Hallo culli,
es gibt keine ideale, für alle Menschen gleiche Kost. Weder allgemein, noch im Bezug auf den Ausdauersport Laufen. Es gibt sehr wohl die Notwendigkeit von den Nahrungsbestandteilen (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße, Mineralien, usw.) ausreichend zu sich zu nehmen, wenn man gesund leben und laufen will. Aber dieses "ausreichend" lässt nicht mehr zu als grobe prozentuale Einteilungen, wie sie z.B. in Ernährungspyramiden ihren Niederschlag finden.
Was dann einem bestimmten Individuum als Läufer zum größten (und gesunden) Erfolg verhilft, kann sich schon erheblich unterscheiden. Dabei spielen nicht nur körperliche Fragen eine Rolle, sondern auch die Psyche. Dazu ein drastisches Beispiel: Sicher braucht kein Mensch Schokolade, um sich gesund und vollwertig zu ernähren. Und ganz sicher steigert Schokolade nicht die Ausdauer, noch die Fähigkeit sich diese Ausdauer anzutrainieren. Dennoch mag es durchaus notwendig sein, sich wenigstens ab und zu eben diese Schokolade einzuwerfen, wenn man sie "über alles liebt" und der Verzicht einen eher missgelaunt stimmt. Umgekehrt betrachtet: Der Verzehr einer Tafel Schokolade oder auch zwei pro Woche, wird einem sicher nicht die Ausdauer versauen, noch die Fähigkeit schmälern sich diese Ausdauer anzutrainieren.
Noch zwei Denkanstöße: Ich kenne einen überaus erfolgreichen Läufer (alle Disziplinen von 5 km bis Ultra), der kein Gemüse isst und auch mit Obst wenig anzufangen weiß. Sein Lieblingsessen ist Wiener Schnitzel mit Pommes. Seine Ernährung dürften die meisten Menschen mit Skepsis betrachten und bei vielen anderen Menschen wäre es eine Fehlernährung, die nicht ohne gesundheitliche Negativfolgen bliebe. Was er aber sonst noch zu sich nimmt, versorgt ihn offensichtlich mit den nötigen Stoffen. Dafür trinkt er keinen Tropfen Alkohol - einfach, weil er ihn nicht mag, nicht wegen des möglichen Einflusses auf die Ausdauer. Dieses zugegeben ungewöhnliche Beispiel macht klar, dass man Ernährungsfragen - zumindest im Bereich der Freizeitläufer - nicht überbewerten sollte. Wer nicht leistungsorientiert UND viel trainiert, braucht sich darum gar keine Gedanken zu machten. Dann reicht eine vollwertige Ernährung, wie sie für jeden anderen, nicht laufenden Menschen auch zu fordern ist.
Und das noch: Ich habe mal einen Trainer im Spitzenbereich im Interview sagen hören, dass Ernährungsfragen seiner Ansicht nach bei Spitzenathleten (!) überbewertet werden. Leider kann ich den genauen Wortlaut nicht mehr wiedergeben. Im Kern vertrat er aber die Auffassung, dass dann und wann eine "Ernährungssünde" auch mal vertretbar wäre, weil Spitzenleistung ohne Lebensfreude undenkbar ist.
Dass es heute so viele verschiedene Ernährungskonzepte gibt, so viele Studien, so viel hin und her, sollte einen nicht wundern. Erstens ist das in allen Lebensbereichen so. Alles wird erforscht und publiziert. Und nicht jede wissenschaftliche "Wahrheit" hält späteren Untersuchungen stand. Nach Einstein war man sicher, dass nichts je schneller sein könnte als das Licht. Und nun kratzen sich die Gelehrten am Kopf, weil sie Teilchen im Versuch identifizierten, die - wenn sie ihren Messgeräten trauen dürfen - eben doch schneller waren ... Hat Einstein nun einen Fehler gemacht?
Das Tohuwabohu im Ernährungsbereich hängt auch mit "zivilisatorischer Entartung" zusammen. Uns wird Nahrung angeboten, die sich immer weiter von einer natürlichen Ernährung entfernt. Die Ernährungsindustrie erfindet zum Beispiel, um mehr Gewinn zu machen, immer neue und oft auch miesere Produkte, was die Inhaltsstoffe angeht. Nach und nach wird zu Hause immer weniger selbst aus naturbelassenen Zutaten gekocht. Unter anderem, weil vielen die Zeit dazu fehlt. Fast Food boomt ja nicht nur, weil es gut schmeckt (obwohl man bei manchen Sachen darüber streiten könnte). Die Menschen verlernen also zunehmend, sich vollwertig und "richtig" zu ernähren. Zugleich enthebt uns die Zivilisation der Notwendigkeit zu laufen. Maximal noch vom Bett bis zum Auto oder zum Bus. Da kommt bei den meisten Menschen täglich nicht mal ein Kilometer zusammen. Der menschliche Körper ist aber von der Natur und der Evolution für eben dieses Laufen einst optimiert worden. Sammeln und Jagen war vor Urzeiten fürs Überleben wichtig. Die Folge von falscher Ernährung und zu wenig Bewegung ist bei vielen Menschen unübersehbar ...
Und nicht zuletzt gibt es auch deshalb im Bereich der Ernährung so viel "Unruhe", weil alternative Ernährungskonzepte "erfunden" wurden. Vegetarisch oder gar veganisch (heißt das so?), um nur zwei Beispiele zu nennen. Ich will nun nicht darüber diskutieren, ob diese Ernährungsformen für Sportler sinnvoll oder gesund sind. Es gibt sie, also verunsichern sie eben nicht nach dieser Vorgabe essende Menschen in der Weise, ob sie nicht vielleicht einen Fehler begehen.
Jeder muss für sich selbst entscheiden, welche Ernährungsform die richtige ist. Dabei sollte er auf Mindestanteile achten, die den meisten Publikationen zu entnehmen sind. Wer in einer vollwertig kochenden Küche aufwuchs und diese Ernährungsweise auch in sein Erwachsenenleben hinüber retten konnte, wird kaum Fehler machen können.
Die richtige Ernährung ist lebenswichtig. Das ist Fakt. Aber es ist auch Fakt, dass man sich erst ab einer erheblichen Wochenlaufleistung Gedanken über wesentliche Änderungen seiner bisherigen Ernährung machen braucht. Bis dahin sollte man dem Körper vertrauen und auf seine Signale hören. Der wird einem zum Beispiel durch Durst während oder spätestens nach einer Laufeinheit darauf hinweisen, dass er Wasser braucht. Übrigens Wasser - kein isotonisches Getränk für viel Geld, in dem dann auch nur ein paar Kohlenhydrate drin stecken und etwas Mineralien (leider bei den meisten Produkten in unzureichender Zusammensetzung und Menge). Was man außer Wasser noch braucht, holt sich der Körper aus der festen Nahrung.
Also ernährungstechnisch besteht nach wie vor keinerlei Grund für Hektik oder gar Panik, bei gottlob noch immer vielen Menschen nicht einmal Änderungsbedarf.
Alles Gute
Gruß Udo