nach Anstiegen. Ich war mehrmals kurz davor vom Rad zu steigen. Ich habe mir geschworen nie mehr ein Radrennen zu fahren. Irgendwie kam aber doch noch sowas wie ein „Wettkampf-Ich“ zum Vorschein und ich habe versucht das zu tun was ich mir vorgenommen habe: „enjoy the day ahead“ – das klappte aber nicht. Dann überlegte ich mir verschiedene Strategien die Emotionen wieder in den Griff zu kriegen - vergeblich. Dann versuchte ich zu weinen. Das hilft oft dachte ich mir. Warum nicht, der Fokus muss wieder her. Aber auch das kappte nicht. Irgendwie bekam ich die Radrunde dann doch noch zu Ende aber das war harte Arbeit. Ich habe mir ca.15min auf den Zeitplan eingeschenkt und habe letztendlich 3:39 benötigt. Aber wie unwichtig ist das denn eigentlich?
T2
Hier habe ich mir wieder viel Zeit gelassen. Sogar ein frisches Paar Socken habe ich mir gegönnt. Gels eingepackt, alles Radzeugs feinsäuberlich verpackt noch kurz einen Schluck Wasser und weiter. Der Wechsel war mit wieder ca. 4 ½ Minuten recht lang für einen T2 Aufenthalt. Immerhin habe ich aber Socken gewechselt. Ist ja auch was.
Laufen
3 x 7km waren zu bewältigen. Vorweg: Die in der Ausschreibung als flach gepriesene Laufstrecke war nicht flach. Flach ist, wenn ich neben der Isar meine Trainingsläufe mache. Nach Rauhenzell hinter ging es hoch, auf der Wendepunktstrecke war auch ein Anstieg und man musste zweimal Böschungen hoch. Insgesamt wohl keine wirklich relevanten Höhenmeter aber nicht flach und wenn man „angenockt“ doch ist sehr schmerzhaft. Der Allgäuer hat aber wohl eine andere Definition von flach wie der Niederbayer. Die Geschichte des Laufs ist schnell erzählt. Bis km 11 war ich gut im Plan – ich lag auf gut sub 2h. Der Plan sah dann vor, dass ich schneller werde. Unglücklicherweise wurde es dann aber immer schwerer und ich wurde langsamer statt schneller. Emotional war ich schon völlig leer und hatte auch keine Kraft mehr mich zu pushen. Ich bin das Ding dann einfach nach Hause gelaufen um mit 2:05h nicht wirklich das zu zeigen was ich dachte zu können. 1:55 +/- 5min habe ich schon erwartet. Nach insgesamt 6:30h bin ich mit meinen Jungs ins Ziel eingelaufen. Das erste was ich meiner Frau erzählte war die Geschichte von dem Unfall. Es tat gut endlich mit jemandem Vertrauten darüber reden zu können – es entluden sich dann auch alle Emotionen.
Fazit
Der 25. Allgäutriathlon (2/92/21) war das beste Sportevent an dem ich bisher teilgenommen habe. Als erste Mitteldistanz ist der Tria aber nur bedingt zu empfehlen. Die Radstrecke ist nämlich wirklich richtig heftig. Allgemein ist eine Mitteldistanz nochmal ein ganz anderes Kaliber als eine OD. Die Ernährung und der Kopf spielen eine zentrale Rolle. Sportlich war das für mich grenzwertig, wenn ich mental auch eine Menge gelernt habe. Unterm Strich bin ich aber stolz und zufrieden. Mein Ziel Nr. 1 war "Finish". Wenn mich einer nach einer Zeit gefragt hat, habe ich meist so zw. 6:15-6:30 geantwortet. Passt also noch.
Emotional geht’s heute schon wieder einigermaßen - aber ob’s mir Spaß gemacht hat weiß ich noch immer nicht wirklich. Zu deutlich sind die Eindrücke des schlimmen Sturzes der Sportskammeraden. Bis km 64 rum war’s auf jeden Fall richtig geil! Ehrlich gesagt habe ich auch nicht erwartet, dass ich so sensibel reagiere. Andererseits bin ich froh, dass ich mir nicht gedacht habe: „Ha! – Wieder drei Plätze gut gemacht“. Da bin ich lieber so wie ich bin und kein emotionaler Krüppel. Ein Langdistanzdebüt wird es 2008 von mir mit ziemlicher Sicherheit nicht geben. Ich bin noch nicht soweit. Ich denke auch, dass der Spaßfaktor auf der Olympischen oder der Mittleren mindestens ebenso vorhanden ist. Stand heute denke ich aber, dass mich Immenstadt nächstes Jahr wieder sieht. Die Veranstaltung hat das Zeug zum Stammwettkampf uns Stammhöhepunkt des Jahres.
Getroffen habe ich übrigens auch felix_w, der eine echte Granate ist: Irgendwas mit 4:45h – irre. Auch Rob von emu5.de habe ich kennengelernt. Rob war wohl einer der Helfer beim Unfall. Er hat 30min dort gewartet und geholfenund mich dann beim Laufen nochmal überholt. Von ihm weiß ich auch, dass der Eine wohl einen Schädelbruch hat. Ich schließe dass er geholfen hat, weil ich ihn im Ziel mit blutverschmierten Waden getroffen habe. Vielleicht konnte er durch seine Hilfe das alles etwas besser verarbeiten. Ich werde demnächst mal mit ihm darüber sprechen.
peace Helmut
Präambel
Als ich OnkelUlrich im Herbst/Winter 2006 von meinem Plan erzählte 2007 am Allgäutriathlon (2/92/21) teilzunehmen, war sein Kommentar: „Mach es nicht!“ Kurzum: Das war der falsche Satz zur falschen Zeit und ich habe mich angemeldet, sobald es ging. Danke Uli! Heute weiß ich was er meinte. Mein Tipp für alle Leser: Man sollte als Anfänger darüber nachdenken, wenn ein mehrfacher Ironman mit fast 100 Wettkämpfen in Lauf, Duathlon und Triathlon einem sagt, dass die Radstrecke wohl zum Härtesten und Schwierigsten gehört was er bisher gemacht hat. Aber ich bin in gewissen Dingen einfach Beratungsresistent und habe deshalb mit Immenstadt mein persönliches „face-your-fears“ Projekt gestartet. „fears“ bedeutet in diesem Zusammenhang ganz klar: Radschwäche.
Am Freitag bin ich also mit meiner Frau und meinen beiden Jungs ab ins Allgäu. Zwischen diesem Freitag und dem besagten Tag im November lagen viele Zweifel und ca. 210 Stunden Training im Wasser, auf dem Rad und in den Laufschuhen. Nichtgerade viel für eine Mitteldistanz – vor allem nicht von Einem, der sich gerade in seiner zweiten Triathlonsaison befindet.
Der Wettkampf
Die perfekte Organisation begann schon mit der Wettkampfbesprechung und es deutete sich hier schon an, dass man es mit German Altenried (Organisator) mit einem Triathlon-Urgestein zu tun hat. Ein Wettkampf organisiert von Triathleten für Triathleten in seinem 25. Jahr. Wenn letztes Jahr der Rothsee-Triathlon schon super organisiert war, so sollte sich im Laufe des Renntages zeigen, dass der Allgäutriathlon das noch toppen konnte. Da stimmte alles. Nichts überflüssig, nichts zu wenig und der Athlet stand im Mittelpunkt. Der Wettkampf ist ein absolutes MUSS für jeden Triathleten, der es sich nach meinem Bericht noch zutraut. Ein weiterer Aspekt bei der Wettkampfbesprechung/Startnummernausgabe war, dass im Vergleich zu den anderen drei Triathlons die ich bisher gemacht habe immer Leute da waren, denen man schon ansah, dass die nicht so fit sind wie ich. Das war in Immenstadt anders: Ich habe nur echte „Tiere“ gesehen – alle recht austrainiert. Das wird wohl seinen Grund haben. Schluck.
Race-Day
Wecker um 5:40 Uhr und das typische Ritual in der Frühe – wenig spannend. Auch nicht das Vorbereiten der Wechselzone bzw. die Abgabe der Kleiderbeutel. Schön ist, dass die Plätze für die einzelnen Beutel sich genau in der richtigen Reihenfolge vom Betreten der Wechselzone bis hin zum Start befinden. Man muss einmal durch und fertig. Top! Bei der Besichtigung der Strecke aus dem Wasser hin zum Rad ist mir aufgefallen, dass der Weg doch recht lange ist und im Wechselzelt keine Bänke vorhanden waren. Später sollte sich herausstellen, dass man die auch nicht wirklich braucht.
Schwimmen
„Go out easy for the swim“ war die Strategie von Coach Gordo – daran wollte und habe ich mich gehalten. In München wird im Becken geschwommen, in Rothsee gab es Wellenstarts und so gab es bei meinem vierten Triathlon eine Premiere: Massenstart von knapp 1000 Teilnehmern. Davor hatte ich etwas Bammel. Da sauber finishen mein Ziel war, habe ich mich hinten rechts aufgestellt und beschlossen den anderen Herrn den Vortritt zu lassen – sollen die sich doch kloppen. Ich war also wirklich ganz hinten und da fiel mir auf, dass der Weg zu und zwischen den Wendebojen gar nicht durch kleinere Bojen markiert war. Auch hier stellte sich raus: Das braucht auch keiner.
Nach dem Startschuss bin ich wirklich als letzter über die Ziellinie – gefühlt habe ich eine halbe Stunde gewartet. Meine Frau meinte aber anschließend, dass es eher nur eine Minute war. Dann ging es auch für mich los. Es lief von Anfang an super und ich war nur am Überholen. Die erste Wendeboje habe ich richtig Klasse genau innen und direkt erwischt – leider hatten das viele andere auch: Es gab einen kleinen Stau an der Stelle. Zwei Brustschwimmzüge wegen „Blockabfertigung“ und weiter ging’s. Ab dann hatte ich massive Orientierungsprobleme. Ich konnte die zweite Wendeboje um’s Verrecken nicht sehen und bin immer wieder nach rechst außen abgedriftet. Plötzlich war halt wieder mal das Wasser ruhig. „Das kennst Du doch von Roth – da stimmt was nicht“ dachte ich mir und nach einem kurzen Blick links, rechts und nach vorne ging es wieder zurück ins Feld. Den Ausstiegskanal zum Ufer konnte ich dann wieder gut erkennen und als ich wieder festen Boden unter den Füßen hatte, krempelte ich den Neo zurück und da stand was von 36:xx min – perfekt! Also raus aus dem Wasser und über die Zeitmessmatte: 37:39min.
T1
Der Weg in das Wechselzelt war lang. Dort habe ich mir dann auch betont Zeit gelassen, mir sogar Socken und bereits die Radschuhe angezogen. War mal anders rum, klappte auch nicht schlecht, zumal mein Rad gleich neben dem Wechselzelt stand und ich mit Schuhen so gesehen nicht viel mehr laufen musste. Einen Krampf in der rechten Wade bekam ich auch nicht und ich fühlte mich frisch und „ready for rock ‚n‘ roll“. So soll es sein nach dem Schwimmen. Insgesamt nahm ich mir für den ersten Wechsel 4:23 Zeit. Nach 45min wollte ich allerspätestens auf dem Rad sitzen. Jetzt hatte ich schon 3min Vorsprung.
Rad
Vorab: Die Radstrecke ist der absolute Hammer! Ich war Ende Mai noch in Radstadt bei einem Radmarathon, der 6km länger war und 200HM mehr hatte. Das war aber ein Witz gegen das was da in Immenstadt abgeht. Steile Ansteige, unrhythmisch, sogar die Abfahrten schwierig weil wellig, kleine steile Stiche immer wieder. In Radstadt bin ich die ganze Strecke nicht einmal Wiegetritt gefahren – alles relativ locker im Sitzen. In Immenstadt musste ich unzählige Male aus dem Sattel – im kleinsten Gang wohlgemerkt und ich fahre Kompakt! All‘ die kleinen „Huppel“ im Höhenprofil, die man erst beim zweiten Mal genau hinsehen wahrnimmt, sind irgendwelche von diesen gemeinen Stichen. Knapp 3km nach dem Rundenanfang (es sind 2 Runden je 44km zu fahren + der Rest von und zur Runde) kommt gleich der Kalvarienberg mit einer 16% Stelle. Das ist aber gar nicht mal so tragisch. Da muss man halt rauf – das ist alles. So ein ähnliches Stück kommt dann noch im Anschluss nach dem Anstieg nach Ettensberg – Augen zu und durch. Der eigentliche Hammer ist aber km 29-41 (1. Runde) das ist eine Steigung (auch hier wellig mit kleinen Teilen die stärker „zu machen“). Hier hatte ich immer das Gefühl, es hätte Gegenwind gehabt. Die Grashalme am Wegrand zeigten dies zumindest auch an. Aber egal – mental war ich auf alles nur Erdenkliche vorbereitet – fast auf alles. So kam ich auch hier gut zurecht.
Nach dem ersten Anstieg nach Ettensberg, gleich das erste Teilstück runter, bekam ich einen Stich im rechten Knie auf der Innenseite: Der Blick nach unten – eine Wespe! Das brannte zunächst höllisch. Ich habe das Tier weggeschlagen und viel Spucke d’rauf gemacht. Zwei, drei Kilometer und guten Fokus auf das Rennen war dann der Schmerz auch wieder weg. Der zweite Anstieg zum Kalvarienberg war ähnlich anstrengend wie der Erste und bis ca. km 64 (Abfahrt von Ettensberg runter) hatte ich das Rennen voll unter Kontrolle. Ich war 100%ig fokussiert, genau im Zeitplan für Rad von 3:25h den ich meiner Frau gegeben hatte und lies mich von nix aus der Ruhe bringen. Kurzum: Alles perfekt. Ich fühlte mich psychisch und physisch stark. Dann kam es zur Tragödie.
Auf der steilen Abfahrt auf schmalen Straßen sah ich schon einen Helfer winken. Er bremste uns ab auf Schrittgeschwindigkeit und das ganze Ausmaß wurde sichtbar. Rechts im Straßengraben saß ein älterer Athlet mit blutüberströmten Gesicht und offensichtlichem Schock. In der Mitte der Straße lag ein weiterer Athlet auf dem Rücken, er konnte sich nicht mehr bewegen, ebenfalls blutüberströmtes Gesicht und sein Kopf wurde von einem Helfer gehalten. Er weinte, hatte offensichtlich starke Schmerzen. Links daneben lag ein bewusstloser Triathlet in stabiler Seitenlage in seiner eigenen (eher kleinen als großen) Blutlache. Er blutete aus Nase, Ohren und Mund. Die Stelle war steil genug, dass sein Blut in einer kleinen Spur nach unten den Berg hinab lief. Der Anblick war der Horror. Sofort schossen mir die Bilder von Radstadt in den Kopf, wo ich ebenfalls kurz nach einem schweren Sturz am Unfallort vorbei kam. Der Fahrer in Österreich (ein 46jähriger Familienvater) starb noch am Unfallort. Damals war aber die Straße breiter und ich bin mit vielleicht 60 km/h an dem Bewusstlosen vorbeigefahren. Gestern in Immenstadt aber waren zwischen den beiden Körpern am Boden vielleicht 50-100cm Platz und ich musste zwischen den Athleten ganz langsam hindurch fahren. Das machte den Eindruck extrem unmittelbar. Darauf war ich nicht vorbereitet – aber wer ist das schon. Bald hinter mir wurde dann die Strecke gesperrt, der Rettungshubschrauber landete und brachte beide Sportler nach Murnau ins Klinikum. Hoffentlich überleben die Jungs.
Das Rennen war für mich ab diesem Punkt gelaufen. Ich war dermaßen betroffen, ich schaffte es nicht mehr den Fokus auf mich und mein Tun zu legen. Ich dachte an meine Frau und meine Kinder. Das war wie nach dem Umlegen eines Schalters. Ab diesem Moment war die Radstrecke nur noch schlimm. Wo vorher alles automatisch und völlig perfekt lief, war nun alles unglaublich schwer. Aeropos einnehmen nach einem Anstieg, schalten, Bremsgriffhaltung, Wiegetritt, trinken, essen – alles im idealen psychischen Zustand – das alles war jetzt nur noch Arbeit auf dem Rad. Ich musste mich zu allem zwingen, zum Trinken, zum Treten, zum Schalten, zum Wechsel in Aeropos nach Anstiegen. Ich war mehrmals kurz davor vom Rad zu steigen. Ich habe mir geschworen nie mehr ein Radrennen zu fahren. Irgendwie kam aber doch noch sowas wie ein „Wettkampf-Ich“ zum Vorschein und ich habe versucht das zu tun was ich mir vorgenommen habe: „enjoy the day ahead“ – das klappte aber nicht. Dann überlegte ich mir verschiedene Strategien die Emotionen wieder in den Griff zu kriegen - vergeblich. Dann versuchte ich zu weinen. Das hilft oft dachte ich mir. Warum nicht, der Fokus muss wieder her. Aber auch das kappte nicht. Irgendwie bekam ich die Radrunde dann doch noch zu Ende aber das war harte Arbeit. Ich habe mir ca.15min auf den Zeitplan eingeschenkt und habe letztendlich 3:39 benötigt. Aber wie unwichtig ist das denn eigentlich?
T2
Hier habe ich mir wieder viel Zeit gelassen. Sogar ein frisches Paar Socken habe ich mir gegönnt. Gels eingepackt, alles Radzeugs feinsäuberlich verpackt noch kurz einen Schluck Wasser und weiter. Der Wechsel war mit wieder ca. 4 ½ Minuten recht lang für einen T2 Aufenthalt. Immerhin habe ich aber Socken gewechselt. Ist ja auch was.
Laufen
3 x 7km waren zu bewältigen. Vorweg: Die in der Ausschreibung als flach gepriesene Laufstrecke war nicht flach. Flach ist, wenn ich neben der Isar meine Trainingsläufe mache. Nach Rauhenzell hinter ging es hoch, auf der Wendepunktstrecke war auch ein Anstieg und man musste zweimal Böschungen hoch. Insgesamt wohl keine wirklich relevanten Höhenmeter aber nicht flach und wenn man „angenockt“ doch ist sehr schmerzhaft. Der Allgäuer hat aber wohl eine andere Definition von flach wie der Niederbayer. Die Geschichte des Laufs ist schnell erzählt. Bis km 11 war ich gut im Plan – ich lag auf gut sub 2h. Der Plan sah dann vor, dass ich schneller werde. Unglücklicherweise wurde es dann aber immer schwerer und ich wurde langsamer statt schneller. Emotional war ich schon völlig leer und hatte auch keine Kraft mehr mich zu pushen. Ich bin das Ding dann einfach nach Hause gelaufen um mit 2:05h nicht wirklich das zu zeigen was ich dachte zu können. 1:55 +/- 5min habe ich schon erwartet. Nach insgesamt 6:30h bin ich mit meinen Jungs ins Ziel eingelaufen. Das erste was ich meiner Frau erzählte war die Geschichte von dem Unfall. Es tat gut endlich mit jemandem Vertrauten darüber reden zu können – es entluden sich dann auch alle Emotionen.
Fazit
Der 25. Allgäutriathlon (2/92/21) war das beste Sportevent an dem ich bisher teilgenommen habe. Als erste Mitteldistanz ist der Tria aber nur bedingt zu empfehlen. Die Radstrecke ist nämlich wirklich richtig heftig. Allgemein ist eine Mitteldistanz nochmal ein ganz anderes Kaliber als eine OD. Die Ernährung und der Kopf spielen eine zentrale Rolle. Sportlich war das für mich grenzwertig, wenn ich mental auch eine Menge gelernt habe. Unterm Strich bin ich aber stolz und zufrieden. Mein Ziel Nr. 1 war "Finish". Wenn mich einer nach einer Zeit gefragt hat, habe ich meist so zw. 6:15-6:30 geantwortet. Passt also noch.
Emotional geht’s heute schon wieder einigermaßen - aber ob’s mir Spaß gemacht hat weiß ich noch immer nicht wirklich. Zu deutlich sind die Eindrücke des schlimmen Sturzes der Sportskammeraden. Bis km 64 rum war’s auf jeden Fall richtig geil! Ehrlich gesagt habe ich auch nicht erwartet, dass ich so sensibel reagiere. Andererseits bin ich froh, dass ich mir nicht gedacht habe: „Ha! – Wieder drei Plätze gut gemacht“. Da bin ich lieber so wie ich bin und kein emotionaler Krüppel. Ein Langdistanzdebüt wird es 2008 von mir mit ziemlicher Sicherheit nicht geben. Ich bin noch nicht soweit. Ich denke auch, dass der Spaßfaktor auf der Olympischen oder der Mittleren mindestens ebenso vorhanden ist. Stand heute denke ich aber, dass mich Immenstadt nächstes Jahr wieder sieht. Die Veranstaltung hat das Zeug zum Stammwettkampf uns Stammhöhepunkt des Jahres.
Getroffen habe ich übrigens auch felix_w, der eine echte Granate ist: Irgendwas mit 4:45h – irre. Auch Rob von emu5.de habe ich kennengelernt. Rob war wohl einer der Helfer beim Unfall. Er hat 30min dort gewartet und geholfenund mich dann beim Laufen nochmal überholt. Von ihm weiß ich auch, dass der Eine wohl einen Schädelbruch hat. Ich schließe dass er geholfen hat, weil ich ihn im Ziel mit blutverschmierten Waden getroffen habe. Vielleicht konnte er durch seine Hilfe das alles etwas besser verarbeiten. Ich werde demnächst mal mit ihm darüber sprechen.
peace Helmut