Mein Frankfurt-Marathon 2008: Dumm gelaufen, Darling
Verfasst: 28.10.2008, 01:18
Hallo Ihr Lieben,
vor mehr als einem Jahr hab ich meinen letzten Laufbericht bei laufen-aktuell veröffentlicht. Es ging damals um ein fiktives Marathon-Tagebuch und den Münster-Marathon. Viel hat sich seitdem getan. Wir haben unseren Frieden mit den nicht-anwesenden RunnersWorld-Leuten gemacht und das neue Forumslayout auch überlebt.
Und aus dem fiktiven Tagebuch ist in den letzten Monaten ein richtiges Trainingstagebuch bzw. Wochenbuch entstanden. Hier ist der aktuelle Eintrag:
oLi’s Wochenbericht KW43:
Dumm gelaufen, Darling (Taschenbuch)
Taperingwoche 2 undWettkampfwoche: 20.10.-26.10.2008
Gelaufene Km: 63,6
Befinden: Glücklich und doch nicht ganz
Gesundheit: Lahme Knochen
Ein ganz ausgeschlafenes Kerlchen
In den letzten Tagen vor dem Frankfurt-Marathon versuche ich alles anders zu machen und mich vor allem zu entspannen. Vor allem ausreichend Schlaf sollte ich tanken.Aber das Ausschlafen ist gar nicht so einfach, wenn man gewohnt ist, immer um 5:00 Uhr aufzustehen. Die ersten Tage, an denen ich außerdem eine Stunde früher schlafen gehe, wache ich sogar eine Stunde früher auf.
Essen und Trinken beachte ich auch nicht besonders. Das ständige „Sich-mit-Wasser-vollsaugen“ führt bei mir alle halbe Stunde zum Klo – kenn ich - lass ich. Vor dem Münster-Marathon hab ich Kartoffeln in mich hineingestopft bis zum Platzen – lass ich auch. Sonntag Morgen allen schlauen Büchern zum Trotz Müsli mit Früchten und Milch. Unterwegs auf der Autobahn noch das traditionelle Snickers-Brötchen gemampft (eine Hälfte mit Nutella, die andere mit Erdnussbutter bestrichen).
Perfekte Bedingungen in Frankfurt
Der in hellblau und rosa leuchtende Himmel, der aufsteigende Morgennebel und die orangerot aufgehende Sonne verkünden es: Das Wetter wird hervorragend! Entgegen den Vorhersagen wird es bis abends trocken bleiben, die Mittagstemperaturen werden mit 10-15 Grad ideal sein und auch der Wind wird sich auf 3-4 Windstärken beschränken.
Und auch die Organisation in Frankfurt funktioniert wieder reibungslos. Zwischen Ankunft am Parkplatz in AXA-Nähe, Fußweg zur Messe, Abholen der Startunterlagen und Abgabe des Kleiderbeutels vergehen keine 45 Minuten.
Schon eine halbe Stunde vor dem Start stehe ich erwartungsfroh in der Startbox und hüpfe gegen die Kälte an, denn noch sind es erst 7-8°C. Pünktlich um 10.00 Uhr ertönt der Startschuss und ca. 40 Sekunden später gehe auch ich über die Startlinie.
Schnell, schneller – zu schnell
Wie schnell will ich heute eigentlich sein? Nach dem Halbmarathon in Köln scheint vieles möglich, also warum nicht mal was riskieren? Mit einem Schnitt zwischen 4:25 und 4:30 min/km wäre sogar die Chance auf eine 3:05 Std. gewahrt. So schwimme ich mit der Masse um mich herum und halte mein Tempo mit 4:24 – 4:26 – 4:29 auch genau im Korridor. Es läuft prima und ich liebe es, durch die Wolkenkratzer-Schluchten von Mainhattan zu düsen. Jetzt geht es leicht abwärts und die Gäule gehen mit mir durch: 4:14 – 4:16 – 4:20. Natürlich hätte ich diese Gelegenheit nutzen müssen, um meinen Puls zu schonen, der jetzt schon bei 87% der MaxHF bzw. 97% der aeroben Schwelle schnurrt. Nur zwei Schläge unter meinem Halbmarathonpuls. Das kann nicht gut gehen, also Tempo raus.
Unvernünftig
Wie immer kommt nach den ersten Kilometern die Angst, das Tempo niemals durchzustehen und besser gleich aufzuhören. Muss ich nicht mal pinkeln? Noch mal darüber nachdenken, ob ich mir das wirklich noch über 35km antun will?
Nicht denken, laufen! Das geht vorbei. So war es jedenfalls bisher immer.
Und so ist es auch heute. Es dauert noch weitere sieben Kilometer bis zur Alten Brücke über den Main, bis ich darüber hinweg bin. Aber ich kämpfe gegen den Schweinehund, mit der Folge, dass ich weiterhin zu schnell laufe. Mit meinen 4:24 – 4:20 – 4:23 – 4:32 – 4:24 – 4:24 – 4:18 bin ich immer noch auf einem Kurs mit Endzeit 3:05 Std.
Ruhigeres Fahrwasser
Die hektische Innenstadt liegt seit zehn Minuten hinter uns, in der Gartenstadt von Frankfurt Niederrad geht es eher beschaulich und ruhig zu. Die Zeiten pendeln sich jetzt bei 4:25-4:26 min/km ein und auch der Puls sinkt um ein, zwei Schläge. Die Halbmarathonmarke passiere ich mit exakt 1:33 Std. Wenn ich jetzt auf der zweiten Hälfte genau so liefe, das wäre ein Traum.
Die einzigen „Steigungen“ beim Frankfurt-Marathon nahen: Die Schwanheimer Brücke bei km 23 und die Schleife durch Höchst zwischen km 26 und 27. Bei beiden verliere ich insgesamt nur ca. 15 Sekunden und denke erstmals, dass ich schon auf dem Rückweg bin. Nur noch 15km. Außerdem kein Gegenwind mehr. Wie beflügelt fange ich an zu überholen: 4:13 – 4:12.
Es könnte alles so einfach sein.
Isses aber nicht
4:…46?
Das irritiert mich. Irgendwie konnte ich die 4:13 und die 4:12 schon nicht glauben, und jetzt so langsam? Wie sich später zeigt, muss hier das km-Schild völlig verkehrt gestanden haben. Aber hier ist der Knackpunkt in meinem Lauf. Wie zum Beweis der Schwäche geht auch km 30 nur noch in 4:43 min, und an diesem km-Schild liegt eine Zeitmessmatte. Eigentlich sieht es alle noch traumhaft aus. Gesamtzeit bisher: 2:13:03, wäre eine Endzeit von 3:07 Std.
Aber auf einmal ist die Mainzer Landstraße so unendlich lang, die Kraft scheint aus den Beinen herauszufließen, der Puls steigt an. Der alte Spruch stimmt immer noch: Die zweite Hälfte des Marathons beginnt ab Kilometer 30 und ist doppelt so lang wie die erste.
Zwei Dinge halten mich für die nächsten Kilometer einigermaßen bei Laune: Selbst wenn ich jetzt nachlasse, laufe ich erfahrungsgemäß nur 5-10 Sekunden auf den Kilometer langsamer. Und: Ich hab mir geschworen, mich heute zu quälen, und nicht wie in Münster alles mit mir geschehen zu lassen.
Und so beiße ich mich bis km 34 weiter durch mit beachtlichen 4:28 – 4:29 – 4:40 – 4:32. Aber die Kraft schwindet unerbittich.
Ich will aufhören
Am Ende der Mainzer Landstraße, genauer gesagt in der Frankenallee, will Moni stehen, eine Freundin. Aber wo genau ist das? Inzwischen nervt mich meine Laufgürtel, in dem sowieso nur noch ein Powergel sitzt. Drei sind bereits runter gewürgt, das letzte bei km 30 verursachte bereits leichten Brechreiz. Das Plastikfläschchen mit Basica hab ich vor fünf Minuten halb geleert und dann weggeworfen. Jetzt schnürt mir der Gürtel die Luft ab. Ich bin am Ende. Nur noch bis zu Moni laufen, ihr den Gürtel geben und dann… Pause machen. Gehen. Aufhören. Egal. Wo ist sie bloß?
Kurz vor km 35 die Erlösung. Ich werde den Gürtel los, rufe nur: „Mir geht es so Schei.x.e“ und – laufe weiter. Aber nur bis zum Verpflegungsstand wenige Meter dahinter. Erstmals gehe ich, nehme mir zum Becher Wasser, dessen Hälfte wie immer über den Kopf gegossen wird, auch einen halben Becher Cola. Schwupps, eine halbe Minute ist wieder futsch.
Schleich Dich!
Jedes Joggen ist schneller als Gehen. Ich will meine Zeit retten. Km 36, 37, 38 – irgendwie gehen sie vorbei, ich nehme kaum noch was wahr. Wir sind ganz in der Nähe von Start und Ziel, aber es gilt noch eine weitere von diesen Schleifen durch die Innenstadt zu laufen. 4:39 – 4:40 – 4:45 .
Auf einmal taucht vor mir ein gelbes Singlet auf, das ich kenne: Thomas aka Melrose. Er ist mit dem 3-Stunden-Pacemaker gestartet und es hat ihn mächtig zerbröselt. Ich hab’s Dir weder während des Laufes noch hinterher gesagt, Thomas, aber Du warst ein Bild des Jammers. Es tat mir wirklich so leid, Dich noch langsamer schleichen zu sehen als mich. Kurz hab ich überlegt, mit Dir gemeinsam ins Ziel zu laufen, aber dann hätte ich wirklich bremsen müssen (bei meinem Tempo!) und hatte Angst, nicht mehr weiter zu können. Bloß nicht mehr stehen bleiben!
Jemanden zu überholen, der auf allen Strecken eigentlich eine Klasse besser ist als man selbst, sollte einem Kraft geben. Hat aber nur hundert Meter gewirkt. Der nächste grausame km 39 in 4:46 und ein hoffnungsloser Kilometer 40 in 5:13min sollten auch meinen Lauf erschweren.
Die Krönung: Unzu-Rechen-fähig
Die Anzeige bei km 40 zeigt eine Brutto-Zeit von 3:00 irgendwas Stunden. Das heißt, die 3:10 sind noch drin, wenn..
Zwei Kilometer in 4:30min. sind 9:00 Minuten und in Köln bin ich die letzten hundert Meter in 21 Sekunden gelaufen. Also zu!
Es fällt so schwer, nochmal Gas zu geben, den Puls nochmal hoch zu treiben. Aber es geht irgendwie. Km 41 in 4:37. Jetzt überholt mich noch ein Jungspund, und ich versuche dran zu bleiben. Km 42 in 4:25. Abzweig zur Festhalle, das ist es doch!
Ich will den Einlauf genießen, lass es austrudeln, reiße die Arme fotografengerecht hoch, laufe strahlend durchs Ziel und die (Netto-) Zeit stoppt bei –
3:10:06 Std.
Was ist –das-? Wieso über 3:10?
Der aufmerksame Leser oder die aufmerksame Leserin wollte mich bestimmt schon vorher darauf hunweisen, dass ein Marathon gut 42,2km lang ist, und nicht 42,1km. Ich Depp hab im Laktat-Delirium 100 Meter zu wenig berechnet und dachte, ich hätte ein Polster von 20-30 Sekunden. Aua, aua, aua! Das tut mehr weh als die km35-40. Oder meine Beine jetzt. Oh je, was bin ich fertig.
Immerhin, ich hab meine Bestzeit um drei Minuten Richtung 3 Stunden geschraubt. Und eigentlich geht da noch mehr, insofern werden die 3:10 sicherlich noch fallen. Solche Dinge passieren halt.
Aber warum gerade mir?
Bitte keine Kommentare, ich weiß selbst diverse, oft wenig schmeichelhafte Antworten.
Zum Beispiel: Wenn Dummheit klingeln würde, dann bräuchtest Du gar kein Handy mehr.
Hätte, könnte, wäre.
Ist: BestzeitJ
oLi
vor mehr als einem Jahr hab ich meinen letzten Laufbericht bei laufen-aktuell veröffentlicht. Es ging damals um ein fiktives Marathon-Tagebuch und den Münster-Marathon. Viel hat sich seitdem getan. Wir haben unseren Frieden mit den nicht-anwesenden RunnersWorld-Leuten gemacht und das neue Forumslayout auch überlebt.
Und aus dem fiktiven Tagebuch ist in den letzten Monaten ein richtiges Trainingstagebuch bzw. Wochenbuch entstanden. Hier ist der aktuelle Eintrag:
oLi’s Wochenbericht KW43:
Dumm gelaufen, Darling (Taschenbuch)
Taperingwoche 2 undWettkampfwoche: 20.10.-26.10.2008
Gelaufene Km: 63,6
Befinden: Glücklich und doch nicht ganz
Gesundheit: Lahme Knochen
Ein ganz ausgeschlafenes Kerlchen
In den letzten Tagen vor dem Frankfurt-Marathon versuche ich alles anders zu machen und mich vor allem zu entspannen. Vor allem ausreichend Schlaf sollte ich tanken.Aber das Ausschlafen ist gar nicht so einfach, wenn man gewohnt ist, immer um 5:00 Uhr aufzustehen. Die ersten Tage, an denen ich außerdem eine Stunde früher schlafen gehe, wache ich sogar eine Stunde früher auf.
Essen und Trinken beachte ich auch nicht besonders. Das ständige „Sich-mit-Wasser-vollsaugen“ führt bei mir alle halbe Stunde zum Klo – kenn ich - lass ich. Vor dem Münster-Marathon hab ich Kartoffeln in mich hineingestopft bis zum Platzen – lass ich auch. Sonntag Morgen allen schlauen Büchern zum Trotz Müsli mit Früchten und Milch. Unterwegs auf der Autobahn noch das traditionelle Snickers-Brötchen gemampft (eine Hälfte mit Nutella, die andere mit Erdnussbutter bestrichen).
Perfekte Bedingungen in Frankfurt
Der in hellblau und rosa leuchtende Himmel, der aufsteigende Morgennebel und die orangerot aufgehende Sonne verkünden es: Das Wetter wird hervorragend! Entgegen den Vorhersagen wird es bis abends trocken bleiben, die Mittagstemperaturen werden mit 10-15 Grad ideal sein und auch der Wind wird sich auf 3-4 Windstärken beschränken.
Und auch die Organisation in Frankfurt funktioniert wieder reibungslos. Zwischen Ankunft am Parkplatz in AXA-Nähe, Fußweg zur Messe, Abholen der Startunterlagen und Abgabe des Kleiderbeutels vergehen keine 45 Minuten.
Schon eine halbe Stunde vor dem Start stehe ich erwartungsfroh in der Startbox und hüpfe gegen die Kälte an, denn noch sind es erst 7-8°C. Pünktlich um 10.00 Uhr ertönt der Startschuss und ca. 40 Sekunden später gehe auch ich über die Startlinie.
Schnell, schneller – zu schnell
Wie schnell will ich heute eigentlich sein? Nach dem Halbmarathon in Köln scheint vieles möglich, also warum nicht mal was riskieren? Mit einem Schnitt zwischen 4:25 und 4:30 min/km wäre sogar die Chance auf eine 3:05 Std. gewahrt. So schwimme ich mit der Masse um mich herum und halte mein Tempo mit 4:24 – 4:26 – 4:29 auch genau im Korridor. Es läuft prima und ich liebe es, durch die Wolkenkratzer-Schluchten von Mainhattan zu düsen. Jetzt geht es leicht abwärts und die Gäule gehen mit mir durch: 4:14 – 4:16 – 4:20. Natürlich hätte ich diese Gelegenheit nutzen müssen, um meinen Puls zu schonen, der jetzt schon bei 87% der MaxHF bzw. 97% der aeroben Schwelle schnurrt. Nur zwei Schläge unter meinem Halbmarathonpuls. Das kann nicht gut gehen, also Tempo raus.
Unvernünftig
Wie immer kommt nach den ersten Kilometern die Angst, das Tempo niemals durchzustehen und besser gleich aufzuhören. Muss ich nicht mal pinkeln? Noch mal darüber nachdenken, ob ich mir das wirklich noch über 35km antun will?
Nicht denken, laufen! Das geht vorbei. So war es jedenfalls bisher immer.
Und so ist es auch heute. Es dauert noch weitere sieben Kilometer bis zur Alten Brücke über den Main, bis ich darüber hinweg bin. Aber ich kämpfe gegen den Schweinehund, mit der Folge, dass ich weiterhin zu schnell laufe. Mit meinen 4:24 – 4:20 – 4:23 – 4:32 – 4:24 – 4:24 – 4:18 bin ich immer noch auf einem Kurs mit Endzeit 3:05 Std.
Ruhigeres Fahrwasser
Die hektische Innenstadt liegt seit zehn Minuten hinter uns, in der Gartenstadt von Frankfurt Niederrad geht es eher beschaulich und ruhig zu. Die Zeiten pendeln sich jetzt bei 4:25-4:26 min/km ein und auch der Puls sinkt um ein, zwei Schläge. Die Halbmarathonmarke passiere ich mit exakt 1:33 Std. Wenn ich jetzt auf der zweiten Hälfte genau so liefe, das wäre ein Traum.
Die einzigen „Steigungen“ beim Frankfurt-Marathon nahen: Die Schwanheimer Brücke bei km 23 und die Schleife durch Höchst zwischen km 26 und 27. Bei beiden verliere ich insgesamt nur ca. 15 Sekunden und denke erstmals, dass ich schon auf dem Rückweg bin. Nur noch 15km. Außerdem kein Gegenwind mehr. Wie beflügelt fange ich an zu überholen: 4:13 – 4:12.
Es könnte alles so einfach sein.
Isses aber nicht
4:…46?
Das irritiert mich. Irgendwie konnte ich die 4:13 und die 4:12 schon nicht glauben, und jetzt so langsam? Wie sich später zeigt, muss hier das km-Schild völlig verkehrt gestanden haben. Aber hier ist der Knackpunkt in meinem Lauf. Wie zum Beweis der Schwäche geht auch km 30 nur noch in 4:43 min, und an diesem km-Schild liegt eine Zeitmessmatte. Eigentlich sieht es alle noch traumhaft aus. Gesamtzeit bisher: 2:13:03, wäre eine Endzeit von 3:07 Std.
Aber auf einmal ist die Mainzer Landstraße so unendlich lang, die Kraft scheint aus den Beinen herauszufließen, der Puls steigt an. Der alte Spruch stimmt immer noch: Die zweite Hälfte des Marathons beginnt ab Kilometer 30 und ist doppelt so lang wie die erste.
Zwei Dinge halten mich für die nächsten Kilometer einigermaßen bei Laune: Selbst wenn ich jetzt nachlasse, laufe ich erfahrungsgemäß nur 5-10 Sekunden auf den Kilometer langsamer. Und: Ich hab mir geschworen, mich heute zu quälen, und nicht wie in Münster alles mit mir geschehen zu lassen.
Und so beiße ich mich bis km 34 weiter durch mit beachtlichen 4:28 – 4:29 – 4:40 – 4:32. Aber die Kraft schwindet unerbittich.
Ich will aufhören
Am Ende der Mainzer Landstraße, genauer gesagt in der Frankenallee, will Moni stehen, eine Freundin. Aber wo genau ist das? Inzwischen nervt mich meine Laufgürtel, in dem sowieso nur noch ein Powergel sitzt. Drei sind bereits runter gewürgt, das letzte bei km 30 verursachte bereits leichten Brechreiz. Das Plastikfläschchen mit Basica hab ich vor fünf Minuten halb geleert und dann weggeworfen. Jetzt schnürt mir der Gürtel die Luft ab. Ich bin am Ende. Nur noch bis zu Moni laufen, ihr den Gürtel geben und dann… Pause machen. Gehen. Aufhören. Egal. Wo ist sie bloß?
Kurz vor km 35 die Erlösung. Ich werde den Gürtel los, rufe nur: „Mir geht es so Schei.x.e“ und – laufe weiter. Aber nur bis zum Verpflegungsstand wenige Meter dahinter. Erstmals gehe ich, nehme mir zum Becher Wasser, dessen Hälfte wie immer über den Kopf gegossen wird, auch einen halben Becher Cola. Schwupps, eine halbe Minute ist wieder futsch.
Schleich Dich!
Jedes Joggen ist schneller als Gehen. Ich will meine Zeit retten. Km 36, 37, 38 – irgendwie gehen sie vorbei, ich nehme kaum noch was wahr. Wir sind ganz in der Nähe von Start und Ziel, aber es gilt noch eine weitere von diesen Schleifen durch die Innenstadt zu laufen. 4:39 – 4:40 – 4:45 .
Auf einmal taucht vor mir ein gelbes Singlet auf, das ich kenne: Thomas aka Melrose. Er ist mit dem 3-Stunden-Pacemaker gestartet und es hat ihn mächtig zerbröselt. Ich hab’s Dir weder während des Laufes noch hinterher gesagt, Thomas, aber Du warst ein Bild des Jammers. Es tat mir wirklich so leid, Dich noch langsamer schleichen zu sehen als mich. Kurz hab ich überlegt, mit Dir gemeinsam ins Ziel zu laufen, aber dann hätte ich wirklich bremsen müssen (bei meinem Tempo!) und hatte Angst, nicht mehr weiter zu können. Bloß nicht mehr stehen bleiben!
Jemanden zu überholen, der auf allen Strecken eigentlich eine Klasse besser ist als man selbst, sollte einem Kraft geben. Hat aber nur hundert Meter gewirkt. Der nächste grausame km 39 in 4:46 und ein hoffnungsloser Kilometer 40 in 5:13min sollten auch meinen Lauf erschweren.
Die Krönung: Unzu-Rechen-fähig
Die Anzeige bei km 40 zeigt eine Brutto-Zeit von 3:00 irgendwas Stunden. Das heißt, die 3:10 sind noch drin, wenn..
Zwei Kilometer in 4:30min. sind 9:00 Minuten und in Köln bin ich die letzten hundert Meter in 21 Sekunden gelaufen. Also zu!
Es fällt so schwer, nochmal Gas zu geben, den Puls nochmal hoch zu treiben. Aber es geht irgendwie. Km 41 in 4:37. Jetzt überholt mich noch ein Jungspund, und ich versuche dran zu bleiben. Km 42 in 4:25. Abzweig zur Festhalle, das ist es doch!
Ich will den Einlauf genießen, lass es austrudeln, reiße die Arme fotografengerecht hoch, laufe strahlend durchs Ziel und die (Netto-) Zeit stoppt bei –
3:10:06 Std.
Was ist –das-? Wieso über 3:10?
Der aufmerksame Leser oder die aufmerksame Leserin wollte mich bestimmt schon vorher darauf hunweisen, dass ein Marathon gut 42,2km lang ist, und nicht 42,1km. Ich Depp hab im Laktat-Delirium 100 Meter zu wenig berechnet und dachte, ich hätte ein Polster von 20-30 Sekunden. Aua, aua, aua! Das tut mehr weh als die km35-40. Oder meine Beine jetzt. Oh je, was bin ich fertig.
Immerhin, ich hab meine Bestzeit um drei Minuten Richtung 3 Stunden geschraubt. Und eigentlich geht da noch mehr, insofern werden die 3:10 sicherlich noch fallen. Solche Dinge passieren halt.
Aber warum gerade mir?
Bitte keine Kommentare, ich weiß selbst diverse, oft wenig schmeichelhafte Antworten.
Zum Beispiel: Wenn Dummheit klingeln würde, dann bräuchtest Du gar kein Handy mehr.
Hätte, könnte, wäre.
Ist: BestzeitJ
oLi