Warum Marathon? (Bericht Frankfurt City Marathon 2004 - Mein Debüt)
Verfasst: 02.11.2004, 07:57
Moin,
es hat etwas länger gedauert. Nach 2 Versuchen, die ichwegen der Überlänge abgebrochen habe, hier nun die endgültige Fassung (ist noch länger geworden).
Wäherend der Vorbereitung habe ich mir diese Frage immer wieder gestellt. Um sie zu beantworten, muss man vielleicht einen laufen, dachte ich mir. Dieser Bericht ist also der Versuch einer Antwort auf die Frage.
Man kann die Frage auch mit "ein T-Shirt mit einer freundlichen 42 vorne drauf" beantworten ;)
---snip---
Prolog
Da war er wieder. Der Wunsch, der Gedanke, einmal einen Marathon zu laufen. Zugegeben, es fühlte sich etwas anders an, als zuvor, aber er war wieder da. Da, nachdem er 4 Jahre lang verschwunden war. Damals nach meinem ersten Halbmarathon, als ich dache, der Marathon wär doch einfach nur eine Frages des Trainings. Um dann festzustellen, dass auch der Körper mitmachen muss. Nach 28km hatte ich es aufgegeben. Schmerzen im Knie. Hab nie nachgeforscht, was es war. Woher es kam. Egal, vergessen und begraben.
Nun aber war er wieder da. Der Halbmarathon in neuer Bestzeit, Dirk, der mir mal wieder um Nasenlänge voraus war, sein Vater, der mit dem Greif-Plan zu ungeahnten Höhen geflogen ist, das Forum, in dem sich haufenweise dieser Marathonis tummeln und dann diese Sendung: ich gebe zu, auch die hat ihn wieder zum Leben erweckt. Wenn die das schaffen, völlig Unsportliche - und das in 12 Monaten, dann sollte ich das doch auch irgendwie packen. Zumal ich schon trainingstechnisch mindestens auf der Hälfte stehe - wenn nicht noch weiter.
Also reift mit Dirk zusammen der Plan: erst mal die Umfänge steigern, bis wir 35km erreicht haben. Dann können wir Greif folgen, oder zumindest an den Countdown anlehnen. Gesagt getan. Jede woche treffen wir uns. Wir laufen immer mehr Kilometer. Und Mr. Hammermann persönlich sagt uns sehr oft guten Tag. Auf das Gefühl war ich nicht gefasst: der Puls ist ganz normal bis etwas erhöht - bei mir so um die 160 -da hat man den riesigen Wunsch, auf der Stelle stehen zu bleiben. Sich ins Gras zu legen und zu schlafen. Keinen Meter mehr will man gehen geschweige denn Laufen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, Dirk trifft es weniger heftig und häufig - naja langsam finde ich mich damit ab, dass er wahrscheinlich weiterhin die Nase vorn haben wird.
Die Umfänge wachsen: 21, 23, 25, 27, 31, 33 - plötzlich der erste 35km Lauf mit den ersten Problem: bei Kilometer 25 gehts mir schon dreckig, ich kann kaum laufen. Bis Kilometer 30 schleppe ich mich noch, dann ist der Ofen endgültig aus. Nein diesmal war es kein Hammermann, das war was anderes. Ich tippe auf Erkältung, bin mir aber nicht sicher.
Pause, Erholung. 3 Wochen lang. Der Arzt kann nichts feststellen, also weitertrainieren. Dirk hat es mitlerweile geschafft, er hat die 35 geknackt. Mist. Bin ich schon wieder hinten dran. Im Urlaub mitten im Sommer fange ich wieder an. Erst unregelmäßig wieder ein paar Testläufe. Klappt schon ganz gut. Aus dem Urlaub zurück will ich dann wieder angreifen. Verabrede mich mit Dirk. Los gehts. Erst mal so 28 Kilometer. Es läuft super. Die Erholung hat gut getan. Wir laufen weiter. Es werden 30 an diesem Tag. Leichte Euphorie, den Durchhänger überwunden zu haben steigt in mir hoch. Dirk läuft, als würde es ihm nichts ausmachen. Zwar kann ich ihn beim Schlußsprint noch in Schach halten, bin danach aber viel fertiger als er - ich Angeber.
Nächste Woche verabreden wir uns zu meinem ersten 35er. Wir laufen Runden. Zwischendurch immer mal was trinken am Auto. Das ist auch notwendig. Bei den Temperaturen verliere ich ca. 1kg pro Stunde. Bei einer Belastungsdauer von 3:45 wäre ich schnell am Ende. Es klappt. Endlich, die magischen 35 - da sind sie. Yeah.
Dirk kann es nicht abwarten und läuft schonmal einen Marathon. Nur so, keine Zielzeit. Er will es endlich wissen. Ich auch, glaub mir. Bei 26 Grad rennt er die 42 Kilometer unter 4 Stunden. Unglaublich. Ok, er hat keine 3 wöchige Pause eingelegt, ist gut im Training. Innerlich ziehe ich meinen Hut.
An diesem Wochenende laufe ich auch. 35 Kilometer - eigentlich sind es 36. Hitze.
Ich Depp muss natürlich am späten Vormittag starten und über die Mittagszeit laufen. Und dann auch noch sieben Mal um diesen See. Was Langweiligeres gibt es ja wohl kaum. Egal. Die beste Lösung, um mich mit Getränken zu versorgen. Zum ersten Mal versuche ich sowas wie eine Endbeschleunigung. Au, das ist hart. Ich komme völlig fertig an. Zum Glück hat meine Frau mich mit Skates auf der letzten Runde begleitet. Autofahren kann ich nicht mehr. Mir ist schlecht. Kreislauf. Doofe Idee, bei der Hitze zu laufen.
Das Training verläuft nach Plan. Plan? Ja - Greif Plan. Der gefährliche. Der nichts ist für Anfänger. Ich muss es natürlich besser wissen. Klar. Ich bin anders. Keiner von "denen" - die Anfänger, die eben ... ich rede mich um Kopf und Kragen. Besserwisser - aber das wusste ich schon vorher.
Schnell noch einen Kurzurlaub in Dänemark. Langer Lauf am Strand - toll. Mit Endbeschleunigung. Und? Super, läuft wie am Schnürchen. Es sind dann eher 20 und nicht 12 Kilometer, die ich schnell laufe. Nicht ganz im Renntempo, eher so nach Pfitzinger. Auch egal. Es geht gut. Die letzten 4 Kilometer ist er auf einmal wieder da. Hallo, lange nicht gefühlt Herr Hammermann. Macht mir aber nichts. Ich fühl mich super.
Am nächsten Tag kommt die übliche Regenerationseinheit: so 12-15 Kilometer ganz locker traben. Aaaauuuaaa: mein linker Außenmeniskus zwickt, das Bein verkrampft. nach 13 Kilometern humpel ich fast nur noch durch die Gegend. Hab ich es geschafft? Bin ich überlastet? Kann ich meinen Traum wieder begraben?
Die nächsten Einheiten breche ich ab: geht nicht. Keine Chance. Das Knie kommt immer wieder. Ich bin den Tränen nah. Soll es das gewesen sein? Zu allem Überfluß kommt auch noch ein grippaler Infekt dazu. Eine Woche Pause - zusätzlich. Ausreden suchen, Durchhalteparolen. Beginne ich mein Tapering eben eine Woche früher. Gibt es eben keinen Testlauf. Mir doch egal. Ich wollte sowieso nicht die 3:38 angreifen, das wäre vermessen.
Endlich wieder gesund laufe ich mit andern Foris bei Porta Westfalica durch den Wald. Es rennt so gut wie kaum zuvor. Die Pause war gut. Kein Knie tut mehr weh. Langsam kommt die Hoffnung wieder. Ist auch höchste Zeit, das Rennen ist in einer Woche. Sonntag laufe ich mit Dirk noch einen langsamen mittellangen: so 20 bis 25 Kilometer, je nach Befinden. Prompt ist es wieder da, das Knie. nach 19 Kilometer bin ich fertig, die Nerven flattern. Abends telefoniere ich mit meiner Osteopathin. Die weiss doch sonst auch Rat. Montag soll ich vorbeikommen. Warum klingt ihre Stimme nicht so zuversichtlich wie sonst?!
Die Behandlung tut gut. Sieht so aus, als hat sie die Verspannung lösen können. 3 Tage Pause. Dann locker joggen - was anderes hatte ich sowieso nicht getan. Donnerstag Laufe ich locker - locker? 5:15 steht da auf meiner Uhr. Wow - schnell ändere ich den Plan und laufe ein paar ntervalle. Es läuft super, die Euphorie ist wieder da. Sonntag kann kommen. Locker.
Es ist Samstag, ich hole Julia, Stefans Freundin vom Bahnhof ab. Zu hause gabel ich meine Frau auf, die mehr oder weniger die Organisation übernommen hat, ich selbst bin nicht in der Lage, über Socken Schlafanzug und Zahnbürste nachzudenken. Bin ich froh, dass sie mitkommt. Kaum ein Groupie hat sich wiedergemeldet. Das wär doch recht einsam. Wir fahren in Hildesheim vorbei, gabeln Dirk auf. Die Fahrt nach Frankfurt lenkt mich ein wenig von meiner Nervosität ab. Immer wieder schießt mir ein Bild durch den Kopf: ich mit beiden Armen in die Höhe gerissen im Ziel. Dirk sieht ziemlich cool aus, will der mich ärgern?
Endlich Frankfurt. Wir kurven durch die Straßen, irgendwann verliere ich die Orientierung, aus welcher Richtung wir eigentlich gekommen sind. Gut, dass wir Navi haben. Immer tiefer nach Frankfurt führt der Weg. Rechts, links, und auf einmal zwischen den riesen Hochhäusern der Banken. Kilometer 38. Morgen kommen wir hier vorbei. Rechts, links, ich weiss nicht mehr wie oft. Die Straßen sehen schäbig aus. Und bunt!? Geradeaus ist der Bahnhof zu sehen. Hier will ich ja nachts nicht allein auf der Straße langgehen. Das ist ja wie - das ist das Rotlichtviertel!?! Wo ist die Pension von Julia und Stefan? In dieser Straße? Gelächter. Grinsen. Ich kanns kaum glauben. Direkt über einer Striptease Bar. Julia steigt aus. Wir fahren weiter. Können wir sie so allein dortlassen?
Unser Hotel ist ok. Nur die Matratze nicht. Das wird bestimmt keine entspannte Nacht. Wir gehen zur Messe, Unterlagen abholen, die anderen Treffen, Nudeln futtern. Und über die Pension von Julia und Stefan lachen. Peter ist auch in der Straße untergekommen interessant. Nachdem wir ausgiebig Nudeln in uns hineingeschaufelt haben gehen wir ins Hotel. Fernsehen, Uhr zurückstellen, schalfen. Schalfen? Pustekuchen nix da. Das Bett macht mir einen Strich durch die Rechnung. Dazu noch der Lärm der anderen Gäste im Hotel. Klasse. Tolle Mischung: Müdigkeit und Nervosität.
Am nächsten Morgen bin ich schnell auf den Beinen. Die Nacht war zwar bescheiden, aber das verdränge ich. 2 Brötchen mit Honig und 2 Tassen Kaffee - ist das zuviel? Wir machen uns fertig und gehen zur Messe. Die Nervosität muss ich wohl im Hotel vergessen haben, jedenfalls fühle ich mich deutlich ruhiger als in der Nacht noch. Auf der Messe treffen wir Stefan und Peter. Später dann noch Käferin, Eric und Sigi. Der Rest der 16 Läufer lässt sich nicht blicken. Egal, kann ich mich nicht mehr drauf konzentrieren, langsam wird es ernst.
Das Rennen
Dirk, Stefan und ich beschließen, gemeinsam eine 3:45 anzupeilen. Der Start verläuft wie üblich. Stop and Go. Erst ab der Startlinie gehts flüssig weiter. Die Ersten Kilometer sind wir etwas langsam. Da müssen wir etwas Gas geben. Klapp auch. Die Kilometer fliegen nur so vorbei. Immer wieder stehen Samba-Kombos am Straßenrand die wie bessessen auf ihre Trommeln einprügeln. Wow, das nenne ich Aufputschmittel. Viele Zuschauer säumen die Strecke. Schon zu Beginn werde ich immer wieder mit Namen angefeuert. Ein Fori? Keine Ahnung, ich bin zu schnell vorbei.
Unsere Geschwindigkeit stabilisiert sich. Ich laufe voran, Dirk und Stefan leicht hinter mir. Es rollt, es geht super und wir überholen pausenlos. Dabei sind wir doch knapp hinter dem Block mit der Zielzeit von 3:30-3:45 gestartet? Ich bin etwas irritiert. Dieses Frage kann ich mir bis zum Ende nicht beantworten. Die Verpflegungsstände sind vorbildlich. Kein Gedränge, immer genügend Wasser und wenn man genau aufpasst, bekommt man auch welches ohne Kohlensäure.
Langsam lichtet sich der Nebel, die Sonne lugt hervor. Kann gar nicht verstehen, warum die Leute Frankfurt nicht mögen. Ist doch schön hier. Kaum ein Abschnitt, an dem nicht wenigstens ein paar Leute stehen, häufig sogar mit Musik. Und windig
ist es auch so gut wie nicht. Einen besseren Tag hätten wir uns nicht aussuchen können. Wir laufen, wir rennen, wir fliegen über die Strecke. Jeden Kilometer nehem ich die Zwischenzeit. Es läuft klasse. Nach Kilometer 14 erhöhen wir das Tempo ein wenig. So ist der Plan. So wird er umgesetzt. Stefan fängt an, bei den Verpflegungsständen sich eine Banane reinzudrücken. Dirk und ich begnügen uns mit Squeezy und Wasser. Aber Stefan schafft es immer wieder aufzuschließen. Der Halbwarathon fliegt nach 1:51:57 an uns vorbei. Super Zeit das läuft riesig. Eigentlich wollten wir bei Kilometer 28 noch eine Schippe draufpacken, lassen es aber, da die Kilometerzeiten schon stimmen.
Dirk hat mitlerweile die Führung übernommen. Ich begrüße meine Beine, die sich langsam bemerkbar machen. Die sind also doch da. Irgendwo nach Kilometer 26 plötzlich ein Geräusch, als hätte ein Fahrrad eine Vollbremsung gemacht. Bislang habe ich vermieden, mich allzuoft umzudrehen, kann es aber nicht lassen. Stefan strauchelt und fängt sich gerade so bevor er auf dem Asphalt aufschlägt. Sieht komisch aus das Bild, ein Arm nahe dem Boden als wäre er zu lang und irgendwie verdreht. Was macht der da? Die Auflösung: sein Powergel, dass er die ganze Zeit in der Hand gehalten hat (damit es warm wir und sich das Aroma besser entfaltet?) war ihm aus derselben gefallen. Mit akrobatischen Tritten und wildem Armgefuchtel hat er versucht, es wieder aufzulesen, was jedoch misslang.
Nach diesem kleinen Zwischenfall ist er plötzlich weg. Dirk macht mich darauf aufmerksam, ich selbst zucke mit den Schultern. "Ich bleib an euch dran, solang es geht." klingt mir in den Ohren. Ist es schon soweit? Das wäre wirklich schade. Aber da ist er wieder. "Musste mich eben kurz dehen - kleiner Krampf". Ich bewundere die Leistung, immer wieder kleine Sprints einzulegen, um zu uns aufzuschließen. Dirk trinkt mitlerweile sein Wasser im Laufen, ich im Gehen, also bleibt auch mir nach den Verpflegungsständen nicht viel übrig, als zu Dirk aufzuschleißen. Klappt aber gut, kein Problem.
Langsam wird es ruhiger, ich gucke etwas mehr auf die Straße und fühle in mich hinein. Was macht das linke Bain, was das Knie? War da eben was? Nein, es rollt noch. Zwar nicht mehr so locker, wie vorher, das ist aber auch kein Wunder, immerhin sind bereits 30 Kilometer und 2:39 vorbei. Wir laufen die Mainzer Landstraße entlang und selbst hier kommt es mir nicht sehr einsam vor.
Selbst hier stehen die Leute mit Schildern am Rand und feuern an. Klasse. Dirk macht ganz klar die Pace, ich hänge dran. Es wird langsam schwerer. Ab Kilometer 33 gehen die Zeiten wieder etwas hoch. Mir ist das egal, ich laufe so weiter. Schneller gehts auch nicht. Da macht mein Kopf nicht mit. Außerdem zwickt jetzt mein rechter Oberschenkel. Das hatte ich noch nie. Erschöpfung im Oberschenkel. Na sowas. Wir nähern uns langsam wieder der Messe. Stefan hat es irgendwann nicht mehr geschafft, ganz zu uns aufzuschließen. Bei Kilometer 37 passieren wir unser Hotel. Auto steht noch da. Weiter denke ich nicht. Das Bein tut schon ganz schön weh. Dirk ist 5 Meter vor mir. Noch. Plötzlich zieht er an. Ich versuche, mich dranzuhängen.
Irgendetwas weigert sich. Mist dann nicht. Ein Läufer, der uns die letzten Kilometer als Pacemaker benutzt hat wird nun zu meinem Hasen. Solange ich seine blaue Jacke noch sehen kann, ist alles in Ordnung. Da bleib ich dran, der ist nicht so schnell, das schaffe ich. Bei Kilometer 38 stehen meine Frau und Julia. Sie schreien aus voller Kehle, hüpfen, freuen sich. Ich ruf ihnen nur trocken zu "Stefan kommt da hinten irgendwo". Und schon sind sie vorbei. Mist, da drüben ist das Ziel. In Reichweite. Jetzt würd ich doch schon gern ankommen. Aber vorher geht es nochmal durch die Stadt an der Oper vorbei. Bei Kilometer 40 dann das letzte Wasser. Mir wird fast schlecht, so schlecht schmeckt das. Was haben die da denn reingetan? Über Kopfsteinpflaster geht es wieder leicht bergab. Ja zurück, da will ich hin.
Immer wieder versuche ich anzutreten, mein Tempo zu verschärfen. Es klappt aber nur für ein paar Schritte, dann falle ich wieder zurück in meinen alten Trott. Die Läufer, die mich überholen und diejenigen, die ich selbst überhole, halten sich in Waage. Dann ein Schild: "Quäl Dich Du sau." Jau, grenau das hab ich vor. "Noch 600 Meter" ruft einer, ein paar Schritte weiter "Los, sind nur noch 700 Meter" - ja was denn? Lauf ich rückwärts? Die sollten sich mal einigen. Schon wieder ein 600 Meter Rufer. Naja, da vorn sehe ich den Mann mit dem Hammer - der Eingang der Messe
er kommt immer Näher. Gleich ist es vorbei, jetzt schon mal das lockere Lächeln üben.
Die Straße ist eng, es passen knapp drei Leute nebeneinander. Das Publikum ist frenetisch. Immer wieder wird mein Name gerufen. Ist das Geil. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ist mir kalt? Um den Messeturm herum, 42 Kilometer, jetzt sind es nur noch 195 Meter. Läppische. Ich komme in die Festhalle. Getöse. Leute sind am Jubeln, Musik, ein Sprecher erzählt irgendwas. Ich kann auf nichts mehr achten. Reiße die Arme hoch. Ich bin im Ziel. Ich schreie. Ein Läufer neben mir zuckt zusammen. Tschuldigung. Ich schreie trotzdem nochmal. Dann der Zielstrich. Ende. Da bin ich. Uhr. Zwischenzeit. Weitergehen.
Auf einmal bin ich nicht mehr in der Festhalle. Es geht ein paar Stufen runter. Lächelnd sehe ich zu, wie Helfer ein paar Läufern die 3 Stufen herunterhelfen. Ich setze an und sofort merke ich, dass ich die Hilfe auch gut gebrauchen könnte. AAAaaauuu. Beide Oberschenkel wollen gar nicht mehr so richtig. In der Halle sitzen und liegen sie herum. Alle mit einem fertigen Gesichtsausdruck, manchen sieht man die 42 Kilometer wirklich an. Mir auch? ich gehe nach draußen, Dirk empfängt mich. Grinsend. Ich falle ihm in die Arme.
Natürlich hat er mich wieder abgehängt, 3:43 irgendwas. Das darf doch nicht wahr sein. Wie hat er das nur geschafft? Ist mir egal, ich bin da, 3:46:08 steht auf meiner Uhr. Stefan taucht auf. Knapp hinter mir. Super. Auch er überglücklich. Krämpfe hätte er gehabt. Hat sie manchmal weggelaufen manchmal musste er dehen. Sogar noch direkt vor der Halle. So ein Teufelskerl. 3:48 irgendwas. Wahnsinn. Ich setze mich für einen Augenblick. Tut das gut. Dirk reicht mir sein Telefon, ich rufe meine Frau an. Dann will ich aufstehen. Geht nicht. Die Beine verharren in ihrer Position. AAAaaaaaaauuuuuu - noch viel stärker, als bei den Treppen. Hinsetzen war definitiv ein Fehler. Dirk und Stefan helfen mir hoch. Duschen, Soforturkunde, trinken, essen. Irgendwann fällt mir ein, dass die anderen doch in der Festhalle sich treffen wollten. So schnell ich durch die Gegend hoppeln kann, schlurfe ich in die Halle. Leer, keiner mehr da. Schade, aber es gibt ja noch Bertlich.
Epilog
Warum läuft man eigentlich Marathon? Diese Frage schießt mir immer wieder durch den Kopf, und ich hoffte, sie endlich nach dem Zieleinlauf beantworten zu können. Doch ich stehe immer noch da, zucke mit den Schultern und weiß keine Antwort. Muß ich mir da was beweisen? Oder gar jemand anderem? Irgendwie ja und irgendwie nein. Es ist irgendwann zum Selbstläufer geworden. Grundlos. War einfach da. Hat mich motiviert. Nach vorn gebracht. Mich nie daran denken lassen, aufzugeben, weder auf der Strecke noch im Training.
Warum Marathon? Der Antwort werde ich wohl erst näher kommen, wenn ich das Ganze nochmal wiederhole.
Ende
---snip---
PS: Wer Fehler findet, darf sie behalten. Wenn ich welche finde, versuche ich sie, im Laufe der Zeit noch auszumerzen.
Starterliste Frankfurt City Marathon 2004
Neue HM-PB: In 1:43:14 (19.09.2004) Bericht
[ Dieser Beitrag wurde von odie am 02.11.2004 editiert. ]
es hat etwas länger gedauert. Nach 2 Versuchen, die ichwegen der Überlänge abgebrochen habe, hier nun die endgültige Fassung (ist noch länger geworden).
Wäherend der Vorbereitung habe ich mir diese Frage immer wieder gestellt. Um sie zu beantworten, muss man vielleicht einen laufen, dachte ich mir. Dieser Bericht ist also der Versuch einer Antwort auf die Frage.
Man kann die Frage auch mit "ein T-Shirt mit einer freundlichen 42 vorne drauf" beantworten ;)
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Prolog
Da war er wieder. Der Wunsch, der Gedanke, einmal einen Marathon zu laufen. Zugegeben, es fühlte sich etwas anders an, als zuvor, aber er war wieder da. Da, nachdem er 4 Jahre lang verschwunden war. Damals nach meinem ersten Halbmarathon, als ich dache, der Marathon wär doch einfach nur eine Frages des Trainings. Um dann festzustellen, dass auch der Körper mitmachen muss. Nach 28km hatte ich es aufgegeben. Schmerzen im Knie. Hab nie nachgeforscht, was es war. Woher es kam. Egal, vergessen und begraben.
Nun aber war er wieder da. Der Halbmarathon in neuer Bestzeit, Dirk, der mir mal wieder um Nasenlänge voraus war, sein Vater, der mit dem Greif-Plan zu ungeahnten Höhen geflogen ist, das Forum, in dem sich haufenweise dieser Marathonis tummeln und dann diese Sendung: ich gebe zu, auch die hat ihn wieder zum Leben erweckt. Wenn die das schaffen, völlig Unsportliche - und das in 12 Monaten, dann sollte ich das doch auch irgendwie packen. Zumal ich schon trainingstechnisch mindestens auf der Hälfte stehe - wenn nicht noch weiter.
Also reift mit Dirk zusammen der Plan: erst mal die Umfänge steigern, bis wir 35km erreicht haben. Dann können wir Greif folgen, oder zumindest an den Countdown anlehnen. Gesagt getan. Jede woche treffen wir uns. Wir laufen immer mehr Kilometer. Und Mr. Hammermann persönlich sagt uns sehr oft guten Tag. Auf das Gefühl war ich nicht gefasst: der Puls ist ganz normal bis etwas erhöht - bei mir so um die 160 -da hat man den riesigen Wunsch, auf der Stelle stehen zu bleiben. Sich ins Gras zu legen und zu schlafen. Keinen Meter mehr will man gehen geschweige denn Laufen. Und irgendwie habe ich das Gefühl, Dirk trifft es weniger heftig und häufig - naja langsam finde ich mich damit ab, dass er wahrscheinlich weiterhin die Nase vorn haben wird.
Die Umfänge wachsen: 21, 23, 25, 27, 31, 33 - plötzlich der erste 35km Lauf mit den ersten Problem: bei Kilometer 25 gehts mir schon dreckig, ich kann kaum laufen. Bis Kilometer 30 schleppe ich mich noch, dann ist der Ofen endgültig aus. Nein diesmal war es kein Hammermann, das war was anderes. Ich tippe auf Erkältung, bin mir aber nicht sicher.
Pause, Erholung. 3 Wochen lang. Der Arzt kann nichts feststellen, also weitertrainieren. Dirk hat es mitlerweile geschafft, er hat die 35 geknackt. Mist. Bin ich schon wieder hinten dran. Im Urlaub mitten im Sommer fange ich wieder an. Erst unregelmäßig wieder ein paar Testläufe. Klappt schon ganz gut. Aus dem Urlaub zurück will ich dann wieder angreifen. Verabrede mich mit Dirk. Los gehts. Erst mal so 28 Kilometer. Es läuft super. Die Erholung hat gut getan. Wir laufen weiter. Es werden 30 an diesem Tag. Leichte Euphorie, den Durchhänger überwunden zu haben steigt in mir hoch. Dirk läuft, als würde es ihm nichts ausmachen. Zwar kann ich ihn beim Schlußsprint noch in Schach halten, bin danach aber viel fertiger als er - ich Angeber.
Nächste Woche verabreden wir uns zu meinem ersten 35er. Wir laufen Runden. Zwischendurch immer mal was trinken am Auto. Das ist auch notwendig. Bei den Temperaturen verliere ich ca. 1kg pro Stunde. Bei einer Belastungsdauer von 3:45 wäre ich schnell am Ende. Es klappt. Endlich, die magischen 35 - da sind sie. Yeah.
Dirk kann es nicht abwarten und läuft schonmal einen Marathon. Nur so, keine Zielzeit. Er will es endlich wissen. Ich auch, glaub mir. Bei 26 Grad rennt er die 42 Kilometer unter 4 Stunden. Unglaublich. Ok, er hat keine 3 wöchige Pause eingelegt, ist gut im Training. Innerlich ziehe ich meinen Hut.
An diesem Wochenende laufe ich auch. 35 Kilometer - eigentlich sind es 36. Hitze.
Ich Depp muss natürlich am späten Vormittag starten und über die Mittagszeit laufen. Und dann auch noch sieben Mal um diesen See. Was Langweiligeres gibt es ja wohl kaum. Egal. Die beste Lösung, um mich mit Getränken zu versorgen. Zum ersten Mal versuche ich sowas wie eine Endbeschleunigung. Au, das ist hart. Ich komme völlig fertig an. Zum Glück hat meine Frau mich mit Skates auf der letzten Runde begleitet. Autofahren kann ich nicht mehr. Mir ist schlecht. Kreislauf. Doofe Idee, bei der Hitze zu laufen.
Das Training verläuft nach Plan. Plan? Ja - Greif Plan. Der gefährliche. Der nichts ist für Anfänger. Ich muss es natürlich besser wissen. Klar. Ich bin anders. Keiner von "denen" - die Anfänger, die eben ... ich rede mich um Kopf und Kragen. Besserwisser - aber das wusste ich schon vorher.
Schnell noch einen Kurzurlaub in Dänemark. Langer Lauf am Strand - toll. Mit Endbeschleunigung. Und? Super, läuft wie am Schnürchen. Es sind dann eher 20 und nicht 12 Kilometer, die ich schnell laufe. Nicht ganz im Renntempo, eher so nach Pfitzinger. Auch egal. Es geht gut. Die letzten 4 Kilometer ist er auf einmal wieder da. Hallo, lange nicht gefühlt Herr Hammermann. Macht mir aber nichts. Ich fühl mich super.
Am nächsten Tag kommt die übliche Regenerationseinheit: so 12-15 Kilometer ganz locker traben. Aaaauuuaaa: mein linker Außenmeniskus zwickt, das Bein verkrampft. nach 13 Kilometern humpel ich fast nur noch durch die Gegend. Hab ich es geschafft? Bin ich überlastet? Kann ich meinen Traum wieder begraben?
Die nächsten Einheiten breche ich ab: geht nicht. Keine Chance. Das Knie kommt immer wieder. Ich bin den Tränen nah. Soll es das gewesen sein? Zu allem Überfluß kommt auch noch ein grippaler Infekt dazu. Eine Woche Pause - zusätzlich. Ausreden suchen, Durchhalteparolen. Beginne ich mein Tapering eben eine Woche früher. Gibt es eben keinen Testlauf. Mir doch egal. Ich wollte sowieso nicht die 3:38 angreifen, das wäre vermessen.
Endlich wieder gesund laufe ich mit andern Foris bei Porta Westfalica durch den Wald. Es rennt so gut wie kaum zuvor. Die Pause war gut. Kein Knie tut mehr weh. Langsam kommt die Hoffnung wieder. Ist auch höchste Zeit, das Rennen ist in einer Woche. Sonntag laufe ich mit Dirk noch einen langsamen mittellangen: so 20 bis 25 Kilometer, je nach Befinden. Prompt ist es wieder da, das Knie. nach 19 Kilometer bin ich fertig, die Nerven flattern. Abends telefoniere ich mit meiner Osteopathin. Die weiss doch sonst auch Rat. Montag soll ich vorbeikommen. Warum klingt ihre Stimme nicht so zuversichtlich wie sonst?!
Die Behandlung tut gut. Sieht so aus, als hat sie die Verspannung lösen können. 3 Tage Pause. Dann locker joggen - was anderes hatte ich sowieso nicht getan. Donnerstag Laufe ich locker - locker? 5:15 steht da auf meiner Uhr. Wow - schnell ändere ich den Plan und laufe ein paar ntervalle. Es läuft super, die Euphorie ist wieder da. Sonntag kann kommen. Locker.
Es ist Samstag, ich hole Julia, Stefans Freundin vom Bahnhof ab. Zu hause gabel ich meine Frau auf, die mehr oder weniger die Organisation übernommen hat, ich selbst bin nicht in der Lage, über Socken Schlafanzug und Zahnbürste nachzudenken. Bin ich froh, dass sie mitkommt. Kaum ein Groupie hat sich wiedergemeldet. Das wär doch recht einsam. Wir fahren in Hildesheim vorbei, gabeln Dirk auf. Die Fahrt nach Frankfurt lenkt mich ein wenig von meiner Nervosität ab. Immer wieder schießt mir ein Bild durch den Kopf: ich mit beiden Armen in die Höhe gerissen im Ziel. Dirk sieht ziemlich cool aus, will der mich ärgern?
Endlich Frankfurt. Wir kurven durch die Straßen, irgendwann verliere ich die Orientierung, aus welcher Richtung wir eigentlich gekommen sind. Gut, dass wir Navi haben. Immer tiefer nach Frankfurt führt der Weg. Rechts, links, und auf einmal zwischen den riesen Hochhäusern der Banken. Kilometer 38. Morgen kommen wir hier vorbei. Rechts, links, ich weiss nicht mehr wie oft. Die Straßen sehen schäbig aus. Und bunt!? Geradeaus ist der Bahnhof zu sehen. Hier will ich ja nachts nicht allein auf der Straße langgehen. Das ist ja wie - das ist das Rotlichtviertel!?! Wo ist die Pension von Julia und Stefan? In dieser Straße? Gelächter. Grinsen. Ich kanns kaum glauben. Direkt über einer Striptease Bar. Julia steigt aus. Wir fahren weiter. Können wir sie so allein dortlassen?
Unser Hotel ist ok. Nur die Matratze nicht. Das wird bestimmt keine entspannte Nacht. Wir gehen zur Messe, Unterlagen abholen, die anderen Treffen, Nudeln futtern. Und über die Pension von Julia und Stefan lachen. Peter ist auch in der Straße untergekommen interessant. Nachdem wir ausgiebig Nudeln in uns hineingeschaufelt haben gehen wir ins Hotel. Fernsehen, Uhr zurückstellen, schalfen. Schalfen? Pustekuchen nix da. Das Bett macht mir einen Strich durch die Rechnung. Dazu noch der Lärm der anderen Gäste im Hotel. Klasse. Tolle Mischung: Müdigkeit und Nervosität.
Am nächsten Morgen bin ich schnell auf den Beinen. Die Nacht war zwar bescheiden, aber das verdränge ich. 2 Brötchen mit Honig und 2 Tassen Kaffee - ist das zuviel? Wir machen uns fertig und gehen zur Messe. Die Nervosität muss ich wohl im Hotel vergessen haben, jedenfalls fühle ich mich deutlich ruhiger als in der Nacht noch. Auf der Messe treffen wir Stefan und Peter. Später dann noch Käferin, Eric und Sigi. Der Rest der 16 Läufer lässt sich nicht blicken. Egal, kann ich mich nicht mehr drauf konzentrieren, langsam wird es ernst.
Das Rennen
Dirk, Stefan und ich beschließen, gemeinsam eine 3:45 anzupeilen. Der Start verläuft wie üblich. Stop and Go. Erst ab der Startlinie gehts flüssig weiter. Die Ersten Kilometer sind wir etwas langsam. Da müssen wir etwas Gas geben. Klapp auch. Die Kilometer fliegen nur so vorbei. Immer wieder stehen Samba-Kombos am Straßenrand die wie bessessen auf ihre Trommeln einprügeln. Wow, das nenne ich Aufputschmittel. Viele Zuschauer säumen die Strecke. Schon zu Beginn werde ich immer wieder mit Namen angefeuert. Ein Fori? Keine Ahnung, ich bin zu schnell vorbei.
Unsere Geschwindigkeit stabilisiert sich. Ich laufe voran, Dirk und Stefan leicht hinter mir. Es rollt, es geht super und wir überholen pausenlos. Dabei sind wir doch knapp hinter dem Block mit der Zielzeit von 3:30-3:45 gestartet? Ich bin etwas irritiert. Dieses Frage kann ich mir bis zum Ende nicht beantworten. Die Verpflegungsstände sind vorbildlich. Kein Gedränge, immer genügend Wasser und wenn man genau aufpasst, bekommt man auch welches ohne Kohlensäure.
Langsam lichtet sich der Nebel, die Sonne lugt hervor. Kann gar nicht verstehen, warum die Leute Frankfurt nicht mögen. Ist doch schön hier. Kaum ein Abschnitt, an dem nicht wenigstens ein paar Leute stehen, häufig sogar mit Musik. Und windig
ist es auch so gut wie nicht. Einen besseren Tag hätten wir uns nicht aussuchen können. Wir laufen, wir rennen, wir fliegen über die Strecke. Jeden Kilometer nehem ich die Zwischenzeit. Es läuft klasse. Nach Kilometer 14 erhöhen wir das Tempo ein wenig. So ist der Plan. So wird er umgesetzt. Stefan fängt an, bei den Verpflegungsständen sich eine Banane reinzudrücken. Dirk und ich begnügen uns mit Squeezy und Wasser. Aber Stefan schafft es immer wieder aufzuschließen. Der Halbwarathon fliegt nach 1:51:57 an uns vorbei. Super Zeit das läuft riesig. Eigentlich wollten wir bei Kilometer 28 noch eine Schippe draufpacken, lassen es aber, da die Kilometerzeiten schon stimmen.
Dirk hat mitlerweile die Führung übernommen. Ich begrüße meine Beine, die sich langsam bemerkbar machen. Die sind also doch da. Irgendwo nach Kilometer 26 plötzlich ein Geräusch, als hätte ein Fahrrad eine Vollbremsung gemacht. Bislang habe ich vermieden, mich allzuoft umzudrehen, kann es aber nicht lassen. Stefan strauchelt und fängt sich gerade so bevor er auf dem Asphalt aufschlägt. Sieht komisch aus das Bild, ein Arm nahe dem Boden als wäre er zu lang und irgendwie verdreht. Was macht der da? Die Auflösung: sein Powergel, dass er die ganze Zeit in der Hand gehalten hat (damit es warm wir und sich das Aroma besser entfaltet?) war ihm aus derselben gefallen. Mit akrobatischen Tritten und wildem Armgefuchtel hat er versucht, es wieder aufzulesen, was jedoch misslang.
Nach diesem kleinen Zwischenfall ist er plötzlich weg. Dirk macht mich darauf aufmerksam, ich selbst zucke mit den Schultern. "Ich bleib an euch dran, solang es geht." klingt mir in den Ohren. Ist es schon soweit? Das wäre wirklich schade. Aber da ist er wieder. "Musste mich eben kurz dehen - kleiner Krampf". Ich bewundere die Leistung, immer wieder kleine Sprints einzulegen, um zu uns aufzuschließen. Dirk trinkt mitlerweile sein Wasser im Laufen, ich im Gehen, also bleibt auch mir nach den Verpflegungsständen nicht viel übrig, als zu Dirk aufzuschleißen. Klappt aber gut, kein Problem.
Langsam wird es ruhiger, ich gucke etwas mehr auf die Straße und fühle in mich hinein. Was macht das linke Bain, was das Knie? War da eben was? Nein, es rollt noch. Zwar nicht mehr so locker, wie vorher, das ist aber auch kein Wunder, immerhin sind bereits 30 Kilometer und 2:39 vorbei. Wir laufen die Mainzer Landstraße entlang und selbst hier kommt es mir nicht sehr einsam vor.
Selbst hier stehen die Leute mit Schildern am Rand und feuern an. Klasse. Dirk macht ganz klar die Pace, ich hänge dran. Es wird langsam schwerer. Ab Kilometer 33 gehen die Zeiten wieder etwas hoch. Mir ist das egal, ich laufe so weiter. Schneller gehts auch nicht. Da macht mein Kopf nicht mit. Außerdem zwickt jetzt mein rechter Oberschenkel. Das hatte ich noch nie. Erschöpfung im Oberschenkel. Na sowas. Wir nähern uns langsam wieder der Messe. Stefan hat es irgendwann nicht mehr geschafft, ganz zu uns aufzuschließen. Bei Kilometer 37 passieren wir unser Hotel. Auto steht noch da. Weiter denke ich nicht. Das Bein tut schon ganz schön weh. Dirk ist 5 Meter vor mir. Noch. Plötzlich zieht er an. Ich versuche, mich dranzuhängen.
Irgendetwas weigert sich. Mist dann nicht. Ein Läufer, der uns die letzten Kilometer als Pacemaker benutzt hat wird nun zu meinem Hasen. Solange ich seine blaue Jacke noch sehen kann, ist alles in Ordnung. Da bleib ich dran, der ist nicht so schnell, das schaffe ich. Bei Kilometer 38 stehen meine Frau und Julia. Sie schreien aus voller Kehle, hüpfen, freuen sich. Ich ruf ihnen nur trocken zu "Stefan kommt da hinten irgendwo". Und schon sind sie vorbei. Mist, da drüben ist das Ziel. In Reichweite. Jetzt würd ich doch schon gern ankommen. Aber vorher geht es nochmal durch die Stadt an der Oper vorbei. Bei Kilometer 40 dann das letzte Wasser. Mir wird fast schlecht, so schlecht schmeckt das. Was haben die da denn reingetan? Über Kopfsteinpflaster geht es wieder leicht bergab. Ja zurück, da will ich hin.
Immer wieder versuche ich anzutreten, mein Tempo zu verschärfen. Es klappt aber nur für ein paar Schritte, dann falle ich wieder zurück in meinen alten Trott. Die Läufer, die mich überholen und diejenigen, die ich selbst überhole, halten sich in Waage. Dann ein Schild: "Quäl Dich Du sau." Jau, grenau das hab ich vor. "Noch 600 Meter" ruft einer, ein paar Schritte weiter "Los, sind nur noch 700 Meter" - ja was denn? Lauf ich rückwärts? Die sollten sich mal einigen. Schon wieder ein 600 Meter Rufer. Naja, da vorn sehe ich den Mann mit dem Hammer - der Eingang der Messe
er kommt immer Näher. Gleich ist es vorbei, jetzt schon mal das lockere Lächeln üben.
Die Straße ist eng, es passen knapp drei Leute nebeneinander. Das Publikum ist frenetisch. Immer wieder wird mein Name gerufen. Ist das Geil. Ein Schauer läuft mir über den Rücken. Ist mir kalt? Um den Messeturm herum, 42 Kilometer, jetzt sind es nur noch 195 Meter. Läppische. Ich komme in die Festhalle. Getöse. Leute sind am Jubeln, Musik, ein Sprecher erzählt irgendwas. Ich kann auf nichts mehr achten. Reiße die Arme hoch. Ich bin im Ziel. Ich schreie. Ein Läufer neben mir zuckt zusammen. Tschuldigung. Ich schreie trotzdem nochmal. Dann der Zielstrich. Ende. Da bin ich. Uhr. Zwischenzeit. Weitergehen.
Auf einmal bin ich nicht mehr in der Festhalle. Es geht ein paar Stufen runter. Lächelnd sehe ich zu, wie Helfer ein paar Läufern die 3 Stufen herunterhelfen. Ich setze an und sofort merke ich, dass ich die Hilfe auch gut gebrauchen könnte. AAAaaauuu. Beide Oberschenkel wollen gar nicht mehr so richtig. In der Halle sitzen und liegen sie herum. Alle mit einem fertigen Gesichtsausdruck, manchen sieht man die 42 Kilometer wirklich an. Mir auch? ich gehe nach draußen, Dirk empfängt mich. Grinsend. Ich falle ihm in die Arme.
Natürlich hat er mich wieder abgehängt, 3:43 irgendwas. Das darf doch nicht wahr sein. Wie hat er das nur geschafft? Ist mir egal, ich bin da, 3:46:08 steht auf meiner Uhr. Stefan taucht auf. Knapp hinter mir. Super. Auch er überglücklich. Krämpfe hätte er gehabt. Hat sie manchmal weggelaufen manchmal musste er dehen. Sogar noch direkt vor der Halle. So ein Teufelskerl. 3:48 irgendwas. Wahnsinn. Ich setze mich für einen Augenblick. Tut das gut. Dirk reicht mir sein Telefon, ich rufe meine Frau an. Dann will ich aufstehen. Geht nicht. Die Beine verharren in ihrer Position. AAAaaaaaaauuuuuu - noch viel stärker, als bei den Treppen. Hinsetzen war definitiv ein Fehler. Dirk und Stefan helfen mir hoch. Duschen, Soforturkunde, trinken, essen. Irgendwann fällt mir ein, dass die anderen doch in der Festhalle sich treffen wollten. So schnell ich durch die Gegend hoppeln kann, schlurfe ich in die Halle. Leer, keiner mehr da. Schade, aber es gibt ja noch Bertlich.
Epilog
Warum läuft man eigentlich Marathon? Diese Frage schießt mir immer wieder durch den Kopf, und ich hoffte, sie endlich nach dem Zieleinlauf beantworten zu können. Doch ich stehe immer noch da, zucke mit den Schultern und weiß keine Antwort. Muß ich mir da was beweisen? Oder gar jemand anderem? Irgendwie ja und irgendwie nein. Es ist irgendwann zum Selbstläufer geworden. Grundlos. War einfach da. Hat mich motiviert. Nach vorn gebracht. Mich nie daran denken lassen, aufzugeben, weder auf der Strecke noch im Training.
Warum Marathon? Der Antwort werde ich wohl erst näher kommen, wenn ich das Ganze nochmal wiederhole.
Ende
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PS: Wer Fehler findet, darf sie behalten. Wenn ich welche finde, versuche ich sie, im Laufe der Zeit noch auszumerzen.
Starterliste Frankfurt City Marathon 2004
Neue HM-PB: In 1:43:14 (19.09.2004) Bericht
[ Dieser Beitrag wurde von odie am 02.11.2004 editiert. ]