Punktlandung München 14.10.2007 (sehr lang)
Verfasst: 17.10.2007, 22:15
Vorgeschichte mit Vorbereitung
Durch mein eigenes Weihnachtsgeschenk und das für meine Frau war ich bereits im Dez. 2006 für den Marathon angemeldet.
Motiviert hat mich das nur wenig, hatte gerade am Jahresanfang leichte Motivationsprobleme.
10 Wochen vor dem Marathon war ich für 2 Wochen in Dänemark und dort begann auch meine Vorbereitung. In diesen 2 Urlaubswochen lief ich insgesamt 100km, sogar mit verlaufen in den Dünen.
Einen speziellen Trainingsplan hatte ich diesmal nicht. Mehr so nach Lust und Laune und möglichst vielen Wochenkilometern.
Aber aus beruflichen Gründen konnte ich doch des öfteren nicht so trainieren. Nichts destotrotz lief ich Anfang September für meine Verhältnisse ein guten HM in 1:52h (PB). 2 Wochen drauf noch einen HM im Marathontempo, den ich gut überstand. Da wusste ich, dass ich den Marathon sicher schaffen würde, ziemlich sicher unter 4:30h.
Die letzten 2 Wochen sehr viel getapert, sprich fast nichts gelaufen. Jedoch am letzten Freitag noch 6km mit meinen 9-jährigen Sohn einen Rekomlauf gemacht.
Renntaktik habe ich mir so vorgestellt, bis 25-30km mit 6:00km/min laufen und danach schauen, ob ich es noch halten kann oder einfach etwas langsamer werden. Aber nicht auf letzter Rille alles probieren, dafür war die Vorbereitung zu schlecht.
Freitagvormitag
War bis gestern eigentlich ziemlich cool. Aber jetzt werde ich nervös. Alle 15min checke ich das voraussichtliche und momentane Wetter in München. Man, wird das kalt. Was zieh ich da an. Jo, dem Matman geht es genauso, der schreibt ja fast minütlich ins Forum. Beschliesse, so früh wie möglich die Arbeit zu verlassen, was ich auch um 12:00 Uhr mache.
Samstag
Anreise mit dem PKW und Abholung der Startunterlagen. Besuch der Messe mit anschließenden Pasta-Essen. Irgendwie kann ich die ganze Aufregung auch der anderen Läufer spüren. Wir gehen noch bis zum Start. Da es für meine Frau das erste mal eine Großveranstaltung ist, ist sie auch ziemlich aufgeregt.
Wir fahren dann zu Bekannten, wo wir übernachten werden. Da verdrücke ich nochmals 1 ½ Portionen Lasange mit 1 Stück Kuchen. Um 11:00 Uhr gehen wir endlich ins Bett, kann aber nur schlecht schlafen.
Sonntag
Der Tag X ist da.
Obwohl der Wecker schon früh klingelt, wird es knapp mit dem Frühstück. Meine Bekannte will mir alles möglich zum Essen geben, ich bleibe aber bei 2x Toast mit Honig und 2 Gläser Wasser. Nur keine Experimente. Meine Gastgeberin versteht das zwar nicht, aber ich weiss schon, was ich tue
.
Beinahe den Bus versäumt. Aber wir kommen doch noch rechtzeitig mit der U-Bahn zum Stadion. Dort treffen wir Monika, eine Bekannte aus Weiden. Wir sind nun schon ziemlich aufgeregt.
Ich beschließe, mich zum Start zu begeben und verabschiede mich von meiner Frau.
Weg vom Olympiastadion zum Start
Schon nach 200m fällt mir ein, dass ich meine Brustwarzen nicht abgeklebt habe. Naja, wird schon nicht so schlimm werden.
Es sind viele Läufer unterwegs. Alles ist vertreten, jung, alt, sportlich und nicht so sportlich. Ich gehe bis zum Start, wo ich beinahe Probleme mit einen riesigen Hund bekommen hätte. Der hat genau gemerkt, dass ich Angst vor ihm habe. Zum Glück hat er sich nicht losgerissen. Tja, man merkt, ich mag Hunde nicht so besonders. Beim Rückweg gehe ich in die Absperrung hinein und inhaliere die Eindrücke.
Beim Block B gehe ich bis zum 4:15h Pacemaker. Da ist ein weiblicher und ein männlicher da. Der Männliche will mit einer 6:00km/min Pace laufen, was auch meiner Taktik entspricht. Also beschließe ich, gleich da vorne stehen zu bleiben. Die Minuten verrinnen nur langsam, da es doch sehr kalt ist. Trotzdem beschliesse ich, kurz vor dem Start von meiner Windjacke die Ärmel abzutrennen. Ich habe aber kalte Hände, was ich überhaupt nicht mag. Nachdem der erste Block gestartet ist, entledige ich mich meines Müllsackes. Oh man, ist das kalt. Wird zeit, dass der Start erfolgt. Dauert aber noch.
Aber dann ist es doch soweit. Ich überquere die Startlinie und ich laufe meinen 2. Marathon.
Kilometer 0 bis 10
Die ersten Kilometer vergehen schnell und gleichmässig. Ich bin immer etwas vor dem Pacemaker. Platz ist auch genügend vorhanden und viele Läufer. So ein richtiges Mittendrin-Gefühl.
Ab Kilometer 8 geht es in den Englischen Garten. Da ist zwar nicht soviel los, aber die Sonne blinzelt langsam durch die Nebeldecke. So sind die ersten 10km nach 1:00:11 vorbei und ich fühle mich total gut. Puls ist noch so bei 75%. Unterhalte mich manchmal etwas mit meinen Mitmenschen, vorzugsweise mit den Weiblichen. Trinke immer etwas an den Verpflegungsstellen, da die Sonne mittlerweile voll scheint. Ein Stückchen Banane nehm ich auch noch mit.
Kilometer 10 bis 21,1
Mit fällt siedenheiß ein, dass ich ja meine Frau telepathisch anfeuern muss. Sie ist ja nun auch schon etwas unterwegs. Ich hoffe es geht ihr gut und schicke ihr gedanklich meine Aufmunterung. Dasselbe gilt für Udo, der heute einen Ultra (52km) läuft. Ich denke ganz fest an ihn und er ruft mir zu „Qual dich du Sau“. Man das gibt Kraft, da ich mich noch nicht quälen muss. Dafür reagiert der Körper mit Glückhormonen vom Kopf bis zu den Beinen. Ich sage halblaut mit 2 geballten Fäusten „ja“ und weiß, dass das heute was wird. Ich werde den Marathon anständig beenden, ich spür das.
Immer wieder denke ich an meine Frau und an Udo. So habe ich ungefähr 4 Runnig High´s hinter mir. Ein tolles Gefühl (auch jetzt beim Schreiben bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich daran denke). Mir geht es immer noch gut, nur einmal, als der Pacemaker mal einen Kilometer etwas anzieht und eine 5:45-Pace läuft, merke ich, dass es für mich zu schnell ist. Aber das ist nur kurzzeitig so. Danach im geplanten Tempo weiter und es geht gut.
Bei km 19 habe ich mir überlegt, meine Windjacke bei km 24 meinen Bekannten zu übergeben.
Kilometer 21,1 bis 30
Die Durchgangszeit für den HM ist 2:07:07. Liege gut im Zeitfenster.
Ich treffe Vorbereitungen für die Übergabe der Jacke. Ich verstaue meinen „für alle hammermannmässigen Notfälle“-Sportriegel in der Laufhose und öffne schon mal die Laufjacke, damit ich nicht zu viel Zeit verliere.
Dabei fällt mir auf, dass ich an der linken Brustwarze einen 5cm durchmessenden Blutflecke habe. Ich spüre zwar keinerlei Schmerzen, aber der Blutfleck schaut schon gefährlich aus. Tja, wenn man so aufgeregt und vergesslich ist, muss man leiden, bzw. sieht man nicht so gut aus. Es fällt natürlich noch bessre auf, da das Funktionshirt weiß ist.
Das mit dem Riegel in der Hose nervt und da es genügend zum Essen gibt, kram ich ihn wieder heraus und steck ihn in die Laufjacke.
Ok, km 22, nochmal alles für die Übergabe checken und besonders links die Zuschauer beobachten, damit ich nicht vorbei laufe. Habe aber in Erinnerung, dass wir uns erst bei km 24 treffen.
Ich passiere das 24km-Schild und es kommt eine 90°-Rechtsabbiegung mit Zuschauern. Aber meine Bekannten sind nicht dabei. Nach 20m entdecke ich sie doch am linken Straßenrand mit den Fahrrädern. Ich winke, aber sie erkennen mich nicht. Nach 10m bemerken sie mich endlich und ich laufe direkt auf sie zu. Ich entledige mich meiner Windjacke, sage noch, das es mir sehr gut geht, drücke die Bärbel ganz fest, jedoch klappt das nicht mit dem Foto, also nochmal drücken und schon bin ich wieder beim Laufen. Sie begleiten mich mit dem Fahrrad die nächsten 300m noch. Schöne Geste.
Hinterher erfahre ich, dass Bärbel meinen Blutfleck bemerkt hat, sich aber nicht getraut hat, etwas zu sagen. Damit ich nicht nervös werde.
Kurzer Sprint und ich bin wieder da wo ich war. Ja, das war eine willkommene Abwechslung und leichter und luftiger bin ich jetzt auch unterwegs.
Bin immer noch locker und flockig unterwegs, sage wieder halblaut „ja“ mit geballten 2 Fäusten zu mir, denke an Udo. Meine Frau müsste auch schon im Ziel sein. Es läuft im wahrsten Sinne des Wortes bestens. Habe mich einer 3- Gruppe angeschlossen, da der männliche Pacemaker auf einmal nicht mehr zu sehen ist. Dafür saust die weibliche Pacemakerin an uns vorbei in einen für meine Begriffe irren Tempo und entschwindet langsam unseren Blicken. Aber wir lassen uns nicht beirren und laufen einfach weiter.
Kilometer 30 bis 37
Mir geht es immer noch gut. Klar, der Puls ist schon höher, die Beine etwas schwerer, aber nix bedrohliches. Mir kommt der Bericht von Katherinchen im Sinn, so einen Lauf auch mal zu genießen (http://www.laufen-aktuell.de/laufen-akt ... ml?t=32097).
Ich beschließe, einfach so weiter zu machen, da ich mich so toll fühle. Mittlerweile laufen wir durch die Innenstadt. Aus der 3-Gruppe sind nur noch 2 Läuferinnen übrig und ich setze mich auch etwas ab.
Kurz vor dem Marienplatz (km 31) ist eine Rechtsabbiegung zu laufen. Es stehen viele klatschende Zuschauer da und hebe die Arme hoch. Da braust erst recht der Beifall auf und ich balle wieder meine beiden Fäuste und sag „ja“.
So müssen sich Sieger fühlen und irgendwie bin ich heute ein Sieger. Das war einfach nur ein geiles Gefühl.
Ab Kilometer 32 geht es die Theresienstr. entlang. Da habe ich das erste Mal einen kleinen Hänger. Es kommen mir schnellere Läufer entgegen und es geht ewig gerade aus. Man ist das lang. Beim Rückweg geht es zum Glück etwas schneller. Auch entdecke ich den männlichen Pacemaker auf der Gegenseite. Er hat keine Luftballons mehr bei sich und läuft definitiv nicht mehr auf 4:15.
Kilometer 37 bis 42.2
Die Leopoldstr. ist zwar lang, aber es sind doch ein paar Zuschauer da, sodass für Abwechslung gesorgt ist.
Ab der Franz-Josepf-Str. wird es hart. (@Lizzy: Schade, dass du mich nicht bemerkt hast, da hätte ich ein paar aufmunterende Worte von dir gebrauchen können).
Es läuft nicht mehr so rund, ich habe keine Lust mehr. Bei km 38 hole ich die weibliche Pacemakerin ein und versuche immer etwas vor ihr zu laufen. Sie spricht viel mit den Läufern, besonders mit den Gehenden. Deswegen kann ich den Abstand gut einhalten.
Ich muss an Udo denken, der würde jetzt sagen, „quäl dich“ und „ zum Schluss muss ein Marathon weh tun“. Hilft mir soviel, dass ich nicht langsamer werde. Freuen kann ich mich aber nicht mehr, aber es ist nicht mehr weit. Jetzt ist kämpfen angesagt. Es kommt noch eine Verpflegungsstelle, aber ich lass das jetzt aus, bringt so kurz vor dem Ziel sowieso nix mehr. Hab ich von Udo.
Endlich geht es zum Stadion. Da steht so ein ehemaliger Polizeiwagen und verkündet, dass es nur noch 1150m sind. Bekomme ich nur noch so halb mit. Die Strecke sind meine Frau und ich am Samstag schon gegangen, es dauert schon noch etwas. Ich muss kämpfen, von der Pacemakerin höre ich auch nix mehr. Zeitgefühl habe ich auch keins mehr.
Da ist endlich das Stadion. Durch den Marathontunnel hindurch, kaum den Diskonebel und -licht bemerkt. Nachdem ich im Stadion bin kommt mir schon kurz der Gedanke, man, so fühlt man sich, wenn man bei Olympia einläuft. Aber ich muss kämpfen, so kann ich mich leider nicht lange damit aufhalten. Auf der Geraden steht meine Frau im Innenbereich. Ich klatsche kurz ab und kämpfe weiter. Es sind noch ein paar Meter. Auf einmal ist die Pacemakerin auch wieder da. Ich kann aber nicht mehr und laufe einfach weiter. Dann endlich Zielgerade. Ich bin nicht allein, aber irgendwie habe ich dann doch die Ziellinie überquert (vor dem Ziel habe ich doch mal gelächelt lt. Fotos). Uhr gestoppt, Zeit gescheckt (1:14:44), kurz die geballten Arme in den Himmel gereckt und „ja“ gesagt, aber es war schon sehr kraftlos. Freue mich nur kurz, hole mir die Medaille ab und irre ziellos in den Innenraum.
Nach einer Minute geht es mir etwas besser und ich suche meine Frau. Zum Glück entdecke ich sie schnell und sie mich auch. Endlich kann ich mich setzen. Bin ziemlich kaputt und leer. Aber nachdem mir meine Frau was zum Trinken und Essen gebracht hat, wird es immer besser.
Ich habe meinen 2. Marathon gelaufen. Bis km 38 war er Klasse, danach musste ich schon kämpfen. Aber es hat sich rentiert. Ich bin knapp unter 4:15h geblieben. Für mich, meine Gewichtsklasse, mein Zeitaufwand und meine Veranlagung eine Super Zeit.
Ich bin mächtig stolz, lächle immer wieder mal, genieße den Blick durch das Stadion. Sehe andere, glückliche Läufer.
Freue mich, dass es vorbei ist. Ich bin einfach nur glücklich.
Auch meine Frau hat Ihren ersten 10er mit 01:11 sauber durchgelaufen. Sie ärgert sich zwar, dass es nicht 2 Minuten schneller war, aber für Ihren ersten eine tolle Leistung. Und sie war nicht die letzte und hatte ein paar nette Erlebnisse auf der Strecke.
So, nun kann der nächste Marathon und mein großes Ziel kommen.
Und irgendwann laufe ich unter 4 Stunden. Da bin ich mir mittlerweile sicher.
Auf dem Nachhauseweg treffen wir noch kurz Ishimori, der doch gelaufen ist. Er ist sogar hinter mir gestartet und wollte mit mir ein Stück laufen. Hat mich leider nicht gefunden, da er dachte, ich wäre einen Kopf größer. Schade, dass hätte mir gerade am Anfang sehr viel Spaß bereitet.
Vielleicht ein anderes mal, wobei ich da nur eine Staubwolke von Stefan sehen werde
Der läuft so langsam bestimmt nicht so schnell wieder 
@Udo
Du siehst, was du alles telepathisch bewirken kannst, deswegen musst du mir bei meinen 4h-Versuch beim nächsten mal behilflich sein
Ich erwarte deinen Wettkampfterminvorschlag
Als Alternative laufe ich auch mit deiner Frau
Danke allen, die bis hierher durchgehalten habe.
Eigentlich sollte das nur ein kurzer Bericht werden
Durch mein eigenes Weihnachtsgeschenk und das für meine Frau war ich bereits im Dez. 2006 für den Marathon angemeldet.
Motiviert hat mich das nur wenig, hatte gerade am Jahresanfang leichte Motivationsprobleme.
10 Wochen vor dem Marathon war ich für 2 Wochen in Dänemark und dort begann auch meine Vorbereitung. In diesen 2 Urlaubswochen lief ich insgesamt 100km, sogar mit verlaufen in den Dünen.
Einen speziellen Trainingsplan hatte ich diesmal nicht. Mehr so nach Lust und Laune und möglichst vielen Wochenkilometern.
Aber aus beruflichen Gründen konnte ich doch des öfteren nicht so trainieren. Nichts destotrotz lief ich Anfang September für meine Verhältnisse ein guten HM in 1:52h (PB). 2 Wochen drauf noch einen HM im Marathontempo, den ich gut überstand. Da wusste ich, dass ich den Marathon sicher schaffen würde, ziemlich sicher unter 4:30h.
Die letzten 2 Wochen sehr viel getapert, sprich fast nichts gelaufen. Jedoch am letzten Freitag noch 6km mit meinen 9-jährigen Sohn einen Rekomlauf gemacht.
Renntaktik habe ich mir so vorgestellt, bis 25-30km mit 6:00km/min laufen und danach schauen, ob ich es noch halten kann oder einfach etwas langsamer werden. Aber nicht auf letzter Rille alles probieren, dafür war die Vorbereitung zu schlecht.
Freitagvormitag
War bis gestern eigentlich ziemlich cool. Aber jetzt werde ich nervös. Alle 15min checke ich das voraussichtliche und momentane Wetter in München. Man, wird das kalt. Was zieh ich da an. Jo, dem Matman geht es genauso, der schreibt ja fast minütlich ins Forum. Beschliesse, so früh wie möglich die Arbeit zu verlassen, was ich auch um 12:00 Uhr mache.
Samstag
Anreise mit dem PKW und Abholung der Startunterlagen. Besuch der Messe mit anschließenden Pasta-Essen. Irgendwie kann ich die ganze Aufregung auch der anderen Läufer spüren. Wir gehen noch bis zum Start. Da es für meine Frau das erste mal eine Großveranstaltung ist, ist sie auch ziemlich aufgeregt.
Wir fahren dann zu Bekannten, wo wir übernachten werden. Da verdrücke ich nochmals 1 ½ Portionen Lasange mit 1 Stück Kuchen. Um 11:00 Uhr gehen wir endlich ins Bett, kann aber nur schlecht schlafen.
Sonntag
Der Tag X ist da.
Obwohl der Wecker schon früh klingelt, wird es knapp mit dem Frühstück. Meine Bekannte will mir alles möglich zum Essen geben, ich bleibe aber bei 2x Toast mit Honig und 2 Gläser Wasser. Nur keine Experimente. Meine Gastgeberin versteht das zwar nicht, aber ich weiss schon, was ich tue

Beinahe den Bus versäumt. Aber wir kommen doch noch rechtzeitig mit der U-Bahn zum Stadion. Dort treffen wir Monika, eine Bekannte aus Weiden. Wir sind nun schon ziemlich aufgeregt.
Ich beschließe, mich zum Start zu begeben und verabschiede mich von meiner Frau.
Weg vom Olympiastadion zum Start
Schon nach 200m fällt mir ein, dass ich meine Brustwarzen nicht abgeklebt habe. Naja, wird schon nicht so schlimm werden.
Es sind viele Läufer unterwegs. Alles ist vertreten, jung, alt, sportlich und nicht so sportlich. Ich gehe bis zum Start, wo ich beinahe Probleme mit einen riesigen Hund bekommen hätte. Der hat genau gemerkt, dass ich Angst vor ihm habe. Zum Glück hat er sich nicht losgerissen. Tja, man merkt, ich mag Hunde nicht so besonders. Beim Rückweg gehe ich in die Absperrung hinein und inhaliere die Eindrücke.
Beim Block B gehe ich bis zum 4:15h Pacemaker. Da ist ein weiblicher und ein männlicher da. Der Männliche will mit einer 6:00km/min Pace laufen, was auch meiner Taktik entspricht. Also beschließe ich, gleich da vorne stehen zu bleiben. Die Minuten verrinnen nur langsam, da es doch sehr kalt ist. Trotzdem beschliesse ich, kurz vor dem Start von meiner Windjacke die Ärmel abzutrennen. Ich habe aber kalte Hände, was ich überhaupt nicht mag. Nachdem der erste Block gestartet ist, entledige ich mich meines Müllsackes. Oh man, ist das kalt. Wird zeit, dass der Start erfolgt. Dauert aber noch.
Aber dann ist es doch soweit. Ich überquere die Startlinie und ich laufe meinen 2. Marathon.
Kilometer 0 bis 10
Die ersten Kilometer vergehen schnell und gleichmässig. Ich bin immer etwas vor dem Pacemaker. Platz ist auch genügend vorhanden und viele Läufer. So ein richtiges Mittendrin-Gefühl.
Ab Kilometer 8 geht es in den Englischen Garten. Da ist zwar nicht soviel los, aber die Sonne blinzelt langsam durch die Nebeldecke. So sind die ersten 10km nach 1:00:11 vorbei und ich fühle mich total gut. Puls ist noch so bei 75%. Unterhalte mich manchmal etwas mit meinen Mitmenschen, vorzugsweise mit den Weiblichen. Trinke immer etwas an den Verpflegungsstellen, da die Sonne mittlerweile voll scheint. Ein Stückchen Banane nehm ich auch noch mit.
Kilometer 10 bis 21,1
Mit fällt siedenheiß ein, dass ich ja meine Frau telepathisch anfeuern muss. Sie ist ja nun auch schon etwas unterwegs. Ich hoffe es geht ihr gut und schicke ihr gedanklich meine Aufmunterung. Dasselbe gilt für Udo, der heute einen Ultra (52km) läuft. Ich denke ganz fest an ihn und er ruft mir zu „Qual dich du Sau“. Man das gibt Kraft, da ich mich noch nicht quälen muss. Dafür reagiert der Körper mit Glückhormonen vom Kopf bis zu den Beinen. Ich sage halblaut mit 2 geballten Fäusten „ja“ und weiß, dass das heute was wird. Ich werde den Marathon anständig beenden, ich spür das.
Immer wieder denke ich an meine Frau und an Udo. So habe ich ungefähr 4 Runnig High´s hinter mir. Ein tolles Gefühl (auch jetzt beim Schreiben bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich daran denke). Mir geht es immer noch gut, nur einmal, als der Pacemaker mal einen Kilometer etwas anzieht und eine 5:45-Pace läuft, merke ich, dass es für mich zu schnell ist. Aber das ist nur kurzzeitig so. Danach im geplanten Tempo weiter und es geht gut.
Bei km 19 habe ich mir überlegt, meine Windjacke bei km 24 meinen Bekannten zu übergeben.
Kilometer 21,1 bis 30
Die Durchgangszeit für den HM ist 2:07:07. Liege gut im Zeitfenster.
Ich treffe Vorbereitungen für die Übergabe der Jacke. Ich verstaue meinen „für alle hammermannmässigen Notfälle“-Sportriegel in der Laufhose und öffne schon mal die Laufjacke, damit ich nicht zu viel Zeit verliere.
Dabei fällt mir auf, dass ich an der linken Brustwarze einen 5cm durchmessenden Blutflecke habe. Ich spüre zwar keinerlei Schmerzen, aber der Blutfleck schaut schon gefährlich aus. Tja, wenn man so aufgeregt und vergesslich ist, muss man leiden, bzw. sieht man nicht so gut aus. Es fällt natürlich noch bessre auf, da das Funktionshirt weiß ist.
Das mit dem Riegel in der Hose nervt und da es genügend zum Essen gibt, kram ich ihn wieder heraus und steck ihn in die Laufjacke.
Ok, km 22, nochmal alles für die Übergabe checken und besonders links die Zuschauer beobachten, damit ich nicht vorbei laufe. Habe aber in Erinnerung, dass wir uns erst bei km 24 treffen.
Ich passiere das 24km-Schild und es kommt eine 90°-Rechtsabbiegung mit Zuschauern. Aber meine Bekannten sind nicht dabei. Nach 20m entdecke ich sie doch am linken Straßenrand mit den Fahrrädern. Ich winke, aber sie erkennen mich nicht. Nach 10m bemerken sie mich endlich und ich laufe direkt auf sie zu. Ich entledige mich meiner Windjacke, sage noch, das es mir sehr gut geht, drücke die Bärbel ganz fest, jedoch klappt das nicht mit dem Foto, also nochmal drücken und schon bin ich wieder beim Laufen. Sie begleiten mich mit dem Fahrrad die nächsten 300m noch. Schöne Geste.

Hinterher erfahre ich, dass Bärbel meinen Blutfleck bemerkt hat, sich aber nicht getraut hat, etwas zu sagen. Damit ich nicht nervös werde.

Kurzer Sprint und ich bin wieder da wo ich war. Ja, das war eine willkommene Abwechslung und leichter und luftiger bin ich jetzt auch unterwegs.
Bin immer noch locker und flockig unterwegs, sage wieder halblaut „ja“ mit geballten 2 Fäusten zu mir, denke an Udo. Meine Frau müsste auch schon im Ziel sein. Es läuft im wahrsten Sinne des Wortes bestens. Habe mich einer 3- Gruppe angeschlossen, da der männliche Pacemaker auf einmal nicht mehr zu sehen ist. Dafür saust die weibliche Pacemakerin an uns vorbei in einen für meine Begriffe irren Tempo und entschwindet langsam unseren Blicken. Aber wir lassen uns nicht beirren und laufen einfach weiter.
Kilometer 30 bis 37
Mir geht es immer noch gut. Klar, der Puls ist schon höher, die Beine etwas schwerer, aber nix bedrohliches. Mir kommt der Bericht von Katherinchen im Sinn, so einen Lauf auch mal zu genießen (http://www.laufen-aktuell.de/laufen-akt ... ml?t=32097).
Ich beschließe, einfach so weiter zu machen, da ich mich so toll fühle. Mittlerweile laufen wir durch die Innenstadt. Aus der 3-Gruppe sind nur noch 2 Läuferinnen übrig und ich setze mich auch etwas ab.
Kurz vor dem Marienplatz (km 31) ist eine Rechtsabbiegung zu laufen. Es stehen viele klatschende Zuschauer da und hebe die Arme hoch. Da braust erst recht der Beifall auf und ich balle wieder meine beiden Fäuste und sag „ja“.
So müssen sich Sieger fühlen und irgendwie bin ich heute ein Sieger. Das war einfach nur ein geiles Gefühl.
Ab Kilometer 32 geht es die Theresienstr. entlang. Da habe ich das erste Mal einen kleinen Hänger. Es kommen mir schnellere Läufer entgegen und es geht ewig gerade aus. Man ist das lang. Beim Rückweg geht es zum Glück etwas schneller. Auch entdecke ich den männlichen Pacemaker auf der Gegenseite. Er hat keine Luftballons mehr bei sich und läuft definitiv nicht mehr auf 4:15.
Kilometer 37 bis 42.2
Die Leopoldstr. ist zwar lang, aber es sind doch ein paar Zuschauer da, sodass für Abwechslung gesorgt ist.
Ab der Franz-Josepf-Str. wird es hart. (@Lizzy: Schade, dass du mich nicht bemerkt hast, da hätte ich ein paar aufmunterende Worte von dir gebrauchen können).
Es läuft nicht mehr so rund, ich habe keine Lust mehr. Bei km 38 hole ich die weibliche Pacemakerin ein und versuche immer etwas vor ihr zu laufen. Sie spricht viel mit den Läufern, besonders mit den Gehenden. Deswegen kann ich den Abstand gut einhalten.
Ich muss an Udo denken, der würde jetzt sagen, „quäl dich“ und „ zum Schluss muss ein Marathon weh tun“. Hilft mir soviel, dass ich nicht langsamer werde. Freuen kann ich mich aber nicht mehr, aber es ist nicht mehr weit. Jetzt ist kämpfen angesagt. Es kommt noch eine Verpflegungsstelle, aber ich lass das jetzt aus, bringt so kurz vor dem Ziel sowieso nix mehr. Hab ich von Udo.
Endlich geht es zum Stadion. Da steht so ein ehemaliger Polizeiwagen und verkündet, dass es nur noch 1150m sind. Bekomme ich nur noch so halb mit. Die Strecke sind meine Frau und ich am Samstag schon gegangen, es dauert schon noch etwas. Ich muss kämpfen, von der Pacemakerin höre ich auch nix mehr. Zeitgefühl habe ich auch keins mehr.
Da ist endlich das Stadion. Durch den Marathontunnel hindurch, kaum den Diskonebel und -licht bemerkt. Nachdem ich im Stadion bin kommt mir schon kurz der Gedanke, man, so fühlt man sich, wenn man bei Olympia einläuft. Aber ich muss kämpfen, so kann ich mich leider nicht lange damit aufhalten. Auf der Geraden steht meine Frau im Innenbereich. Ich klatsche kurz ab und kämpfe weiter. Es sind noch ein paar Meter. Auf einmal ist die Pacemakerin auch wieder da. Ich kann aber nicht mehr und laufe einfach weiter. Dann endlich Zielgerade. Ich bin nicht allein, aber irgendwie habe ich dann doch die Ziellinie überquert (vor dem Ziel habe ich doch mal gelächelt lt. Fotos). Uhr gestoppt, Zeit gescheckt (1:14:44), kurz die geballten Arme in den Himmel gereckt und „ja“ gesagt, aber es war schon sehr kraftlos. Freue mich nur kurz, hole mir die Medaille ab und irre ziellos in den Innenraum.
Nach einer Minute geht es mir etwas besser und ich suche meine Frau. Zum Glück entdecke ich sie schnell und sie mich auch. Endlich kann ich mich setzen. Bin ziemlich kaputt und leer. Aber nachdem mir meine Frau was zum Trinken und Essen gebracht hat, wird es immer besser.
Ich habe meinen 2. Marathon gelaufen. Bis km 38 war er Klasse, danach musste ich schon kämpfen. Aber es hat sich rentiert. Ich bin knapp unter 4:15h geblieben. Für mich, meine Gewichtsklasse, mein Zeitaufwand und meine Veranlagung eine Super Zeit.
Ich bin mächtig stolz, lächle immer wieder mal, genieße den Blick durch das Stadion. Sehe andere, glückliche Läufer.
Freue mich, dass es vorbei ist. Ich bin einfach nur glücklich.
Auch meine Frau hat Ihren ersten 10er mit 01:11 sauber durchgelaufen. Sie ärgert sich zwar, dass es nicht 2 Minuten schneller war, aber für Ihren ersten eine tolle Leistung. Und sie war nicht die letzte und hatte ein paar nette Erlebnisse auf der Strecke.
So, nun kann der nächste Marathon und mein großes Ziel kommen.
Und irgendwann laufe ich unter 4 Stunden. Da bin ich mir mittlerweile sicher.

Auf dem Nachhauseweg treffen wir noch kurz Ishimori, der doch gelaufen ist. Er ist sogar hinter mir gestartet und wollte mit mir ein Stück laufen. Hat mich leider nicht gefunden, da er dachte, ich wäre einen Kopf größer. Schade, dass hätte mir gerade am Anfang sehr viel Spaß bereitet.
Vielleicht ein anderes mal, wobei ich da nur eine Staubwolke von Stefan sehen werde



@Udo
Du siehst, was du alles telepathisch bewirken kannst, deswegen musst du mir bei meinen 4h-Versuch beim nächsten mal behilflich sein

Ich erwarte deinen Wettkampfterminvorschlag

Als Alternative laufe ich auch mit deiner Frau

Danke allen, die bis hierher durchgehalten habe.
Eigentlich sollte das nur ein kurzer Bericht werden
