Es wird heiß - so ein Sch### (Mainz 2011)
Verfasst: 11.05.2011, 15:17
Wie so häufig in den letzten Tagen starre ich verzweifelt auf die Wettervorhersage: Für das Wochenende ist wunderschönes Sommerwetter angekündigt. 25 Grad und mehr, Sonne so viel man will, wenig Wind, kein Wölkchen am Himmel. Schwimmbadwetter pur.
Mist.
Ich will nicht schwimmen, ich will laufen. (Oder zumindest ein Teil von mir. Der andere Teil ist sich gar nicht so sicher, ob er das wirklich will. )
Aber alles einfach sein lassen? Das ganze Training „für die Füß“, wie man so schön sagt? Naja, die Füße haben ja auch genug Training abbekommen.
Im Winter bei zweistelligen Minustemperaturen – o.k. damit kann ich leben.
Im Schnee. Zäh und Kraft raubend, aber damit kann ich leben.
In Regen und Wind. Die Berge hoch und runter. Kilometerweit. Alles erträglich.
Aber jetzt DAS: Sonne. Läufers Feindin Nummer eins. (Das weiß ich seit letztem Sommer ganz sicher.:schwitz2
Mit jedem Millimeter, den das Quecksilber nach oben krabbelt, sinkt die Laune tiefer in den Keller. (Im Keller wäre es wenigstens kühl.)
Termin verschieben? Das wäre eine Möglichkeit. Aber wer sagt mir, dass es in drei Wochen denn besser ist?
Letztendlich ergebe ich mich in mein selbst auferlegtes Schicksal und beschließe, es so zu nehmen wie es kommt. Irgendwie wird es schon klappen. Mehr oder weniger.
Am Vortag schwankt die Laune zwischen: Ismirdochallesegal und Sch####daswirdnix.
Warum mache ich das eigentlich wem will ich hier etwas beweisen? Und was eigentlich?
Das große Zittern vorher. Reicht die Vorbereitung aus oder gehe ich am Ende total ein? Ist die Zielzeit realistisch? Wie sehr muss ich mich zurücknehmen wegen des Wetters?
Auf der Marathonmesse und beim Abholen der Startunterlagen liegen überall rote Zettel mit Warnhinweisen: Bitte jeden Verpflegungsstand nutzen, genug trinken (wenn ich viel trinke bekomme ich Seitenstechen und kann nicht mehr laufen. Also anderweitig kühlen. Hoffentlich reicht es.), nicht auf Bestzeit laufen. (Die sind witzig. Meine ist anderthalb Jahre alt und längst überfällig. Um das zu vermeiden muss ich joggen.)
Oh je, was tun.
Entscheidung auf Sonntag früh verschieben.
Nach einem netten Abend und einer unruhigen Nacht ist es dann so weit.
Es geht wieder los Richtung Rheingoldhallen. Das Foritreffen lasse ich dann zwecks dringender anderweitiger Geschäfte und Nervosität doch ausfallen.
Irgendwie habe ich keinen Kopf dafür. Dort findet nämlich noch immer ein heftiger Zweikampf zwischen Mut und Vorsicht statt.
Der Start rückt näher. Einlaufen? Es ist warm, also nur ein paar Minuten testen, wie sich die Beine fühlen. Platz ist eh kaum.
Ein letztes Mal in die elenden Kloschlangen stellen. (Landschaftsläufe haben gegenüber solchen Stadt-Massen-Veranstaltungen einige eindeutige Vorzüge. )
Dann geht es los in den Startblock. Wie immer auf den letzten Drücker. Weshalb ich natürlich – auch wie immer – viel zu weit hinten stehe.
Noch ein wenig weiter nach vorne schlängeln und warten. Zum Glück nicht lange. Da kommt noch nicht so viel Nervosität auf. Wo ist die eigentlich hin? Seltsamer Weise bin ich ziemlich ruhig. (Vielleicht trifft schicksalsergeben es besser?)
Der Plan: Bis zum HM optimistisch (ca. 4:40/km, das rechnet sich gut.) Immer drauf achten, ob es sich noch halbwegs locker anfühlt. Fies werden darf es erst später. Im Zweifelsfall das Tempo der zunehmenden Wärme anpassen. Dann weiter planen.
Der Countdown läuft, dann geht es los.
Also, eigentlich schon, nur hier noch nicht.
Endlich setzen sich die Läufer vor mir in Bewegung. Laufen ein Stück, dann stockt es wieder. Na hoffentlich bessert sich das hinter der Startlinie. ...
Hier ist die rote Matte. Stoppuhr starten und loslaufen. Laufen? Joggen trifft es eher. So ein Mist. Also Slalom, am Rand über die Wiese, und wieder zwischen anderen Läufern durch. Ich bin nicht die einzige, der es so ergeht. Aber bloß nicht stressen lassen. Das Bisschen Zeit, das man evtl. verliert ist weniger schlimm, als sich durch die Manöver schon zu sehr zu ermüden.
Endlich das erste km-Schild. 4:27. Mist. Tempo rausnehmen.
Es wird etwas leerer. Slalom beendet. Die nächsten km versuche ich, das richtige Tempo zu treffen. Ist gar nicht so einfach.
Allmählich pendelt sich das Tempo auf knapp unter 4:40 ein. Nicht ganz vernünftig, aber anders kriege ich es nicht geregelt.
Die erste Runde benutze ich, um mir die Strecke anzuschauen. Irgendwie muss ich mich ja ablenken. Nicht daran denken, wie viele Kilometer noch kommen. Nur bis zur Halbzeit. Und bis dahin muss es locker gehen.
Wir passieren die Schottwerke, es geht durch Mombach, dann zurück in die Innenstadt. Christuskirche. Ein km ist etwas zu langsam. Egal. Die anderen waren zu schnell. Das passt. Irgend jemand hat mir mal gesagt, beim Marathon braucht man viiiel Geduld. Die ist jetzt gefragt. Nicht mitreißen lassen. Egal, wie gut man sich fühlt. Wenn man es anfangs übertreibt, rächt sich das nachher bitterböse.
Kopfsteinpflaster. Unangenehm. Und da müssen wir nachher noch einmal drüber. Mit müderen Beinen.
10 km sind vorbei, dann 15. Alles im Plan.
Aber diese elende Gerade nach Weisenau wäre echt nicht nötig gewesen. Was bin ich froh, dass die in der zweiten Runde nicht mehr auftauchen wird.
Es geht stadtauswärts leicht bergauf. Und zieht sich gewaltig. Nicht gut für den Kopf. Ich werde langsamer. Oder liegt es an der Wärme? Die Sonne scheint inzwischen ziemlich erbarmungslos auf die hier schattenfreie Strecke.
Am Wendepunkt hämmere ich mir ein: Es geht jetzt leicht runter. Du darfst schneller werden.
So richtig klappt das nicht, nur ein wenig. Naja, besser als nichts.
Richtung Ziel kann man endlich wieder im Schatten laufen.
Ich beobachte einige Läufer, die sich mühsam ins Ziel kämpfen. Andere überholen mich im Endspurt, gleich haben sie es geschafft.
Ich könnte hier aufhören. Könnte.
Kurzer Check durch den Körper: Alles im Grünen Bereich. Kein Grund , es den anderen nachzutun. (Außerdem wäre ich mit der Zeit nicht wirklich glücklich.)
Also ordne ich mich links ein. Marathon Runde zwei und Staffelläufer. Ich Kamel. (Kamel? Ja, das wäre ich gerne. Hitze gewohnt mit großem Wasserspeicher.)
Halbzeit. 1:38:52. (3:17:xx) Noch locker im Soll.
Die Hitze hat mich wieder. Ab über die Brücke. Das klitzekleine Hügelchen. Ich bin schon viel schlimmere Berge gerannt. Aber der hier ist anstrengend. Allmählich kommt die Aufregung. Jetzt beginnt das Abenteuer.
Die Strecke ist jetzt recht verwinkelt. Eine Läuferin hat ungefähr mein Tempo. Ich laufe mit. Mal ich vorne, mal sie. Das ist einfacher. Irgendwann ist sie doch hinter mir. Aber der Mann da vorne, das könnte mit dem Tempo passen. Wenn das so weiter geht, dann sind die 3:20 noch zu schaffen. Wenn mich das Wetter nicht noch weiter ausbremst.
Ich überhole einen Läufer, der nicht glücklich aussieht. Mir liegt schon ein "Nur noch 14 km." auf der Zunge, als ich sehe, dass es ein Staffelläufer ist. In dem Fall halte ich dann doch lieber meinen Mund.
Von km 28 bis 33 wird es zäh. Jede Runde ein paar Sekunden zu langsam. Noch. Was, wenn ich noch langsamer werde? Bei dem Wetter darf ich es nicht übertreiben. Bei 30 kurz nachgerechnet: Eine niedrige 3:2x ist wohl drin, selbst wenn ich nachlasse.
Damit könnte ich leben.
Moment, was ist das? Geht es mir schlecht? Nö.
Fühlt es sich schlimm anstrengend an? Nö.
Warum, verdammt noch mal, gebe ich dann meine Ziele auf?
Egal, wo ich ankomme, ich will mir nicht vorwerfen, getrödelt zu haben. Da sind noch ein paar Körner übrig.
Anspannung erhöhen. Tempo ein wenig anziehen. Das reicht schon, um nach und nach Läufer einzusammeln. Marathonis und Staffelläufer. Alles Querbeet.
Und weiter, an den Verpflegungspunkten das inzwischen schon bekannte Ritual: Tischanfang: Wasser schnappen an die Brust kippen, Tischmitte: Wasser schnappen, über den Rücken kippen, Tischende: Wasser schnappen: Zwei Schlückchen trinken, Rest über den Kopf.
Die Klamotten sind längst klatschnass. Und EISKALT. In der Rhein springen wäre auch nicht effektiver gewesen. (Aber deutlich zeitaufwändiger.)
Es geht. Kurs noch immer auf eine niedrige 3:2x. Ist das alles? Oder gehrt da noch mehr?
Da stellt sich natürlich zuerst einmal die Frage: Ist es denn überhaupt noch möglich? Dafür muss ich rechnen. (Rechnen: Jonglieren mit Zahlen. Bei zunehmender Länge der Laufstrecke, mit potenziert zunehmender Blutleere des Hirns zunehmend schwierig.)
Beim dritten Anlauf hat es dann doch geklappt. Noch 5 km. Noch xx Min. Zeit. Ergo: unter 4:40/Min. würde reichen. Schwierig, aber nicht unmöglich.
Was dann folgte, hat mir noch im nachhinein Gänsehautschauer den Rücken runtergejagt.
Nach und nach habe ich das Tempo angezogen. Die Konzentration lag nur noch auf: „Die Zeit hole ich mir.“ Blaue Linie fixieren, Läufer vor mit fixieren und Gas. Ranlaufen, vorbei, ranlaufen, vorbei. Noch 4 km. Weiter.
Irgendwo schnappe ich eine Bemerkung vom Straßenrand auf. „Hat die ein Tempo drauf.“ Das ist Gänsehaut pur. Noch 3 km. (4:29, ich wusste gar nicht, dass das noch geht.)
Das Kopfsteinpflaster habe ich gar nicht richtig bemerkt. Innenstadt. Theater. Hotel Ibis. Gleich bin ich da. Einbruch auf den letzten km? Quälerei? Nö. Das hier ist einfach der absolute Wahnsinn. Das macht richtig Spaß.
Der letzte km beginnt. Allmählich begreife ich, was da gerade passiert. Ich bin im Begriff meinen zweiten Marathon zu beenden. Und der lief perfekt. Fast schon zu perfekt. Im Gegensatz zum elenden ersten vor anderthalb Jahren, werde ich mich an diesen wohl immer erinnern (wollen).
Das Ziel ist in Sicht, ich stürme durch. Geschafft. Glücklich. Unfassbar.
Und trotz des Wetters, trotz der Schwächelphase, die zweite Hälfte nur 1:33Min. langsamer als die erste. 3:19:16. Es hat geklappt.
Es hat ein wenig gedauert, bis ich wieder auf der Erde angekommen war. (Sorry Line.)
Im Nachhinein glaube ich fast, dass mich das warme Wetter gerettet hat. Wäre es kühler gewesen, hätte ich wohl mehr riskiert und wäre elend eingegangen.
Heute tun die Beine nicht mehr ganz so weh. Das innerliche Grinsen ist noch da.
Mir fällt nur ein passendes Zitat ein. Ich bin mir nicht sicher, wen ich zitiere. Aber irgendwer hatte hier mal so in etwa geschrieben:
Warum tust du so was? Weil ich es kann.
Mist.
Ich will nicht schwimmen, ich will laufen. (Oder zumindest ein Teil von mir. Der andere Teil ist sich gar nicht so sicher, ob er das wirklich will. )
Aber alles einfach sein lassen? Das ganze Training „für die Füß“, wie man so schön sagt? Naja, die Füße haben ja auch genug Training abbekommen.
Im Winter bei zweistelligen Minustemperaturen – o.k. damit kann ich leben.
Im Schnee. Zäh und Kraft raubend, aber damit kann ich leben.
In Regen und Wind. Die Berge hoch und runter. Kilometerweit. Alles erträglich.
Aber jetzt DAS: Sonne. Läufers Feindin Nummer eins. (Das weiß ich seit letztem Sommer ganz sicher.:schwitz2
Mit jedem Millimeter, den das Quecksilber nach oben krabbelt, sinkt die Laune tiefer in den Keller. (Im Keller wäre es wenigstens kühl.)
Termin verschieben? Das wäre eine Möglichkeit. Aber wer sagt mir, dass es in drei Wochen denn besser ist?
Letztendlich ergebe ich mich in mein selbst auferlegtes Schicksal und beschließe, es so zu nehmen wie es kommt. Irgendwie wird es schon klappen. Mehr oder weniger.
Am Vortag schwankt die Laune zwischen: Ismirdochallesegal und Sch####daswirdnix.
Warum mache ich das eigentlich wem will ich hier etwas beweisen? Und was eigentlich?
Das große Zittern vorher. Reicht die Vorbereitung aus oder gehe ich am Ende total ein? Ist die Zielzeit realistisch? Wie sehr muss ich mich zurücknehmen wegen des Wetters?
Auf der Marathonmesse und beim Abholen der Startunterlagen liegen überall rote Zettel mit Warnhinweisen: Bitte jeden Verpflegungsstand nutzen, genug trinken (wenn ich viel trinke bekomme ich Seitenstechen und kann nicht mehr laufen. Also anderweitig kühlen. Hoffentlich reicht es.), nicht auf Bestzeit laufen. (Die sind witzig. Meine ist anderthalb Jahre alt und längst überfällig. Um das zu vermeiden muss ich joggen.)
Oh je, was tun.
Entscheidung auf Sonntag früh verschieben.
Nach einem netten Abend und einer unruhigen Nacht ist es dann so weit.
Es geht wieder los Richtung Rheingoldhallen. Das Foritreffen lasse ich dann zwecks dringender anderweitiger Geschäfte und Nervosität doch ausfallen.
Irgendwie habe ich keinen Kopf dafür. Dort findet nämlich noch immer ein heftiger Zweikampf zwischen Mut und Vorsicht statt.
Der Start rückt näher. Einlaufen? Es ist warm, also nur ein paar Minuten testen, wie sich die Beine fühlen. Platz ist eh kaum.
Ein letztes Mal in die elenden Kloschlangen stellen. (Landschaftsläufe haben gegenüber solchen Stadt-Massen-Veranstaltungen einige eindeutige Vorzüge. )
Dann geht es los in den Startblock. Wie immer auf den letzten Drücker. Weshalb ich natürlich – auch wie immer – viel zu weit hinten stehe.
Noch ein wenig weiter nach vorne schlängeln und warten. Zum Glück nicht lange. Da kommt noch nicht so viel Nervosität auf. Wo ist die eigentlich hin? Seltsamer Weise bin ich ziemlich ruhig. (Vielleicht trifft schicksalsergeben es besser?)
Der Plan: Bis zum HM optimistisch (ca. 4:40/km, das rechnet sich gut.) Immer drauf achten, ob es sich noch halbwegs locker anfühlt. Fies werden darf es erst später. Im Zweifelsfall das Tempo der zunehmenden Wärme anpassen. Dann weiter planen.
Der Countdown läuft, dann geht es los.
Also, eigentlich schon, nur hier noch nicht.
Endlich setzen sich die Läufer vor mir in Bewegung. Laufen ein Stück, dann stockt es wieder. Na hoffentlich bessert sich das hinter der Startlinie. ...
Hier ist die rote Matte. Stoppuhr starten und loslaufen. Laufen? Joggen trifft es eher. So ein Mist. Also Slalom, am Rand über die Wiese, und wieder zwischen anderen Läufern durch. Ich bin nicht die einzige, der es so ergeht. Aber bloß nicht stressen lassen. Das Bisschen Zeit, das man evtl. verliert ist weniger schlimm, als sich durch die Manöver schon zu sehr zu ermüden.
Endlich das erste km-Schild. 4:27. Mist. Tempo rausnehmen.
Es wird etwas leerer. Slalom beendet. Die nächsten km versuche ich, das richtige Tempo zu treffen. Ist gar nicht so einfach.
Allmählich pendelt sich das Tempo auf knapp unter 4:40 ein. Nicht ganz vernünftig, aber anders kriege ich es nicht geregelt.
Die erste Runde benutze ich, um mir die Strecke anzuschauen. Irgendwie muss ich mich ja ablenken. Nicht daran denken, wie viele Kilometer noch kommen. Nur bis zur Halbzeit. Und bis dahin muss es locker gehen.
Wir passieren die Schottwerke, es geht durch Mombach, dann zurück in die Innenstadt. Christuskirche. Ein km ist etwas zu langsam. Egal. Die anderen waren zu schnell. Das passt. Irgend jemand hat mir mal gesagt, beim Marathon braucht man viiiel Geduld. Die ist jetzt gefragt. Nicht mitreißen lassen. Egal, wie gut man sich fühlt. Wenn man es anfangs übertreibt, rächt sich das nachher bitterböse.
Kopfsteinpflaster. Unangenehm. Und da müssen wir nachher noch einmal drüber. Mit müderen Beinen.
10 km sind vorbei, dann 15. Alles im Plan.
Aber diese elende Gerade nach Weisenau wäre echt nicht nötig gewesen. Was bin ich froh, dass die in der zweiten Runde nicht mehr auftauchen wird.
Es geht stadtauswärts leicht bergauf. Und zieht sich gewaltig. Nicht gut für den Kopf. Ich werde langsamer. Oder liegt es an der Wärme? Die Sonne scheint inzwischen ziemlich erbarmungslos auf die hier schattenfreie Strecke.
Am Wendepunkt hämmere ich mir ein: Es geht jetzt leicht runter. Du darfst schneller werden.
So richtig klappt das nicht, nur ein wenig. Naja, besser als nichts.
Richtung Ziel kann man endlich wieder im Schatten laufen.
Ich beobachte einige Läufer, die sich mühsam ins Ziel kämpfen. Andere überholen mich im Endspurt, gleich haben sie es geschafft.
Ich könnte hier aufhören. Könnte.
Kurzer Check durch den Körper: Alles im Grünen Bereich. Kein Grund , es den anderen nachzutun. (Außerdem wäre ich mit der Zeit nicht wirklich glücklich.)
Also ordne ich mich links ein. Marathon Runde zwei und Staffelläufer. Ich Kamel. (Kamel? Ja, das wäre ich gerne. Hitze gewohnt mit großem Wasserspeicher.)
Halbzeit. 1:38:52. (3:17:xx) Noch locker im Soll.
Die Hitze hat mich wieder. Ab über die Brücke. Das klitzekleine Hügelchen. Ich bin schon viel schlimmere Berge gerannt. Aber der hier ist anstrengend. Allmählich kommt die Aufregung. Jetzt beginnt das Abenteuer.
Die Strecke ist jetzt recht verwinkelt. Eine Läuferin hat ungefähr mein Tempo. Ich laufe mit. Mal ich vorne, mal sie. Das ist einfacher. Irgendwann ist sie doch hinter mir. Aber der Mann da vorne, das könnte mit dem Tempo passen. Wenn das so weiter geht, dann sind die 3:20 noch zu schaffen. Wenn mich das Wetter nicht noch weiter ausbremst.
Ich überhole einen Läufer, der nicht glücklich aussieht. Mir liegt schon ein "Nur noch 14 km." auf der Zunge, als ich sehe, dass es ein Staffelläufer ist. In dem Fall halte ich dann doch lieber meinen Mund.
Von km 28 bis 33 wird es zäh. Jede Runde ein paar Sekunden zu langsam. Noch. Was, wenn ich noch langsamer werde? Bei dem Wetter darf ich es nicht übertreiben. Bei 30 kurz nachgerechnet: Eine niedrige 3:2x ist wohl drin, selbst wenn ich nachlasse.
Damit könnte ich leben.
Moment, was ist das? Geht es mir schlecht? Nö.
Fühlt es sich schlimm anstrengend an? Nö.
Warum, verdammt noch mal, gebe ich dann meine Ziele auf?
Egal, wo ich ankomme, ich will mir nicht vorwerfen, getrödelt zu haben. Da sind noch ein paar Körner übrig.
Anspannung erhöhen. Tempo ein wenig anziehen. Das reicht schon, um nach und nach Läufer einzusammeln. Marathonis und Staffelläufer. Alles Querbeet.
Und weiter, an den Verpflegungspunkten das inzwischen schon bekannte Ritual: Tischanfang: Wasser schnappen an die Brust kippen, Tischmitte: Wasser schnappen, über den Rücken kippen, Tischende: Wasser schnappen: Zwei Schlückchen trinken, Rest über den Kopf.
Die Klamotten sind längst klatschnass. Und EISKALT. In der Rhein springen wäre auch nicht effektiver gewesen. (Aber deutlich zeitaufwändiger.)
Es geht. Kurs noch immer auf eine niedrige 3:2x. Ist das alles? Oder gehrt da noch mehr?
Da stellt sich natürlich zuerst einmal die Frage: Ist es denn überhaupt noch möglich? Dafür muss ich rechnen. (Rechnen: Jonglieren mit Zahlen. Bei zunehmender Länge der Laufstrecke, mit potenziert zunehmender Blutleere des Hirns zunehmend schwierig.)
Beim dritten Anlauf hat es dann doch geklappt. Noch 5 km. Noch xx Min. Zeit. Ergo: unter 4:40/Min. würde reichen. Schwierig, aber nicht unmöglich.
Was dann folgte, hat mir noch im nachhinein Gänsehautschauer den Rücken runtergejagt.
Nach und nach habe ich das Tempo angezogen. Die Konzentration lag nur noch auf: „Die Zeit hole ich mir.“ Blaue Linie fixieren, Läufer vor mit fixieren und Gas. Ranlaufen, vorbei, ranlaufen, vorbei. Noch 4 km. Weiter.
Irgendwo schnappe ich eine Bemerkung vom Straßenrand auf. „Hat die ein Tempo drauf.“ Das ist Gänsehaut pur. Noch 3 km. (4:29, ich wusste gar nicht, dass das noch geht.)
Das Kopfsteinpflaster habe ich gar nicht richtig bemerkt. Innenstadt. Theater. Hotel Ibis. Gleich bin ich da. Einbruch auf den letzten km? Quälerei? Nö. Das hier ist einfach der absolute Wahnsinn. Das macht richtig Spaß.
Der letzte km beginnt. Allmählich begreife ich, was da gerade passiert. Ich bin im Begriff meinen zweiten Marathon zu beenden. Und der lief perfekt. Fast schon zu perfekt. Im Gegensatz zum elenden ersten vor anderthalb Jahren, werde ich mich an diesen wohl immer erinnern (wollen).
Das Ziel ist in Sicht, ich stürme durch. Geschafft. Glücklich. Unfassbar.
Und trotz des Wetters, trotz der Schwächelphase, die zweite Hälfte nur 1:33Min. langsamer als die erste. 3:19:16. Es hat geklappt.
Es hat ein wenig gedauert, bis ich wieder auf der Erde angekommen war. (Sorry Line.)
Im Nachhinein glaube ich fast, dass mich das warme Wetter gerettet hat. Wäre es kühler gewesen, hätte ich wohl mehr riskiert und wäre elend eingegangen.
Heute tun die Beine nicht mehr ganz so weh. Das innerliche Grinsen ist noch da.
Mir fällt nur ein passendes Zitat ein. Ich bin mir nicht sicher, wen ich zitiere. Aber irgendwer hatte hier mal so in etwa geschrieben:
Warum tust du so was? Weil ich es kann.