Hallo Snowy,
ich hab mich mal ein bisschen durch die Diskussion in deinem Thread gelesen. Was mir bei dir zunächst auffällt ist eine scheinbare oder tatsächliche Hilflosigkeit in der Frage, wodurch sich effektives Training GRUNDSÄTZLICH auszeichnet. Und das scheint z.B. darin begründet, dass du dir die Fähigkeit zu laufen - also mit einem bestimmten Tempo für eine bestimmte Zeit oder Strecke - nicht in der Weise erklärst, wie es den Tatsachen entspricht. Du sprichst von "Tempo und Ausdauer" als wären das zwei getrennt zu betrachtende Fähigkeiten oder Eigenschaften. Tatsächlich solltest du jedoch nur von Ausdauer sprechen. Eine Ausdauer ist gut, wenn man 10 km z.B. in 1 h schafft, also mit einem Tempo von 10 km/h läuft. Erreicht man durch Training z.B. für dieselbe Strecke nur noch 50 min zu brauchen, dann hat sich die Ausdauer verbessert. Es ist also nicht das Tempo besser geworden, sondern einfach die Ausdauer. Tempo beruht auf Ausdauer.
Und worauf beruht Ausdauer? Letztlich ist die Fähigkeit zu laufen auf die Leistung des Energiestoffwechsels zurück zu führen. Und da wird es dann ein bisschen kompliziert, weil der Energiestoffwechsel des Menschen nicht einfach nur ein Motor ist, den man betankt und dann mit mehr oder weniger Gas jede beliebige Geschwindigkeit so lange abrufen kann, bis der Tank leer ist. Der Energiestoffwechsel besteht aus verschiedenen Anteilen. Und jeder dieser Anteile liefert unterschiedliche Energieflussraten. Das wäre, wie wenn man ein Auto mit zwei Motoren baut, die man zusammen schalten kann und der eine liefert 100 PS und der andere nur 60.
Wenn du läufst reguliert dein Körper, welches der Antriebssysteme mit welchem Prozentsatz an der Kraftbereitstellung in der Muskulatur beteiligt ist. Der menschliche Körper ist jedoch ein biologisches System keine Maschine. Eine Maschine hat eine Fähigkeit von 100 PS jetzt, morgen, in 5 Jahren, egal wann und JEDERZEIT. Sie altert ein bisschen, weil die Mechanik leidet, aber im Grunde stehen die 100 PS immer und überall und ohne Vorbereitung zur Verfügung. Ein biologisches System bringt Leistung nur, so lange es TRAINIERT wird, weil es dem Prinzip der Anpassung folgt. Mehr Ausdauer erwirbt nur, wer das durch Reizsetzung von seinem Körper fordert. Und dieses höhere Niveau bleibt nur erhalten, wenn das Training dauerhaft ist. Läufer bleibt nur, wer ein Leben lang läuft. Wer damit aufhört oder aufhören muss - warum auch immer - WAR mal ein Läufer.
Jetzt zum Tempo: Da der Energiestoffwechsel des Menschen aus mehreren Prozessen besteht, müssen auch alle diese Prozesse trainiert werden. Will jemand einen HM laufen, dann kann er das natürlich tun, indem er nur auf einen Teil dieser Prozesse sein Training legt. Er kann durch viel langsames Laufen jenen Prozess trainieren, bei dem man überwiegend aerob läuft und dabei hauptsächlich auf der Basis von Fettsäuren Energie bereit stellt (Hinweis an alle Leser dieses Satzes, die Abnehmen wollen: Das Training des Fettsäurestoffwechsels hat nichts mit Abnehmen zu tun!!). Leider wird er auf diese Weise gewisse Tempogrenzen (besser: Ausdauergrenzen) nicht überwinden können. Dafür müsste er alle Anteile des Energiestoffwechsels trainieren. Und das geht NUR mit einer Form von Tempotraining. Nur schnell zu laufen, fordert den Körper dazu heraus die anderen Anteile des Energiestoffwechsels auf ein höheres Niveau zu verbessern. Und mit diesen anderen Anteilen kann der Betreffende auch längere Strecken in höherem Tempo zurück legen.
Erhebt sich die Frage wie ein Training beschaffen sein sollte, um den Energiestoffwechsel bestmöglich auf einen Lauf zu einem bestimmten Zeitpunkt vorzubereiten. Da muss man zunächst einmal zwei Phasen unterscheiden:
1. Das unmittelbare Training für Tag X, also etwa 10 Wochen vor dem HM
2. Training, das zum speziellen HM-Trainingsplan hinführt.
Erst im spezifischen HM-Training ist es notwendig ungefähr jede Woche einen längeren Lauf bei geringem Tempo einzubauen, der bei etwa 16 - 19 km liegt. Im Training, das zum HM-Trainingsplan führt, genügen weniger Kilometer für den längsten Lauf der Woche. Viel wichtiger ist in der vorbereitenden Phase bis der HM-Trainingsplan beginnt die Tempoarbeit. Die damit erreichte Verbesserung des Energiestoffwechsels (man kann sie messtechnisch erfassen als relative, maximale Sauerstoffaufnahmefähigkeit (rel. VO2max)), bildet nämlich eine optimale Grundlage auch für das langsame Laufen.
Das alles ist vom Hintergrund her nicht leicht zu verstehen und noch weniger darzustellen. Mein Versuch soll lediglich verdeutlichen, dass Tempo nichts ist, was man vom Begriff Ausdauer trennen könnte. Tempo ist vielmehr eine Ausdrucksform von Ausdauer. Es soll auch verdeutlichen, dass hinter der schlichten Wahrheit "nur wer schnell trainiert, kann später auch schnell laufen" nicht ganz unkomplizierte Stoffwechselprozesse stehen, die dem Prinzip der Anpassung durch Reizsetzung gehorchen.
Ursprünglich fragtest du, was besser sei Intervalle oder ein schneller Dauerlauf, um dein Ziel zu erreichen. Dazu muss ich dir konkret sagen, dass ich die von dir dargestellte Form der Intervalle für falsch halte. Erstens ergeben sie in der Summe eine Laufdauer/-strecke, die nur in den letzten 10 Wochen vor dem HM wöchentlich als langer Lauf absolviert werden sollte. Und dann LANGSAM, damit sie tatsächlich den Teil des Energiestoffwechsels trainieren, der diesem Tempo entspricht. Wer nur schnell läuft, vernachlässigt eben auch Teile des Stoffwechsels. Für ein echtes Intervalltraining sind diese Intervalle zu lang. Du solltest statt dessen als Intervalle folgendes trainieren:
1. 8 x 400 m in ~ 115 Sekunden oder
2. 5 x 800 m ~ 4 min oder
3. 4 x 1.000 m ~ 5:15 min oder
4. 2 x 2.000 m ~ 10:40 min oder
Das wären die Möglichkeiten für Intervalltraining. Deine Frage, was besser ist Intervalle oder schneller Dauerlauf erfordert aber weitere Hinweise. Diese Frage stellt sich nämlich so nicht. Nötig ist beides. Zu einem effektiven Trainingsplan gehören SOWOHL schnelle (kurze) Dauerläufe, ALS AUCH Intervalltraining, ALS AUCH Fahrtspiele. Abwechslung stimuliert den Energiestoffwechsel am besten. Er muss lernen eine hohe, konstante Energieflussrate im schnelleren Dauerlauf bereit zu stellen und ebenso sollte er mit noch schnelleren Intervallen "gepiesackt" werden.
Das war nun ziemlich lang und im Grundsätzlichen möglicherweise auch nicht einfach zu verstehen (ungenau sowieso). Ich hoffe du bekommst trotzdem eine gewisse "Peilung" dadurch.
Mir liegt noch daran zum Ausdruck zu bringen, dass ich es keineswegs als MUSS erachte, dass irgendein Freizeitläufer so trainiert. Ich war ohne jede Wettkampfambition über 15 Jahre glücklich damit ein paar Mal die Woche in immer demselben langsamen Tempo mal kürzer mal länger zu laufen. Einfach aus Lust am Laufen. Meine Ausführungen richten sich lediglich an jene, die schneller werden WOLLEN (weshalb müssen sie selbst wissen) und die das möglichst effektiv tun WOLLEN.
Zum Schluss noch der unausweichliche Gesundheitshinweis: Tempo sollte man natürlich nur trainieren, wenn die Witterungsverhältnisse es empfehlen. Vor allzu viel Tempo (= tiefe Atmung) wird gewarnt, wenn das Quecksilber unter 0°C sinkt.
Ich wünsche dir fröhliches Überwintern
Gruß Udo