Laufen kann so schön sein - Berlin-Marathon 2011
Verfasst: 27.09.2011, 00:51
Vor 3 Jahren war der Berlin-Marathon erst mein zweiter Marathon und dieser lief nach überstandener Eisenmangelanämie fast zu perfekt. Diese 4:08 h, in Hailes Spuren gelaufen, sind immer noch meine PB, denn mehrere Versuche, die 4h zu unterbieten, klappten aus verschiedenen Gründen nicht. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich es je noch einmal versuchen werde. Aber mir war auf jeden Fall klar, dass ich es NICHT in Berlin versuche. Mir war die Gefahr zu groß, Vergleiche zu 2008 zu ziehen und dieses positive Erlebnis durch einen mißglückten PB-Versuch zu trüben. Außerdem zeigt der FR in Berlin einige hundert Meter zu viel, so dass eine Kontrolle eh schlecht möglich ist.
So startete ich meine Vorbereitung und da ich im Sommer ein paar Motivations- und auch zeitliche Probleme (Laufen ist eben nur ein Hobby) hatte, kam mir so eine Idee. Da immer wieder Diskussionen aufkommen, ob und wieviele Läufe > 30km man benötigt, um einen Marathon durchlaufen zu können, wollte ich mal das Experiment wagen und keinen einzigen im Vorfeld laufen. Ich muss aber noch erwähnen, dass ich aus diesem Jahr eine gute Grundlage mitbringe und zu diesem Zeitpunkt noch nie so viele Kilometer wie dieses Jahr gelaufen bin. Die langen Läufe sind mir relativ leicht gefallen und am Ende standen 29, 27, 2x25, 22 und 20km zu Buche. Außerdem bin ich 3 Wochen vorher noch einen HM gelaufen, der aber auf Grund einer Erkältung mit 2:04 h gründlich daneben ging. Noch ein Grund mehr, alles entspannt anzugehen...
Ich freute mich riesig auf den Lauf, das schöne Wetter, die Atmosphäre, das Foritreffen am Vorabend.
Am Marathonmorgen trafen sich einige von uns noch einmal am Pariser Platz und zusammen genossen wir die tolle Kulisse mit dem Brandenburger Tor unter der aufgehenden Sonne. Dann liefen wir mit der immer größer werdenden Läufermasse zum Start-Gelände, wo wir uns in die Schlange zum schmalen Einlass einreihten. Dort dauerte es ewig und das war der einzige Kritikpunkt der ganzen veranstaltung, denn dort hätte im Pulk an den Sperrzäunen auch eine Panik entstehen können, denn der Unmut unter den Wartenden stieg. Irgendwann hatten wir es aber nach innen geschafft.
In meinem Startblock G ging es dafür locker und beschaulich zu, die Stimmung war super und bei der Ankündigung der Stars bekam ich wie vor 3 Jahren eine Gänsehaut. Es ist schon etwas ganz Besonderes, mit 2 Weltrekordlern in einem Rennen zu starten. Mit dem 2. Startschuss ging es auch für mich los. Doch beim Anlaufen bemerkte ich ein Steinchen im linken Schuh. So habe ich noch vor dem Starttor am Rand angehalten und das Malheur beseitigt und mir so wohl eine Blase am Fuß erspart.
Ich wollte mir ja keinen Stress machen, auf 4:15h anlaufen bzw. so lange wie möglich eine 6er Pace halten. Ich bin ungewöhnlich gut in den Lauf gekommen, obwohl es am Start noch sehr kühl war. Aber meine Beine waren locker, ich fühlte mich ausgeruht und von der Erkältung gut erholt. Der 1. km ging so mit 5:58 min weg und auch die Markierung passte fast genau. Besser konnte es nicht laufen. Die nächsten km pegelte sich das bei ca. 5:53 min ein und ich ließ es im Wohlfühlbereich bei niedrigem Puls laufen. Die 5km-Marke passierte ich knapp unter 30 min - passt. Noch war ich sehr vorsichtig, der Weg ist noch weit. Aber ich genoss die Strecke, die Atmosphäre am Straßenrand und das schöne Wetter. Die Luft war anfangs noch kühl und weite Strecken konnte man auch im Schatten laufen. Als es dann auf den Friedrichstadtpalast zuging, wurde mir klar, dass das mein Tag wird. Irgendwie spürt man das und das setzt sich dann im Kopf fest. Trotzdem wurde ich nicht übermütig, lief mein Tempo weiter und hatte immer minimal Vorsprung auf die angestrebte Pace. Unglaublich, was am Streckenrand los war. Besonders beeindruckt hat mich ein kleiner Junge, der Schlagzeug spielte und die Trommler, die unter einer Brücke mit ihrem Rhytmus diese fast zum Einsturz brachten. Es gab fast keinen Abschnitt, wo nicht jemand am Straßenrand stand. Und beeindruckend auch, aus wie vielen Ländern die Läufer kamen.
Ab km 25, nun stetig leicht bergan, war dann die Leichtigkeit weg. Aber damit hatte ich gerechnet. Nun schwankten die km-zeiten etwas, da ich an den Getränkeständen etwas länger Pause machte und auch der FR hatte mittlerweile schon etwa 300m Abweichung. Trotzdem hatte ich bei km 30 immer noch eine halbe Minute Vorsprung. Doch die nächsten beiden km hatte ich einen kleinen Hänger. Sollten sich nun die fehlenden km der langen Läufe bemerkbar machen? Muss ich nun das Tempo generell zurücknehmen? Ich ließ es einfach laufen, wie es angenehm war, nahm mein letztes Gel und als wir auf den Ku´Damm bogen, war die Krise überstanden. Dort verengten die Zuschauer die Strecke, es war einfach gigantisch, wie sie uns anfeuerten. Zu Beginn der Tauentzienstraße wurde ich dann wegen einer Baustelle auf die linke Seite geleitet und plötzlich hörte ich Piepsen von rechts. Die 35km-Marke, doch auf meiner Seite lag keine Matte. Ich schaute kurz auf die Uhr und sah, dass ich nun ein paar Sekunden drüber lag. Ich dachte nun, dass ich bis zum Ziel weiter Zeit verlieren würde, doch kurz danach bekam ich sprichwörtlich Flügel. Keine Ahnung, woher die Kräfte kamen, aber ich konnte etwas beschleunigen und war nur noch am Überholen. Auf die Uhr schaute ich nicht mehr, lief nur noch nach Gefühl. Und im Gegensatz zu 2008, als mir die letzten 4km recht schwer fielen, bekam ich dieses Mal noch genug von der Strecke mit. So sah ich am Potsdamer Platz ein Transparent "Distanz ist, was der Kopf draus macht", was an diesem Tag für mich so passend war. Die Kurven um den Gendarmenmarkt waren dann noch etwas willkommene Abwechslung und plötzlich lag ich bei 40km wieder ein paar Sekunden unter der Zeit. Als ich dann auf die "Unter den Linden" einbog, habe ich auf die Uhr geschaut. Ich habe noch über fünfeinhalb Minuten ins Ziel gebraucht und davon jede Sekunde genossen. Dort standen Menschenmassen, die einen anfeuerten. Dann ging es durch das Brandenburger Tor in die Zielgasse, vorbei an der Tribüne, den Berlino abklatschend, ins Ziel. Am Ende habe ich mit 4:12:37 h und einer Gesamtpace von 5:59 meine Vorgabe unterboten.
Es war wieder ein richtig emotionales Erlebnis! Berlin ist eben einmalig gigantisch und ich bin froh, dass es für mich durch dieses defensive Herangehen so gut gelaufen ist. Ob nun ein paar Minuten schneller oder langsamer, spielt an so einem Tag und bei so einem Rennen keine Rolle. Hauptsache, man ist mit sich zufrieden.
Mein Experiment betrachte ich für mich auch als geglückt. Ich konnte ab km 35 nach einem Hänger noch mal beschleunigen. Ich möchte hiermit Niemanden zum Nachahmen animieren, aber zum Nachdenken. Es ist wichtig, in sich reinzuhören, was der eigene Körper verträgt, denn auch Regeneration ist wichtig. Und vieles ist Kopfsache, ohne Willen geht es nicht!
Viele Grüße
Anett
So startete ich meine Vorbereitung und da ich im Sommer ein paar Motivations- und auch zeitliche Probleme (Laufen ist eben nur ein Hobby) hatte, kam mir so eine Idee. Da immer wieder Diskussionen aufkommen, ob und wieviele Läufe > 30km man benötigt, um einen Marathon durchlaufen zu können, wollte ich mal das Experiment wagen und keinen einzigen im Vorfeld laufen. Ich muss aber noch erwähnen, dass ich aus diesem Jahr eine gute Grundlage mitbringe und zu diesem Zeitpunkt noch nie so viele Kilometer wie dieses Jahr gelaufen bin. Die langen Läufe sind mir relativ leicht gefallen und am Ende standen 29, 27, 2x25, 22 und 20km zu Buche. Außerdem bin ich 3 Wochen vorher noch einen HM gelaufen, der aber auf Grund einer Erkältung mit 2:04 h gründlich daneben ging. Noch ein Grund mehr, alles entspannt anzugehen...
Ich freute mich riesig auf den Lauf, das schöne Wetter, die Atmosphäre, das Foritreffen am Vorabend.
Am Marathonmorgen trafen sich einige von uns noch einmal am Pariser Platz und zusammen genossen wir die tolle Kulisse mit dem Brandenburger Tor unter der aufgehenden Sonne. Dann liefen wir mit der immer größer werdenden Läufermasse zum Start-Gelände, wo wir uns in die Schlange zum schmalen Einlass einreihten. Dort dauerte es ewig und das war der einzige Kritikpunkt der ganzen veranstaltung, denn dort hätte im Pulk an den Sperrzäunen auch eine Panik entstehen können, denn der Unmut unter den Wartenden stieg. Irgendwann hatten wir es aber nach innen geschafft.
In meinem Startblock G ging es dafür locker und beschaulich zu, die Stimmung war super und bei der Ankündigung der Stars bekam ich wie vor 3 Jahren eine Gänsehaut. Es ist schon etwas ganz Besonderes, mit 2 Weltrekordlern in einem Rennen zu starten. Mit dem 2. Startschuss ging es auch für mich los. Doch beim Anlaufen bemerkte ich ein Steinchen im linken Schuh. So habe ich noch vor dem Starttor am Rand angehalten und das Malheur beseitigt und mir so wohl eine Blase am Fuß erspart.
Ich wollte mir ja keinen Stress machen, auf 4:15h anlaufen bzw. so lange wie möglich eine 6er Pace halten. Ich bin ungewöhnlich gut in den Lauf gekommen, obwohl es am Start noch sehr kühl war. Aber meine Beine waren locker, ich fühlte mich ausgeruht und von der Erkältung gut erholt. Der 1. km ging so mit 5:58 min weg und auch die Markierung passte fast genau. Besser konnte es nicht laufen. Die nächsten km pegelte sich das bei ca. 5:53 min ein und ich ließ es im Wohlfühlbereich bei niedrigem Puls laufen. Die 5km-Marke passierte ich knapp unter 30 min - passt. Noch war ich sehr vorsichtig, der Weg ist noch weit. Aber ich genoss die Strecke, die Atmosphäre am Straßenrand und das schöne Wetter. Die Luft war anfangs noch kühl und weite Strecken konnte man auch im Schatten laufen. Als es dann auf den Friedrichstadtpalast zuging, wurde mir klar, dass das mein Tag wird. Irgendwie spürt man das und das setzt sich dann im Kopf fest. Trotzdem wurde ich nicht übermütig, lief mein Tempo weiter und hatte immer minimal Vorsprung auf die angestrebte Pace. Unglaublich, was am Streckenrand los war. Besonders beeindruckt hat mich ein kleiner Junge, der Schlagzeug spielte und die Trommler, die unter einer Brücke mit ihrem Rhytmus diese fast zum Einsturz brachten. Es gab fast keinen Abschnitt, wo nicht jemand am Straßenrand stand. Und beeindruckend auch, aus wie vielen Ländern die Läufer kamen.
Ab km 25, nun stetig leicht bergan, war dann die Leichtigkeit weg. Aber damit hatte ich gerechnet. Nun schwankten die km-zeiten etwas, da ich an den Getränkeständen etwas länger Pause machte und auch der FR hatte mittlerweile schon etwa 300m Abweichung. Trotzdem hatte ich bei km 30 immer noch eine halbe Minute Vorsprung. Doch die nächsten beiden km hatte ich einen kleinen Hänger. Sollten sich nun die fehlenden km der langen Läufe bemerkbar machen? Muss ich nun das Tempo generell zurücknehmen? Ich ließ es einfach laufen, wie es angenehm war, nahm mein letztes Gel und als wir auf den Ku´Damm bogen, war die Krise überstanden. Dort verengten die Zuschauer die Strecke, es war einfach gigantisch, wie sie uns anfeuerten. Zu Beginn der Tauentzienstraße wurde ich dann wegen einer Baustelle auf die linke Seite geleitet und plötzlich hörte ich Piepsen von rechts. Die 35km-Marke, doch auf meiner Seite lag keine Matte. Ich schaute kurz auf die Uhr und sah, dass ich nun ein paar Sekunden drüber lag. Ich dachte nun, dass ich bis zum Ziel weiter Zeit verlieren würde, doch kurz danach bekam ich sprichwörtlich Flügel. Keine Ahnung, woher die Kräfte kamen, aber ich konnte etwas beschleunigen und war nur noch am Überholen. Auf die Uhr schaute ich nicht mehr, lief nur noch nach Gefühl. Und im Gegensatz zu 2008, als mir die letzten 4km recht schwer fielen, bekam ich dieses Mal noch genug von der Strecke mit. So sah ich am Potsdamer Platz ein Transparent "Distanz ist, was der Kopf draus macht", was an diesem Tag für mich so passend war. Die Kurven um den Gendarmenmarkt waren dann noch etwas willkommene Abwechslung und plötzlich lag ich bei 40km wieder ein paar Sekunden unter der Zeit. Als ich dann auf die "Unter den Linden" einbog, habe ich auf die Uhr geschaut. Ich habe noch über fünfeinhalb Minuten ins Ziel gebraucht und davon jede Sekunde genossen. Dort standen Menschenmassen, die einen anfeuerten. Dann ging es durch das Brandenburger Tor in die Zielgasse, vorbei an der Tribüne, den Berlino abklatschend, ins Ziel. Am Ende habe ich mit 4:12:37 h und einer Gesamtpace von 5:59 meine Vorgabe unterboten.
Es war wieder ein richtig emotionales Erlebnis! Berlin ist eben einmalig gigantisch und ich bin froh, dass es für mich durch dieses defensive Herangehen so gut gelaufen ist. Ob nun ein paar Minuten schneller oder langsamer, spielt an so einem Tag und bei so einem Rennen keine Rolle. Hauptsache, man ist mit sich zufrieden.
Mein Experiment betrachte ich für mich auch als geglückt. Ich konnte ab km 35 nach einem Hänger noch mal beschleunigen. Ich möchte hiermit Niemanden zum Nachahmen animieren, aber zum Nachdenken. Es ist wichtig, in sich reinzuhören, was der eigene Körper verträgt, denn auch Regeneration ist wichtig. Und vieles ist Kopfsache, ohne Willen geht es nicht!
Viele Grüße
Anett