Andi_Fant hat geschrieben:
Aus (1) und (2) ergibt sich eine minimale Laufgeschwindigkeit von 5min/km für einen langsamen Lauf. Wer nicht so schnell ist, muss Kompromisse schliessen: Entweder er läuft "ungesund" länger als 3 Stunden oder ihm fehlen echte lange Läufe in der Vorbereitung.
Aus (1) und (3) ergibt sich ein Wochenumfang von mindestens 120km. Wer das nicht schafft, muss Kompromisse eingehen ...
Ja, das ist grundsätzlich eine vernünftige Überlegung. Ich habe für meine Pläne die Grenze für die langen Läufe für langsamere auf 3,5h ausgedehnt und legte recht viel wert drauf, dass sich die Läufer Schritt für schritt dahin steigern. Bei 3,5h im 6er Schnitt schafft man 35km.
Den Leuten, denen ich das nicht in etwa zutraue, würde ich in den meisten Fällen dazu raten, den Marathon zu verschieben. Ich denke auch, dass ein sehr hoher Anteil der Läufer und ein immer noch hoher Anteil der Läuferinnen die entsprechende Fitness erreichen kann.
(Übrigens denke ich, dass es einen kleinen aber siginfikanten Anteil (<5%) LäuferInnen gibt, die von sehr langen Läufen profitieren können. (physiologisch ist das (noch) nicht erklärbar) Ich nenne die mal "Ultra-Typen". Oft sind das wirklich auch Leute, die es zu Ultraläufen hinzieht. Die sollten dann möglicherweise auch nicht bei 3,5 und vielleicht auch nicht bei 4 h halt machen. Gerade diese Läufer sollten nicht den Fehler machen, sich an die Standardempfehlungen von Steffny und Co. zu halten. Sondern sich vielleicht eher mal über japanisches Marathontraining informieren.)
Und der Kompromiss sieht bei mir dann weiter so aus, dass natürlich keine 120k in der Woche gelaufen werden müssen, sondern dass der lange Lauf eben bei deutlich über 30 % liegt. Ich halte das Verletzungsrisiko für vertretbar, wenn das Training insgesamt stimmig ist. Und die langen Läufe sind psychisch und physisch einfach wichtig.
Natürlich ist es ein Kompromiss. Aber imo ist es ein seriöserer Kompromiss als das, was viele Trainer anbieten.Und ich sage eben ganz offen, dass das ein Kompromiss ist und nicht das Optimum, auch nicht für den Geschwindigkeitsbereich.
Roadrunner_de hat geschrieben:Mag sein, aber warum soll man z.B den CD vom Greif nehmen wenn man für die identische Zielzeit auch einen Plan mit weniger Härte nehmen kann? Mehrere Sportkollege von mir laufen nach Steffny sind alle sehr zufrieden damit. Einige machen sogar noch weniger Umfang als Steffny fordert und kommen trotzdem fast an die Zielzeiten heran.
Natürlich kann man fröhlich suboptimal trainieren, wenn man mit wenig zufrieden ist. Haile läuft auch mit Steffnys Plan noch unter 2:20, wahrscheinlich sogar noch unter 2:10. Aber Weltrekordler wäre er nicht, wenn er nach Steffny trainieren würde.
Und warum für ne 3:30 trainieren, wenn ne 3:19 möglich ist? Warum sich mit einer 3:05 zufrieden geben, wenn ne 2:58 drin ist? Was ist so attraktiv am Mittelmaß und so abschreckend an dem Versuch, das bestmögliche zu erreichen?
Natürlich können halbwegs talentierte Leute mit relativ wenig Training relativ viel erreichen. Aber deswegen kann dieses Training dennoch extrem weit vom Optimum entfernt sein. Ich bin auch mit recht wenig Umfang gute Zeiten gelaufen, Aber ich weiß auch, dass ich ganz anders trainieren muss, um an meine Leistungsgrenzen zu kommen. Und wenn ich mein deutlich mangelhaftes Minimaltraining in meine Pläne für andere schreiben würde, würde ich meiner Verantwortung als Trainer nicht gerecht.
Roadrunner_de hat geschrieben:
Natürlich ist es wichtig die Eingangsbedingungen beim Steffny Plan zu erfüllen, anderenfalls ist die Gefahr des Scheiterns groß. Vielleicht kann man mit einem harten Plan, wie es der vom Greif ist, seine eigenen Trainingsversäumnisse der vorangehenden Wochen noch reinlaufen, mit dem Steffny Plan geht das sicherlich nicht mehr.
Lustigerweise bietet selbst ein Greif ein detaillierte Periodisierung und Planung für das ganze Jahr, aber Steffny nicht. Es ist also eigentlich eher wahrscheinlicher, dass ein Steffny-Jünger die Versäumnisse reinlaufen müsste, als einer der das ganze Jahr nach einem seriöseren Konzept trainiert - muss ja nicht von Greif sein.
Roadrunner_de hat geschrieben:
Sorry, aber die Empfehlung finde ich schon etwas daneben.
Du verstehst möglicherweise den Unterschied zwischen "ein Marathon
rennen so schnell wie möglich laufen" und "einen Marathon-Event irgendwie halbwegs gesund in einer wenig ambitionierten Zielzeit überstehen" nicht.
Roadrunner_de hat geschrieben:
Ich würde keinem empfehlen sein Marathondebüt davon abhänging zu machen ob er in der Vorbereitung die "geforderten" 112-193km je Woche gelaufen ist. Den Anspruch ein perfektes Marathondebut zu liefert haben hier sicherlich auch nur ganz wenige.
Das kann ja jeder halten wie er will. Es geht hier auch gar nicht um absolute Zahlen. Es geht um das Ziel, möglichst so viel zu laufen, wie man verträgt, wenn man auch noch 1-2 Tempoeinheiten unterbringt. Es geht darum, nicht zu sagen, "ach, 60km wird schon reichen, ist ja nur für ne 3:30 und wenn es ne 3:35 wird, auch nicht schlimm." Jedenfalls lehnen die meisten ambitionierten Marathonläufer mit etwas Ahnung von Training solche Sätze eher ab.
Es ist auch vollkommen ok, sich für sein Debut das Ziel "Ankommen" oder "Sub4" zu setzen. Und dafür braucht man in vielen Fällen sicher nicht annähernd optimal zu trainieren, vielleicht nicht mal einen Trainingsplan. Nur hat das nichts mit den Zielen der in dem von mir verlinkten Artikel angesprochenen Zielgruppe zu tun.
Roadrunner_de hat geschrieben:
Ich habe im letzten Jahr übrigens versucht meinen Marathon nach Greif vorzubereiten und habe mich gnadenlos in den Keller trainiert. Im Rückblick wäre ich mit Steffny sicherlich besser gefahren. Die Schuld für das Desaster liegt aber bei mir, ich hätte erkennen müssen das es so nicht geht. Wenn man z.B. am Tag nach dem geforderten Tempodauerlauf nicht in der Lage ist lockere 15km zu laufen, weil man einfach zu platt ist, dann muss man erkennen das man sich den Plan zu ambitioniert gestaltet hat.
Wer unfähig ist, sich selbst vernünftig einzuschätzen und genug Ruhepausen zu gönnen, kann sich selbst mit Steffny abschießen. Und in Greifs Countdown sind genug Warnungen drin.
Übrigens muss man nicht am nächsten Tag 15k am Stück laufen können, man darf ruhig mal kaputt sein. Dann muss man nur so schlau sein, dass man sein Training anpasst, z. B. nur 8km oder gar nicht laufen. Erklärt Steffny dir, wie man solche Anpassungen vornimmt? Möglicherweise genauso schlecht wie Greif.
Was für die Steffny Fans sich mal klar machen sollten: Als Trainer ist der Herbert Steffny international gesehen einfach ein ganz kleines Licht. Seine Konzepte interessieren keinen Weltklasseathleten oder -coach außerhalb des deutschsprachigen Raums - hierzulande interessiert es auch eher wenige Leistungssportler. Sportwissenschaftler tangiert das auch eher weniger, weil es schon erstaunlich ist, wie unwissenschaftlich das große Laufbuch eines Diplom-Biologen daher kommt.
Zu den großen Trainern ist immer ein großer Teil der internationalen Trainer- und Läuferelite gekommen um sich von den Großen trainieren oder helfen zu lassen und sich weiterzubilden. Das war bei Lydiard so, das ist auch heute bei Leuten wie Alberto Salazar, Renato Canova oder Claudio Berardelli so. Den Andrang sehe ich bei Steffny nicht, und das hat auch gute Gründe.
Also seht mal über den Tellerrand, schaut mal über den großen Teich, da laufen einige Nicht-Afrikaner Zeiten, von denen Steffny noch nicht mal zu träumen wagte. Mit seinem Training war das auch nicht drin.
Natürlich können wir Normalos nicht genauso so trainieren wie die Elite. Aber von dem modernen Elitetraining, dass mit zu der Leistungsexplosion geführt hat, die wir im Marathon der Männer in den letzten Jahren erlebt haben, steht gar nichts bei Steffny, der in vielen Bereichen sogar hinter dem Wissensstand seiner aktiven Zeit zurückbleibt. Und man kann durch die Lektüre von international erfolgreichen Trainern und die Analyse vom aktuellen Elitetraining definitiv einiges Sinnvolles vom aktuellen Training lernen, was man von Steffnys Büchern nicht lernt.
Gruß
C