rizman hat geschrieben: Ich denke aber, dass ich mir mal einen Trainingsplan aussuchen werde, da ich mit "nur laufen gehen" nicht mehr genug habe. Wie gesagt habe ich keine Wettkampf Ambitionen, aber ich würde doch schon gerne Fortschritte machen. Mit dem Ziel vielleicht nächstes Jahr den Halbmarathon in Luxemburg Stadt mitzulaufen. Ankommen reicht mir da völlig aus (
ING europe-marathon luxembourg: Homepage) Das wär schon sehr toll und ich denke auch ganz realistisch wenn ich denn richtig trainiere, oder glaubst du eher nicht?...
...Da ich dann jedoch auch dazu tendiere, zu übertreiben, bin ich so erschöpft, dass ich dann 300m gehen muss. Ist ja an und für sich nichts schlimmes, jedoch sicherlich nicht Sinn des Ganzen...
Hallo Gilles,
ich denke, es ist notwendig ein wenig Begriffe zu wälzen, um Missverständnissen vorzubeugen. Das Ding heißt "Wettkampf". Bei fast jedem Volkslauf, ob 3 km weit oder mit Marathonlänge, wird offiziell die Zeit genommen und alle Teilnehmer, die das Ziel erreichen, erscheinen im Klassement. Und in der Tat rennen da einige hart um die Wette. So auf den Plätzen 1 bis 10 gesamt und 1 bis X in den Altersklassen. Insbesondere bei Läufen, an denen tatsächlich das (Lauf-) Volk teilnimmt, geht es aber für 99% aller Teilnehmer überhaupt nicht ums wettkämpfen. Im Vordergrund stehen andere Motive. Zum Beispiel der Spaß mit anderen zur selben Zeit zu laufen oder der gestellten Laufaufgabe gerecht zu werden. Und wenn einer kämpft, dann gegen eigene innere Widerstände und möglicherweise für eine neue persönliche Bestzeit auf der Strecke.
So gesehen widersprichst du dir, wenn du einerseits darauf bestehst keine "Wettkampf Ambitionen" zu haben, andererseits jedoch von einer Marathon-Teilnahme in Luxemburg-Stadt träumst.
Ich verstehe dich gut. Mir ging es
vor dem Start zu Wettkämpfen so gut wie nie um den Wettkampfgedanken. Schon deshalb nicht, weil ich meist nicht die mindeste Chance hatte, mich an der Spitze zu platzieren. Dennoch stand in meinem Fokus immer die Verbesserung meiner Leistung oder die Herausforderung einer neuen Strecke. Wenn ich dann und wann merkte, an diesem Ort, bei diesem Lauf und an diesem Tag etwas "reißen" zu können, dann erwachte der Wettkämpfer und ich gab dann alles, um auch gut platziert zu sein. Dennoch behaupte ich auch von mir keine wirklichen Wettkampf-Ambitionen zu besitzen.
Zu deinen Marathon-Plänen: Wenn du heute in der Lage bist mit Ach und Krach 19 km zu laufen, dann sollte in einem Jahr ein Marathon mit Zeitziel "Ankommen" drin sein. Allerdings setzt das aufbauendes Training voraus. Wirkliches Training und nicht einfach die Laufschuhe schnüren, wenn einem danach ist. Aufbauendes Training meint, dass du den Zwischenschritt Halbmarathon vorher absolvieren solltest, damit sich dein Körper langsam an die weiteren Distanzen gewöhnt. Bereits im Training zum Halbmarathon wirst du häufiger (aber höchstens einmal pro Woche) Distanzen von über 15 km laufen. Über den Halbmarathon wirst Marathon-fähig.
Es geht mir bei dieser Empfehlung nicht um starre Denkschemata der Art "wer einen M. laufen will, muss vorher einen HM gelaufen sein" oder ähnliches. Das Ganze sehe ich mehr "püschologisch" und vor allem vom Ende her: Um einen Marathon zu laufen, musst du einen Marathon-Trainingsplan - wie immer der auch aussehen mag - absolviert haben. Sonst scheiterst du. Und um reif für einen Marathon-Trainingsplan zu werden, musst etwa das läuferische Potenzial besitzen, das einer hat, der gerade einen Halbmarathon erfolgreich absolvierte. Wie erreicht man das? Natürlich am einfachsten indem man einen HM-Trainingsplan abarbeitet. Dies wird jedoch, da der Geist willig, das Fleisch aber schwach ist, nur der mit gebotener Ernsthaftigkeit und Vollständigkeit tun, der an einem Tag X tatsächlich auch einen HALBmarathon laufen will. Es ist schwer für ein imaginäres Ziel zu trainieren und um einiges leichter, wenn man schon einige Euro Startgebühr bezahlt und einige Freunde informiert hat ...
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Zu Teil zwei des Zitats aus deinem Beitrag: Erst heute vormittag habe ich den Satz gelesen, dass nicht der am schnellsten und weitesten läuft, der am meisten und härtesten trainiert. Was ist damit gemeint? Das ist nicht in einem Satz zu erklären, ich versuche aber eine Kurzform: Der Zugewinn von körperlicher Leistungsfähigkeit funktioniert so: Man ermüdet den Körper heftig (in der Trainingslehre spricht man von "Reizsetzung"). Dann - und das ist noch wichtiger als das Training selbst - gibt man ihm genügend Zeit sich zu erholen. Das Bestreben biologischer System ist es, künftig für ähnliche und stärkere Belastungen gewappnet zu sein. Deshalb stellt der Körper durch Erholung nicht nur die ursprüngliche Leistungsfähigkeit wieder her, sondern etwas mehr als das (in der Trainingslehre spricht man von Superkompensation). Durch eine Folge von Trainingsbelastungen mit Erholphasen (Regeneration) zeigt sich dieser Zugewinn als deutliche Leistungssteigerung. Das Ganze hat aber einige Haken. Einer davon ist, dass man sich in einzelnen Trainingseinheiten nicht zu tief, zu sehr ermüden darf. Darunter leidet nämlich das nächste Training, weil man dann noch nicht ausreichen erholt ist. Im Grunde wäre es sehr einfach einen Trainingsplan aufzustellen, denn anhand von Erfahrungswerten ist bekannt, welche Trainingseinheiten nötig sind, um zum Beispiel einen Marathon in knapp vier Stunden zu finishen. Wäre einfach, wenn da nicht die Schwierigkeit bestünde die einzelnen Belastungen so auszutarieren, dass der Organismus immer genügend Zeit erhält sich zu erholen.
Lange Rede kurzes Fazit: Es ergibt keinen Sinn sich in einer einzelnen Trainingseinheit völlig zu erschöpfen.
Abgesehen vom fehlenden Trainingswert ist solches Handeln auch mit einem erhöhten Verletzungsrisiko verbunden - um das noch zu ergänzen.
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Abschließend noch ein paar Sätze zum Begriff der anaeroben Schwelle. Man versteht darunter jenes Lauftempo, bei dem der Milchsäurewert in der Muskulatur immer weiter ansteigt, auch wenn man die Belastung nicht weiter erhöht. Die anaerobe Schwelle liegt per Definition bei 4 mmol/l Milchsäure im Blut. Man weiß schon sehr lange, das diese Schwelle wie alles andere eine individuelle Ausprägung besitzt. Daher operiert man seriöser Weise mit der IANS der individuellen anaeroben Schwelle. Insbesondere intensives Training verändert den Schwellenwert. Und eine Bestimmung durch einen Leistungstest mit Laktatwertbestimmung ergibt immer nur eine Augenblicksaufnahme.
Allerdings hat diese Schwelle für
Freizeitläufer nicht wirklich eine Bedeutung. Das Ziel schneller und/oder weiter zu laufen lässt sich mit einfacheren Mitteln als Laktattests genauso gut erreichen. Wer anderes behauptet, dem wurde das nach meiner Auffassung eingeredet. Meist aus wirtschaftlichem Interesse, weil man mit einem solchen Test Geld verdienen kann. Letztlich ist der Test, um bezahlbar zu bleiben, so angelegt, dass man durch definierte Temposteigerungen eine ansteigende Laktatkurve gewinnt und zu dieser die gleichermaßen ansteigende Herzfrequenz korreliert. Allerdings gibt es keine Sicherheit, wo in dieser Kurve dann tatsächlich die IANS liegt. Durch mathematische Verfahren wird die IANS aus dieser Kurve bestimmt. Allerdings dürften die wenigsten Teilnehmer an solchen Verfahren darüber informiert werden, welche Unsicherheiten in den Messungen an sich und der folgenden Auswertung liegen.
Weil das so ist, würde sich kein Trainer von Spitzenathleten auf die Laktatkurve allein abstützen. Die übrigens laufend im Training bestimmt wird und nicht nur einmalig (sie ist eben nur eine Momentaufnahme). Ein weiterer Hinweis für die geringe Bedeutung von Laktattests für Otto Normalläufer ...
Zusätzlich werden im Leistungssport andere wichtige Parameter bestimmt, wie zum Beispiel die die Sauerstoffaufnahme (genauer: relative maximale Sauerstoffaufnahmekapazität). Und vor allem vertrauen Trainer und Athleten auf ihre Erfahrung. Lauftraining hat viel mit angewandter Wissenschaft zu tun, ist jedoch beileibe etwas anderes als eine exakte Wissenschaft. 1+1 ist beim Lauftraining nicht immer genau gleich 2 ...
Zu guter Letzt: Falls du dereinst einen Weg zum Marathon gehen willst, empfehle ich dir die entsprechende Serie auf unserer
Laufseite. Auch einen Trainingsplan "Laufend Ankommen" findest du dort. Und wenn du zum Komplex Laktattest, IANS, Herzfrequenz mehr wissen willst, wirst du auch auf unserer
Laufseitefündig. Allerdings solltest du genügend Sitzfleisch zum Lesen mitbringen. Wie dieser Beitrag schon zeigt, ist die Erörterung schwieriger Fragen mit Lesearbeit verbunden ...
Alles Gute
Gruß Udo
PS: Seit ich vor ein paar Jahren mal für eine Woche beruflich in Luxemburg war und die Schönheiten der Stadt kennen lernen durfte, steht der Marathon auf meiner Wunschliste