Es ist vollbracht! Bin ich nun Jäger??? Oder Sammler???
Verfasst: 05.09.2010, 19:45
Kann sich noch jemand daran erinnern? Balancieren auf einer schmalen Mauer? Im Bestreben, möglichst weit zu kommen? Mit der Gewissheit, irgendwann das Gleichgewicht nicht mehr halten zu können, aber der Ungewissheit, wann und wo dieser Punkt erreicht ist, an dem man nur noch runterspringen kann?
An dieses Balance-halten-Spiel fühlte ich mich bei den letzten Wettkämpfen mehr und mehr erinnert und fragte mich, wie weit ich dabei noch kommen würde. Das ist nun sicher etwas unverständlich, weshalb ich mit Hilfe eines kleinen Schlenkers das näher erläutern will: Wenn man anfängt zu laufen – das war bei mir so, aber ich denke, vielen geht es ähnlich – läuft man erst mal so drauf los und findet das ganz toll. Dann misst man sich, will schneller werden. Die Phase der Bestzeiten beginnt. Die kann sich lange hinziehen oder auch nicht. Aber irgendwann ist sie vorbei. Dann verbessert man sich nicht mehr. Was nun? Laufen aufhören? Quatsch! Kennt jeder, der mal aussetzen musste. Aber was motiviert dann?
Da gibt’s wiederum verschiedene Dinge. Bei mir sind das immer schon gewesen – auch schon zu den Bestzeitenverbesserungszeiten – interessante oder ausgefallene Läufe. Aber auch: Wettbewerb mit Altersgenossen oder genauer in der Altersklasse. Am Anfang war ich ganz stolz, mal einen dritten AK-Platz zu erlaufen. Dann kam bei einem kleineren Volkslauf auch schon mal ein Altersklassensieg dazu, und mit höherer AK ging das dann immer öfter (nein, nicht mit Clausthaler, sondern mit Training).
2001 hatte ich ein richtig gutes Jahr, und nach meiner neuen Marathonbestzeit, in Hamburg hatte das zwar nur zu AK-Platz 4 gereicht, begann dann eine Serie von ersten Plätzen – immer AK-bezogen, versteht sich –, die sich lange hinzog. Sie hätte wohl auch die erreichte Jubiläumszahl 10 noch übertroffen, wenn ich im Australien-Urlaub nicht zufällig erfahren hätte, dass ausgerechnet während unseres Sydney-Aufenthalts der City-to-Surf-Fun-Run stattfand. Klar, dass ich mich da spontan anmeldete, aber bei 64.000 Startern, 48.000 Finishern und auch noch ohne AK-Wertung hatte die Serie keine Chance auf Fortbestand. Immerhin belegte ich einen, wie ich finde, guten 2.236-ten Platz.
In der Folgezeit lief ich den einen oder anderen hochkarätigen Sieg ein, aber hatte auch immer Konkurrenten, die teils einen Tick, teils aber auch um Klassen besser waren als ich. So war es auch am 7. November 2009. Ich hatte einen guten Lauf hinter mir, aber der Sieger der AK lag ein gehöriges Stück vor mir, das ergab Platz 2 für mich. Den nächsten Lauf hatte ich bei starker Konkurrenz eher unerwartet für mich entschieden, es folgte ein Marathonlauf, bei dem ich am Ende vorn lag, und auch der letzte Lauf des Jahres, ein Cross als einer meiner Standardläufe sah mich auf dem Siegerpodest.
Der Jahreswechsel bedeutete einen Wechsel der Altersklasse, da hat man es natürlich immer leichter, denn man ist ja relativ gesehen jünger und – wenigstens angenommen – leistungsfähiger. Ein Bandscheibenvorfall steht dem objektiv zwar entgegen, aber bei eher schwacher Konkurrenz konnte ich dennoch gut ins neue Laufjahr einsteigen. Tja, und dann kam irgendwie der Gedanke auf: Diese alte Serie aus grauer Vorzeit, die sollte doch zu verbessern sein. Also hatte ich einen neuen Zeitvertreib: Wird die alte Serie gerissen? Gelingt es mir, 10 + 1 AK-Siege in Folge zu erringen?
Im April war es soweit. Die 11 war „gepackt“. Und nun? Wusste ich selbst nicht! Die 20 war zu weit weg, und alles andere war zu krumm als Zahl. Ich lief halt weiter und natürlich auch weiterhin Wettkämpfe. Das mache ich schließlich seit Jahren so. Nach meinem Straberger Doppel-Trainingslauf registrierte ich, dass ich nunmehr die Nummern 15 und 16 in meiner Sammlung erreicht hatte. Nun ging die Überlegerei wieder los: Könnte es eine Serie mit 20 werden?
Die nächsten Läufe zählten zwar weiter in diese Richtung, aber kurz bevor die 20 erreicht war, sagte ich mir, dass das eigentlich auch keine richtige Jubiläumszahl sei, und für mich als Läufer stand dann die 21 im Raum. Wenn, dann wollte ich diese erreichen: Sinnbild des Halbmarathons. Das klappte auch, mit dem Marathon in Oberstaufen hatte ich sozusagen HM-Jubiläum. Ich wär’s ja auch zufrieden gewesen, wenn nicht die nächste Veranstaltung die Serie fortgeführt hätte, und bei 22 konnte die anzustrebende Marke ja eigentlich nur die runde 25 sein; das ist für mich, der ich immer auch ein Verhältnis zu Zahlen hatte, nun ein wahrhaftiges Jubiläum. Als die 24 schließlich erreicht war, wollte ich die Serie am letzten Augustwochenende mit der „Monte Sophia“ krönen, einem etwas hügeligen Lauf über 28,1 km. Den war ich schon mal gelaufen, wollte ihn immer schon wiederholen, und diesmal passte es zeitlich auch.
Nun passierte es aber, dass mich am Ende einer Bahn-Intervalleinheit ein recht intensiver Schmerz an meiner linken Plantarsehne erneut überfallen hatte. Nicht oft, aber diesmal doch ließ ich der Vernunft den Vortritt, strich den Marathon samt Vorbereitung aus meiner Planung und auch den vorgesehenen Lauf auf die Monte Sophia (auf den ich mich generell und nicht erst im Rahmen einer „Serienplanung“ gefreut hatte).
Nun trat ich in einen intensiveren Dialog mit meiner Sehne. „Sehne“, sprach ich mit ebenso besorgter wie strenger Miene, „es ist deine natürliche und gottgewollte Bestimmung, mir treu zu dienen bis ans Ende deiner Tage, also, ich meine, MEINER Tage, ähm, also unserer Tage. Bist du willens, dich dieser göttlichen Fügung unterzuordnen?“ Die Antwort fiel leicht ambivalent aus: „Ja, Herr, Ihr seid mein Gebieter, und ich will Euch treue Dienste leisten, aber bitte seid Ihr auch lieb zu mir.“ Mir schien, ein 28 km-Lauf sei nicht lieb, aber ein Zehner dafür schon, zudem ein Beweis meines Vertrauens.
Als Zeichen meiner Liebe spendierte ich ihr eine tägliche Portion Eis, und aus Dankbarkeit beschloss sie, mehr und mehr Schweigestunden einzulegen. So fuhr ich denn eine Woche später zu dem leicht welligen Lauf in der Eifel in Eschweiler. Mein Sorgenkind, die linke Plantarsehne, und ich umarmten uns fest, schauten uns tief in die Augen, versicherten uns unserer unverbrüchlichen Liebe füreinander und starteten in ein neues Laufabenteuer.
„Herr, Herr“, rief sie plötzlich aufgeregt – erst wenig des Weges war genommen – „ist jener da vorne etwa Eurem ansonsten stets wachen Auge entgangen? Selbiger erdreistete sich soeben, uns zu überholen, und es gelüstet ihn, uns das Nachsehen zu geben. Nun ist’s an uns, hurtig hinterher zu eilen!“ „Gemach, gemach“, beruhigte ich sie, „der läuft gar nicht in unserer Altersklasse, und außerdem wird der später immer langsamer.“ So geschah es denn auch, wir beide aber verbrachten wundervolle 39:20 Minuten in trauter Zweisamkeit, bis wir schließlich gemeinsam durchs Ziel liefen. Als die Ergebnisliste aushing, herzten und küssten wir uns und stießen mit einem bleihaltigen Bitburger auf das schließlich erreichte runde Serienjubiläum an.
Die Chronistenpflicht gebietet es nun zu erwähnen, dass zu den Serienelementen, die die 25 voll gemacht haben, natürlich auch wenig Anspruchsvolles mit nur geringer Teilnahme gehört wie 800 und 1500 m-Kreismeisterschaften, die auch krabbelnderweise die Serie nicht zu durchbrechen vermocht hätten, aber eben auch solche mit starker und zuvor oftmals erfolgreicher Konkurrenz. Streckenlängen, Streckenprofile, Teilnehmerzahlen, Temperaturen, Bodenbeschaffenheit etc. decken jeweils ein ziemlich großes Spektrum ab. Insgesamt waren 365,8 Wettkampf-km erforderlich, was einer durchschnittlichen Länge von 14,6 km entspricht.
Und was kommt nun? Ich weiß es nicht. Noch bin ich ja nicht von der Mauer gefallen…
Bernd
An dieses Balance-halten-Spiel fühlte ich mich bei den letzten Wettkämpfen mehr und mehr erinnert und fragte mich, wie weit ich dabei noch kommen würde. Das ist nun sicher etwas unverständlich, weshalb ich mit Hilfe eines kleinen Schlenkers das näher erläutern will: Wenn man anfängt zu laufen – das war bei mir so, aber ich denke, vielen geht es ähnlich – läuft man erst mal so drauf los und findet das ganz toll. Dann misst man sich, will schneller werden. Die Phase der Bestzeiten beginnt. Die kann sich lange hinziehen oder auch nicht. Aber irgendwann ist sie vorbei. Dann verbessert man sich nicht mehr. Was nun? Laufen aufhören? Quatsch! Kennt jeder, der mal aussetzen musste. Aber was motiviert dann?
Da gibt’s wiederum verschiedene Dinge. Bei mir sind das immer schon gewesen – auch schon zu den Bestzeitenverbesserungszeiten – interessante oder ausgefallene Läufe. Aber auch: Wettbewerb mit Altersgenossen oder genauer in der Altersklasse. Am Anfang war ich ganz stolz, mal einen dritten AK-Platz zu erlaufen. Dann kam bei einem kleineren Volkslauf auch schon mal ein Altersklassensieg dazu, und mit höherer AK ging das dann immer öfter (nein, nicht mit Clausthaler, sondern mit Training).
2001 hatte ich ein richtig gutes Jahr, und nach meiner neuen Marathonbestzeit, in Hamburg hatte das zwar nur zu AK-Platz 4 gereicht, begann dann eine Serie von ersten Plätzen – immer AK-bezogen, versteht sich –, die sich lange hinzog. Sie hätte wohl auch die erreichte Jubiläumszahl 10 noch übertroffen, wenn ich im Australien-Urlaub nicht zufällig erfahren hätte, dass ausgerechnet während unseres Sydney-Aufenthalts der City-to-Surf-Fun-Run stattfand. Klar, dass ich mich da spontan anmeldete, aber bei 64.000 Startern, 48.000 Finishern und auch noch ohne AK-Wertung hatte die Serie keine Chance auf Fortbestand. Immerhin belegte ich einen, wie ich finde, guten 2.236-ten Platz.
In der Folgezeit lief ich den einen oder anderen hochkarätigen Sieg ein, aber hatte auch immer Konkurrenten, die teils einen Tick, teils aber auch um Klassen besser waren als ich. So war es auch am 7. November 2009. Ich hatte einen guten Lauf hinter mir, aber der Sieger der AK lag ein gehöriges Stück vor mir, das ergab Platz 2 für mich. Den nächsten Lauf hatte ich bei starker Konkurrenz eher unerwartet für mich entschieden, es folgte ein Marathonlauf, bei dem ich am Ende vorn lag, und auch der letzte Lauf des Jahres, ein Cross als einer meiner Standardläufe sah mich auf dem Siegerpodest.
Der Jahreswechsel bedeutete einen Wechsel der Altersklasse, da hat man es natürlich immer leichter, denn man ist ja relativ gesehen jünger und – wenigstens angenommen – leistungsfähiger. Ein Bandscheibenvorfall steht dem objektiv zwar entgegen, aber bei eher schwacher Konkurrenz konnte ich dennoch gut ins neue Laufjahr einsteigen. Tja, und dann kam irgendwie der Gedanke auf: Diese alte Serie aus grauer Vorzeit, die sollte doch zu verbessern sein. Also hatte ich einen neuen Zeitvertreib: Wird die alte Serie gerissen? Gelingt es mir, 10 + 1 AK-Siege in Folge zu erringen?
Im April war es soweit. Die 11 war „gepackt“. Und nun? Wusste ich selbst nicht! Die 20 war zu weit weg, und alles andere war zu krumm als Zahl. Ich lief halt weiter und natürlich auch weiterhin Wettkämpfe. Das mache ich schließlich seit Jahren so. Nach meinem Straberger Doppel-Trainingslauf registrierte ich, dass ich nunmehr die Nummern 15 und 16 in meiner Sammlung erreicht hatte. Nun ging die Überlegerei wieder los: Könnte es eine Serie mit 20 werden?
Die nächsten Läufe zählten zwar weiter in diese Richtung, aber kurz bevor die 20 erreicht war, sagte ich mir, dass das eigentlich auch keine richtige Jubiläumszahl sei, und für mich als Läufer stand dann die 21 im Raum. Wenn, dann wollte ich diese erreichen: Sinnbild des Halbmarathons. Das klappte auch, mit dem Marathon in Oberstaufen hatte ich sozusagen HM-Jubiläum. Ich wär’s ja auch zufrieden gewesen, wenn nicht die nächste Veranstaltung die Serie fortgeführt hätte, und bei 22 konnte die anzustrebende Marke ja eigentlich nur die runde 25 sein; das ist für mich, der ich immer auch ein Verhältnis zu Zahlen hatte, nun ein wahrhaftiges Jubiläum. Als die 24 schließlich erreicht war, wollte ich die Serie am letzten Augustwochenende mit der „Monte Sophia“ krönen, einem etwas hügeligen Lauf über 28,1 km. Den war ich schon mal gelaufen, wollte ihn immer schon wiederholen, und diesmal passte es zeitlich auch.
Nun passierte es aber, dass mich am Ende einer Bahn-Intervalleinheit ein recht intensiver Schmerz an meiner linken Plantarsehne erneut überfallen hatte. Nicht oft, aber diesmal doch ließ ich der Vernunft den Vortritt, strich den Marathon samt Vorbereitung aus meiner Planung und auch den vorgesehenen Lauf auf die Monte Sophia (auf den ich mich generell und nicht erst im Rahmen einer „Serienplanung“ gefreut hatte).
Nun trat ich in einen intensiveren Dialog mit meiner Sehne. „Sehne“, sprach ich mit ebenso besorgter wie strenger Miene, „es ist deine natürliche und gottgewollte Bestimmung, mir treu zu dienen bis ans Ende deiner Tage, also, ich meine, MEINER Tage, ähm, also unserer Tage. Bist du willens, dich dieser göttlichen Fügung unterzuordnen?“ Die Antwort fiel leicht ambivalent aus: „Ja, Herr, Ihr seid mein Gebieter, und ich will Euch treue Dienste leisten, aber bitte seid Ihr auch lieb zu mir.“ Mir schien, ein 28 km-Lauf sei nicht lieb, aber ein Zehner dafür schon, zudem ein Beweis meines Vertrauens.
Als Zeichen meiner Liebe spendierte ich ihr eine tägliche Portion Eis, und aus Dankbarkeit beschloss sie, mehr und mehr Schweigestunden einzulegen. So fuhr ich denn eine Woche später zu dem leicht welligen Lauf in der Eifel in Eschweiler. Mein Sorgenkind, die linke Plantarsehne, und ich umarmten uns fest, schauten uns tief in die Augen, versicherten uns unserer unverbrüchlichen Liebe füreinander und starteten in ein neues Laufabenteuer.
„Herr, Herr“, rief sie plötzlich aufgeregt – erst wenig des Weges war genommen – „ist jener da vorne etwa Eurem ansonsten stets wachen Auge entgangen? Selbiger erdreistete sich soeben, uns zu überholen, und es gelüstet ihn, uns das Nachsehen zu geben. Nun ist’s an uns, hurtig hinterher zu eilen!“ „Gemach, gemach“, beruhigte ich sie, „der läuft gar nicht in unserer Altersklasse, und außerdem wird der später immer langsamer.“ So geschah es denn auch, wir beide aber verbrachten wundervolle 39:20 Minuten in trauter Zweisamkeit, bis wir schließlich gemeinsam durchs Ziel liefen. Als die Ergebnisliste aushing, herzten und küssten wir uns und stießen mit einem bleihaltigen Bitburger auf das schließlich erreichte runde Serienjubiläum an.
Die Chronistenpflicht gebietet es nun zu erwähnen, dass zu den Serienelementen, die die 25 voll gemacht haben, natürlich auch wenig Anspruchsvolles mit nur geringer Teilnahme gehört wie 800 und 1500 m-Kreismeisterschaften, die auch krabbelnderweise die Serie nicht zu durchbrechen vermocht hätten, aber eben auch solche mit starker und zuvor oftmals erfolgreicher Konkurrenz. Streckenlängen, Streckenprofile, Teilnehmerzahlen, Temperaturen, Bodenbeschaffenheit etc. decken jeweils ein ziemlich großes Spektrum ab. Insgesamt waren 365,8 Wettkampf-km erforderlich, was einer durchschnittlichen Länge von 14,6 km entspricht.
Und was kommt nun? Ich weiß es nicht. Noch bin ich ja nicht von der Mauer gefallen…

Bernd