Chiara03 hat geschrieben:Bis zur Kotzgrenze? Das kann nicht gesund und ärztlich ratsam sein. Will ich mir auch nicht antun.
Mein Ärztin hat mir gesagt, dass man sowieso nur einen guten Trainingserfolg erzielt, wenn man mit einer durchschnittlichen Herzfrequenz von max. 130 läuft. Alles andere wäre Quatsch und würde dem Körper nicht guttun.
Beim Laufen habe ich grundsätzlich aber eine durchschn. HF von +/-150. Maximaler Puls hat sie mir mit 178 berechnet.
Hallo Chiara,
zur Klarstellung und ohne dich angreifen zu wollen: Wenn hier verschiedentlich Läufer von der "Kotzgrenze" reden, dann meinen sie einen Zustand der völligen Verausgabung oder wie es in den Lehrbüchern steht die Ausbelastung zu 100%. Viele ehrgeizig und leistungsorientiert laufende Wettkämpfer werden dabei schon mal in den Bereich gelaufen sein, wo einem tatsächlich schlecht wird. Kann passieren, muss aber nicht.
Im Zusammenhang mit der Hfmax geht es lediglich darum ein Belastungsprogramm zu laufen, bei dem man sich in der Schlussphase in die Ausbelastung 100% bringt. Das ist sehr schwierig. Nimmt man hierzu zu lange "Anlauf" - zum Beispiel ein 10 km-Wettkampf - dann ist man in Zielnähe muskulär schon viel zu müde, um das Herz noch zu 100% fordern zu können. Gestaltet man die Phase der Herzfrequenzsteigerung zu kurz, dann erreicht das Herz die 100% Schlagfrequenz nicht, auch wenn die Muskeln maximales Tempo hergeben. All diese Tests führen zu Werten, von denen man nur eines sicher sagen kann - falls der Pulsmesser korrekt angezeigt hat, was er ja auch nicht immer tut - dass die Hfmax nicht unter diesem Wert liegt. Andererseits ist ein Fehler von ein paar bpm ziemlich irrelevant zur Ableitung der Trainingspulsbereiche. Wenn die tatsächliche Hfmax zum Beispiel noch 5 Schläge über dem abgelesenen Maximum liegt, dann ist das bei einer Hfmax von 200 bpm ein Fehler von nur 2,5 %. Der wichtige Trainingsbereich für die langsamen Läufe - also 70-75% von Hfmax - liegt dann
- gemäß Messung zwischen 136,5 bis 146,5 bpm
- tatsächlich zwischen 140 bis 150
Wenn man seinen Pulsbereich also aus einer Messung ableitet und die Trainingsfrequenz in der Mitte oder in der oberen Hälfte des errechneten Bereiches hält, liegt man selbst dann noch richtig, wenn der Real-Hfmax etwas höher liegen sollte.
Programme bzw. Belastungstests um den Hfmax an sich selbst zu "verursachen" gibt es viele. Auf unserer
Laufseite, im Themenbereich für alle Läufer, "Laufen mit Pulsmesser", habe ich einige zusammen getragen. Es ist - wie oben erläutert - jedoch nicht nur ein taktisch physisches Problem die totale Ausbelastung zu erreichen, eine Barriere bildet auch der Kopf. Wer kann schon, wegen des schieren Sich-testen-Wollens, so viel Motivation locker machen, um sich selbst in einen unsäglichen Zustand der Erschöpfung zu treiben?
Eine andere Sache ist, wer sich einen solchen Test antun sollte. Mit Sicherheit kein Einsteiger. Auch Fortgeschrittene, wenn sie vielleicht ein paar Monate in Laufschuhen verbracht haben, sollten sich noch nicht in solch brutaler Form ausbelasten. Grundausdauer, stabile läuferische Basis, ein angepasster Bewegungsapparat, das sollte alles bereits erarbeitet sein, bevor man daran geht die Hfmax zu testen. Und auch nur, wenn man das wirklich will. Man (frau) kann auch glücklich laufen und trainieren ohne die Hfmax zu kennen. Es soll auch Läufer geben, die sich sehr gute Leistungen antrainieren und dafür keinen Pulsmesser nutzen. Doch, wirklich, das gibt's. Es ist auch keine Legende, dass der Laufsport schon lange vor dem Pulsmesser erfunden wurde. Die Griechen hatten sicher noch keinen Pulsmesser und Emil Zatopek hat seinen Herzschlag auch nur fühlen können und nicht auf der Uhr ablesen ... So weit zum Hfmax.
Chiaras Posting enthält aber mehr und da stellen sich mir dann schon die Nackenhaare auf, wenn ihre Ärztin, eine Medizinerin, die es eigentlich besser wissen müsste, einen derartigen Unsinn daher redet. Daran ist wirklich jeder Satzteil falsch.
Richtig ist: Einen Trainingserfolg erzielt man nur dann, wenn man richtige Trainingsreize setzt. Unter anderem bedeutet das: Wer schnell laufen können möchte, muss eben auch mit höherer Intensität trainieren. Dabei erreicht er Herzfrequenzen, die 80, 85 oder mehr als 90% seiner Hfmax bedeuten. Also weit mehr als die in Rede stehenden angeblichen 130. Im übrigen ist jede Absolutangabe von Herzfrequenzen Unfug, weil nur der Bezug zur eigenen maximalen Herzfrequenz (unter Umständen auch der Bezug zur Ruheherzfrequenz) einen vergleichbaren und damit auf die meisten Menschen anwendbaren Leistungslevel ergibt. Man kann es sich zur Gewohnheit machen niemandem mehr Gehör zu schenken, der mit Herzfrequenzen argumentiert, die er nicht zumindest auf Hfmax bezogen hat.
Weiter: Kein ernstzunehmender Mediziner wird behaupten, dass es "dem Körper nicht gut tut" wenn man ihm höhere Leistungen abverlangt. Es versteht sich von selbst, dass dies nicht für kranke Menschen gilt (die die meisten Ärzte ja ausschließlich zu sehen bekommen) und von entsprechenden Trainingsmaßnahmen vorbereitet sein muss. Wenn mir jemand sagt, dass ein Dauerlauf von einer Stunde, bei einer Herzfrequenz von 85% (also etwa Puls 153 für einen Menschen mit Hfmax von 180) ungesund sei, auch wenn ich monatelang auf dergleichen hintrainiert habe, dann - pardon - nehme ich den einfach nicht ernst.
Wie sie dir Chiara deinen maximalen Puls von 178 "berechnet" haben will, das würde mich schon interessieren. Faustformel oder wie? Es gibt nur eine exakte Methode die Hfmax zu ermitteln ... aber das hatten wir ja schon. Ein Weg führt auch über die Messung der Herzfrequenzvarianz (ohne das jetzt näher ausführen zu wollen, steht auch im schon zitierten Beitrag "Laufen mit Pulsmesser"). Da braucht man sich nicht groß anstrengen. Aber dafür ergibt auch diese Methode nur einen Nährungswert.
Zum Schluss: Diesen Beitrag hast du Chiara nur ausgelöst. Er richtet sich nicht gegen dich. Er richtet sich gegen Leute, die über Dinge reden, von denen sie Ahnung haben müssen, es dennoch schaffen ihr Wissen zu unterdrücken ...
Ich wünsche dir schöne Läufe, egal auf welchem Pulslevel und egal, ob mit oder ohne Pulsmesser
Gruß Udo