Das Ernährungsdrama geht weiter ... Neue Ernährungserhebung bei Leistungs- und Freizeitsportlern ... Wieso leben wir noch?
Verfasst: 25.05.2004, 10:54
Hi Leute,
wenn ihr ein wenig nahrungswissenschaftlich interessiert seid, wenn ihr meint, ihr tut euch etwas Gutes, weil ihr euch täglich die Vitamintabletten von ALDI reinhaut, wenn ihr bereit seid konzentriert zu lesen, auf Feinheiten zu achten ... dann lest mein Posting.
Wenn ihr meint: "Schon wieder was zum Essen!", "Muss man denn alles so genau nehmen?", "Mehr als 10 Zeilen? Ne!" ... dann lest das nächste Posting, aber nicht meines.
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Jetzt aber zum eigentlichen Inhalt. Gerade habe ich den neuen Greif-Newsletter erhalten, der sich mit einer "Ernährungserhebung bei Leistungs- und Freizeitsportlern" beschäftigt. Als Quelle ist genannt: Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr. Genauer: Ursula Girreßer, Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Rhein/Ruhr, die zusammen mit einer Oecotrophologin der Fachhochschule Niederrhein das Ernährungsverhalten von 40 Leistungs- und Freizeitsportlern untersucht hat. Hier der Link zur Zusammenfassung der Ernährungserhebung bei Greif:
http://www.greif.de/start/content.php?page=orthomol
Greif nutzt solche Untersuchungen natürlich gerne, weil sie helfen Nahrungssupplemente zu verkaufen.
Nun liegt mir nur die Zusammenfassung der Untersuchung vor. Ich möchte trotzdem dazu einige Anmerkungen machen, die dem Leser zumindest zu denken geben und nicht gleich zur Pille greifen lassen sollten. Ich frage mich, ob die Zusammenfassung schlecht ist oder ob schlampig ausgewertet wird, oder ob ich vielleicht etwas falsch verstehe. Ich versuche es euch zu erklären.
Die ganze Untersuchung beruft sich auf die "Referenzwerte der Nährstoffzufuhr der DGE" (Deutsche Gesellschaft für Ernährung). Im Frühjahr 2000 wurden neue Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr veröffentlicht, die erstmals gleichermaßen für Deutschland, Österreich und die Schweiz gelten. Nach den Länderkennzeichen werden sie seitdem "D-A-CH – Referenzwerte" genannt. In Deutschland ersetzen sie übrigens die "DGE-Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr" von 1991.
Nun werden in der Zusammenfassung der Sportleruntersuchung diverse Nährstoffe genannt und es wird untersucht, wieviel haben die Sportler zu sich genommen und das wird mit den "Referenzwerten" verglichen um Abweichungen ausmachen zu können.
Was stört mich nun daran?
Im Text der Untersuchung (genauer - der Zusammenfassung) wird Nährstoff für Nährstoff untersucht. Es wird dann sinngemäß festgestellt: "Empfohlen ist die Menge von ..." oder "liegt ... % unter dem Referenzwert". Es wird also immer so getan, als gebe es eine Art "vorgeschriebenen" Wert, der auch noch für jedes Individuum gleich sei. "Empfehlung" und "Referenzwert" sind die verwendeten Begrifflichkeiten.
In Wirklichkeit stellt sich die Sache - und das schreibt die DGE auch selbst, ist also keine Erfindung von mir - aber ganz anders dar. Sie unterscheidet nach:
- Empfehlungen: Bedarf sei bekannt,
- Schätzwerten: Bedarf sei nicht ausreichend bekannt,
- Richtwerten: Orientierungshilfe
und fasst das unter "Referenzwerten" zusammen. Ein "Kunstgriff" möchte ich meinen, wenn man etwas von dem man nicht mal den Bedarf kennt und von "Pi mal Daumen-Orientierungswerten" unter dem Begriff "Referenzwert" komprimiert.
Was z. b. "Schätzwert" bedeutet, sei an einem Beispiel erläutert. Für Jugendliche und Erwachsene von 15 bis über 65 Jahre schätzt man einen Bedarf an Mangan zwischen 2,0 und 5,0 mg. Das heißt, es dürfen auch mal 150 % mehr sein. Oder Säuglinge unter 4 Monaten. Wie hoch wird der Bedarf an Chrom geschätzt? 1-10 µg. Es darf also auch mal 10-mal soviel sein. Wovon das abhängig ist ... ist mir nicht ersichtlich. Man fragt sich dann, welchen Wert und welche Genauigkeit dann erst die sog. "Richtwerte" haben.
Weiter schreibt die DGE zu den "Empfehlungen": Die Empfehlung deckt gemäß ihrer Definition den Bedarf fast aller Personen (nahezu 98%) einer definierten Gruppe der gesunden Bevölkerung. Auf die Einzelperson angewandt, ist die empfohlene Zufuhr aber nur eine Zielgröße, um die ausreichende Zufuhr des jeweiligen Nährstoffs angenähert sicherzustellen. Eine tägliche Nährstoffzufuhr in Höhe der Empfehlung macht eine unzureichende Versorgung sehr unwahrscheinlich. Eine Unterschreitung der empfohlenen Zufuhr erlaubt nicht zwangsläufig den Rückschluß auf einen Mangel, sondern erhöht nur die Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung.
So wie die DGE es beschreibt, ist in der Untersuchung allerdings keine Rede davon. Hier gibt es - wiegesagt - nur "Empfehlungen" und "Referenzwerte" und es ist auch nicht lediglich von der der "Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung" die Rede. Es werden fast alle Nährstoffe die die DGE unter "Schätzwert" zusammenfasst in der Untersuchung als "Empfehlung" bezeichnet - was ich für schlichtweg "fehlerhaft" halte. Manchmal ist auch lediglich von "Referenzwert" die Rede, was man dann wenigstens nicht als "Fehler" bezeichnen kann, weil es ja nach der Definition der DGE ein "Referenzwert" ist, auch wenn lediglich ein "Schätzwert" gemeint ist.
In meinen Augen ist diese Untersuchung - vorausgesetzt die Zusammenfassung bei Greif gibt sie inhaltlich richtig wieder - damit fehlerhaft, verzerrend und unwissenschaftlich. Da aber niemand die Feinheiten so genau kennt, kann man so eine Untersuchung selbstverständlich gut nutzen, um mal wieder zu zeigen, wie "unterversorgt" wir Sportler eigentlich sind und dass wir unbedingt Nahrungssupplemente benötigen.
Ich wundere mich manchmal, warum ich überhaupt noch lebe.
Viele Grüße
Meerbuscher
>> Signaturen sind blöd! <<<
wenn ihr ein wenig nahrungswissenschaftlich interessiert seid, wenn ihr meint, ihr tut euch etwas Gutes, weil ihr euch täglich die Vitamintabletten von ALDI reinhaut, wenn ihr bereit seid konzentriert zu lesen, auf Feinheiten zu achten ... dann lest mein Posting.
Wenn ihr meint: "Schon wieder was zum Essen!", "Muss man denn alles so genau nehmen?", "Mehr als 10 Zeilen? Ne!" ... dann lest das nächste Posting, aber nicht meines.
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Jetzt aber zum eigentlichen Inhalt. Gerade habe ich den neuen Greif-Newsletter erhalten, der sich mit einer "Ernährungserhebung bei Leistungs- und Freizeitsportlern" beschäftigt. Als Quelle ist genannt: Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr. Genauer: Ursula Girreßer, Ernährungsberaterin am Olympiastützpunkt Rhein/Ruhr, die zusammen mit einer Oecotrophologin der Fachhochschule Niederrhein das Ernährungsverhalten von 40 Leistungs- und Freizeitsportlern untersucht hat. Hier der Link zur Zusammenfassung der Ernährungserhebung bei Greif:
http://www.greif.de/start/content.php?page=orthomol
Greif nutzt solche Untersuchungen natürlich gerne, weil sie helfen Nahrungssupplemente zu verkaufen.
Nun liegt mir nur die Zusammenfassung der Untersuchung vor. Ich möchte trotzdem dazu einige Anmerkungen machen, die dem Leser zumindest zu denken geben und nicht gleich zur Pille greifen lassen sollten. Ich frage mich, ob die Zusammenfassung schlecht ist oder ob schlampig ausgewertet wird, oder ob ich vielleicht etwas falsch verstehe. Ich versuche es euch zu erklären.
Die ganze Untersuchung beruft sich auf die "Referenzwerte der Nährstoffzufuhr der DGE" (Deutsche Gesellschaft für Ernährung). Im Frühjahr 2000 wurden neue Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr veröffentlicht, die erstmals gleichermaßen für Deutschland, Österreich und die Schweiz gelten. Nach den Länderkennzeichen werden sie seitdem "D-A-CH – Referenzwerte" genannt. In Deutschland ersetzen sie übrigens die "DGE-Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr" von 1991.
Nun werden in der Zusammenfassung der Sportleruntersuchung diverse Nährstoffe genannt und es wird untersucht, wieviel haben die Sportler zu sich genommen und das wird mit den "Referenzwerten" verglichen um Abweichungen ausmachen zu können.
Was stört mich nun daran?
Im Text der Untersuchung (genauer - der Zusammenfassung) wird Nährstoff für Nährstoff untersucht. Es wird dann sinngemäß festgestellt: "Empfohlen ist die Menge von ..." oder "liegt ... % unter dem Referenzwert". Es wird also immer so getan, als gebe es eine Art "vorgeschriebenen" Wert, der auch noch für jedes Individuum gleich sei. "Empfehlung" und "Referenzwert" sind die verwendeten Begrifflichkeiten.
In Wirklichkeit stellt sich die Sache - und das schreibt die DGE auch selbst, ist also keine Erfindung von mir - aber ganz anders dar. Sie unterscheidet nach:
- Empfehlungen: Bedarf sei bekannt,
- Schätzwerten: Bedarf sei nicht ausreichend bekannt,
- Richtwerten: Orientierungshilfe
und fasst das unter "Referenzwerten" zusammen. Ein "Kunstgriff" möchte ich meinen, wenn man etwas von dem man nicht mal den Bedarf kennt und von "Pi mal Daumen-Orientierungswerten" unter dem Begriff "Referenzwert" komprimiert.
Was z. b. "Schätzwert" bedeutet, sei an einem Beispiel erläutert. Für Jugendliche und Erwachsene von 15 bis über 65 Jahre schätzt man einen Bedarf an Mangan zwischen 2,0 und 5,0 mg. Das heißt, es dürfen auch mal 150 % mehr sein. Oder Säuglinge unter 4 Monaten. Wie hoch wird der Bedarf an Chrom geschätzt? 1-10 µg. Es darf also auch mal 10-mal soviel sein. Wovon das abhängig ist ... ist mir nicht ersichtlich. Man fragt sich dann, welchen Wert und welche Genauigkeit dann erst die sog. "Richtwerte" haben.
Weiter schreibt die DGE zu den "Empfehlungen": Die Empfehlung deckt gemäß ihrer Definition den Bedarf fast aller Personen (nahezu 98%) einer definierten Gruppe der gesunden Bevölkerung. Auf die Einzelperson angewandt, ist die empfohlene Zufuhr aber nur eine Zielgröße, um die ausreichende Zufuhr des jeweiligen Nährstoffs angenähert sicherzustellen. Eine tägliche Nährstoffzufuhr in Höhe der Empfehlung macht eine unzureichende Versorgung sehr unwahrscheinlich. Eine Unterschreitung der empfohlenen Zufuhr erlaubt nicht zwangsläufig den Rückschluß auf einen Mangel, sondern erhöht nur die Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung.
So wie die DGE es beschreibt, ist in der Untersuchung allerdings keine Rede davon. Hier gibt es - wiegesagt - nur "Empfehlungen" und "Referenzwerte" und es ist auch nicht lediglich von der der "Wahrscheinlichkeit einer Unterversorgung" die Rede. Es werden fast alle Nährstoffe die die DGE unter "Schätzwert" zusammenfasst in der Untersuchung als "Empfehlung" bezeichnet - was ich für schlichtweg "fehlerhaft" halte. Manchmal ist auch lediglich von "Referenzwert" die Rede, was man dann wenigstens nicht als "Fehler" bezeichnen kann, weil es ja nach der Definition der DGE ein "Referenzwert" ist, auch wenn lediglich ein "Schätzwert" gemeint ist.
In meinen Augen ist diese Untersuchung - vorausgesetzt die Zusammenfassung bei Greif gibt sie inhaltlich richtig wieder - damit fehlerhaft, verzerrend und unwissenschaftlich. Da aber niemand die Feinheiten so genau kennt, kann man so eine Untersuchung selbstverständlich gut nutzen, um mal wieder zu zeigen, wie "unterversorgt" wir Sportler eigentlich sind und dass wir unbedingt Nahrungssupplemente benötigen.
Ich wundere mich manchmal, warum ich überhaupt noch lebe.
Viele Grüße
Meerbuscher
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