easter hat geschrieben:... Denkt ihr es ist realistisch, etwa 12 Wochen nach dem Halbmarathon (so Ende September) einen Marathon zu laufen, wenn man bis dahin einigermaßen sinnvoll trainiert ...
Hallo easter,
herzlich willkommen im Forum
Wenn du fragst, ob es "realistisch" ist, dann meinst du damit sicher, ob du das schaffen kannst. Die Antwort darauf kann man sich einfach oder schwer machen. Ich wähle mal die schwierigere. Es gibt unzählige Varianten einen Marathon zu finishen. Das reicht von "Weltrekord aufstellen" - wozu man allerdings Kenianer oder Äthiopier sein sollte - bis hin zu "mit letzter Kraft ins Ziel kriechen und hinter der Ziellinie vor Erschöpfung tot zusammenbrechen". Letzteres ist zugegebenermaßen selten und fast so schwierig wie das mit dem Weltrekord. Irgendwo dazwischen läge dein persönliches Finish. Es stellt sich nun für dich die Frage auf welche Weise du deinen Marathon erleben willst. Dabei meine ich nur indirekt die Zeit, nach der du das Ziel erreichst. Man kann einen Marathon als persönliche Sternstunde erleben, als harte Arbeit oder als Katastrophe der läuferischen Art. Es kann alles glatt gehen oder vieles in die Hose. Man kann eine wunderbare Erinnerung zurück behalten, die gleich die Lust auf den nächsten nährt oder sich wünschen man hätte das Wort Marathon nie gehört. Alles möglich. Viele Varianten habe ich selbst erlebt bei inzwischen 72. Starts über die Marathondistanz oder weiter. Der erste war zum Glück eine Sternstunde. In der Vorbereitung zu diesem Lauf habe ich - zufällig - alles richtig gemacht.
Hier soll aber nicht nur von meinen Erfahrungen die Rede sein. Ich kenne viele Läufer, auch Foris, deren erster Marathon toll war, aber auch solche, die damit nicht froh wurden und sogar anschließend in ein Loch fielen.
Diese lange Vorrede soll einfach klar machen, dass dein Risiko aus mehr besteht, als zu scheitern. Das Scheitern könnte auch bedeuten, dass du es nie wieder versuchst. Unter "Scheitern" verstehe ich nicht nur "nicht ankommen". Mit Hängen und Würgen, also insgesamt sehr hässlichem Erlebnis anzukommen, ist letztlich auch eine Niederlage.
Nun zur Sache, das heißt zu deiner Chance: Wenn du mehrere Jahre schon läufst, hast du die Grundvoraussetzung für einen Marathon erfüllt. Wenn für dich - wie du schreibst - ein HM in hügeligem Gelände möglich ist, hast du die zweite Voraussetzung erfüllt. Allerdings gefällt mir eine Formulierung in deiner Anfrage gar nicht: " ... wenn man bis dahin einigermaßen sinnvoll trainiert ..." Wenn du dich für den Marathon entscheidest, dann solltest du nur noch sinnvoll, also systematisch und methodisch richtig, trainieren. Denn ein Marathon, das ist nicht einfach 2 x Halbmarathon. Ab einer Distanz von ca. 25 km gewinnen Läufe noch einmal eine besondere Dimension. Und jeder Marathonläufer wird dir versichern, dass der eigentliche Kampf mit sich selbst irgendwo hinter Km 30 beginnt.
Fazit: Schaffen kannst du es, aber du solltest systematisch dafür trainieren. Mangels eigener Kenntnisse der Trainingslehre bedeutet das für die meisten Läufer sich nach einem Trainingsplan zu richten.
Die Frage der Machbarkeit verbunden mit der des Erlebniswertes ist aber nicht die einzige, die du dir stellen solltest. Die wichtigste Frage ist die nach der Gesundheit. Derzeit läufst du 20 bis 30 km pro Woche und sprichst davon, dass das eine deutliche Erhöhung deines Pensums ist, das du auf etwa 3 Läufe verteilst. Das bedeutet, dass du zuvor deutlich weniger gelaufen bist (im Winter ja ohnehin eher wenig). Für mich passt schon dieses Pensum eher nicht zu dem Ziel in 5 Wochen Halbmarathon zu laufen. Im Vorfeld eines solchen Laufes fallen üblicherweise mehr Kilometer an. Allein der lange Lauf pro Woche sollte um die 15 bis 17, 18 km betragen. Wenn es dann um den Marathon geht, steigert sich das Training auf 4 Tage pro Woche und etwa 50 bis 60 Kilometer. Und das nicht etwa für harte Zielzeiten, sondern wenn man etwa 4:30 h als Zielzeit in Ansatz bringt.
Das bedeutet also, dass du binnen weniger Wochen von 20 Wochenkilometern dein Training auf 50 bis 60 Wochenkilometer "aufbohren" müsstest. Und das über 12 Wochen, so lang geht ein Marathontrainingsplan. Das kann klappen, wenn jemand einen robusten Körper besitzt. Es kann aber auch fürchterlich in die Hose gehen, wenn dein Körper die rasche Steigerung nicht verkraftet. Mir wäre das zu gewagt.
Natürlich kannst du das Unternehmen Marathon auch ins nächste Jahr verschieben. Das ist aber nur dann sinnvoll, wenn du nicht bei deinem bisherigen Rhythmus, Sommer wenig, Winter noch weniger, bleibst. Vielmehr solltest du die Zeit nutzen, um deinen Laufumfang langsam und mittelfristig in einen Bereich zu bringen, von dem aus der Sprung zum Marathon leichter fällt. Das würde bedeuten mittelfristig auf 4 Trainingstage zu gehen und insgesamt nicht unter 30 Wochenkilometern zu absolvieren (jedenfalls überwiegend bzw. regelmäßig).
Ein weitere Formulierung in deinem Posting stößt mir etwas auf, wenn du sagst du liebäugelst mit einem "richtigen" Marathon. Kürzere Strecken sind keine "falschen" Marathons, sie sind gar keine. Und Marathon zu laufen bringt auch keine neue Weltsicht und keine Spur von Überlegenheit. Ich bin schon viel weiter als Marathon gelaufen, sehe mich aber außerstande auf 5 oder 10 km-Läufer "elitär" runter zu gucken. Jede Strecke kann schön sein, wenn sie zu einem passt und wenn man ihren Anspruch erfüllt. Mag sein, du hast deine Äußerung nicht so gemeint, dann vergiss, was ich dazu geschrieben habe. Aber es ist mir schon ein Anliegen festzustellen: Man muss keinen Marathon in seinem Leben gelaufen sein, um als Läufer zu gelten.
Falls du Unterstützung bei deinem Vorhaben "Marathon" brauchst, kannst du sie - unter anderem - auf unserer
Laufseite finden. Thema "Ein Weg zum Marathon".
Ich wünsche dir die richtige Entscheidung und alles Gute bei der Umsetzung deiner Absichten
Gruß Udo