Aletsch-halbmarathon 2009
Verfasst: 29.06.2009, 19:27
Aletsch-Halbmarathon 2009
„Achtung an Gleis 3; aufgrund von Gleisarbeiten wird der ICE …. Von Kiel nach Basel SBB, planmäßige Abfahrt 4:52 voraussichtlich 15 bis 20 Minuten später eintreffen!“
Na Super; das war´s dann also! Damit ist der Anschlusszug nach Bern, Abfahrt 6:01 nicht mehr zu bekommen; und dafür geh´ ich vor dem „letzten Viertele” schon um halb zwölf in´s Bett, kann aufgrund irgendwelcher grill- und trinkwütiger Nachbarn bis 3:00 nicht schlafen, stehe um 4:00 auf und jetzt 4:45 auf´m Freiburger HBF ´rum; als ob man Gleisarbeiten mitten in der Nacht nicht planen könnte!..........
Ich kürze ab; im Ergebnis habe ich noch alle Anschlüsse erreicht (die SBB funktioniert wie die berühmten Uhrwerke) und stehe nun (kurz vor 9:00) mit Hunderten von Gleichgesinnten in Betten an der Talstation (Für Nachahmer: kleines Nadelöhr, weil die Fahrt mit der Luftseilbahn nicht im Bahnticket – und nicht im Startpreis enthalten ist; muss also von jedem Starter noch extra gelöst werden...) und 15 min. später an der Bergstation bei der Startnummernausgabe(Zeitmess-chip ist in die Nummer eingeklebt); Gepäckabgabe (wird zum Ziel transportiert! Für Nachahmer: unbedingt die Nummer des Containers merken, in welchen man sein Gepäck verstaut!).
Draußen knallt hell und aggressiv die Sonne aus einem strahlendblauen Junihimmel, also nur kurzärmliches Hemd und dto. Hose, Kappe (!!!!) und fett eincremen! - Zu den Toiletten geht´s – aus der Bergstation heraus links – um´s Gebäude rum und in´s UG der Bergstation……..
9:45 im Startbereich direkt vor der Bergstation: Gestartet wird in Blöcken (mit 5 Minuten Abstand) sortiert nach geschätzter Zielzeit; irgendwo bei der Online-Anmeldung habe ich gelesen, man könne als Berechnungsformel normale HM-Zeit + 40 min. rechnen, habe mich deshalb mit 2:30 angemeldet und stelle mich am Ende des 3.Blocks auf (Für Nachahmer: Aufgrund meines handicaps – davon später – konnte ich die Richtigkeit dieser Formel nicht abschließend prüfen; für einen Hobbyläufer sollten m.A.n. aber sicherheitshalber auf jeden Fall mindestens 60 Min zugerechnet werden, damit man sich die Laufeinteilung nicht völlig „verplant“!).
Riesenstimmung im Starterfeld; ich genieße das Stimmengewirr aus schwyzer- und halb-hoch-dütsch, französisch, englisch, spanisch, viel italienisch; ich treffe zwei, drei Bekannte aus der Freiburger Szene ( – aus der eigenen Laufclique war keiner zu motivieren gewesen – die bolzen lieber Geschwindigkeit in der Ebene);
Gespräche am Rand: „was hast Du denn als Zielzeit geplant?“; „dieses Jahr nichts besonderes; es sollte nur unter 3:00 bleiben“ – ich denke mit Schrecken an meine 2:30 – Planung …...
Der Sprecher rät uns, auf der Strecke mit ihren 1.050 hm (wieso eigentlich 1.050?; nach der Profilskizze sind´s nur rund 800? – Aber: VERGESST DAS STRECKENPROFIL entsprechend der Web-Seite!!!!) – erneut grüble ich über meine 2:30 er Planung…..
10:05 Startschuss; gemächlich und mit großem Publikumsbeifall (iü.: Superpublikum entlang der ganzen Strecke! Vielen Dank für euren Beifall, für Rätschen, Kuhglocken, Akkordeon und Alphörner!) setzt sich der Tross in Bewegung; nach 1 km endet die Asphaltstrecke (oh, wie würde ich diese noch vermissen….) und mündet in einen schattig – kühlen Waldweg.
Ich komme überhaupt nicht in Tritt – war das doch zu wenig Schlaf und die Anfahrt zu beschwerlich? - ; im Bauch gluckert und rumort es verdächtig; seit einer Woche nehme ich infolge einer Sehnenscheidenentzündung unterstützend täglich 2 Voltaren und die von heute morgen auf leeren Magen; hoffentlich geht da nichts schief; ich verdränge den Gedanken, drehe den i-Pod etwas lauter und konzentriere mich auf meinen Laufrhythmus; Schnitt bei 6:30, langsam beginnt´s zu „rollen“.
Bei KM 3 kommt die Strecke aus dem Wald, es wird kurz eben und man hat einen herrlichen Blick über die Alp und die bunte Perlenkette von Läufern, die sich durch sattes Grün Richtung Riederfurka zieht.
Der Weg ist steinig, eng und tief in die Grasnarbe eingefressen, teilweise queren kleine Rinnsale; und da passiert es: gerade, als ich beginne, zu entspannen und locker zu laufen, ein unkonzentrierter Moment, nicht geschaut, wo ich hintrete und schon knicke ich um und dehne mein ohnehin lädiertes und chronisch „schlabbriges“ rechtes Außenband; der Schmerz und der Schreck rauben für einen kurzen Moment den Atem; ich bleibe stehen – war´s das nun? 4 km zurückhinken und ein Jahr bis zur nächsten Chance warten? Ich könnte heulen! – und entscheide mich weiterzulaufen – gegen jede Vernunft, langsam und unsicher…., aber es geht….
Bei KM 5 die erste Verpflegungsstelle; nun sollte es – nach dem Streckenprofil auf der Web-Seite eben werden; aber – (für Nachahmer) VERGESST DAS STRECKENPROFIL! Das stimmt vorne und hinten nicht bzw. nur hinsichtlich der ganz groben Höhenentwicklung! Ständig wechseln sich kurze, knackige Anstiege mit ebensolchen bergab-Passagen ab!; es ist eng, der Weg tief eingeschnitten und überall geht´s über Stock und v.a. Stein; mir wir angst und bang; wenn´s mir nochmal ´nen Schlag auf´s rechte Sprunggelenk gibt, ist mit Sicherheit vorbei! Die bergab-Passagen tun eh, scheußlich weh; ich laufe verkrampft, nehme das Tempo heraus und freue mich auf den nächsten Anstieg! Der kommt auch: Nach der 2. Verpflegungsstelle bei KM 10; und so prompt und so heftig, dass allenthalben erste Gehpausen eingelegt werden; mir ist es recht, es ist so steil, dass an Zeitgutmachen eh nicht zu denken ist; ich genieße die Bananenstücke und Wasser/Tee, während sich die Läuferprozession den Weg hoch zur Riederfurka quält; von oben grüßt die pittoreske Villa Cassel mit ihren dto. Türmchen; offensichtlich bin ich nicht der einzige, dem die Strecke gehörig auf die Sprunggelenke schlägt; mehrere stolpern, knicken um, steigen aus und humpeln talwärts.............
Kurz vor der Riederfurka knickt der Weg nach links ab auf die Schleife, die dem Aletsch-lauf die letzten paar km für den Halbmarathon gegeben hat; was könnte man schön abkürzen; hoch zur Riederfurka und sich fünf km sparen ;-)
...........und was für einen Tanz hätte man sich erspart! Es wird halbwegs eben, aber ungeheuer eng und felsig; die Strecke liegt im Schatten; es ist kühl und der Fels feucht und glitschig; nach links geht es steil bergab; und alle laufen dicht hintereinander und drücken auf´s Tempo - und ich ebenfalls – und verdränge den Gedanken, was alles passieren könnte, wenn´s mich jetzt hinschmeißt; z.T. geht´s links derartig steil bergab, dass unterhalb noch nicht einmal mehr die Lawinensperren zu sehen sind; oder sind da am Ende gar keine mehr? Was ich/wir hier mache/n, ist eigentlich verdammt leichtsinnig; ich will gar nicht wissen, wie die Spitzengruppe hier durchgejagt ist; ein paar „völlig Durchgeknallte“ nutzen den ebenen Streckenverlauf für Überholmanöver!
Endlich sind wir um die Kuppe herum, die Riederfurka und kurz danach die Verpflegungsstation bei KM 15 in Sicht. Es wird wieder sonnig und trocken. Nach dem Streckenprofil (vergesst das Streckenprofil!!!) soll nun ein kontinuierlicher Anstieg bis zu KM 19 kommen! Ich empfinde es völlig anders; ständig geht es bergauf und bergab durch irgendwelche Rinnen, über Felsen; ebene und glatte Wanderpassagen wechseln sich ab mit treppengleichen Felsbschnitten und Geröllfeldern; ich verkrampfe, das Sprunggelenk tut fürchterlich weh und ich muss gerade bei den bergab-Passagen langsam machen; ich merke, wie auch die Waden langsam hart und müde werden; immer mehr Läufer um mich herum bleiben stehen, lockern die Muskeln und beginnen mit Dehnübungen; einige hinken; der eine oder andere übergibt sich; ich denke an meinen Laufbericht und überlege, ob ich den Vergleich zu Frodo Beutlin am Schicksalsberg mit aufnehmen soll….
Aus dem Streckenprofil (vergesst das Streckenprofil!!!...) weiß ich, dass es ab KM 18 noch mal etwas ebener werden soll; tatsächlich wird die Strecke wieder „laufbar“; wir halten uns aber alle stark zurück, weil wir wissen, dass das „dicke Ende“ noch kommt!
Und dann “stehen wir” vor dem Schluss-Stich; 400 hm auf 2 km; selbst die z.T. eingebrachten Stufen sind doppelt und dreimal so hoch wie „normale Treppenstufen“; die Waden zupfen wieder; jetzt nur keinen Krampf! Jedes Abdrücken von einer zur nächsten Stufe wird zur Qual, jeder schleppt sich durch das offene Geröllgeländer irgendwie nach oben – (wer ist Frodo? – Vergesst Frodo!) – und auf einmal wird es eben, unvermittelt und ohne Ankündigung! – und als wären die Beine völlig verselbständigt und selbst entscheidend tragen sie mich – ich kann es nicht anders beschreiben, es war ein völlig unbeschreiblicher Moment – ganz entspannt und locker sprintend in´s Ziel! Blick auf die Uhr: 2:58; na immerhin!
Freundliche Helfer puhlen den Startchip von der Nummer, jemand drückt mir mein Finisher-Shirt in die Hand, es gibt Müsli, Obst und Schneckennudeln; wie im Traum setze ich mich auf einen Felsen, genieße Aussicht, Essen und Trinken und entscheide, nie mehr aufzustehen; was soll´s, dass die ersten hier in der Hälfte der Zeit hochgehechtet sind und wohl schon seit anderthalb Stunden hier sind! Ich sitze hier und schaue in´s Tal; alles andere ist wurscht.......
Als ich wieder aufzustehen versuche, hat mich die Realität wieder; auf den rechten Fuß zu stehen ist fast unmöglich; humpelnd gehe ich zu den bereitstehenden Containern und hole meinen Rucksack; den kurzen Spaziergang die letzten paar hundert (Höhen?-)Meter hoch zum Gipfel verkneife ich mir, ziehe mir ein paar warme Klamotten (für Nachahmer: oben gibt es keine Duschmöglichkeiten! Erst unten auf der Bettmeralp im Sportzentrum 100m von der Bahnstation!) an und fahre mit der Bahn zurück hinunter zur Bettmeralp (für Nachahmer: es empfiehlt sich, beim Aussteigen (!!!!) einen Nachweis vorzeigen zu können, dass man Finisher ist – also Startnummer oder Finisher-T-Shirt bereit halten, sonst muss man nochmal löhnen – ich musste vor dem griesgrämigen Walliser Bergbahnkontrolleur erstmal den halben Rucksack auspacken……)
Auf der Alp – auf 2.000 m ist es brütend heiß, die Sonne knallt gnadenlos; ich setze mich mit ein paar anderen noch ein wenig in den Schatten; geredet wird nicht viel, dass alle nächstes Jahr wieder da sein werden, ist ohnehin klar; gegen halb vier mach´ich mich auf den Weg zur Luftseilbahn Richtung Betten (Für Nachahmer: die Züge nach Brig verkehren zwar etwa halbstündlich, sind aber – zumindest an Tagen wie diesem – völlig überfüllt; wenn ihr also vor dem Bahnhof einen oder mehrere Postbusse/“Entlastungsbus“ seht, nehmt ihn; sie fahren nach Brig an den Bahnhof und vielleicht erreicht ihr ja dann – wie ich – einen früheren Zug Richtung „nach Hause“).
Fazit: In aller Bescheidenheit sprechen die Walliser/Bettmerer vom „schönsten Halbmarathon Europas – und ich kann dem nur rundum zustimmen! Aletsch 2009 war mein bislang schönstes Lauferlebnis und für 2010 ist der Aletsch wieder fest in der Planung!
Als Verbesserungsmöglichkeiten für mich: nächstes Mal auf jeden Fall den Bänderstützstrumpf und die festeren Laufschuhe und – wenn´s irgend geht – ein, zwei Tage Kurzurlaub um den Lauf herum geplant; es ist zu schön da oben und die Eintagesnummer doch etwas heftig!
P.S: Und eines ist sicher: Die Höhenluft/Luftdruck/Sauerstoffproblematik ist bei dem Lauf garantiert das geringste Problem!
P.S.P.S.: i.ü. kann ich zur Beschreibung des Laufs nur dringend auf die Bildimpressionen und v.a. auf den Film auf der Webseite hinweisen; genau das trifft es
LGUli
„Achtung an Gleis 3; aufgrund von Gleisarbeiten wird der ICE …. Von Kiel nach Basel SBB, planmäßige Abfahrt 4:52 voraussichtlich 15 bis 20 Minuten später eintreffen!“
Na Super; das war´s dann also! Damit ist der Anschlusszug nach Bern, Abfahrt 6:01 nicht mehr zu bekommen; und dafür geh´ ich vor dem „letzten Viertele” schon um halb zwölf in´s Bett, kann aufgrund irgendwelcher grill- und trinkwütiger Nachbarn bis 3:00 nicht schlafen, stehe um 4:00 auf und jetzt 4:45 auf´m Freiburger HBF ´rum; als ob man Gleisarbeiten mitten in der Nacht nicht planen könnte!..........
Ich kürze ab; im Ergebnis habe ich noch alle Anschlüsse erreicht (die SBB funktioniert wie die berühmten Uhrwerke) und stehe nun (kurz vor 9:00) mit Hunderten von Gleichgesinnten in Betten an der Talstation (Für Nachahmer: kleines Nadelöhr, weil die Fahrt mit der Luftseilbahn nicht im Bahnticket – und nicht im Startpreis enthalten ist; muss also von jedem Starter noch extra gelöst werden...) und 15 min. später an der Bergstation bei der Startnummernausgabe(Zeitmess-chip ist in die Nummer eingeklebt); Gepäckabgabe (wird zum Ziel transportiert! Für Nachahmer: unbedingt die Nummer des Containers merken, in welchen man sein Gepäck verstaut!).
Draußen knallt hell und aggressiv die Sonne aus einem strahlendblauen Junihimmel, also nur kurzärmliches Hemd und dto. Hose, Kappe (!!!!) und fett eincremen! - Zu den Toiletten geht´s – aus der Bergstation heraus links – um´s Gebäude rum und in´s UG der Bergstation……..
9:45 im Startbereich direkt vor der Bergstation: Gestartet wird in Blöcken (mit 5 Minuten Abstand) sortiert nach geschätzter Zielzeit; irgendwo bei der Online-Anmeldung habe ich gelesen, man könne als Berechnungsformel normale HM-Zeit + 40 min. rechnen, habe mich deshalb mit 2:30 angemeldet und stelle mich am Ende des 3.Blocks auf (Für Nachahmer: Aufgrund meines handicaps – davon später – konnte ich die Richtigkeit dieser Formel nicht abschließend prüfen; für einen Hobbyläufer sollten m.A.n. aber sicherheitshalber auf jeden Fall mindestens 60 Min zugerechnet werden, damit man sich die Laufeinteilung nicht völlig „verplant“!).
Riesenstimmung im Starterfeld; ich genieße das Stimmengewirr aus schwyzer- und halb-hoch-dütsch, französisch, englisch, spanisch, viel italienisch; ich treffe zwei, drei Bekannte aus der Freiburger Szene ( – aus der eigenen Laufclique war keiner zu motivieren gewesen – die bolzen lieber Geschwindigkeit in der Ebene);
Gespräche am Rand: „was hast Du denn als Zielzeit geplant?“; „dieses Jahr nichts besonderes; es sollte nur unter 3:00 bleiben“ – ich denke mit Schrecken an meine 2:30 – Planung …...
Der Sprecher rät uns, auf der Strecke mit ihren 1.050 hm (wieso eigentlich 1.050?; nach der Profilskizze sind´s nur rund 800? – Aber: VERGESST DAS STRECKENPROFIL entsprechend der Web-Seite!!!!) – erneut grüble ich über meine 2:30 er Planung…..
10:05 Startschuss; gemächlich und mit großem Publikumsbeifall (iü.: Superpublikum entlang der ganzen Strecke! Vielen Dank für euren Beifall, für Rätschen, Kuhglocken, Akkordeon und Alphörner!) setzt sich der Tross in Bewegung; nach 1 km endet die Asphaltstrecke (oh, wie würde ich diese noch vermissen….) und mündet in einen schattig – kühlen Waldweg.
Ich komme überhaupt nicht in Tritt – war das doch zu wenig Schlaf und die Anfahrt zu beschwerlich? - ; im Bauch gluckert und rumort es verdächtig; seit einer Woche nehme ich infolge einer Sehnenscheidenentzündung unterstützend täglich 2 Voltaren und die von heute morgen auf leeren Magen; hoffentlich geht da nichts schief; ich verdränge den Gedanken, drehe den i-Pod etwas lauter und konzentriere mich auf meinen Laufrhythmus; Schnitt bei 6:30, langsam beginnt´s zu „rollen“.
Bei KM 3 kommt die Strecke aus dem Wald, es wird kurz eben und man hat einen herrlichen Blick über die Alp und die bunte Perlenkette von Läufern, die sich durch sattes Grün Richtung Riederfurka zieht.
Der Weg ist steinig, eng und tief in die Grasnarbe eingefressen, teilweise queren kleine Rinnsale; und da passiert es: gerade, als ich beginne, zu entspannen und locker zu laufen, ein unkonzentrierter Moment, nicht geschaut, wo ich hintrete und schon knicke ich um und dehne mein ohnehin lädiertes und chronisch „schlabbriges“ rechtes Außenband; der Schmerz und der Schreck rauben für einen kurzen Moment den Atem; ich bleibe stehen – war´s das nun? 4 km zurückhinken und ein Jahr bis zur nächsten Chance warten? Ich könnte heulen! – und entscheide mich weiterzulaufen – gegen jede Vernunft, langsam und unsicher…., aber es geht….
Bei KM 5 die erste Verpflegungsstelle; nun sollte es – nach dem Streckenprofil auf der Web-Seite eben werden; aber – (für Nachahmer) VERGESST DAS STRECKENPROFIL! Das stimmt vorne und hinten nicht bzw. nur hinsichtlich der ganz groben Höhenentwicklung! Ständig wechseln sich kurze, knackige Anstiege mit ebensolchen bergab-Passagen ab!; es ist eng, der Weg tief eingeschnitten und überall geht´s über Stock und v.a. Stein; mir wir angst und bang; wenn´s mir nochmal ´nen Schlag auf´s rechte Sprunggelenk gibt, ist mit Sicherheit vorbei! Die bergab-Passagen tun eh, scheußlich weh; ich laufe verkrampft, nehme das Tempo heraus und freue mich auf den nächsten Anstieg! Der kommt auch: Nach der 2. Verpflegungsstelle bei KM 10; und so prompt und so heftig, dass allenthalben erste Gehpausen eingelegt werden; mir ist es recht, es ist so steil, dass an Zeitgutmachen eh nicht zu denken ist; ich genieße die Bananenstücke und Wasser/Tee, während sich die Läuferprozession den Weg hoch zur Riederfurka quält; von oben grüßt die pittoreske Villa Cassel mit ihren dto. Türmchen; offensichtlich bin ich nicht der einzige, dem die Strecke gehörig auf die Sprunggelenke schlägt; mehrere stolpern, knicken um, steigen aus und humpeln talwärts.............
Kurz vor der Riederfurka knickt der Weg nach links ab auf die Schleife, die dem Aletsch-lauf die letzten paar km für den Halbmarathon gegeben hat; was könnte man schön abkürzen; hoch zur Riederfurka und sich fünf km sparen ;-)
...........und was für einen Tanz hätte man sich erspart! Es wird halbwegs eben, aber ungeheuer eng und felsig; die Strecke liegt im Schatten; es ist kühl und der Fels feucht und glitschig; nach links geht es steil bergab; und alle laufen dicht hintereinander und drücken auf´s Tempo - und ich ebenfalls – und verdränge den Gedanken, was alles passieren könnte, wenn´s mich jetzt hinschmeißt; z.T. geht´s links derartig steil bergab, dass unterhalb noch nicht einmal mehr die Lawinensperren zu sehen sind; oder sind da am Ende gar keine mehr? Was ich/wir hier mache/n, ist eigentlich verdammt leichtsinnig; ich will gar nicht wissen, wie die Spitzengruppe hier durchgejagt ist; ein paar „völlig Durchgeknallte“ nutzen den ebenen Streckenverlauf für Überholmanöver!
Endlich sind wir um die Kuppe herum, die Riederfurka und kurz danach die Verpflegungsstation bei KM 15 in Sicht. Es wird wieder sonnig und trocken. Nach dem Streckenprofil (vergesst das Streckenprofil!!!) soll nun ein kontinuierlicher Anstieg bis zu KM 19 kommen! Ich empfinde es völlig anders; ständig geht es bergauf und bergab durch irgendwelche Rinnen, über Felsen; ebene und glatte Wanderpassagen wechseln sich ab mit treppengleichen Felsbschnitten und Geröllfeldern; ich verkrampfe, das Sprunggelenk tut fürchterlich weh und ich muss gerade bei den bergab-Passagen langsam machen; ich merke, wie auch die Waden langsam hart und müde werden; immer mehr Läufer um mich herum bleiben stehen, lockern die Muskeln und beginnen mit Dehnübungen; einige hinken; der eine oder andere übergibt sich; ich denke an meinen Laufbericht und überlege, ob ich den Vergleich zu Frodo Beutlin am Schicksalsberg mit aufnehmen soll….
Aus dem Streckenprofil (vergesst das Streckenprofil!!!...) weiß ich, dass es ab KM 18 noch mal etwas ebener werden soll; tatsächlich wird die Strecke wieder „laufbar“; wir halten uns aber alle stark zurück, weil wir wissen, dass das „dicke Ende“ noch kommt!
Und dann “stehen wir” vor dem Schluss-Stich; 400 hm auf 2 km; selbst die z.T. eingebrachten Stufen sind doppelt und dreimal so hoch wie „normale Treppenstufen“; die Waden zupfen wieder; jetzt nur keinen Krampf! Jedes Abdrücken von einer zur nächsten Stufe wird zur Qual, jeder schleppt sich durch das offene Geröllgeländer irgendwie nach oben – (wer ist Frodo? – Vergesst Frodo!) – und auf einmal wird es eben, unvermittelt und ohne Ankündigung! – und als wären die Beine völlig verselbständigt und selbst entscheidend tragen sie mich – ich kann es nicht anders beschreiben, es war ein völlig unbeschreiblicher Moment – ganz entspannt und locker sprintend in´s Ziel! Blick auf die Uhr: 2:58; na immerhin!
Freundliche Helfer puhlen den Startchip von der Nummer, jemand drückt mir mein Finisher-Shirt in die Hand, es gibt Müsli, Obst und Schneckennudeln; wie im Traum setze ich mich auf einen Felsen, genieße Aussicht, Essen und Trinken und entscheide, nie mehr aufzustehen; was soll´s, dass die ersten hier in der Hälfte der Zeit hochgehechtet sind und wohl schon seit anderthalb Stunden hier sind! Ich sitze hier und schaue in´s Tal; alles andere ist wurscht.......
Als ich wieder aufzustehen versuche, hat mich die Realität wieder; auf den rechten Fuß zu stehen ist fast unmöglich; humpelnd gehe ich zu den bereitstehenden Containern und hole meinen Rucksack; den kurzen Spaziergang die letzten paar hundert (Höhen?-)Meter hoch zum Gipfel verkneife ich mir, ziehe mir ein paar warme Klamotten (für Nachahmer: oben gibt es keine Duschmöglichkeiten! Erst unten auf der Bettmeralp im Sportzentrum 100m von der Bahnstation!) an und fahre mit der Bahn zurück hinunter zur Bettmeralp (für Nachahmer: es empfiehlt sich, beim Aussteigen (!!!!) einen Nachweis vorzeigen zu können, dass man Finisher ist – also Startnummer oder Finisher-T-Shirt bereit halten, sonst muss man nochmal löhnen – ich musste vor dem griesgrämigen Walliser Bergbahnkontrolleur erstmal den halben Rucksack auspacken……)
Auf der Alp – auf 2.000 m ist es brütend heiß, die Sonne knallt gnadenlos; ich setze mich mit ein paar anderen noch ein wenig in den Schatten; geredet wird nicht viel, dass alle nächstes Jahr wieder da sein werden, ist ohnehin klar; gegen halb vier mach´ich mich auf den Weg zur Luftseilbahn Richtung Betten (Für Nachahmer: die Züge nach Brig verkehren zwar etwa halbstündlich, sind aber – zumindest an Tagen wie diesem – völlig überfüllt; wenn ihr also vor dem Bahnhof einen oder mehrere Postbusse/“Entlastungsbus“ seht, nehmt ihn; sie fahren nach Brig an den Bahnhof und vielleicht erreicht ihr ja dann – wie ich – einen früheren Zug Richtung „nach Hause“).
Fazit: In aller Bescheidenheit sprechen die Walliser/Bettmerer vom „schönsten Halbmarathon Europas – und ich kann dem nur rundum zustimmen! Aletsch 2009 war mein bislang schönstes Lauferlebnis und für 2010 ist der Aletsch wieder fest in der Planung!
Als Verbesserungsmöglichkeiten für mich: nächstes Mal auf jeden Fall den Bänderstützstrumpf und die festeren Laufschuhe und – wenn´s irgend geht – ein, zwei Tage Kurzurlaub um den Lauf herum geplant; es ist zu schön da oben und die Eintagesnummer doch etwas heftig!
P.S: Und eines ist sicher: Die Höhenluft/Luftdruck/Sauerstoffproblematik ist bei dem Lauf garantiert das geringste Problem!
P.S.P.S.: i.ü. kann ich zur Beschreibung des Laufs nur dringend auf die Bildimpressionen und v.a. auf den Film auf der Webseite hinweisen; genau das trifft es
LGUli