Finnish for Runaways
Verfasst: 09.12.2009, 13:56
Sonntagmorgen, mitten in der Nacht. Sitzen in der U-Bahn und gucken uns die Zombies von Samstagnacht an. Unser Kind ist ein ÖPNV-Junkie. Kann ich auch irgendwie verstehen, wenn man von Montag bis Freitag in Marzahn lebt. Da muss man mal raus. Wir fahren in den Westen, zum 31. Berliner Mannschafts-Halbmarathonlauf des LC Stolpertruppe. Das ist allerdings nicht die nächste Stufe nach der Krabbelgruppe. Sondern Hardcore-Mannschafts-Sprint. Dazwischen daddeln die Fußlahmen und die Lauftreff-Jogger und die Kinderwagenschieber rum. Damit die Mannschaften den Rest nicht umkegeln, starten sie hinter der breiten Masse. Das hat den Vorteil, dass man garnicht erst zu schnell losläuft. Wenn man gut ist, wird man erst in der 2. Runde von den Spitzenmannschaften überholt. Wenn man schlecht ist - na reden wir nicht weiter drüber.
Wir sind die kleinste Mannschaft, und die jüngste. Auf dem Weg zum Britzer Garten wollen wir noch Janni einsammeln. Dummerweise fährt die U-Bahn nicht bis zum verabredeten Bahnhof. Den Schienenersatzverkehr schenken wir uns. Dann doch lieber anderthalb Kilometer warmlaufen. Vorm Bahnhof muß ich mich erstmal einnorden. In welche Richtung geht's denn jetzt? Sportlich und desorientiert aussehend werde ich von einem noch desorientierter aussehenden jungen Mann in gebrochenem Deutsch angesprochen. Ob ich auch zum Halbmarathon will? Wie man denn da hinkommt? Das frage ich mich auch gerade. Kraft meines rudimentären Orientierungssinns zeige ich erstmal ganz überzeugt nach links und hoffe, heute noch im Britzer Garten anzukommen. Mit meinem entschlossenen Handeln habe ich einen neuen Freund gewonnen. Ich weiß es bloß noch nicht. Hartnäckig weicht mein neuer Begleiter nicht mehr von meiner Seite, obwohl ich zu einem leichten Laufschritt übergehe. In Zivil und mit schwerer Sporttasche an der Seite trabt er neben mir her und erzählt mir, wie froh er ist, dass er mich getroffen hat. Mit dem Akzent und bei der Kontaktfreudigkeit kann es sich nur um einen Skandinavier handeln, eindeutig.
Unsere Karawane erntet schon schräge Blicke bei den senilen Bettflüchtern und Brötchenholern. Ich habe Mitleid und packe kurzerhand die Sporttasche meines Trabanten auf den Babyjogger. Jetzt sind wir zwar schneller, aber trotzdem zu spät. Janni ist schon weg, also weiter in Richtung Stadion. Wenn er so weiterläuft, ist er schon vor dem Lauf fix und fertig, denke ich. Also etwas langsamer laufen, haben ja noch Zeit. Ich merke, dass mein Anhalter bereits bundesdeutsch geprägt ist. Während ich ihn fröhlich duze, siezt er mich höflich. Kommt aus Helsinki, studiert aber derzeit in München. Also richtig vermutet. Finnisch für Fortgerannte. Mein Kind ist erstaunlich still und behält den komischen Onkel sicherheitshalber im Auge. Der Blick sagt: müssen wir den mit nach Hause nehmen? Aber erstmal wird gelaufen. Im Stadion ist schon mächtig was los. Die Anmeldung geht schnell. Janni hat uns schon entdeckt. Und wir sie. Gemeinsam fahnden wir nach Umkleidekabinen und Toiletten. Letzter Boxenstopp vorm Start. Mein finnischer Begleiter will Geld und Ausweise in der Umkleidekabine lassen. Lebt wohl doch noch nicht so lange in Deutschland.
Langsam trudeln die Läufer im Startbereich ein. Stelle mich hinten an, damit niemand meckern kann, dass ich mit meinem Rennwagen im Weg wäre. Der Veranstalter erklärt uns, dass wir noch eine Runde im Stadion drehen müssen, bevor es raus und rund um und durch den Britzer Garten geht. Die Viertelmarathonläufer müssen nur eine Viertelrunde im Stadion laufen. Es geht los. Mein treuer Begleiter gibt nach wenigen Metern seine Anhänglichkeit auf. Den restlichen Weg wird er ja wohl alleine finden. Ich tobe los. Slalom zwischen Läufern, Radlern, Spaziergängern, Walkern, Hunden und Pollern. Die Wege sind breit, der Weg ist weit. Jetzt zahlt sich das jahrelange Hindernislauftraining endlich mal aus. Da vorn ist Tom. Das ist mir doch glatt ein Klingeln wert. Dann taucht Janni auf, sieht ganz nach lockerem Trainingslauf aus. Ich muß weiter und schneller, schließlich will ich den Spitzensportlern nicht im Weg sein, die da noch kommen.
Die Strecke ist okay. Feste Parkwege wechseln sich ab mit betonierten Fußwegen, diverse Bordsteinkanten müssen absolviert werden. Jetzt geht es direkt durch den Park und hier ist der Boden etwas matschig. Außerdem geht es leicht bergauf. Und als ob das noch nicht reicht, kommt etwas Gegenwind hinzu. Oder ist es der Fahrtwind? Jedenfalls muss ich doch ganz schön schieben. Dann der gefürchtete Moment - Pulleralarm! Also Boxenstopp und Kind in die Büsche halten. Das kostet mich glatte 2 Minuten. Kind möchte jetzt lieber laufen. Vertröste es auf die Stadionrunde. Dann kommt er, der angekündigte Briefkasten. Ganz ehrlich, wer den umrennt, ist entweder blind oder besoffen oder beides. Trotzdem weist mich der nette Streckenposten nochmal darauf hin. Überhaupt die Streckenposten. Die waren wirklich nett und haben sich alle über Kind und Rennwagen und Mutti gefreut. Das baut auf. Die erste Runde ist geschafft. Während die Viertelmarathonläufer jetzt ins Stadion abbiegen dürfen, geht's für mich auf die zweite Runde.
Ich überhole immer noch. Hinter mir tuscheln zwei Läufer über den Rennwagen. Da sei doch bestimmt ein kleiner Motor drin. Wieviel PS der wohl hat? Nix PS - der hat genau 1 MS - eine Mamastärke. Einige wollen auch mitfahren. Kind würde gerne mit ihnen tauschen. Ich aber nicht. Lustig geht es weiter über die Strecke. Wie sich das für einen ordentlichen Läufer gehört, hat Kind bereits nach der Hälfte der Strecke den halben Liter Saft intus. Der muß jetzt raus. Also nochmal Boxenstopp. Zum Glück sind wir wieder an der gleichen Stelle wie beim ersten Boxenstopp. Als ich Kind gerade in die Büsche halte, rauscht die Spitzenmannschaft vorbei. Na das trifft sich ja günstig. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Verfolgergruppe nicht so bald folgt. Schließlich muß ich mich wieder ordnungsgemäß in den laufenden Verkehr einordnen. Wir sind wieder auf Strecke und ich gebe nochmal Gas. Bin etwas genervt, da mich Kind nun nochmal zwei Minuten gekostet hat und das, wo mir ein Streckenposten kurz vorher gesteckt hat, dass ich die zweite Frau auf der Strecke bin. Also nicht, dass ich mich davon unter Druck gesetzt fühle. Nein, überhaupt nicht. Niemals. Aber das wäre schon cool.
Mit Schmackes schiebe ich den Rennwagen durch den bereits bekannten Matsch. Berlin ist ein einziger Sumpf, sag ich doch immer. Mittlerweile hat mich auch die zweite und dritte Mannschaft überholt. Und jedesmal habe ich mich an den äußersten Rand der Laufstrecke verdrückt, sonst hätten die mich einfach umgerannt. Bei einer Mannschaft schieben zwei starke Läufer zwei schwächelnde Läufer. So eine Schiebung, denke ich, aber man soll ja nicht mit Steinen schmeißen, wenn man selbst was verschiebt. Im tiefsten Morast und natürlich an der engsten Stelle der ganzen Laufstrecke überholt mich die Mannschaft mit CarstenS. Ist mir wirklich peinlich. Ich wäre ja schon längst im Ziel, wenn das Kind nicht und so. Wahrscheinlich habe ich jetzt den Sieg versaut. Das wird böse Worte geben im Forum. Kind fühlt sich irgendwie motiviert von den rasenden Läufern und will jetzt wirklich langsam raus und laufen. In der folgenden wissenschaftlichen Diskussion weigert sich Kind, das Thema doch auch mal aus meiner Sicht zu sehen. Würge deshalb das Ganze sehr unpädagogisch mit einem Nein ab. Kind ist sauer. Auf den letzten 2 Kilometern herrscht Schweigen. Ich kann nicht mehr reden und Kind will nicht mehr reden.
Endlich der Einlauf ins Stadion. Noch eine Dreiviertelrunde und wir sind im Ziel. Ich mache Kind ein Friedensangebot und stoppe 100 Meter vorm Ziel den Wagen. Kind steigt begeistert aus und will sich erstmal die Jacke ausziehen. Das macht sie immer so vorm Laufen. Werde etwas nervös und treibe Kind an. Kind kriegt die Jacke nicht auf und heult. So laufen wir ins Ziel. Sehe schon am nächsten Morgen die Schlagzeile in der Berliner Morgenpost: Britzer Garten - Rabenmutter zwingt weinendes Kind zum Laufen - Dreijährige muß Marathon laufen! Das spricht sich sofort in der Berliner Läuferszene rum. Mein Ruf ist ruiniert, ich sollte nach Finnland auswandern. Aber vorher hole ich mir noch den Gewinn für den 2. Platz in der Gesamtwertung ab. Wenn man die zwei Pullerpausen mit je 2 Minuten abzieht, habe ich 1:48 gebraucht. Die erste Läuferin war 24 Minuten vor mir im Ziel. Wie peinlich. Dafür sind die Kekse für das Nachmittagskaffeetrinken gesichert. Hat sich doch gelohnt, den langen Lauf mal woanders zu laufen. Kind kassiert sofort die große Keksdose ein und überlegt, was sie mit den Tischtennisschlägern anfangen soll, die wir auch noch gewonnen haben. Die Alternative, einen Gutschein für einen Badminton-Schnupperkurs, hätte sie wenigstens vollmalen können.
Kurz bevor wir den Nachhauseweg antreten, taucht auch mein Begleiter wieder auf. Er hat in 2:03 gefinisht. Seine Jacke mit Geld und Ausweisen hat er einem Mann an der Strecke gegeben, weil ihm so warm war. Lebt wohl wirklich noch nicht so lange in Deutschland. Ich verspreche, ihm das Foto von Janni und ihm und dem Rennwagen zu schicken. Sonst glaubt ihm das keiner. In der U-Bahn sitzen jetzt statt der Samstagnacht-Zombies die Ich-fress-mich-bei-Mutti-durch-Typen und Frühschopper. Kind ist müde, war ja auch ein anstrengender Lauf. Zuhause kassiert Papa sofort die große Keksdose ein und überlegt, was er mit den Tischtennisschlägern anfangen soll. Da hätte ich doch lieber den Gutschein für den Badminton-Schnupperkurs nehmen sollen, den hätte Kind wenigstens vollmalen können. Aber die Kekse sind gut. Haben ja auch 12 Euro gekostet, zusammen mit dem Tischtennisspiel. Am Montag stand ich übrigens nicht in der Berliner Morgenpost. Usain Bolt war denen wichtiger.
Wir sind die kleinste Mannschaft, und die jüngste. Auf dem Weg zum Britzer Garten wollen wir noch Janni einsammeln. Dummerweise fährt die U-Bahn nicht bis zum verabredeten Bahnhof. Den Schienenersatzverkehr schenken wir uns. Dann doch lieber anderthalb Kilometer warmlaufen. Vorm Bahnhof muß ich mich erstmal einnorden. In welche Richtung geht's denn jetzt? Sportlich und desorientiert aussehend werde ich von einem noch desorientierter aussehenden jungen Mann in gebrochenem Deutsch angesprochen. Ob ich auch zum Halbmarathon will? Wie man denn da hinkommt? Das frage ich mich auch gerade. Kraft meines rudimentären Orientierungssinns zeige ich erstmal ganz überzeugt nach links und hoffe, heute noch im Britzer Garten anzukommen. Mit meinem entschlossenen Handeln habe ich einen neuen Freund gewonnen. Ich weiß es bloß noch nicht. Hartnäckig weicht mein neuer Begleiter nicht mehr von meiner Seite, obwohl ich zu einem leichten Laufschritt übergehe. In Zivil und mit schwerer Sporttasche an der Seite trabt er neben mir her und erzählt mir, wie froh er ist, dass er mich getroffen hat. Mit dem Akzent und bei der Kontaktfreudigkeit kann es sich nur um einen Skandinavier handeln, eindeutig.
Unsere Karawane erntet schon schräge Blicke bei den senilen Bettflüchtern und Brötchenholern. Ich habe Mitleid und packe kurzerhand die Sporttasche meines Trabanten auf den Babyjogger. Jetzt sind wir zwar schneller, aber trotzdem zu spät. Janni ist schon weg, also weiter in Richtung Stadion. Wenn er so weiterläuft, ist er schon vor dem Lauf fix und fertig, denke ich. Also etwas langsamer laufen, haben ja noch Zeit. Ich merke, dass mein Anhalter bereits bundesdeutsch geprägt ist. Während ich ihn fröhlich duze, siezt er mich höflich. Kommt aus Helsinki, studiert aber derzeit in München. Also richtig vermutet. Finnisch für Fortgerannte. Mein Kind ist erstaunlich still und behält den komischen Onkel sicherheitshalber im Auge. Der Blick sagt: müssen wir den mit nach Hause nehmen? Aber erstmal wird gelaufen. Im Stadion ist schon mächtig was los. Die Anmeldung geht schnell. Janni hat uns schon entdeckt. Und wir sie. Gemeinsam fahnden wir nach Umkleidekabinen und Toiletten. Letzter Boxenstopp vorm Start. Mein finnischer Begleiter will Geld und Ausweise in der Umkleidekabine lassen. Lebt wohl doch noch nicht so lange in Deutschland.
Langsam trudeln die Läufer im Startbereich ein. Stelle mich hinten an, damit niemand meckern kann, dass ich mit meinem Rennwagen im Weg wäre. Der Veranstalter erklärt uns, dass wir noch eine Runde im Stadion drehen müssen, bevor es raus und rund um und durch den Britzer Garten geht. Die Viertelmarathonläufer müssen nur eine Viertelrunde im Stadion laufen. Es geht los. Mein treuer Begleiter gibt nach wenigen Metern seine Anhänglichkeit auf. Den restlichen Weg wird er ja wohl alleine finden. Ich tobe los. Slalom zwischen Läufern, Radlern, Spaziergängern, Walkern, Hunden und Pollern. Die Wege sind breit, der Weg ist weit. Jetzt zahlt sich das jahrelange Hindernislauftraining endlich mal aus. Da vorn ist Tom. Das ist mir doch glatt ein Klingeln wert. Dann taucht Janni auf, sieht ganz nach lockerem Trainingslauf aus. Ich muß weiter und schneller, schließlich will ich den Spitzensportlern nicht im Weg sein, die da noch kommen.
Die Strecke ist okay. Feste Parkwege wechseln sich ab mit betonierten Fußwegen, diverse Bordsteinkanten müssen absolviert werden. Jetzt geht es direkt durch den Park und hier ist der Boden etwas matschig. Außerdem geht es leicht bergauf. Und als ob das noch nicht reicht, kommt etwas Gegenwind hinzu. Oder ist es der Fahrtwind? Jedenfalls muss ich doch ganz schön schieben. Dann der gefürchtete Moment - Pulleralarm! Also Boxenstopp und Kind in die Büsche halten. Das kostet mich glatte 2 Minuten. Kind möchte jetzt lieber laufen. Vertröste es auf die Stadionrunde. Dann kommt er, der angekündigte Briefkasten. Ganz ehrlich, wer den umrennt, ist entweder blind oder besoffen oder beides. Trotzdem weist mich der nette Streckenposten nochmal darauf hin. Überhaupt die Streckenposten. Die waren wirklich nett und haben sich alle über Kind und Rennwagen und Mutti gefreut. Das baut auf. Die erste Runde ist geschafft. Während die Viertelmarathonläufer jetzt ins Stadion abbiegen dürfen, geht's für mich auf die zweite Runde.
Ich überhole immer noch. Hinter mir tuscheln zwei Läufer über den Rennwagen. Da sei doch bestimmt ein kleiner Motor drin. Wieviel PS der wohl hat? Nix PS - der hat genau 1 MS - eine Mamastärke. Einige wollen auch mitfahren. Kind würde gerne mit ihnen tauschen. Ich aber nicht. Lustig geht es weiter über die Strecke. Wie sich das für einen ordentlichen Läufer gehört, hat Kind bereits nach der Hälfte der Strecke den halben Liter Saft intus. Der muß jetzt raus. Also nochmal Boxenstopp. Zum Glück sind wir wieder an der gleichen Stelle wie beim ersten Boxenstopp. Als ich Kind gerade in die Büsche halte, rauscht die Spitzenmannschaft vorbei. Na das trifft sich ja günstig. Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Verfolgergruppe nicht so bald folgt. Schließlich muß ich mich wieder ordnungsgemäß in den laufenden Verkehr einordnen. Wir sind wieder auf Strecke und ich gebe nochmal Gas. Bin etwas genervt, da mich Kind nun nochmal zwei Minuten gekostet hat und das, wo mir ein Streckenposten kurz vorher gesteckt hat, dass ich die zweite Frau auf der Strecke bin. Also nicht, dass ich mich davon unter Druck gesetzt fühle. Nein, überhaupt nicht. Niemals. Aber das wäre schon cool.
Mit Schmackes schiebe ich den Rennwagen durch den bereits bekannten Matsch. Berlin ist ein einziger Sumpf, sag ich doch immer. Mittlerweile hat mich auch die zweite und dritte Mannschaft überholt. Und jedesmal habe ich mich an den äußersten Rand der Laufstrecke verdrückt, sonst hätten die mich einfach umgerannt. Bei einer Mannschaft schieben zwei starke Läufer zwei schwächelnde Läufer. So eine Schiebung, denke ich, aber man soll ja nicht mit Steinen schmeißen, wenn man selbst was verschiebt. Im tiefsten Morast und natürlich an der engsten Stelle der ganzen Laufstrecke überholt mich die Mannschaft mit CarstenS. Ist mir wirklich peinlich. Ich wäre ja schon längst im Ziel, wenn das Kind nicht und so. Wahrscheinlich habe ich jetzt den Sieg versaut. Das wird böse Worte geben im Forum. Kind fühlt sich irgendwie motiviert von den rasenden Läufern und will jetzt wirklich langsam raus und laufen. In der folgenden wissenschaftlichen Diskussion weigert sich Kind, das Thema doch auch mal aus meiner Sicht zu sehen. Würge deshalb das Ganze sehr unpädagogisch mit einem Nein ab. Kind ist sauer. Auf den letzten 2 Kilometern herrscht Schweigen. Ich kann nicht mehr reden und Kind will nicht mehr reden.
Endlich der Einlauf ins Stadion. Noch eine Dreiviertelrunde und wir sind im Ziel. Ich mache Kind ein Friedensangebot und stoppe 100 Meter vorm Ziel den Wagen. Kind steigt begeistert aus und will sich erstmal die Jacke ausziehen. Das macht sie immer so vorm Laufen. Werde etwas nervös und treibe Kind an. Kind kriegt die Jacke nicht auf und heult. So laufen wir ins Ziel. Sehe schon am nächsten Morgen die Schlagzeile in der Berliner Morgenpost: Britzer Garten - Rabenmutter zwingt weinendes Kind zum Laufen - Dreijährige muß Marathon laufen! Das spricht sich sofort in der Berliner Läuferszene rum. Mein Ruf ist ruiniert, ich sollte nach Finnland auswandern. Aber vorher hole ich mir noch den Gewinn für den 2. Platz in der Gesamtwertung ab. Wenn man die zwei Pullerpausen mit je 2 Minuten abzieht, habe ich 1:48 gebraucht. Die erste Läuferin war 24 Minuten vor mir im Ziel. Wie peinlich. Dafür sind die Kekse für das Nachmittagskaffeetrinken gesichert. Hat sich doch gelohnt, den langen Lauf mal woanders zu laufen. Kind kassiert sofort die große Keksdose ein und überlegt, was sie mit den Tischtennisschlägern anfangen soll, die wir auch noch gewonnen haben. Die Alternative, einen Gutschein für einen Badminton-Schnupperkurs, hätte sie wenigstens vollmalen können.
Kurz bevor wir den Nachhauseweg antreten, taucht auch mein Begleiter wieder auf. Er hat in 2:03 gefinisht. Seine Jacke mit Geld und Ausweisen hat er einem Mann an der Strecke gegeben, weil ihm so warm war. Lebt wohl wirklich noch nicht so lange in Deutschland. Ich verspreche, ihm das Foto von Janni und ihm und dem Rennwagen zu schicken. Sonst glaubt ihm das keiner. In der U-Bahn sitzen jetzt statt der Samstagnacht-Zombies die Ich-fress-mich-bei-Mutti-durch-Typen und Frühschopper. Kind ist müde, war ja auch ein anstrengender Lauf. Zuhause kassiert Papa sofort die große Keksdose ein und überlegt, was er mit den Tischtennisschlägern anfangen soll. Da hätte ich doch lieber den Gutschein für den Badminton-Schnupperkurs nehmen sollen, den hätte Kind wenigstens vollmalen können. Aber die Kekse sind gut. Haben ja auch 12 Euro gekostet, zusammen mit dem Tischtennisspiel. Am Montag stand ich übrigens nicht in der Berliner Morgenpost. Usain Bolt war denen wichtiger.