bobeje hat geschrieben: damit ich optimal Fett verbrenne. Dazu MUSS ich langsam laufen weil ich sonst sofort auf 160 Puls oder höher liege. ...
Aber momentan habe ich den Eindruck eher zuzunehmen und das obwohl ich wirklich fleißig bin ...
Hallo Jens,
oft genug wiederholt graben sich völlig unsinnige "Volksweisheiten" tief ins kollektive Hirn ein. Es ist dann unheimlich schwer so etwas wieder auszumerzen. Dazu gehört - und ich sage das ganz bewusst so hart - der
SCHWACHSINN mit dem Fettverbrennungspuls.
Erst einmal ein paar Fakten: Wer sich körperlich betätigt bezieht Energie aus drei Phasen des Stoffwechsels. Im einen Fall werden Fettsäuren (nicht "FETT") verstoffwechselt, im zweiten Kohlenhydrate (KH) und in geringem Umfang auch Eiweiße (kann man aber für weitere Erläuterungen vernachlässigen). Welcher Teil des Stoffwechsels überwiegend Energie liefert, hängt vor allem von der
Intensität der körperlichen Arbeit ab. Beim Laufen kann man das vereinfachend mit dem Tempo gleichsetzen. Je schneller man läuft, umso mehr KH werden umgesetzt. KH liefern pro Zeiteinheit mehr ("rascher") Energie, als Fettsäuren. Der Körper ist deshalb bei höherem Tempo gezwungen mehr KH zu verbrauchen. Das ist ein völlig normaler Prozess. Läufer trainieren die verschiedenen Teile des Stoffwechsels, indem sie unterschiedliche Trainingsläufe absolvieren. Unterschiedlich in Dauer (= Länge), Tempo, Wiederholungrate pro Woche und auch Methoden (Dauerlauf, Fahrtspiel, Intervalle, u.a.). Ein
spezielles Fettsäurenstoffwechseltraining absolvieren nur Läufer, die weiter als ca. 30 km laufen wollen. Also z.B. Marathonis oder Ultras. Die müssen auf Optimierung ihres Fettsäurestoffwechsels bedacht sein, weil in dem Tempo in dem sie ihren Marathon oder Ultra laufen, die Kohlenhydrate schon lange vor dem Ziel erschöpft wären. Das Fettsäurestoffwechseltraining sorgt dafür, dass der Körper KH sparen kann, dass die KH-Depots bis ins Ziel reichen. Läufer unter 25 km (also zB. auch Halbmarathonis) haben dieses Problem nicht.
Ob ein Mensch ab- oder zunimmt hat zunächst GAR NICHTS mit seiner sportlichen Aktivität zu tun (wie könnte es sonst Milliarden Menschen geben, die schlank sind und keinen Sport treiben). Das hängt (beim gesunden Menschen) ausschließlich von seiner
Energiebilanz ab. Die ist auf einen bestimmten Zeitraum bezogen - z.B. ein Tag oder eine Woche. Wer in diesem Zeitraum
mehr Kalorien verbraucht, als er durch Essen und Trinken aufnimmt, verliert an Gewicht (Richtwert: ~10.000 kcal entsprechen 1 Kg Körpermasse). Übergewicht hat seine Ursache in übermäßigem Essen und Trinken. Die Ursache für übermäßiges Essen und Trinken ist dann schon wesentlich vielschichtiger. Dahinter kann ja auch eine vorübergehende Lebenskrise stecken. Blöderweise sind die Pfunde dann resistent, wenn der Betreffende die Psychokiste längst gemeistert hat ... Mit Übergewicht gerät man schnell in eine ungute Spirale: Übergewicht -> weniger Lust zu Bewegung -> noch mehr Übergewicht -> noch weniger Lust an Bewegung -> auch Angst in Sportklamotten Sch.... auszusehen -> Ende jeglicher Outdooraktivität -> noch mehr Gewicht. In solchen Fällen bildet der Entschluss "ich will jetzt Laufen" einen guten Ansatz den Teufelskreis zu durchbrechen. Dann kommt dem Betreffenden auch zu Gute, dass trainierte und neu antrainierte Muskulatur zu einem erhöhten Grundumsatz führen. Insgesamt summiert sich das zu einem netten Anfangserfolg. Husch, husch sind ein paar Kilo weg. Aber es sollte auch klar sein, dass die sich sofort wieder zurück melden, wenn man mit dem Sport aufhört. Und zwar ohne auch nur eine Kalorie mehr zu essen. Um wirklich nachhaltig - das bedeutet: mit bleibendem Erfolg - abzunehmen, führt an einer Änderung der Ernährung (Ernährung = Essen
+ Trinken) kein Weg vorbei. Nur wer jenes Verhalten unterlässt, das ihm seine Pfunde eingetragen hat, kann dauerhaft abnehmen. Glaub niemandem, der dir was anderes erzählt. Abnehmen kann man nicht, wenn man weiter "falsch" isst und trinkt und zugleich mehr läuft, weiter läuft, schneller läuft. Selbst wenn das kurzfristig einen Scheinerfolg brächte: Lauf weniger und schon sind die Kilos wieder an Bord.
Außerdem unterschätzen viele, dass ihnen die sportliche Aktivität automatisch mehr Hunger macht. Dann isst man mehr, was ja nicht grundsätzlich falsch oder schlimm ist, weil man auch mehr verbraucht. Wer seine unausgewogene Ernährung allerdings nicht umstellt, isst dann mehr vom Falschen. Wie sollte man dabei abnehmen? Ich habe am eigenen Leib erlebt - ganz zu Anfang meiner Marathon"karriere", dass ich in einer Marathonvorbereitung mit deutlich erhöhtem Laufaufwand einige Kilo zugelegt hab ... Oh ja, ein trauriges Kapitel. Damals dachte ich ungefähr so: Wer so viel läuft, kann essen was und wieviel er will. Das rennt er sich schon wieder runter (Was für ein törichtes Denken und nur um sich die Ausschweifungen schön zu reden ...).
Zurück zum Kern: Laufen - egal wie - kann Abnehmen nur unterstützen. Das aber sehr gut. Wer Spaß am Laufen hat aktiviert seinen Stoffwechsel, erhöht den Grundumsatz, entwickelt Bewusstsein für ausgewogene Ernährung. Alles Voraussetzungen, die nachhaltiges Abnehmen fördern.
Und nun zum Kasus Knacktus: Bei diesem "unterstützenden Laufen" ist das Lauftempo (und damit die Pulsfrequenz) nicht entscheidend. Wirklich entscheidend ist die REGELMÄSSIGKEIT. Wer regelmäßig mindestens dreimal pro Woche läuft, hält die unterstützende Wirkung des Laufens beim Abnehmen "am Leben". Und mehr: Er verbessert seine Ausdauer und kann sich steigern. Mit der Zeit weiter und schneller, was wiederum seinen Wunsch abzunehmen noch mehr beflügelt. Wenn dieser Prozess sich verselbständigt, wenn einer, der eigentlich nur zum Zwecke des Abnehmens mit dem Laufen begann, immer mehr vom Menschen zum Läufer mutiert, dann passieren oft merkwürdige Dinge. Zum Beispiel fällt es manchen plötzlich nicht mehr schwer sich ausgewogener zu ernähren. Pommes-rot-weiß schmecken noch immer so geil wie früher, aber man erliegt seltener der Versuchung sie zu essen. Stattdessen schmecken plötzlich die seltsamsten, gesunden (bäh!) Sachen. Kann sein, muss nicht.
Jetzt noch explizit zum Tempo: Je schneller einer läuft, umso mehr Kalorien verbrennt er. Und je mehr Kalorien einer verbrennt, umso besser ist es für die Energiebilanz, die einzig über Auf oder Ab des Gewichts entscheidet. Aber so einfach liegen die Dinge leider nicht. Denn erstens sind die meisten laufenden Übergewichtler auch Einsteiger und zudem wegen der Überpfunde gehandicapt. Deshalb können und dürfen sie nicht so trainieren, wie es das Gewicht am effektivsten senken würde: Z.B. in Form harter Intervallläufe. Das würde den Einsteiger orthopädisch und organisch mit hoher Wahrscheinlichkeit schädigen. Einsteiger sollen langsam laufen und nicht zu weit. Langsam, nicht um "optimal Fett zu verbrennen", sondern um sich an die Belastung zu gewöhnen und um Woche für Woche das Pensum etwas erweitern zu können. Nach ein paar Wochen kann man auch - zumindest bei einem der wöchentlichen Läufe - die Komponente "Tempo" erhöhen. Alles in allem ist das Ziel den eigenen Laufradius zu erweitern (wenn man das will). Zur Unterstützung des Abspeckens (das nur funktioniert wenn man Ernährungsfehler ausmerzt) trägt aber jeder Meter Bewegung bei, wie oben schon erwähnt. Wer das will und systematisch dabei vorgeht, kann sich innerhalb eines halben bis eines Jahres läuferisch weit voran bringen. Das versetzt ihn in die Lage Trainingsmethoden anzuwende, die ein Maximum an Kalorien verbrauchen. Effizienter als sehr schnelle Dauerläufe sind in diesem Zusammenhand die schon erwähnten Intervalle; aber auch Tempowechsel im Gelände, also zum Beispiel das Fahrtspiel.
Harte, schnelle und relativ kurze Intervalle sind deshalb so wirkungsvoll, weil sie nicht nur während der akuten Belastung Energie in hohem Maß verbrauchen. Muskulatur, die harte Trainingsreize hinter sich hat, verbleibt lange Zeit in einem Zustand deutlich erhöhten Energieumsatzes. Klartext dazu, auch wenn es unwahrscheinlich klingt: Solchermaßen beanspruchte Muskulatur verbraucht noch im Übermaß Kalorien, wenn der "Typ schon schlaff auf der Couch abhängt". Für mehrere Stunden setzen die beanspruchten Muskelgruppen mehr Energie um, als sie das sonst in Ruhe tun. Und zwar umso mehr, je härter das Training war. Es soll an dieser Stelle auch nicht verschwiegen werden, dass es deutlich effektivere Sportarten gibt, um Abnehmen zu unterstützen. Zum Beispiel das viel geschmähte "Eisen bewegen" in der "Muckibude". Der Vorteil von Krafttraining ist, dass Einsteiger ihre Muskulatur von Beginn an mit relativ hohen (harten) Reizen belasten können (allerdings unter fachkundiger Anleitung, man kann dabei schnell was falsch machen). Beim Laufen geht das nicht, weil die Laufmuskulatur das komplette Körpergewicht bewegen muss und schon allein damit anfänglich an ihre Grenzen kommt (auch wenn kein Übergewicht vorhanden ist).
Zum Schluss: So etwas wie einen "optimalen Fettverbrennungspuls" gibt es nicht. Den gibt es deshalb nicht, weil damit die Vorstellung von "optimalem Abnehmen" einher geht. Es gibt ein Lauftempo, bei dem ein Maximum an Fettsäuren verstoffwechselt wird. Doch das hab mit Abnehmen nichts zu tun, das ist nur wichtig für Längststreckenläufer. Hier einen Zusammenhang herzustellen ist gleichmaßen unsinnig, wie der Aberglaube man könne durch Bauchmuskeltraining gezielt und vorwiegend die Rettungsringe um Bauch und Hüften bekämpfen.
Dieser ausführliche "Exkurs" richtet sich natürlich nicht ausschließlich an dich und schon gar nicht "gegen" irgend jemanden. Ich will die Legende treffen, den Unfug vom "Fettverbrennungspuls".
Dir viel Erfolg, Gesundheit und bleibend Laufspaß
Gruß Udo