Lost in McPom: Wo Laufen noch ein echtes Abenteuer ist
Verfasst: 24.03.2008, 18:24
Ich gestehe: Außer dem sportlichen Wert und dem unverwechselbaren Charakter einer Laufveranstaltung sind es auch oder gerade die kleinen Ereignisse am Rande, ja oft Skurrilitäten, die für mich den Ausschlag geben bei der Frage: Schreibe ich etwas darüber, und wenn ja, was? Von der sportlichen Bedeutung her betrachtet, ist das Laufereignis unten nicht erwähnenswert, gesichtslos, nicht wert, den PC dafür hochzufahren. So hatte ich es im Vorfeld eigentlich schon abgehakt, bevor eine denkwürdige Verkettung einiger Besonderheiten mich doch noch zur Abfassung des folgenden Berichtes veranlasste.
„Spiele und Ostereier suchen in Sichtweite der Eltern“, verheißt die Ausschreibung des Thiessower Deichlaufes. Ich weiß auch, warum. Im Schneegestöber würde man die lieben Kleinen sonst auch nicht mehr wieder finden. Wann die Läufe starten, das sagt die Ausschreibung allerdings nicht. Also schicke ich eine mail an die Kurverwaltung als Veranstalter und erfahre, dass um 11.30 Uhr der 10 km-Lauf beginnen soll, am Ostersamstag. Thiessow, das ist der südlichste der *bibber, bibber* Badeorte auf Rügen, und ganz zufällig habe ich beim Googeln entdeckt, dass während unseres Osterurlaubs auf Rügen der Thiessower Deichlauf stattfindet, 12 km von Sellin entfernt. Klar, dass ich dabei bin!
Gut, nun weiß ich immerhin, wann er startet. Um 11 Uhr stelle ich das Auto ab auf dem Parkplatz gegenüber der Kurverwaltung, ausgezeichnet mit einem Schild „Deichlauf“. Das Häuschen der Kurverwaltung dünkt mich seltsam leer und ausgestorben, und richtig: ein handgemaltes Schild „Heute sind wir beim Deichlauf am Weststrand“ bestätigt meinen Verdacht. Nur verdammt: Wo ist der Weststrand? Wo findet der Lauf statt? Also wieder ’rin ins Auto und Ort abfahren. Aha, bei dieser kleinen Abzweigung ein weiteres Schild „Deichlauf“. Auto im Schlamm abstellen, aussteigen, Schock kriegen (Mann, ist das windig! Mann, ist der Wind kalt!), anmelden. Ein kleiner unbeheizter Stall ist der Ort des Geschehens. Angesichts des Wetters würde es mich nicht überraschen, drinnen Maria und Josef samt Nachwuchs zu treffen.
Dann nehme ich die ökologisch wertvolle und Ressourcen schonende Recycling-Startnummer in Empfang: Die Form entspricht einer Leuchtweste, auf einer Mischung aus Baumwolle und Sackleinen ist vorne und hinten die Nummer aufgetragen, und unter beiden Ärmeln binde ich mir das Ding zusammen. Vorher habe ich allerdings als Windschutz noch eine Jacke angezogen.
5 und 10 km-Lauf werden gemeinsam gestartet. Kurz vor Beginn gibt’s noch eine Einweisung durch den Chef-Organisator. Als er mit der Beschreibung der Strecke fertig ist, hebt sich seine Stimme, Pathos und Stolz bestimmen vorrangig die Klangfärbung, als er verkündet, dass es heute ein außerordentlich großes Starterfeld gäbe, allein der 10 km-Lauf als Hauptlauf weise stolze 34, in Worten vierunddreißig, Teilnehmer auf, ein neuer Rekord. Ich bin beeindruckt!
Dann geht’s los! 1 bzw. 2 Runden sind zu absolvieren. Die Strecke ist schnell beschrieben, aber mühselig gelaufen: fliegen mit Rückenwind, Schräglage bei Seitenwind (hierbei bläst mich eine Seitenböe fast gegen eine Parkbank), kurz vor Stillstand bei Gegenwind. Oder auch so: asphaltiert auf’m Deich, schlammig im Wäldchen, kleine Treppe hoch, auf der Straße im Ort und hinaus und als Schmankerl auf so einer Art leicht begrünter Sandwiese direkt am Strand zurück, kurze Stücke auch mitten durch den Sandstrand hindurch, diese letzte Wiesen-Strand-Passage hat eindeutigen Cross-Charakter. Ein bisschen fühle ich mich an eine Mischung aus Egmont aan Zee und Syltlauf erinnert (aber viel windiger).
In weiser Voraussicht habe ich vorher nach Kilometerschildern gefragt und als Antwort erhalten, dass überall Streckenposten stünden. Eingezwängt in ein enges Korsett begrenzter intellektueller Kapazität, blieb es mir verwehrt, den inneren Zusammenhang zwischen Frage und Antwort zu ergründen, daher habe ich wohlweislich die Garmin-Uhr umgebunden, was sich als orientierungstechnisch hilfreich erweist. Nach 39:48 min und 9,65 km bin ich froh, die Ziellinie überquert zu haben. Sofort drückt mir ein Helfer meine Soforturkunde im Postkartenformat in die Hand. Die bescheinigt mir pauschal, erfolgreich am Thiessower Deichlauf teilgenommen zu haben. Das ist praktisch, entfällt so doch die Notwendigkeit, jeden Namen und jede Zeit einzeln eintragen zu müssen.
Um das wertvolle Stück vor dem Schneeregen zu schützen, will ich es auch sofort ins Auto legen. Indes, die Hand, die den Autoschlüssel aus der Jackentasche greifen will, greift ins Leere. In meiner grenzenlosen Schusseligkeit habe ich doch tatsächlich vergessen, den Reißverschluss der Tasche zu schließen. Also wird die Auslaufrunde länger werden, nämlich 4,825 km lang oder auch 9,65 km oder 14,475 km oder…, je nachdem, bei welchem Suchlauf ich den Schlüssel finde. Da das zwar Scheiße, aber nun mal nicht zu ändern ist, überlege ich, welche Offenbarung darin liegen mag. (In jeder schlechten Nachricht steckt schließlich immer auch eine Chance!)
Ich erkundige mich noch beim Veranstalter, ob es eine Siegerehrung geben wird und wann die evtl. ist, aber die Antwort ist nicht aussagekräftiger als vorher die Ausschreibung hinsichtlich Startzeit und –ort. Also trabe ich los. Kurze Zeit später weiß ich es zu schätzen, dass ich mit dem Gehör eines Luchses ausgestattet bin, denn durch das Schneetreiben hindurch vernehme ich plötzlich die Worte ….Autoschlüssel…. …Autoschlüssel…. …gefunden… Auf der Stelle kehre ich um: tatsächlich hat ein freundlicher Mitläufer den Schlüssel gesehen, mitgenommen, den Veranstalter informiert und dieser ungewohnt schnell geschaltet. Nachdem ich den hilfreichen Finder geherzt und geküsst habe (symbolisch natürlich), ziehe ich mir im Auto trockene und wärmere Sachen an, steige aus und hole mir einen Tee.
Es ist genügend Tee für alle Läufer vorhanden, aber an der Logistik lässt sich noch feilen, denn im Zuge der Rationalisierung sind Würstchen- und Bierverkauf sowie Teeausgabe zusammengelegt worden (offensichtlich wurde im Vorfeld eine professionelle Organisationsberatung à la McKinsey durchgeführt). Außerdem müssen dies die ersten Bratwürste seit der Wende sein, denn der Zuspruch ist riesig, und so bedeutet jeder weitere Becher Tee mehrminütiges Anstehen in der einen gemeinsamen Schlange.
Während die 10 km-Läufer warten, findet die Siegerehrung der 5-er statt. Es ist kalt und wird immer kälter, Schnee und Schneeregen wechseln sich ab, der Stall erweist sich als undicht, an mehreren Stellen tropft es hindurch. Immer wenn alle (10-er) denken, jetzt geht’s los, folgt eine weitere Altersklasse bei den 5-ern. Zumindest gefühlt werden mindestens doppelt so viele Alterklassen geehrt, wie überhaupt Läufer teilgenommen haben. Als endlich die 10 km-Läufer dran sind, muss es Außenstehenden wie ein Akt der Götzenverehrung erscheinen, bin ich doch der erste Eisklumpen der Geschichte, dem eine Medaille umgehängt wird.
Bernd
„Spiele und Ostereier suchen in Sichtweite der Eltern“, verheißt die Ausschreibung des Thiessower Deichlaufes. Ich weiß auch, warum. Im Schneegestöber würde man die lieben Kleinen sonst auch nicht mehr wieder finden. Wann die Läufe starten, das sagt die Ausschreibung allerdings nicht. Also schicke ich eine mail an die Kurverwaltung als Veranstalter und erfahre, dass um 11.30 Uhr der 10 km-Lauf beginnen soll, am Ostersamstag. Thiessow, das ist der südlichste der *bibber, bibber* Badeorte auf Rügen, und ganz zufällig habe ich beim Googeln entdeckt, dass während unseres Osterurlaubs auf Rügen der Thiessower Deichlauf stattfindet, 12 km von Sellin entfernt. Klar, dass ich dabei bin!
Gut, nun weiß ich immerhin, wann er startet. Um 11 Uhr stelle ich das Auto ab auf dem Parkplatz gegenüber der Kurverwaltung, ausgezeichnet mit einem Schild „Deichlauf“. Das Häuschen der Kurverwaltung dünkt mich seltsam leer und ausgestorben, und richtig: ein handgemaltes Schild „Heute sind wir beim Deichlauf am Weststrand“ bestätigt meinen Verdacht. Nur verdammt: Wo ist der Weststrand? Wo findet der Lauf statt? Also wieder ’rin ins Auto und Ort abfahren. Aha, bei dieser kleinen Abzweigung ein weiteres Schild „Deichlauf“. Auto im Schlamm abstellen, aussteigen, Schock kriegen (Mann, ist das windig! Mann, ist der Wind kalt!), anmelden. Ein kleiner unbeheizter Stall ist der Ort des Geschehens. Angesichts des Wetters würde es mich nicht überraschen, drinnen Maria und Josef samt Nachwuchs zu treffen.
Dann nehme ich die ökologisch wertvolle und Ressourcen schonende Recycling-Startnummer in Empfang: Die Form entspricht einer Leuchtweste, auf einer Mischung aus Baumwolle und Sackleinen ist vorne und hinten die Nummer aufgetragen, und unter beiden Ärmeln binde ich mir das Ding zusammen. Vorher habe ich allerdings als Windschutz noch eine Jacke angezogen.
5 und 10 km-Lauf werden gemeinsam gestartet. Kurz vor Beginn gibt’s noch eine Einweisung durch den Chef-Organisator. Als er mit der Beschreibung der Strecke fertig ist, hebt sich seine Stimme, Pathos und Stolz bestimmen vorrangig die Klangfärbung, als er verkündet, dass es heute ein außerordentlich großes Starterfeld gäbe, allein der 10 km-Lauf als Hauptlauf weise stolze 34, in Worten vierunddreißig, Teilnehmer auf, ein neuer Rekord. Ich bin beeindruckt!
Dann geht’s los! 1 bzw. 2 Runden sind zu absolvieren. Die Strecke ist schnell beschrieben, aber mühselig gelaufen: fliegen mit Rückenwind, Schräglage bei Seitenwind (hierbei bläst mich eine Seitenböe fast gegen eine Parkbank), kurz vor Stillstand bei Gegenwind. Oder auch so: asphaltiert auf’m Deich, schlammig im Wäldchen, kleine Treppe hoch, auf der Straße im Ort und hinaus und als Schmankerl auf so einer Art leicht begrünter Sandwiese direkt am Strand zurück, kurze Stücke auch mitten durch den Sandstrand hindurch, diese letzte Wiesen-Strand-Passage hat eindeutigen Cross-Charakter. Ein bisschen fühle ich mich an eine Mischung aus Egmont aan Zee und Syltlauf erinnert (aber viel windiger).
In weiser Voraussicht habe ich vorher nach Kilometerschildern gefragt und als Antwort erhalten, dass überall Streckenposten stünden. Eingezwängt in ein enges Korsett begrenzter intellektueller Kapazität, blieb es mir verwehrt, den inneren Zusammenhang zwischen Frage und Antwort zu ergründen, daher habe ich wohlweislich die Garmin-Uhr umgebunden, was sich als orientierungstechnisch hilfreich erweist. Nach 39:48 min und 9,65 km bin ich froh, die Ziellinie überquert zu haben. Sofort drückt mir ein Helfer meine Soforturkunde im Postkartenformat in die Hand. Die bescheinigt mir pauschal, erfolgreich am Thiessower Deichlauf teilgenommen zu haben. Das ist praktisch, entfällt so doch die Notwendigkeit, jeden Namen und jede Zeit einzeln eintragen zu müssen.
Um das wertvolle Stück vor dem Schneeregen zu schützen, will ich es auch sofort ins Auto legen. Indes, die Hand, die den Autoschlüssel aus der Jackentasche greifen will, greift ins Leere. In meiner grenzenlosen Schusseligkeit habe ich doch tatsächlich vergessen, den Reißverschluss der Tasche zu schließen. Also wird die Auslaufrunde länger werden, nämlich 4,825 km lang oder auch 9,65 km oder 14,475 km oder…, je nachdem, bei welchem Suchlauf ich den Schlüssel finde. Da das zwar Scheiße, aber nun mal nicht zu ändern ist, überlege ich, welche Offenbarung darin liegen mag. (In jeder schlechten Nachricht steckt schließlich immer auch eine Chance!)
Ich erkundige mich noch beim Veranstalter, ob es eine Siegerehrung geben wird und wann die evtl. ist, aber die Antwort ist nicht aussagekräftiger als vorher die Ausschreibung hinsichtlich Startzeit und –ort. Also trabe ich los. Kurze Zeit später weiß ich es zu schätzen, dass ich mit dem Gehör eines Luchses ausgestattet bin, denn durch das Schneetreiben hindurch vernehme ich plötzlich die Worte ….Autoschlüssel…. …Autoschlüssel…. …gefunden… Auf der Stelle kehre ich um: tatsächlich hat ein freundlicher Mitläufer den Schlüssel gesehen, mitgenommen, den Veranstalter informiert und dieser ungewohnt schnell geschaltet. Nachdem ich den hilfreichen Finder geherzt und geküsst habe (symbolisch natürlich), ziehe ich mir im Auto trockene und wärmere Sachen an, steige aus und hole mir einen Tee.
Es ist genügend Tee für alle Läufer vorhanden, aber an der Logistik lässt sich noch feilen, denn im Zuge der Rationalisierung sind Würstchen- und Bierverkauf sowie Teeausgabe zusammengelegt worden (offensichtlich wurde im Vorfeld eine professionelle Organisationsberatung à la McKinsey durchgeführt). Außerdem müssen dies die ersten Bratwürste seit der Wende sein, denn der Zuspruch ist riesig, und so bedeutet jeder weitere Becher Tee mehrminütiges Anstehen in der einen gemeinsamen Schlange.
Während die 10 km-Läufer warten, findet die Siegerehrung der 5-er statt. Es ist kalt und wird immer kälter, Schnee und Schneeregen wechseln sich ab, der Stall erweist sich als undicht, an mehreren Stellen tropft es hindurch. Immer wenn alle (10-er) denken, jetzt geht’s los, folgt eine weitere Altersklasse bei den 5-ern. Zumindest gefühlt werden mindestens doppelt so viele Alterklassen geehrt, wie überhaupt Läufer teilgenommen haben. Als endlich die 10 km-Läufer dran sind, muss es Außenstehenden wie ein Akt der Götzenverehrung erscheinen, bin ich doch der erste Eisklumpen der Geschichte, dem eine Medaille umgehängt wird.
Bernd