U_d_o hat geschrieben:
Wenn sich ein Läufer entscheidet auf einen Marathon zu trainieren, dann wird seine 10km-Zeit schlechter werden. Das genauer zu begründen, hieße ein Buch hierher zu kopieren. Ich fresse mich gerade wieder durch ein neues, aber in dieser grundsätzlichen Aussage stimmen sie alle überein.
Das ist so pauschal einfach falsch. Und da würde ich doch gerne mal die Liste von den Büchern sehen, die da alle so perfekt übereinstimmen. Du hast eines genannt, der zitierte Passus ist aber alles andere als eindeutig, was die trainingsrealität (Marathon-10k) angeht.
Es mag auf einen Teil von Läufern zutreffen, aber es hat mit dem Leistungsniveau der meisten hier gar nichts zu tun und betrifft bei den stärkeren Athleten in erster Linie die, die sehr viel über den Umfang machen (müssen, weil sie zu wenig grundschnelligkeit mitbringen) - das sind aber längst nicht alle. Es kommt sehr darauf an, WIE man für einen Marathon trainiert, ob die 10k Zeit darunter leidet oder sich dagegen (sogar auf hohem Niveau) noch verbessern kann - beides ist möglich.
10km ist eine Distanz, die zwar nicht ganz so wie der Marathon, aber dennoch sehr stark vom Umfang profitiert. Deshalb ist es in vielen Fällen möglich, auf 10k und auf dem Marathon schneller zu werden.
Ein sehr interessanter
Artikel zum Marathontraining von Gerg McMillan beinhaltet auf der dritten Seite rechts den Kasten "The Shorter/Salazar Method" - sehr aufschlussreich. Schauen wir uns diese Weltklasseläufer einmal an:
1. Alberto Salazar lief 1982 US- Rekorde über 5000m (13:11.93, 6. Juli 1982 in Oslo) und 10.000m (27:25.61, 26. Juni 1982 in Oslo) auf. Beim Boston-Marathon 1982 gewann er in 2:08:52 - afaik Weltjahres- und persönliche Bestzeit. Im selben Jahr. Nach Udos These sehr unwahrscheinlich?!
2. Frank Shorters 10000m Zeiten scheinen auch nicht arg unter dem Marathontraining gelitten zu haben:
[INDENT]"He was the U.S. Olympic Trials Champion in both the 10,000 m and the marathon in both 1972 and 1976. He also won both the 10,000 m and the marathon at the 1971 Pan American Games. "
"But his greatest fame came when Shorter won the gold medal in the marathon at the 1972 Olympics. He also finished fifth in the 1972 Olympic 10,000 m final."
[/INDENT]
[INDENT]Quelle:
http://en.wikipedia.org/wiki/Frank_Shorter[/INDENT]
Oder gehen wir mal in die vollen, nehmen wie mal den allseits beliebten Haile G., der dieses Jahr "nur" eine 26'52 auf 10000m lief, meilenweit über seiner Bestzeit von 26:22. Ein dramatisches Absacken der Unterdistanzleistung, aber dafür konnte er sich mit dem Stundenlauf, dem 20000m und dem Marathon WR trösten.
Aber Udos These scheint zu stimmen, 30s über Bestzeit, eine schlimme Folge vom Marathontraining.
Bei seiner 26'52 wurde Haile sogar nur 5. in dem rennen, allerdings war es eines der 2 richtig schnellen 10000m Rennen, die es dieses Jahr gab. Also ist er in der Weltranliste 7. - etwa 6,5 Sekunden hinter dem aktuellen WR-ler Kenny Bekele, der also etwa genauso deutlich über seiner Bestleistung (26'17) blieb, obwohl er nicht auf Marathon trainierte. Im Verhältnis zum amtierenden Weltrekordler, der eine voll auf 10k ausgerichtete Saison lief und diese mit dem WM-Titel krönte, sehen Hailes 26'52 also gar nicht schlecht aus.
Jetzt gehen wir zurück nach 98, als Haile seine Bestzeiten über 3000-10000m lief. Da war er 25. Dieses Jahr wird er 35, unbestätigten Gerüchten zufolge ist er aber eher älter als jünger, bis zu 5 Jahre werden vermutet. Mit dem Altersrechner kommen für die 10000m mit 34 Jahren auf einmal 26'26 raus, ganz knapp über Hailes Bestzeit, als er noch 3000m- 10000m spezialist war. Hmmm ...
Jetzt schauen wir uns mal den Termin vom 10000m Rennen (26.5.) und dann Hailes Planung an, eigentlich war das wichtigste Frühjahrsziel der London Marathon am 22.4. Dort gibt er auf nach etwas über 30k.
4 Wochen danach läuft er die 26'52. Also viel spezielle 10k-Vorbereitung war da nicht mehr möglich, dennoch läuft er eine 26'52! Im wesentlich aus der Marathonform raus!
Es gibt natürlich Grenzen, und Haile würde kein Spurtrennen mehr über 10k (wie bei der WM) gegen Bekele gewinnen, u. a. deswegen ist er ja wahrscheinlich auch von der Bahn auf die Straße gewechselt.
Ach so, den WR über 10k Straße hält Haile so ganz neben bei ja auch noch ...
U_d_o hat geschrieben:
Zu diesem Komplex steht zum Beispiel bei Neumann/Pfützner/Berbalk "Optimiertes Ausdauertraining" folgender Satz: "Dahinter verbirgt sich das sportmethodische Problem des Störeinflusses einer hohen Gesamtbelastung auf die Ausführung qualitativ hochwertiger Trainingsinhalte (Geschwindigkeit, Kraftausdauer). Die bei einem hohen Trainingsumfang nachwirkende Restermüdung behindert die Freisetzung motorischer Schnelligkeit, Schnelligkeitsausdauer oder Maximalkraft."
Prinzipiell ist das richtig, nur reicht die Schnelligkeit eben bei vielen noch für 10k und die Ausdauer noch für den Marathon. Das Zitat besagt nur, dass die Schere irgendwann zu weit aufgeht, nicht, dass sich Marathontraining und gute 10k Zeiten nicht verbinden lassen - in einigen Fällen scheint das sehr gut zu gehen, wie meine Beispiele weiter oben zeigen. Bei 1500m und Marathon geht es auf Weltklasse Niveau wohl sicher nicht mehr gut, wahrscheinlich auch bei 10km und 100k. Marathon und 10k geht dagegen in vielen Fällen noch gut zusammen, wie die Erfahrung zeigt.
Das Ding ist einfach, dass doch recht viele WeltklasseläuferInnen auch in Wochen mit über 200km noch genügend Intensität unterbringen können, um über die 10k noch rasend schnell zu sein. Also genug Umfang für den Marathon, aber auch genug Intensität für den schnellen 10er. Auf der anderen Seite gibt es eben die auch bei McMillan erwähnten Japaner, die mit Umfängen von 280km oder ähnlichem ihre fehlende Grundschnelligkeit wettmachen. Die laufen über 10k wahrscheinlich meist nicht unter 27. Interessant ist, dass McMillan den Anteil der Läufer, für die die "Volume Method" am besten passen könnte, auf maximal 5-10% schätzt.
U_d_o hat geschrieben:
Die Grenze ab der lange Läufe im Hinblick auf ein Ziel kürzerer Distanz kontraproduktiv werden kann man nicht absolut ziehen. Das hängt vom jeweiligen Läufer ab. Aber um 10 Km-Läufe zu bestreiten, braucht man sicher nicht über 20 km laufen. Die Zeit wäre sinnvoller für anderes zu verwenden, zum Beispiel für ein paar zusätzliche Übungen bei einem Läuferspezifischen Krafttraining.
Schaden tun die langen Läufer der 10k im Leistungsbereich der meisten Hobbyläufer wohl eher nicht. Zeitmäßig muss halt jeder sehen, wie eng dass bei ihm genäht ist, ich empfehle den Marathonis z. B.auch Krafttraining.
persönlich lass ich die langen Läufe außerhalb der Marathovorbereitung auch weg, da ich sie nicht mag. Bin aber in den Wochen mit langen Läufen Bestzeiten über 5, 10 und 21k gelaufen, dass kann ich aber natürlich nicht den langen Läufen allein zuschreiben. Arg geschadet haben sie wohl aber nicht. Dieses Frühjahr werde ich die Zeiten hoffentlich alle unterbieten, obwohl ich keine langen Läufe machen werde bis zur nächsten Marathonvorbereitung.
Also imo müssen 90-09% der Läufer hier aus dem Forum keine Angst haben, dass das Marathontraining incl langer Läufe ihnen schlechtere 10k Zeiten einbringt. Allerdings sollte man auch nicht denken, dass ein Dutzend Läufe über 35km die Garantie für gute Marathon- und 10k Zeiten sind ...
Nix für ungut
Gruß
Christof