Der Fußball ist dem Laufen sein Tod!
Verfasst: 07.11.2010, 16:41
„Herrgott! Warum fährt der Idiot da vorne denn nicht? Will der hier seinen Lebensabend verbringen?“ Langsam wurde es eng. Ich hätte mich aber auch selbst in den Hintern*) treten können. Mittags noch hatte ich mit einem Nachbarn telefoniert, der zum Bundesligaspiel Gladbach-Bayern fahren wollte, und ich Dösbaddel hatte nicht geschaltet. Nun bewegte ich mich seit mehr als 20 Minuten schneckengleich von der Abfahrt MG-Holt auf die Aachener Straße zu.
*) Einschub: Mein abhanden gekommener Körperteil war, wohl durch eine Mischung aus Müßiggang und zypriotischer Sonne angeregt, nachgewachsen. Das erfüllte mich mit Freude, denn mir war zugegebenermaßen bei der bisweilen an missliebige Zeitgenossen ausgesprochenen Einladung, meinen unteren Rumpfabschluss einer eingehenden Untersuchung mittels ihres Geschmacksorgans zu unterziehen, etwas mulmig gewesen, wusste ich doch, dass eine freudige Annahme selbiger Einladung in Ermangelung des Objekts der Begierde den Offenbarungseid nach sich gezogen hätte.
Noch 25 Minuten bis zum Start, ich im Auto eingezwängt, noch nicht da, noch nicht angemeldet, noch nicht flüssigkeitsoptimiert. – Endlich war ich auf der Aachener, und gleich der nächste Schock: noch vor der Abfahrt zur Veranstaltung gesperrt. Weiterhin eingezwängt in die Fußballschlange, kam ich kaum voran. Knappe 15 min vor dem Start konnte ich endlich in einer Seitenstraße das Auto abstellen: hetzhetz zur Anmeldung, Straßenklamotten aus, Laufklamotten an, Klo, Pipi machen, flottflott die 400 m zum Start gesprintet, puh, gerade noch rechtzeitig am Start: Körper noch im Halbschlaf, Mandelkern bereits von heftigen Blitzgewittern durcheinander gewirbelt – peng, und ab ging’s: Halbmarathon und Zehner gemeinsam.
Eigentlich hatte ich ja den Halben laufen wollen, aber, sei’s dass das Nachwachsen des Gesäßes den Körper geschwächt hatte, sei’s bedingt durch den Wechsel aus südlicher Hitze in nördliche Kühle: kurz nach der Rückkehr hatte sich der Brustkorb belegt angefühlt, und husten musste ich auch. Zwar wär’s da am vernünftigsten gewesen, erst gar nicht zu laufen, aber die letzten 2 Wochenenden war ich weg gewesen, nächstes Wochenende scheidet definitiv aus (Meine Frau hat Geburtstag und ich habe nicht vor, Bruce Willis zu spielen, der in „Stirb langsam 3“ mit einem Schild um den Hals „I hate niggers“ durch Harlem läuft.) Also 4 Wochen Wettkampfentzug oder heute laufen! So hatte ich salomonisch und semi-vernünftig den Kompromiss des Zehners gewählt.
Beim Blick auf die Uhr nach dem ersten km lobte ich mich für die weise Entscheidung kontra HM, denn 4:14 min/km passte zu meinem gewollt zurückhaltendem Angehen, fühlte sich aber bei weitem nicht so locker an, wie es das Tempo mutmaßen lässt. Der weitere Rennverlauf war recht unspektakulär. Eine ganze Zeitlang sah ich noch etliche Läufer vor mir, bis schließlich zwischen km 3 und 4 die Halben geradeaus weiterliefen, während ich als Zehner nach links musste. Von da an sah ich keinen mehr.
Nach etwa 7,5 km ging es auf eine ganz lange Gerade, ein offener Feldweg mit Blick weit nach vorn: nichts zu sehen. Komisches Gefühl: Ich hätte Erster sein können (unwahrscheinlich bei einer zu erwartenden Endzeit um die 42 min herum), aber auch Zehnter oder noch mehr. Der Feldweg mündet kurz vor km 9 auf eine Straße, genauer den begleitenden Bürgersteig. Nun begann des Dramas zweiter Teil:
Die Straße führt direkt am Eingang zum Gladbacher Stadion vorbei, es war kurz vor 3 Uhr, die Zuschauermassen strömten ins Stadion, Laufstrecke und Massen begegneten sich. Jeder, der bei einem großen Marathon etwas zu weit hinten gestartet ist, kennt das Gefühl des Slalomlaufens, um nach vorne zu kommen. Man hat dabei allerdings den kleinen Vorteil, dass alle in EINE Richtung laufen. Die Begegnung Läufer – Zuschauer erfolgte nun jedoch zunächst rechtwinklig mit einer zahlenmäßig weit überlegenen Zuschauermenge und nach Passieren des Stadioneingangs im Winkel von 180°, d. h. die Läufer rannten den Massen direkt entgegen. „Die“ Läufer ist hier ein reiner Euphemismus, denn vor mir und hinter mir war ja keiner, also musste ich arme Sau meinen Weg zunächst durch kreuzende, dann auf breiter Front entgegen kommende Fans finden, bei einer Geschwindigkeit von ca. 15 km/h kein einfaches Unterfangen, das höchste Konzentration erforderte. Wenn man die Geschwindigkeit der Entgegenkommenden vorsichtig mit 3 km/h annimmt, könnte ein Moment der Unachtsamkeit einen ungebremsten Aufprall mit 18 km/h nach sich ziehen, keine schöne Vorstellung.
Voll konzentriert, den Blick stets 5 – 10 m voraus gerichtet, versuchte ich, die Strömungsrichtung der Vielen vorauszuahnen, und wählte intuitiv Lücken, durch die ich freie Bahn fand. Soweit die Fans mich wahrnahmen, wichen sie aus, manche riefen gar Anfeuerungsrufe, das Hauptproblem war jedoch, dass die Menge in unzähligen Reihen hintereinander lief und die Hinteren mich gar nicht oder zu spät erblickten, so dass es primär an mir selbst lag, mich hindurchzuschlängeln. Besonders eng wurde es auf der Autobahnbrücke, da der schmaler werdende Bürgersteig noch durch eine Leitplanke gegen die Straße abgesperrt wurde. Hier war Ausweichen auf einen kleinen Rasenstreifen zwischen Leitplanke und Bürgersteig angesagt.
Ich war froh, als die Laufstrecke endlich nach rechts abbog und ich den Massen entkommen war. An einer Biegung vielleicht 300 m vor dem Ziel hörte ich plötzlich eine Frauenstimme „Dritter Mann!“. „Nanu“, dachte ich, „warum erzählt dir diese dir unbekannte Dame, wie oft sie geheiratet hat?“, bis mir dämmerte, dass es sich wohl doch um die Einladung zu einer kleinen Skatrunde handeln musste, die bekanntlich ein Minimum von 3 Spielern voraussetzt, es sei denn, man spielt Bauernskat, was aber dem Charme verschimmelten Weißbrotes gleich kommt. Ich war dem Skatspiel nicht abgeneigt, zog es allerdings vor, erst mal durchs Ziel zu laufen, und wollte anschließend meine Teilnahme zusagen, vergaß es dann aber später wieder.
Wenn man ökonomisches Handeln als Maximierung des Outputs bei Minimierung des Ressourceneinsatzes definiert, war das ein sehr ökonomischer Lauf, denn am Ende stand ich mit einer 41:06 min da. Mit schnellerem Laufen wäre 1 min weniger drin gewesen, bei gutem Trainingstand auch 1 ½ bis vielleicht 2 min. Da der Läufer vor mir knapp über 38 min lag, hätte mir das aber auch keine bessere Position eingebracht (und eine PB wär’s auch nicht gewesen).
Als Lohn der Müh’ gab’s zu der Urkunde dann noch ein Handtuch. Selbiges hätte ich direkt ausprobieren können, aber – den eingangs erwähnten Straßenbauarbeiten, die mich erst in letzter Sekunde den Start hatten erreichen lassen, sei’s gedankt - ich hätte dies nur nach einer Dusche unter eiskaltem Wasser tun können. Da ich um meinen gerade erst nachgewachsenen Körperteil fürchtete, zog ich es vor, zuhause, dafür aber richtig schön heiß zu duschen. Dort konnte ich dann auch im Radio das Spiel verfolgen, das mit einem 3:3-Remis endete, was keinem der beiden Kontrahenten so richtig hilft.
Bernd
*) Einschub: Mein abhanden gekommener Körperteil war, wohl durch eine Mischung aus Müßiggang und zypriotischer Sonne angeregt, nachgewachsen. Das erfüllte mich mit Freude, denn mir war zugegebenermaßen bei der bisweilen an missliebige Zeitgenossen ausgesprochenen Einladung, meinen unteren Rumpfabschluss einer eingehenden Untersuchung mittels ihres Geschmacksorgans zu unterziehen, etwas mulmig gewesen, wusste ich doch, dass eine freudige Annahme selbiger Einladung in Ermangelung des Objekts der Begierde den Offenbarungseid nach sich gezogen hätte.
Noch 25 Minuten bis zum Start, ich im Auto eingezwängt, noch nicht da, noch nicht angemeldet, noch nicht flüssigkeitsoptimiert. – Endlich war ich auf der Aachener, und gleich der nächste Schock: noch vor der Abfahrt zur Veranstaltung gesperrt. Weiterhin eingezwängt in die Fußballschlange, kam ich kaum voran. Knappe 15 min vor dem Start konnte ich endlich in einer Seitenstraße das Auto abstellen: hetzhetz zur Anmeldung, Straßenklamotten aus, Laufklamotten an, Klo, Pipi machen, flottflott die 400 m zum Start gesprintet, puh, gerade noch rechtzeitig am Start: Körper noch im Halbschlaf, Mandelkern bereits von heftigen Blitzgewittern durcheinander gewirbelt – peng, und ab ging’s: Halbmarathon und Zehner gemeinsam.
Eigentlich hatte ich ja den Halben laufen wollen, aber, sei’s dass das Nachwachsen des Gesäßes den Körper geschwächt hatte, sei’s bedingt durch den Wechsel aus südlicher Hitze in nördliche Kühle: kurz nach der Rückkehr hatte sich der Brustkorb belegt angefühlt, und husten musste ich auch. Zwar wär’s da am vernünftigsten gewesen, erst gar nicht zu laufen, aber die letzten 2 Wochenenden war ich weg gewesen, nächstes Wochenende scheidet definitiv aus (Meine Frau hat Geburtstag und ich habe nicht vor, Bruce Willis zu spielen, der in „Stirb langsam 3“ mit einem Schild um den Hals „I hate niggers“ durch Harlem läuft.) Also 4 Wochen Wettkampfentzug oder heute laufen! So hatte ich salomonisch und semi-vernünftig den Kompromiss des Zehners gewählt.
Beim Blick auf die Uhr nach dem ersten km lobte ich mich für die weise Entscheidung kontra HM, denn 4:14 min/km passte zu meinem gewollt zurückhaltendem Angehen, fühlte sich aber bei weitem nicht so locker an, wie es das Tempo mutmaßen lässt. Der weitere Rennverlauf war recht unspektakulär. Eine ganze Zeitlang sah ich noch etliche Läufer vor mir, bis schließlich zwischen km 3 und 4 die Halben geradeaus weiterliefen, während ich als Zehner nach links musste. Von da an sah ich keinen mehr.
Nach etwa 7,5 km ging es auf eine ganz lange Gerade, ein offener Feldweg mit Blick weit nach vorn: nichts zu sehen. Komisches Gefühl: Ich hätte Erster sein können (unwahrscheinlich bei einer zu erwartenden Endzeit um die 42 min herum), aber auch Zehnter oder noch mehr. Der Feldweg mündet kurz vor km 9 auf eine Straße, genauer den begleitenden Bürgersteig. Nun begann des Dramas zweiter Teil:
Die Straße führt direkt am Eingang zum Gladbacher Stadion vorbei, es war kurz vor 3 Uhr, die Zuschauermassen strömten ins Stadion, Laufstrecke und Massen begegneten sich. Jeder, der bei einem großen Marathon etwas zu weit hinten gestartet ist, kennt das Gefühl des Slalomlaufens, um nach vorne zu kommen. Man hat dabei allerdings den kleinen Vorteil, dass alle in EINE Richtung laufen. Die Begegnung Läufer – Zuschauer erfolgte nun jedoch zunächst rechtwinklig mit einer zahlenmäßig weit überlegenen Zuschauermenge und nach Passieren des Stadioneingangs im Winkel von 180°, d. h. die Läufer rannten den Massen direkt entgegen. „Die“ Läufer ist hier ein reiner Euphemismus, denn vor mir und hinter mir war ja keiner, also musste ich arme Sau meinen Weg zunächst durch kreuzende, dann auf breiter Front entgegen kommende Fans finden, bei einer Geschwindigkeit von ca. 15 km/h kein einfaches Unterfangen, das höchste Konzentration erforderte. Wenn man die Geschwindigkeit der Entgegenkommenden vorsichtig mit 3 km/h annimmt, könnte ein Moment der Unachtsamkeit einen ungebremsten Aufprall mit 18 km/h nach sich ziehen, keine schöne Vorstellung.
Voll konzentriert, den Blick stets 5 – 10 m voraus gerichtet, versuchte ich, die Strömungsrichtung der Vielen vorauszuahnen, und wählte intuitiv Lücken, durch die ich freie Bahn fand. Soweit die Fans mich wahrnahmen, wichen sie aus, manche riefen gar Anfeuerungsrufe, das Hauptproblem war jedoch, dass die Menge in unzähligen Reihen hintereinander lief und die Hinteren mich gar nicht oder zu spät erblickten, so dass es primär an mir selbst lag, mich hindurchzuschlängeln. Besonders eng wurde es auf der Autobahnbrücke, da der schmaler werdende Bürgersteig noch durch eine Leitplanke gegen die Straße abgesperrt wurde. Hier war Ausweichen auf einen kleinen Rasenstreifen zwischen Leitplanke und Bürgersteig angesagt.
Ich war froh, als die Laufstrecke endlich nach rechts abbog und ich den Massen entkommen war. An einer Biegung vielleicht 300 m vor dem Ziel hörte ich plötzlich eine Frauenstimme „Dritter Mann!“. „Nanu“, dachte ich, „warum erzählt dir diese dir unbekannte Dame, wie oft sie geheiratet hat?“, bis mir dämmerte, dass es sich wohl doch um die Einladung zu einer kleinen Skatrunde handeln musste, die bekanntlich ein Minimum von 3 Spielern voraussetzt, es sei denn, man spielt Bauernskat, was aber dem Charme verschimmelten Weißbrotes gleich kommt. Ich war dem Skatspiel nicht abgeneigt, zog es allerdings vor, erst mal durchs Ziel zu laufen, und wollte anschließend meine Teilnahme zusagen, vergaß es dann aber später wieder.
Wenn man ökonomisches Handeln als Maximierung des Outputs bei Minimierung des Ressourceneinsatzes definiert, war das ein sehr ökonomischer Lauf, denn am Ende stand ich mit einer 41:06 min da. Mit schnellerem Laufen wäre 1 min weniger drin gewesen, bei gutem Trainingstand auch 1 ½ bis vielleicht 2 min. Da der Läufer vor mir knapp über 38 min lag, hätte mir das aber auch keine bessere Position eingebracht (und eine PB wär’s auch nicht gewesen).
Als Lohn der Müh’ gab’s zu der Urkunde dann noch ein Handtuch. Selbiges hätte ich direkt ausprobieren können, aber – den eingangs erwähnten Straßenbauarbeiten, die mich erst in letzter Sekunde den Start hatten erreichen lassen, sei’s gedankt - ich hätte dies nur nach einer Dusche unter eiskaltem Wasser tun können. Da ich um meinen gerade erst nachgewachsenen Körperteil fürchtete, zog ich es vor, zuhause, dafür aber richtig schön heiß zu duschen. Dort konnte ich dann auch im Radio das Spiel verfolgen, das mit einem 3:3-Remis endete, was keinem der beiden Kontrahenten so richtig hilft.
Bernd