Was bei einem 6-h Lauf wirklich passiert
Verfasst: 30.03.2008, 18:55
Nachdem hier im Forum mit dem Inhalt des Marathonbeutels fast die letzen Geheimnisse des Laufens gelüftet wurden, soll hier nun der nächste investigative Bericht folgen.
Die begeisternden Erzählungen vom 6-h Lauf in Rotenburg vom vergangenen Jahr hatten mich bewegt mich bei diesem Lauf anzumelden, zumal er nur 120 km von meinem Wohnort entfernt stattfand.
Eigentlich hielt ich die Idee, 6 Stunden auf einer 1145 m Runde im Kreis zu laufen, für ziemlich bescheuert. Neben mir fanden die Idee auch meine Lauffreunde, meine Kollegen, meine Frau, meine Eltern und alle andern Menschen, die davon hörten, einfach nur bescheuert. Nur Amelie war tolerant und äußerte sich nicht negativ. Als sie aber am Sonnabendmorgen mit den Schnürsenkeln spielte, wurde mir klar, dass auch Katzen sinnvollere Verwendungen für Laufschuhe kennen.
Da ein Ultra angeblich im Kopf gelaufen wird, hatte ich zur mentalen Vorbereitung alle Laufberichte von Rotenburg der letzten Jahre erneut gelesen, den MP 3 –Player mit meinen Lieblingssongs und bisher ungehörten Schmittcasts gefüllt und außerdem eine Plastikbox mit Vita Cola, Powergel, Weizenbierchips, Toastbrotschnittchen mit Frischkäse, Wechselsachen und Wechselschuhe gefüllt. Verworfen hatte ich den Gedanken, auch ein Buch einzupacken, falls ich nach 4 h keine Lust mehr zum Laufen hätte und mir langweilig würde. Immerhin war ich auch schon 2 mal 30 km in diesem Jahr gelaufen, aber Rotenburg sollte ja auch nur ein langer Trainingslauf sein.
In Rotenburg angekommen, stellte ich mir die Frage, ob ich wirklich in diesem winzigen Schlosspark von ca. 400 x200 m Fläche laufen wolle. Aber da ich schon mal da war und außerdem Frau Schmitt getroffen hatte, die Vogelstimmen aufnahm, ging ich doch an den Start. Ich hatte außerdem Marcus 40 kennen gelernt und als Opfer ausersehen. Wahrscheinlich bin ich schon berüchtigt im Forum, dass ich mir immer Opfer suche, dessen meditative Laufruhe ich dann mindestens 30 km störe.
Marcus hatte sich 50 km plus x zum Ziel gesetzt. Dieses Ziel fand ich ganz in Ordnung, nachdem ich die Tage vorher zwischen mindesten 30 km, mehr als Marathon oder 50 km schwankte. Eine durchaus realistische Strecke von 55 km hatte ich als unangemessen für einen Trainingslaufes verworfen.
Die Starthupe ertönte und wir zottelten los. Die ersten Runden hatten wir Zeit, den Schlosspark näher zu betrachten. Die wohl ehemals barocke Anlage wurde irgendwann zum Landschaftspark umgestaltet, der in den letzten 40 Jahren nützliche Ergänzungen bekam, wie ein Internat in Kastenform, eine Jugendherberge, einen Pavillon mit italienischem Restaurant, einen Kinderspielplatz, Reste einer Betonpergola und einen Minigolfplatz. Alle diese Elemente warten darauf, das Alter des Kriegsdenkmals von 1870/71 zu bekommen, damit der historische Wert die parkverschandelnde Wirkung übersteigt.
Es war ein gemütliches Laufen mit Marcus. Man unterhielt sich, begutachtete die Mitläufer von denen man permanent überholt wurde oder die man selbst überholte. Dazwischen trafen wir Runnersgirl, die teilweise von ihrem Mann in Jeans begleitet wurde, Guntero, der sich von zwei Frauen jagen ließ, Ishimori, der eine– sagen wir mal – ungewöhnliche Renntaktik hatte und ET, der die Toi toi-Wertung gewann.
Die Zeit verging wie im Fluge, wir liefen konstant 7 min pro Runde was etwa ein Schnitt von 6:10 min/km entsprach. Dazwischen bekamen wir bedeutsame Informationen von anderen Läufern, so dass der PSV Grün-Weiß seinen Namen nicht ändert, obwohl die Polizei jetzt blaue Uniformen bekommt oder dass die Bäume an der Fulda nummeriert sind. Letztere Information machte mein Vorhaben zu nichte bei zu großer Langeweile die Bäume im Park zu zählen. Doch langweilig wurde es eigentlich nie.
Hilfreich war Frau Schmitt, die uns in jeder Runde bejubelte, fotografierte, interviewte oder einfach nur da war. Ich überlegte, ihr in jeder Runde einen Witz zu erzählen, um ihre Zuschauermotivation zu erhalten. Aus Mangel an einer ausreichenden Zahl nicht zu unanständiger Zweisatzwitze ließ ich es aber doch bleiben.
Nach über drei Stunden stellten wir fest, dass schon recht viele Läufer gingen, auch wir wurden etwas müde. Doch da begleitet uns Ishimore, der nun die regenerative Phase seines Laufes begonnen hatte. Die mehr werdenden Läufer mit ihren Fähnchen für die Marathonrunde motivierten und irgendwann bei 4:25 h hatten wir die Marathonrunde absolviert. Frau Schmitt machte ein schönes Bild und wir wussten, dass die 50 km kein Problem werden würden. Nach 5 Stunden begann Marcus etwas zu schwächeln und verlangsamte das Tempo auf eine Geschwindigkeit, die für mich mehr Kraft kostete und so verließ ich ihn. Ich begann zu rechnen, ob die 50 km in Runde 44 oder 45 erreicht werden. Da überkam mich das Bedürfnis eine Baumdüngung vorzunehmen, doch statt des gelben Düngerstrahls durchzuckte ein stechender Schmerz meine Niere. Ich konnte kaum noch gehen und Gedanken an das Aufhören und einen Arzt machten sich breit. Frau Schmitt erzählte ich auf der folgenden gewanderten Runde fast stolz etwas von den Schmerzen des Ultras. Doch zwei Becher Wasser später ging es schon wieder. Ein Blick auf die Uhr zeigte dass noch fast eine halbe Stunde Zeit war und das zwischendurch anvisierte und wieder fallengelassene Ziel von 48 Runden locker zu schaffen wäre. So begannen die schönsten drei Runden im inzwischen dauerhaften Sonnenschein. Meine Plastikbox mit dem unbenutzten MP3-Player erreichte ich 3 Minuten vor der Endhupe und beendete meinen Lauf damit vorfristig. Das Ergebnisprotokoll zeigte schließlich 55,123 km an.
Fazit: Ein 6h – Lauf ist nicht langweilig, vor allem wenn man genügend andere Läufer kennt, und hat nur wenig mit der Einsamkeit eines Langstreckenläufers zu tun. Gegenüber normalen Läufen kann man hier den Lauf der anderen unmittelbar mitverfolgen, das bildet Schicksalsgemeinschaften. Das Gefühl jederzeit aufhören oder nur gehen zu können, erleichtert das Laufen. Gezottelte 6 h sind weniger anstrengend als ein auf Bestzeit gelaufener Marathon.
Ein paar Bildchen gibt es im Blog
Die begeisternden Erzählungen vom 6-h Lauf in Rotenburg vom vergangenen Jahr hatten mich bewegt mich bei diesem Lauf anzumelden, zumal er nur 120 km von meinem Wohnort entfernt stattfand.
Eigentlich hielt ich die Idee, 6 Stunden auf einer 1145 m Runde im Kreis zu laufen, für ziemlich bescheuert. Neben mir fanden die Idee auch meine Lauffreunde, meine Kollegen, meine Frau, meine Eltern und alle andern Menschen, die davon hörten, einfach nur bescheuert. Nur Amelie war tolerant und äußerte sich nicht negativ. Als sie aber am Sonnabendmorgen mit den Schnürsenkeln spielte, wurde mir klar, dass auch Katzen sinnvollere Verwendungen für Laufschuhe kennen.
Da ein Ultra angeblich im Kopf gelaufen wird, hatte ich zur mentalen Vorbereitung alle Laufberichte von Rotenburg der letzten Jahre erneut gelesen, den MP 3 –Player mit meinen Lieblingssongs und bisher ungehörten Schmittcasts gefüllt und außerdem eine Plastikbox mit Vita Cola, Powergel, Weizenbierchips, Toastbrotschnittchen mit Frischkäse, Wechselsachen und Wechselschuhe gefüllt. Verworfen hatte ich den Gedanken, auch ein Buch einzupacken, falls ich nach 4 h keine Lust mehr zum Laufen hätte und mir langweilig würde. Immerhin war ich auch schon 2 mal 30 km in diesem Jahr gelaufen, aber Rotenburg sollte ja auch nur ein langer Trainingslauf sein.
In Rotenburg angekommen, stellte ich mir die Frage, ob ich wirklich in diesem winzigen Schlosspark von ca. 400 x200 m Fläche laufen wolle. Aber da ich schon mal da war und außerdem Frau Schmitt getroffen hatte, die Vogelstimmen aufnahm, ging ich doch an den Start. Ich hatte außerdem Marcus 40 kennen gelernt und als Opfer ausersehen. Wahrscheinlich bin ich schon berüchtigt im Forum, dass ich mir immer Opfer suche, dessen meditative Laufruhe ich dann mindestens 30 km störe.
Marcus hatte sich 50 km plus x zum Ziel gesetzt. Dieses Ziel fand ich ganz in Ordnung, nachdem ich die Tage vorher zwischen mindesten 30 km, mehr als Marathon oder 50 km schwankte. Eine durchaus realistische Strecke von 55 km hatte ich als unangemessen für einen Trainingslaufes verworfen.
Die Starthupe ertönte und wir zottelten los. Die ersten Runden hatten wir Zeit, den Schlosspark näher zu betrachten. Die wohl ehemals barocke Anlage wurde irgendwann zum Landschaftspark umgestaltet, der in den letzten 40 Jahren nützliche Ergänzungen bekam, wie ein Internat in Kastenform, eine Jugendherberge, einen Pavillon mit italienischem Restaurant, einen Kinderspielplatz, Reste einer Betonpergola und einen Minigolfplatz. Alle diese Elemente warten darauf, das Alter des Kriegsdenkmals von 1870/71 zu bekommen, damit der historische Wert die parkverschandelnde Wirkung übersteigt.
Es war ein gemütliches Laufen mit Marcus. Man unterhielt sich, begutachtete die Mitläufer von denen man permanent überholt wurde oder die man selbst überholte. Dazwischen trafen wir Runnersgirl, die teilweise von ihrem Mann in Jeans begleitet wurde, Guntero, der sich von zwei Frauen jagen ließ, Ishimori, der eine– sagen wir mal – ungewöhnliche Renntaktik hatte und ET, der die Toi toi-Wertung gewann.
Die Zeit verging wie im Fluge, wir liefen konstant 7 min pro Runde was etwa ein Schnitt von 6:10 min/km entsprach. Dazwischen bekamen wir bedeutsame Informationen von anderen Läufern, so dass der PSV Grün-Weiß seinen Namen nicht ändert, obwohl die Polizei jetzt blaue Uniformen bekommt oder dass die Bäume an der Fulda nummeriert sind. Letztere Information machte mein Vorhaben zu nichte bei zu großer Langeweile die Bäume im Park zu zählen. Doch langweilig wurde es eigentlich nie.
Hilfreich war Frau Schmitt, die uns in jeder Runde bejubelte, fotografierte, interviewte oder einfach nur da war. Ich überlegte, ihr in jeder Runde einen Witz zu erzählen, um ihre Zuschauermotivation zu erhalten. Aus Mangel an einer ausreichenden Zahl nicht zu unanständiger Zweisatzwitze ließ ich es aber doch bleiben.
Nach über drei Stunden stellten wir fest, dass schon recht viele Läufer gingen, auch wir wurden etwas müde. Doch da begleitet uns Ishimore, der nun die regenerative Phase seines Laufes begonnen hatte. Die mehr werdenden Läufer mit ihren Fähnchen für die Marathonrunde motivierten und irgendwann bei 4:25 h hatten wir die Marathonrunde absolviert. Frau Schmitt machte ein schönes Bild und wir wussten, dass die 50 km kein Problem werden würden. Nach 5 Stunden begann Marcus etwas zu schwächeln und verlangsamte das Tempo auf eine Geschwindigkeit, die für mich mehr Kraft kostete und so verließ ich ihn. Ich begann zu rechnen, ob die 50 km in Runde 44 oder 45 erreicht werden. Da überkam mich das Bedürfnis eine Baumdüngung vorzunehmen, doch statt des gelben Düngerstrahls durchzuckte ein stechender Schmerz meine Niere. Ich konnte kaum noch gehen und Gedanken an das Aufhören und einen Arzt machten sich breit. Frau Schmitt erzählte ich auf der folgenden gewanderten Runde fast stolz etwas von den Schmerzen des Ultras. Doch zwei Becher Wasser später ging es schon wieder. Ein Blick auf die Uhr zeigte dass noch fast eine halbe Stunde Zeit war und das zwischendurch anvisierte und wieder fallengelassene Ziel von 48 Runden locker zu schaffen wäre. So begannen die schönsten drei Runden im inzwischen dauerhaften Sonnenschein. Meine Plastikbox mit dem unbenutzten MP3-Player erreichte ich 3 Minuten vor der Endhupe und beendete meinen Lauf damit vorfristig. Das Ergebnisprotokoll zeigte schließlich 55,123 km an.
Fazit: Ein 6h – Lauf ist nicht langweilig, vor allem wenn man genügend andere Läufer kennt, und hat nur wenig mit der Einsamkeit eines Langstreckenläufers zu tun. Gegenüber normalen Läufen kann man hier den Lauf der anderen unmittelbar mitverfolgen, das bildet Schicksalsgemeinschaften. Das Gefühl jederzeit aufhören oder nur gehen zu können, erleichtert das Laufen. Gezottelte 6 h sind weniger anstrengend als ein auf Bestzeit gelaufener Marathon.
Ein paar Bildchen gibt es im Blog